Reisende und Entdecker

Das Problem des Anderen in Tzvetan Todorovs "Die Eroberung Amerikas"


Studienarbeit, 2005

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Christoph Kolumbus (Christóbal Cólon)

2. Bartolomé de Las Casas

3. Hernán Cortés

4. Beziehungen zwischen Eroberern und Eroberten
4.1. Die Beziehungsebenen bei Kolumbus und Cortés
4.2. Wandel der Beziehung bei Las Casas?

5. Typologie der Beziehungen

6. Bibliographie

Einleitung

Tzvetan Todorovs Abhandlung Die Eroberung Amerikas – Das Problem des Anderen, die Arbeitsgrundlage der vorliegenden Hausarbeit ist, beschäftigt sich ausgiebig mit drei bedeutenden Männern des 15., bzw. 16. Jahrhunderts: Es handelt sich um den großen Eroberer Christoph Kolumbus (span.: Chrstóbal Colón), den Entdeckungsreisenden Hernán Cortés und den Missionar Bartolomé de Las Casas.

Die Eroberung Amerikas ist für Todorov vor allen Dingen deshalb ein einmaliges Ereignis in der Geschichte, weil es – auf europäischer und amerikanischer Seite – die intensivste Begegnung von Menschen mit dem Fremden darstellte[1]. Die Reise zum wesentlich weiter entfernten Mond im Apollo-Programm der USA des 20. Jahrhunderts ist dagegen relativ unspektakulär und auch sonst gab es keine vergleichbare Begegnung mit einer den Menschen völlig unbekannten Welt. Dass diese Begegnungen alles andere als einen interkulturellen Dialog zwischen den Einheimischen und den Eroberern bedingten, mag zunächst in der Natur der Sache gelegen haben: Von vornherein waren die Expeditionen auf die Bereicherung der Europäer ausgerichtet, wenn auch der Entdecker Kolumbus keinesfalls aus bloßer Habgier zu seinen Abenteuern aufbrach. Zwar bezog sich das Wort Erobern zunächst auf die Landnahme der entdeckten Gebiete, doch sollte im nächsten Schritt auch der Mensch auf dem neuen Kontinent zum Objekt degradiert werden (sofern er damals überhaupt je als Mensch angesehen wurde). Seit Kolumbus’ Überquerung des atlantischen Ozeans und seiner Ankunft in Amerika 1493 hat der Zusammenprall zweier grundverschiedener Kulturen unterschiedliche Beziehungsebenen hervorgerufen. Die vorliegende Arbeit möchte einige dieser Ebenen aufzeigen, diskutieren und sodann auf die in Todorovs Kapitel Typologie der Beziehung zu anderen aufgeführten „drei Achsen der Alterität“[2] eingehen. Zuvor gibt sie einen kurzen biographischen Einblick in das Leben und Wirken der drei genannten historischen Persönlichkeiten, die exemplarisch für das Phänomen der Fremdheitsproblematik bei der Eroberung Amerikas angeführt werden.

1. Christoph Kolumbus (Chrsitóbal Colón)

Christoph Kolumbus, der 1451 in Genua geboren wurde, wollte im Auftrag der spanischen Krone einen möglichst kurzen Seeweg nach Asien finden und geriet dabei irrtümlich in die Karibik, wo er Mittelamerika entdeckte. Wenngleich der aus einer Weberfamilie stammende kaufmännische Angestellte schon öfters beruflich zur See gefahren war, so ist seine gefahrvolle Überfahrt über den atlantischen Ozean wohl nicht in erster Linie aus beruflichen und damit materiellen Interessen motiviert, sondern entspringt eher einer wissenschaftlichen Neugierde, die sich auf die Lektüre von Strabo, Aristotels und Seneca gründete. Die antiken Autoren sprachen bereits von einer Westfahrt in Richtung Indien, die Kolumbus nun in die Tat umsetzen wollte[3]. Bestärkt von den Aufzeichnungen des Astronomen Toscanelli (der die Entfernungen zwischen dem Westen Europas und dem Osten Asiens in seinem Kartenmaterial völlig falsch angab), warb Kolumbus um die Unterstützung der portugiesischen und der spanischen Regierung. Am 17. April 1492 gelang es ihm, die spanische Krone für die Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrages zu gewinnen. Für die Reise wurden ihm drei Schiffe, die Würden eines Großadmirals, sowie des Vizekönigs der zu entdeckenden Länder und ein Zehntel aller Einnahmen aus den neuen Gebieten zugesichert. Obwohl also das wissenschaftliche Interesse und die Neugierde Antriebsfeder für die Unternehmungen des Kolumbus waren, stand dieser unter dem Erfolgsdruck seiner Geldgeber, die sich Gold und Besitztümer von der Reise versprachen.

2. Bartolomé de Las Casas

Der aus Sevilla stammende Bartolomé de Las Casas wurde im August 1447 als Sohn eines Händlers geboren und begleitete Kolumbus auf seiner zweiten Reise nach Amerika. 1502 war der gelernte Jurist Berater des kolonialen Gouverneurs auf einer der Westindischen Inseln, bevor er 1512 zum Priester geweiht wurde. Die nach der Eroberung vorherrschenden Missstände in der neu entdeckten Welt veranlassten ihn dazu, sich gezielt für die Abschaffung der Sklaverei und die Verbesserung der indianischen Lebensbedingungen einzusetzen. Die von seinen Landsleuten an den Indianern verübten Misshandlungen und Massaker waren dem Missionar aus eigener Erfahrung wohl bekannt. Nicht zuletzt bekam er selbst zum Dank für seine Dienste im Auftrag der spanischen Krone Land geschenkt, das von Zwangsarbeitern bewirtschaftet wurde. 1514 entschloss sich Las Casas, seine Besitztümer in Amerika zu verlassen und nach Spanien zurück zu kehren, um am königlichen Hof weiterhin für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Indianer zu kämpfen, kehrte aber ein Jahr später wieder zurück nach Hispaniola (das damals von Kolumbus La Isla Española genannt wurde).

3. Hernán Cortés

Hernán Cortés, geboren im Jahre 1485 in Medellín, eroberte das gesamte Aztekenreich, ließ 1521 dessen Hauptstadt Tenochtitlán am Ende seines Siegeszuges vollständig zerstören und errichtete an derselben Stelle Mexiko Stadt[4]. Diese Eroberung konnte ihm nur gelingen, da er sich das Wissen der Einwohner der zuvor (im Jahre 1519) eroberten Stadt Tabasco zunutze machte. Im Laufe seines Feldzuges, welcher u.a. zur Errichtung der Stadt Veracruz (vormals: La Villa Rica de la Vera Cruz) führte, verbündete sich Cortés mit den von ihm bezwungenen Stamm der Tlaxcalteken. Diese zogen mit ihm gegen Moctezuma, dem König der Azteken, zu Felde. In der Folge der sog. Noche Triste am 30. Juni 1520, in der alle Spanier und ihre Verbündeten von den Azteken aus ihrer Hauptstadt vertrieben wurden, ging Cortés mit großer Grausamkeit gegen die einheimische Bevölkerung vor. Wegen seiner erbeuteten Reichtümer genoss der Eroberer allerdings ein gutes Ansehen in seinem Heimatland und wurde 1522 zum Statthalter von Neuspanien ernannt.

4. Beziehungen zwischen Eroberern und Eroberten

Man kann getrost sagen, dass die drei oben vorgestellten Weltreisenden jeweils für eine unterschiedliche Beziehungsebene zwischen Eroberern und Eroberten stehen: Kolumbus als naturwissenschaftlich interessierter Entdecker einer (aus europäischer Sicht) neuen Welt, der den Spaniern und Portugiesen überhaupt den Zugang zu Menschen und auch Ressourcen des entdeckten Kontinents eröffnete; Cortés als der Eroberer, der mit eiserner Hand gegen die Azteken vorging, um diese zu unterwerfen und auszubeuten, und schließlich Las Casas als Missionar, welcher dem System der Ausbeutung aus seiner christlichen Überzeugung heraus entgegen trat.

Es erscheint zunächst nahe liegend, in den genannten unterschiedlichen Beziehungen eine Entwicklung zu sehen, die auf verschiedenen zeitlichen Ebenen angesiedelt ist und eine gewisse innere Logik der Entwicklung menschlicher Beziehungen hat. Eine solche (falsche!) Überlegung könnte wie folgt aussehen: Nach der Entdeckung folgt zunächst eine Phase des Unverständnisses zwischen den Kulturen. Die europäische Kultur setzt sich daraufhin mit militärischen Mitteln gegen die kräftemäßig unterlegene indianische, bzw. aztekische Kultur durch – es kommt infolgedessen zur Eroberung des Landes, nach der sich die Einsicht einstellt, dass es sich bei den Einheimischen auf dem neuen Kontinent auch um Menschen (ja vielleicht gar um bessere, da „ursprüngliche“ Menschen) handelt, als man sie in Europa antreffen kann. Daraufhin treten Missionare wie Las Casas auf den Plan, die den reinen Menschen einen reinen Glauben lehren sollen, um die wiederum neu entdeckten Potentiale des „Wilden“ als naturbelassenen Menschen in seinem Paradies zur vollen Entfaltung bringen zu können.

Schon in dem letzten Satz dieser frei erfundenen Entwicklung menschlicher Beziehungen auf frisch erobertem amerikanischen Boden entlarvt sich der Trugschluss der Behauptung: Am Ende der Kette EntdeckungEroberungMissionierung steht nämlich einmal mehr eine problematische Entdeckung (die in Wahrheit eine Projektion des Wertesystems auf das fremde Volk ist).

[...]


[1] Todorov, Tzvetan. Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1982: 13 f.

[2] Todorov, 1982: 221 f.

[3] zu Biographie vgl. Bitterli, Urs. Die Entdeckung Amerikas: Von Kolumbus bis Alexander von Humboldt. München: Beck, 1999.

[4] zu den biographischen Daten vg. Hartau, Claudine. Hernando Cortés. Reinbek: Rowohlt, 1994.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Reisende und Entdecker
Untertitel
Das Problem des Anderen in Tzvetan Todorovs "Die Eroberung Amerikas"
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltung
„Fremdheit, Kultur und Differenz in der neueren Philosophie“
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V118344
ISBN (eBook)
9783640215065
ISBN (Buch)
9783640215164
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reisende, Entdecker, Kultur, Differenz, Amerika, Christoph Columbus, Bartolomé de las Casas, Fremdheit, Eroberung, Philosophie, Hernán Cortéz, Neue Welt, Tzvetan Todorov, spanisches Kolonialreich, Missionierung, Kolonialismus
Arbeit zitieren
Jan H. Hauptmann (Autor:in), 2005, Reisende und Entdecker , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118344

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