Antisemitismus und Antizionismus in der DDR


Seminararbeit, 2006

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Antizionismus in der DDR

3. Antisemitismus in der DDR
3.1. Der Fall Paul Merker
3.2. Die Lage der jüdischen Gemeinden in der DDR

4. Schlussbemerkung

5. Literatur

1. Einleitung

Die DDR verstand sich als antifaschistischer Staat, wobei sie sich nicht als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches ansah[1]. Gab es in der DDR Antisemitismus? Und wenn ja, wie kann ein antifaschistisches Land antisemitisch sein?

Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Themas, fragte ich verschiedene ehemalige DDR-Bürger, was sie dazu denken. Alle ohne Ausnahme waren der Meinung, dass es in der DDR keinen Antisemitismus gab, da die DDR ja als antifaschistisch galt.

Doch war dies wirklich so? Im Folgenden werde ich näher auf die verschiedenen Formen des Antisemitismus eingehen, eng verbunden mit dem Phänomen des Antizionismus.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges, wurde das ehemalige Deutsche Reich unter den Siegermächten aufgeteilt. Aus der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone ging später die Bundesrepublik Deutschland hervor, während aus der sowjetischen Besatzungszone die DDR gegründet wurde. Die DDR verstand sich nicht als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches. Geschaffen werden sollte ein antifaschistisches sozialistisches, totalitäres System, ganz nach dem Vorbild der damaligen UdSSR. Durch die antifaschistische Staatsdoktrin sind viele im 2. Weltkrieg geflüchtete Juden wieder in ihre ehemalige Heimat zurückgekehrt, in der Hoffnung ein neues, ganz normales Leben ohne Verfolgung und Diskriminierung aufbauen zu können. Doch scheinbar war dies nicht ganz so einfach, wie von vielen erhofft.

Die Spitze der DDR war der Meinung, dass man durch die Abschaffung des Kapitalismus und des Privateigentums alle Ursachen des Faschismus „ausgerottet“ habe. Die Verbrechen, welche an den Juden verübt wurden, waren „nur“ Ablenkungsversuche, um ein kapitalistisches System aufbauen zu können. Genauer gesagt, richtete sich die Judenvernichtung im Dritten Reich zunächst gegen das jüdische Proletariat[2]. Später dann ab 1938 wurde die Vernichtung der Juden damit erklärt, dass es dabei mehr um die monopolistischen Kreise innerhalb des deutschen Kapitalismus ging, wobei die kapitalistischen Juden eine Art Blitzableiterfunktion hatten. Die Vernichtung der Juden im Dritten Reich war für die SED nur ein Verbrechen unter vielen. Die Priorität lag nach ihren Aussagen bei der Verfolgung und Ermordung der kommunistischen Widerstandkämpfer[3].

2. Antizionismus in der DDR

Als Antizionismus bezeichnet man die nationale Befreiungsbewegung des jüdischen Volkes. Er ist die Verkörperung des Traumes, von der Wiederherstellung Israels, nachdem Rom der jüdischen Unabhängigkeit im Land Israel ein Ende bereitet hat. Dagegen bezeichnet man den Antizionismus als verschiedene politische und religiöse Ansichten, die sich gegen den Zionismus richten. Man kann den Antizionismus auch als eine moderne Verkappung des altmodischen Antisemitismus sehen. Der Antizionismus dient vielen Antisemiten als Deckmantel zur Tarnung ihres Judenhasses. Sehr wichtig ist demzufolge auch die Unterscheidung zu Antisemiten, d.h. Menschen, welche Juden hassen und Antizionisten, d.h. Menschen, die gegen die Unabhängigkeit der Juden durch die Herstellung Israels sind. Gemein haben aber beide, dass sie dem jüdischen Volk das Recht zur internationalen Selbstbestimmung abspricht.

Der Zionismus wurde von den sozialistischen/kommunistischen Staaten als eine Ideologie angesehen, welche bekämpft werden musste[4]. Aus der Sicht der DDR-Regierung wurde die zionistische Bewegung vom USA-Imperialismus beherrscht, gelenkt und befehligt.

Im Jahre 1948 wurde die Gründung des Staates Israels in der DDR noch begrüßt[5] und auch der Kampf gegen die arabische Liga. Ein wahrscheinlicher Grund hierfür war, dass man noch hoffte, Israel in die Gruppe der sozialistischen Länder eingliedern zu können. Dies änderte sich aber im Laufe der Jahre sehr rasch.

Israel wendete sich dem Westen zu und wurde durch die Unterstützung Amerikas und anderer kapitalistischer Staaten als Aggressorstaat bezeichnet und die sozialistischen arabischen Länder als die Opfer des Imperialismus dargestellt.

Ausgehend von antisemitischen und antizionistischen Aktionen des stalinistischen Systems in der Sowjetunion, schlug auch das SED-Regime diese Richtung ein. Eine sozialistische Integration wurde immer unwahrscheinlicher.

Verhandlungen zwischen der DDR und Israel gab es bis in die 80-er Jahre nicht[6], da Israel nicht als unabhängiges Land durch die DDR-Regierung anerkannt wurde.

Den traurigen Höhepunkt erreichte der staatliche Antizionismus während des 6-Tage-Krieges im Jahre 1967. Vorausgegangen waren damals die Sperrung der Straße von Tiran für die israelische Schifffahrt und der Aufmarsch der arabischen Kriegsallianz an den Grenzen zu Israel. Diese Kriegsallianz bestand ausschließlich aus prosozialistischen Staaten, welche eine enge Beziehung zu Moskau und natürlich auch zu der DDR pflegten. Aufgrund der Vorfälle griff die israelische Armee Stellungen an, um einen Angriff der Kriegsallianz vorwegzunehmen und die Stellungen zu schwächen. Obwohl die Sperrung der Straße von Tiran gegen internationale Vereinbarungen in Bezug auf die Freiheit der Meere verstieß, verurteilte die damalige DDR-Regierung den Angriff der israelischen Armee. Der Grund dafür war, dass man außenpolitisch neue Verbindungen herstellen wollte[7], was aber durch das Bundesdeutsche Hallstein-Doktrin erschwert wurde. Man solidarisierte sich also mit den arabischen Ländern, um dieses Doktrin aufzubrechen.

Doch es blieb nicht nur bei der bloßen Kritik. Die DDR lieferte der arabischen Kriegallianz, welche aus Ägypten, Jordanien und Syrien bestand, Waffen und Gelder und mischte sich somit ebenfalls in den Konflikt ein. Der Krieg endete damals mit dem Sieg Israels. Trotzdem waren die anderen arabischen Staaten nicht bereit Israel als souveränen Staat anzuerkennen und gemeinsam freundschaftlich zu handeln. Der Nahe Osten ist durch dieses Konfliktpotential auch noch heute ein Unruheherd.

In den DDR-Medien wurde der 6-Tage-Krieg als Propaganda für die offene antizionistische Haltung der DDR missbraucht. Unter anderem wurde berichtet, dass die Israelis die „Tollwut der Aggressivität“[8] gepackt habe und selbst vor Begriffen, welche in der NS-Zeit benutzt worden waren, schreckte man nicht zurück. In dem Zusammenhang wurde in den DDR-Medien von der Fortführung des Krieges der israelischen Armee „bis zur Endlösung“[9] gesprochen.

Das Verhältnis zwischen der DDR und Israel änderte sich im Jahre 1982 noch einmal zum Negativen, als der Erste Libanonkrieg ausbrach[10] und im Jahre 1988 Palästina durch die DDR als Staat anerkannt wurde, Israel jedoch nicht.

Die offene antizionistische Haltung der DDR-Regierung änderte sich erst ab Mitte der 1980er Jahre, als klar wurde, dass die DDR vor dem finanziellen Ruin stand, was zu diesem Zeitpunkt für alle Ostblockstaaten galt. Der damalige Staatsratsvorsitzende Erich Honecker war deshalb bemüht, aus dem westlichen Ausland Gelder zu beschaffen, um die marode DDR-Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Da aber die Bewilligung von Krediten durch die USA an die Bedingung geknüpft worden war, dass man die antizionistische Haltung aufgab und den Opfern der Shoa, welche nicht in der DDR lebten, Entschädigungen zahlen sollte, war man gewillt, diese Bedingungen zu erfüllen, um die Kredite zu erhalten.

Es wurde ein Plan entwickelt, der langsam das Verhältnis zwischen Israel und der DDR normalisieren sollte[11].

Auch innenpolitisch änderte sich einiges. Plötzlich wurden jüdische Friedhöfe und Gedenkstätten gepflegt und die Regierung setzt sich für die Errichtung eines „Centrum Judaicum“ ein[12]. Im Jahre 1987 wurde die Synagoge in Ostberlin mit öffentlichen Mitteln restauriert[13] und von nun an fanden auch Arbeitseinsätze der FDJ auf jüdischen Friedhöfen statt[14].

Anhand dieser relativ schnellen Änderung der politischen Einstellung gegenüber dem Judentum und Israel, merkt man, wie schnell zu dieser Zeit ideologische Grundeinstellungen über Bord geworfen wurden, nur um die eigenen Ziele so schnell und bequem wie möglich zu erreichen.

Im Jahre 1990 reiste zum ersten Mal eine Vertreterin des DDR-Parlaments gemeinsam mit einer Vertreterin des westdeutschen Parlaments nach Israel und wurde aufgrund der bevorstehenden Wiedervereinigung beider deutschen Staaten und den damit zusammenhängenden Veränderungen sehr freundlich empfangen, und das obwohl die ehemalige Regierung der DDR dem Staat Israel das Existenzrecht absprechen wollte[15].

3. Antisemitismus in der DDR

Das Dritte Reich war durch eine konsequente antisemitische Politik bekannt. Nach der Niederlage der deutschen Truppen und der Übernahme und Aufteilung des Deutschen Reiches unter den Besatzungsmächten kam die Hoffnung auf, dass der weit verbreitete Antisemitismus gebrochen war und die Menschen aus ihren Fehlern gelernt hatten. Besonders auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone, auf dem sich der deutsche antifaschistische Staat herausbilden sollte, dachte man, Antisemitismus wird in dieser Gesellschaft keine Chance mehr haben. Allerdings belehrt uns die Geschichte etwas Besserem.

Wie bereits erwähnt gab es antijüdische Tendenzen und Kampagnen in der Sowjetunion auf der Grundlage des stalinistischen Systems. Diese Kampagnen wurden dann auf Grund der Besatzungsmacht auch auf die SBZ ausgedehnt.

Der Antisemitismus in der DDR tauchte im Laufe der Jahre immer unterschiedlich auf. Kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs, war man der Meinung, dass der Schock des Holocausts noch so tief sitzt, dass es zu keinem neuen Antisemitismus in diesem Gebiet geben wird. Das war auch der Grund, warum viele Juden wieder in ihre alte Heimat zurückkehrten. Des Weiteren definierte sich die DDR als ein antifaschistischer Staat – und welcher antifaschistische Staat könnte antisemitisch sein? Direkt nach dem Krieg vertraten noch verschiedene Politiker, darunter auch Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck die Meinung, dass ein Großteil des deutschen Volkes an den Naziverbrechen schuldig sei[16]. Auch ein Aufruf der KPD im Jahre 1945 sagte, dass Millionen Deutsche blind dem Naziregime verfallen waren.

[...]


[1] Benz, W.(1995) Seite 168

[2] Groehler, O. & Kessler, M. (1995) Seite 6 bis 7

[3] Haury, Th. (2006)

[4] Völter, B.: (2003) Seite 70

[5] Groehler, O. & Kessler, M. (1995) Seite 34

[6] Ulrich, P. (2007)

[7] Völter, B. (2003) Seite 74

[8] Ulrich, P. (2007)

[9] Weiß, K. (2006) Seite 8

[10] Ulrich, P. (2007)

[11] Ullrich, P. (2007)

[12] Ullrich, P. (2007)

[13] Völter, B. (2003) Seite 81

[14] Weiß, K. (2006) Seite 8

[15] ebd. Seite 9

[16] Groehler, O. & Kessler, M. (1995) Seite 34

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Antisemitismus und Antizionismus in der DDR
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Antisemitismus im europäischen Vergleich
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V118343
ISBN (eBook)
9783640215058
ISBN (Buch)
9783640215157
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antisemitismus, Antizionismus, Antisemitismus, Vergleich
Arbeit zitieren
Mathias Herbst (Autor:in), 2006, Antisemitismus und Antizionismus in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118343

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