Abgeordnetenstatut und Kostenregelungen im Spiegel medialer Berichterstattung

Gute Argumente oder Medienpolemik?


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Genese des Abgeordnetenstatuts

3. Von Arnim: Wissenschaftlich fundierte Ablehnung des Abgeordnetenstatuts

4. Die mediale Berichterstattung vor der Ablehnung des Statuts im Ministerrat
4.1. Die Kampagne der Bild-Zeitung
4.2. Die Berichterstattung des Spiegel
4.3. „Seriöse“ Berichterstattung über das Abgeordnetenstatut

5. Die mediale Berichterstattung nach der Ablehnung des Statuts im Ministerrat
5.1. Von Arnim: Kostenerstattung und mediale Meinung
5.2. Hans-Peter Martin und die Tagegelder: Die Stern-Berichterstattung
5.3. Fortsetzung der Bild-Kampagne: Tagegelder und ein offener Brief

6. Der endgültige Entwurf: Das Abgeordnetenstatut

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

« Ich wünsche mir eine Rubrik „Was die Bild-Zeitung über Europa berichtet und wie es wirklich war“. »

(Günter Verheugen, Vizepräsident der Europäischen Kommission, Unternehmen und Industrie, anlässlich der Gala zum 50-jährigen Bestehen des WDR)

Immer wieder wird die mangelnde Transparenz der Europäischen Union beklagt. Gerade das Europäische Parlament leidet unter fehlendem öffentlichen Verständnis seiner Funktionsweise. Besonders deutlich wurde dies im Fall des geplanten Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments, das erst im September 2005 verabschiedet werden konnte, nachdem die Anfang des Jahres 2004 einsetzende mediale Berichterstattung über die neuen Gehaltsregelungen eine deutsche Ablehnung des Statuts im Ministerrat bedingt hatte. Gemeinsam mit Frankreich, Schweden und Österreich stimmte die Bundesrepublik gegen einen Statutsentwurf, der vorher im EU-Parlament beschlossen worden war.

In der vorliegenden Arbeit soll eben diese Berichterstattung deutscher Medien nachgezeichnet werden, die zu einem Umschwenken Deutschlands in seiner Haltung zum Abgeordnetenstatut führte. Vorwiegend wird zu diesem Zweck auf Zeitungsberichte zurückgegriffen, da zu diesem Thema nahezu keine wissenschaftliche Literatur existiert. Einzig der Speyrer Hochschulprofessor Hans Herbert von Arnim veröffentlichte eine wissenschaftliche Untersuchung, die nach einer kurzen Schilderung des Geneseprozesses des Abgeordnetenstatuts als akademisch fundierte Kritik an dem damals geplanten Entwurf des Rechtstextes skizziert werden soll.

Auf eben diese Kritik von Arnims stützte sich die Berichterstattung der Bild-Zeitung und des Magazins Der Spiegel. Der journalistische Umgang dieser beiden Medien mit dem Thema soll aufgearbeitet und dem medialen Umgang „seriöser“ Medien gegenübergestellt werden. Keinesfalls soll dem Spiegel die journalistische Seriosität abgesprochen werden. Jedoch zeigt sich – genau wie bei der Bild-Zeitung – eine gewisse journalistische Einseitigkeit im Umgang mit dem Thema. Demgegenüber soll unter „seriöser“ Presse auch keine mit ultimativen Wahrheiten operierende, sondern eine gemäßigtere Berichterstattung verstanden werden. Zu beachten ist die mediale Meinungsmacht, die gerade der Bild-Zeitung, aber auch dem Spiegel zukommt. So kam der Spiegel im Jahr 2004 auf eine durchschnittliche Auflagenreichweite von 1 100 489 Exemplaren. Die Bild-Zeitung erreichte im gleichen Jahr pro Ausgabe gar 3 826 671 Leser.[1]

Nachdem das Abgeordnetenstatut im Ministerrat gescheitert war, brach die mediale Berichterstattung keinesfalls ab. Nun richtete sich die journalistische Betrachtung – in Gang gesetzt durch die Reportagen des RTL-Magazins Stern TV – auf die den EU-Parlamentariern gewährten Zusatzkostenzahlungen. Auch hier soll der journalistische Umgang mit der Materie rekonstruiert werden.

Da das Abgeordnetenstatut Ende des Jahres 2005 schließlich zustande kam, werden in einem weiteren Teil die ab 2009 in Kraft tretenden Regelungen geschildert, so dass im Fazit die Frage beantwortet werden soll: Handelte es sich bei der boulevardesken Berichterstattung über das Abgeordnetenstatut um reine Medienpolemik oder wurden erfolgreich bestehende Missstände der neuen Rechtsordnung angeprangert?

2. Die Genese des Abgeordnetenstatuts

Im „Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments" von 1976 wurde keine einheitliche Regelung bezüglich der Abgeordnetendiäten getroffen. Daher erfolgte die Bezahlung der Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) – mit Ausnahme der niederländischen Abgeordneten[2] – auch nach dem Juni 1979, in dem die ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament durchgeführt wurden, nach den unterschiedlichen nationalen Abgeordnetengesetzen. Seither bestanden große Unterschiede zwischen den Gehältern der einzelnen MdEP.[3] So verdiente ein italienischer Abgeordneter im Jahr 2004 144 084 Euro im Jahr, während sein spanischer Amtskollege nur eine Vergütung in Höhe von 38 396 Euro erhielt. Ungarische MdEP hingegen bekamen lediglich 10 080 Euro per annum.[4] Die deutschen MdEP wurden, genau wie die nationalen Bundestagsabgeordneten, mit Diäten in Höhe von 7009 Euro monatlich entlohnt. Weiterhin erhielten sie Zusatzzahlungen, etwa für Reisekosten, Tagegelder, Altersicherung und Mitarbeiterzulagen.[5]

Unter der Leitung des SPD-Abgeordneten Willi Rothley wurde 1998 der erste Entwurf eines Abgeordnetenstatuts vorgelegt. Verschiedene Berechnungsvarianten wurden geprüft. Eine externe, unabhängige Expertenkommission riet dazu, die Gehälter aus den Durchschnittseinkommen aller damaligen 15 Mitgliedsstaaten zu errechnen.[6] Ein anderer Vorschlag sah vor, die Einkommen aus dem Mittel der in den vier größten Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien gezahlten Beträge zu bemessen.[7]

Erst am 4. Juni 2003 stimmte das Europäische Parlament schließlich für das Statut, bei dem Willi Rothley erneut als Berichterstatter fungierte. Der Rat beanstandete jedoch einige Punkte des beschlossenen Statuts. Daher reagierte das Parlament mit Zugeständnissen: So wurde den Mitgliedsländern die Möglichkeit eingeräumt, eine nationale Einkommenssteuer auf die Gehälter der MdEP zu erheben. Nachdem der Rat für ein Renteneintrittsalter von 65 Jahren plädiert und das Parlament für 60 Jahre gestimmt hatte, einigte man sich auf ein Rentenalter von 63 Jahren. Die Regelung der Immunitäten und Prioritäten, die Teil der Primärrechte der EU sind, wurde aus dem Abgeordnetenstatut entfernt.[8] Der endgültigen Fassung wurde schließlich am 17. Dezember des gleichen Jahres zugestimmt.

Vorgesehen war nun – erneut ermittelt durch eine externe Expertenkommission – eine Vergütung in Höhe des halben Gehalts eines Richters am Europäischen Gerichtshof. Dieser Betrag sollte der EU-Gemeinschaftssteuer unterliegen.[9] Nach großem medialen Echo lehnten Deutschland, Frankreich, Schweden und Österreich jedoch am 26. Januar 2004 den parlamentarischen Vorschlag im Ministerrat, der bei Steuerfragen einstimmig entscheiden muss, ab.[10] Erst anderthalb Jahre später, unter dem luxemburgischen Ratspräsidenten Jean-Claude Juncker, am 28. September 2005, wurde – nach Anhörung des Rates am 19. Juli 2005 – ein Abgeordnetenstatut vom Parlament beschlossen, das nach der nächsten Europawahl 2009 in Kraft treten wird.

3. Von Arnim: Wissenschaftlich fundierte Ablehnung des Abgeordnetenstatuts

Der Speyrer Hochschulprofessor Hans Herbert von Arnim legte als erster eine wissenschaftlich fundierte Analyse des geplanten Abgeordnetenstatuts vor und avancierte zu dessen größtem Kritiker.

„Die derzeitige Regelstruktur, die EU-Abgeordneten dieselben Heimatgehälter wie ihren nationalen Kollegen gibt, ist meines Erachtens systemgerecht. EU-Parlamentarier vertreten kein einheitliches europäisches Volk; ein solches existiert nicht. Die Europäischen Verträge sehen sie vielmehr als ‚Abgeordnete der Völker der in der Gemeinschaft vereinigten Staaten’“[11], verteidigt Arnim die bestehenden Regelungen. Auch die Wahl der Abgeordneten werde schließlich nach nationalen Listen durchgeführt.

Die Gehälter seien für den „Lebensunterhalt der Abgeordneten“[12] in deren Heimatländern vorgesehen. Daher betont von Arnim, dass aufgrund des unterschiedlichen Lebensstandards und der verschiedenen Einkommensverhältnisse in den Mitgliedsländern eine Gehaltsangleichung zu einer Sprengung der jeweiligen nationalen Gehalts- und Altersversorgungsverhältnisse führen würde, da die MdEP hierdurch mehr als ihre Wähler und als ihre nationalen Kollegen verdienten.[13]

[...]


[1] Daten nach IVW (Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.). Im Internet unter: http://www.ivw.de/.

[2] Vgl. Corbett, Richard/ Jacobs, Francis/ Shackleton, Michael: The European Parliament. London. 62005, Seite 61.

[3] Vgl. Hausmann, Hartmut: Empörung in Straßburg über deutsche Boulevardzeitung. Abgeordnetenstatut auf der Regierungskonferenz regeln, in: Das Parlament, 44 (2003).

Im Internet unter: http://www.das-parlament.de/2003/44/Europa/004.html., (Abruf: 12.01.06).

[4] Zahlen nach: Corbett/ Jacobs/ Shackleton, Seite 61.

[5] Vgl. Rittel, Claudia: So ging's schon mal nicht. Das gescheiterte Abgeordnetenstatut 2004, Erstellungsdatum: 14.3.2005. Im Internet unter:

http://www.europa-digital.de/aktuell/dossier/mepgeld/statut.shtml., (Abruf: 17.12.05).

[6] Vgl. Corbett/ Jacobs/ Shackleton, Seite 66.

[7] Vgl. Arnim, Hans Herbert von: 9053 Euro Gehalt für Europaabgeordnete? Der Streit um das europäische Abgeordnetenstatut. Berlin 2004, Seite 15.

[8] Vgl. Behnken, Philip: Die Frage der Woche. Wann kommt das neue Abgeordnetenstatut?, Erstellungsdatum: 5.6.2003. Im Internet unter: http://www.europa-digital.de/aktuell/fdw/statut.html., (Abruf: 17.12.05).

[9] Vgl. Corbett/ Jacobs/ Shackleton, Seite 66/67.

[10] Vgl. Arnim: 9053 Euro Gehalt für Abgeordnete?, Seite 44.

[11] Ebd., Seite 13.

[12] Ebd., Seite 13.

[13] Vgl. Arnim: 9053 Euro Gehalt für Abgeordnete?, Seite 14 und 18.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Abgeordnetenstatut und Kostenregelungen im Spiegel medialer Berichterstattung
Untertitel
Gute Argumente oder Medienpolemik?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Sozialwissenschaft)
Veranstaltung
Parlamentarismus in Europa - Funktionen und Strukturen des Europäischen Parlaments
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V118467
ISBN (eBook)
9783640214877
ISBN (Buch)
9783640214945
Dateigröße
562 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Abgeordnetenstatut, Kostenregelungen, Spiegel, Berichterstattung, Parlamentarismus, Europa, Funktionen, Strukturen, Europäischen, Parlaments
Arbeit zitieren
Andree Czerwinski (Autor:in), 2006, Abgeordnetenstatut und Kostenregelungen im Spiegel medialer Berichterstattung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118467

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Abgeordnetenstatut und Kostenregelungen im Spiegel medialer Berichterstattung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden