Die sozialwissenschaftliche Erklärung und ihr Dilemma mit der Falisifizierbarkeit


Seminararbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Die wissenschaftliche Erklärung
2.1. Die Struktur der Erklärung
2.2. Die Elemente des Explanans

3. Das Verständnis von Theorie und Gesetz

4. Erklärungen in den Sozialwissenschaften und ihre Falsifizierbarkeit

5. Wahrscheinlichkeitsaussagen als Mittel der Erkenntnisgewinnung

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Problemstellung

Karl R. Popper widmet sich im ersten Kapitel der Logik der Forschung der logi- schen Analyse der empirisch-wissenschaftlichen Forschungsmethoden (Popper 1966, 3). Er führt hierbei acht Grundprobleme der Erkenntnislogik an, u. a. auch die Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium. Popper befürwortet dabei die Fal- sifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium „durch das wir die empirische Wissen- schaft gegenüber Mathematik und Logik, aber auch gegenüber ‚metaphysischen’ Systemen abgrenzen können“ (Popper 1966, 9). Die Falsifizierbarkeit, die prinzi- pielle Möglichkeit eines Aussagensystems an der Empirie scheitern zu können (Popper 1966, 15), ist auch in der heutigen empirischen Wissenschaft, zu der auch die Sozialwissenschaften zählen, ein grundlegendes Elemente der wissen- schaftlichen Tätigkeit und scheint auf den ersten Blick in allen wissenschaftlichen Disziplinen problemlos anwendbar. Dabei müssen die Begriffe Falsifizierbarkeit und Falsifikation differenziert werden. Während Falsifizierbarkeit die prinzipielle Möglichkeit eines Scheiterns an der Realität ausdrückt, bedeutet die Falsifikation das tatsächliche Scheitern (Popper 1966, 54 – 55). Auch wenn Popper den Beg- riff der Falsifizierbarkeit auf Theorien bzw. Theoriesysteme bezogen hat, kann die Forderung der Falsifizierbarkeit auch auf die wissenschaftliche Erklärung an- gewendet werden. Dies entspricht auch dem von Popper geprägten kritischen Rationalismus, der die Falsifikation als Mittel der Annäherung an die Wahrheit sieht. Für eine erfolgreiche Falsifikation muss zunächst das Kriterium der Falsifi- zierbarkeit erfüllt sein. Dieses Kriterium gilt auch für wissenschaftliche Erklärun- gen, wird eine solche als falsch erkannt, kann eine Annäherung an die Wahrheit stattfinden. Diese Arbeit widmet sich der Frage, ob eine sozialwissenschaftliche Erklärung dem Kriterium der Falsifizierbarkeit genügen kann.

Hierzu wird zunächst die allgemeine Struktur einer Erklärung in der Wissenschaft (Kapitel 2) anhand des sog. HO-Schemas dargestellt, da es sich in den Wissen- schaften als Erklärungsschema etabliert hat. Nachdem die einzelnen Bestandtei- le einer wissenschaftlichen Erklärung dargestellt wurden, wird erörtert, inwiefern das Kriterium der Falsifizierbarkeit von Theorien auf Gesetze übertragen werden kann (Kapitel 3). Danach erfolgt eine Analyse, inwiefern die sozialwissenschaftli- che Erklärung dem Anspruch der Falsifizierbarkeit genügen kann (Kapitel 4). Daran anschließend wird diskutiert, inwiefern durch die in den Sozialwissen schaften gängigen probabilistische Gesetze ein Erkenntnisgewinn möglich ist (Kapitel 5). Abschließend werden die Erkenntnisse noch einmal zusammenge- fasst und unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit die Falsifizierbarkeit in- nerhalb der Sozialwissenschaften beurteilt (Kapitel 6).

2. Die wissenschaftliche Erklärung

2.1. Die Struktur der Erklärung

Die am häufigsten in der Literatur erwähnte Struktur einer wissenschaftlichen Erklärung entstammt den Ausführungen von Hempel & Oppenheim. Die Autoren kennzeichnen zwei Bestandteile einer wissenschaftlichen Erklärung, dabei wei- sen sie darauf hin, dass sich dieses Schema auf kausale Erklärungen bezieht (Hempel/Oppenheim 1948, 139). Das erste Element der Erklärung stellt das Explanandum dar, welches die zu erklärende Ereignisaussage darstellt. Das zweite Element ist das Explanans , welches die für die Erklärung benötigten Be- standteile subsumiert. Diese Bestandteile sind zum einen allgemeingültige Ge- setze, zum anderen sind es Antecedenzbedingungen oder Randbedingungen (Hempel/ Oppenheim 1948, 136 – 137). In der Literatur kommt des Weiteren im- mer wieder zum Ausdruck, dass das HO-Schema einer deduktiven Vorgehens- weise entspricht (vgl. Opp 2006, 46 – 47; vgl. Stegmüller 1989, 453). Der Ablauf einer Erklärung nach dem HO-Schema kann wie folgt dargestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Erklärung nach dem HO-Schema (Hempel/Oppenheim 1948, 138)

Darüber hinaus formulieren Hempel & Oppenheim vier Adäquatheitsbedingun- gen für Erklärungen1. Die logischen Adäquatheitsbedingungen fordern 1. eine logische Ableitung des Explanandum aus dem Explanans, 2. mindestens ein all- gemeines Gesetz im Explanans und 3., dass das Explanans empirischen Gehalt hat. Die empirische Adäquatheitsbedingung fordert die Wahrheit der im Expla- nans enthaltenen Sätze (vgl. Hempel/Oppenheim 1948, 137 – 138).

2.2. Die Elemente des Explanans

Um die Problematik der Falsifizierbarkeit in den Sozialwissenschaften zu ver- deutlichen, ist es notwendig zwischen deterministischen und statistischen, auch probabilistisch genannten, Gesetzen im Explanans zu unterscheiden. Hempel & Oppenheim beziehen ihre Ausführungen zunächst auf kausale Erklärungen2 in den Naturwissenschaften. Die hier beschriebene Struktur enthält deterministi- sche Gesetze im Explanans (Hempel/Oppenheim 1948, 139). Ein solches de- terministisches Gesetz stellt einen allgemeingültigen Zusammenhang zweier Einzelereignisse her, dieser Zusammenhang wird sich ausnahmslos immer wie der exakt auf diese Weise zeigen (Stegmüller 1989, 453). Generell besagt ein deterministisches Gesetz, dass bei identischen Randbedingungen immer wieder, ausnahmslos und unabhängig von Raum-Zeit-Bedingungen, das beobachtbare Ereignis des Explanandum eintritt. Die Form eines solchen Gesetzes lautet „Im- mer wenn A, dann B“, es darf keine Ausnahmen geben.

Neben deterministischen Gesetzen können statistische Gesetze als Teile des Explanans auftreten (Hempel/Oppenheim 1948, 139). Vereinfacht gesehen sind diese Gesetze nicht-deterministisch, so dass die Forderung einer wiederholten, ausnahmslosen, Raum-Zeit-Unabhängigen Verknüpfung der Ereignisse nicht in allen Komponenten erfüllt sein muss bzw. kann. Insbesondere die Ausnahmslo sigkeit kann bei statistischen Gesetzen nicht gegeben sein, da hier Wahrschein- lichkeiten angegeben werden3. Solang die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Zusammenhangs unter 100 %4 liegt, bleibt immer noch ein gewisser Prozentsatz, der die Ausnahme darstellt, dass sich dieser Zusammenhang gerade nicht ergibt.

Ein solches Gesetz hat bspw. die Form „Wenn A, dann mit 95%iger Wahrschein- lichkeit B“ oder „Je mehr A, desto weniger B“.

[...]


1 Auch wenn diese vier Bedingungen in einer vollständigen Darstellung des HO-Schemas nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, werden sie in die folgende Ausführung lediglich rudimentär einbezogen.

2 Weitere Bedingungen einer kausalen Erklärung beschreiben bspw. von Alemann & Tannhäu- ser 1995, 43. Sicherlich haben Kausalitäten in der Wissenschaft einen hohen Stellenwert, den- noch ist es für die weiteren Ausführungen ausreichend, die prinzipielle Struktur einer Erklärung zu erörtern, ohne dabei auf ihr qualitatives Niveau einzugehen. Ob eine Aussage nur wissen- schaftlich ist, wenn sie eine Kausalität auszudrücken vermag (Lakatos 1982, 17 – 18) ist für die Sozialwissenschaften fraglich, wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit deutlich werden wird.

3 Ausgedrückt werden solche Wahrscheinlichkeitsaussagen durch Prozentzahlen oder Relatio- nen, die sich in quantitativen Werten äußern wie bspw. „meistens“ oder „häufig“.

4 Eine Wahrscheinlichkeit von 100 % entspricht einem deterministischen Gesetz.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die sozialwissenschaftliche Erklärung und ihr Dilemma mit der Falisifizierbarkeit
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Soziologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V118330
ISBN (eBook)
9783640213740
ISBN (Buch)
9783640213894
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erklärung, Dilemma, Falisifizierbarkeit, Seminar
Arbeit zitieren
Britta Buhl (Autor:in), 2007, Die sozialwissenschaftliche Erklärung und ihr Dilemma mit der Falisifizierbarkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118330

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