Recht und Staat bei Hobbes und Locke

Ein Vergleich


Hausarbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Hobbes und Locke

1. Thomas Hobbes - Leviathan
1.1 Vom Menschenbild zum Naturzustand
1.2 Vom Naturzustand zum Leviathan
1.3 Recht, Gesetz und Staat

2. John Locke – Two Treatises of Government
2.1 Filmer und der Streit gegen das Patriarchat
2.2 Der Naturzustand bei Locke
2.3 Eigentum und legitime Staatsgewalt

3. Hobbes und Locke im Vergleich

0. Hobbes und Locke

Thomas Hobbes und John Locke gehören zu den bedeutendsten Rechts- und Staatstheoretikern und gelten häufig als Gründungsväter der modernen Politikwissenschaft. Im Rahmen der folgenden Arbeit sollen ihre jeweiligen staatsphilosophischen Hauptwerke, der „Leviathan“ und die „Two Treatises of Government“ (insbesondere der 2. Aufsatz), behandelt werden. Dabei soll es vorrangig darum gehen, die grundsätzlichen Ideen und Begriffe zu identifizieren und deren Entwicklung darzustellen. Insbesondere die Rolle und der Charakter von Recht und Staat sollen herausgearbeitet und verglichen werden.

1. Thomas Hobbes - Leviathan

1.1 Vom Menschenbild zum Naturzustand

Kernthema der politischen Philosophie von Thomas Hobbes (1588-1679) ist die Möglichkeit gesellschaftlichen Friedens und staatlicher Stabilität. Geprägt von der Erfahrung der britischen Bürgerkriege und zeitlebens in (intellektueller) Gegnerschaft zum einflussreichen Klerus und zur zeitgenössischen scholastischen Philosophie fanden seine Folgerungen nur wenige Anhänger, auch wenn seine Methodik als innovativ galt. In der Tradition der Padua-Schule näherte er sich der Problematik auf die gleiche Weise, wie er auch eine geometrische Fragestellung angegangen wäre.[1]

Ausgangspunkt seiner Theorie sind Basisannahmen über menschliche Charakteristika: Individuen sind analog zu Tieren zunächst mit einem starken Trieb zur Selbsterhaltung und eminenter Todesfurcht ausgestattet. Sie sind außerdem vernunftbegabt und in der Lage, rationale Urteile darüber zu fällen, was ihrem persönlichen Wohl zuträglich ist. Diese Urteile müssen nicht immer korrekt sein, die menschliche Erkenntnisfähigkeit ist sehr eingeschränkt und unsere Urteilskraft durch Affekte beeinträchtigt. Kein Individuum ist einem anderen derart überlegen, dass es keinen Anlass zur Furcht vor diesem hätte. Auch körperlich erheblich unterlegenen Menschen stehen die Mittel der List und Kooperation zur Verfügung, um ggf. jemand anderem zu schaden und ihn um die Früchte seiner Arbeit zu bringen.[2]

Aufgrund der potenziellen Knappheit der verfügbaren Ressourcen geraten sie früher oder später in Konflikt, und diese Konflikte eskalieren in Abwesenheit einer regulierenden Autorität zu einem permanenten „Krieg Aller gegen Alle“. Damit ist nicht ausschließlich die tatsächliche gegenseitige Aggression gemeint, sondern die allgemeine Bereitschaft dazu und die (empfundene) Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Präventivschlages zu werden. Ständige Furcht ist das zentrale Merkmal dieses Naturzustandes, und in einer Atmosphäre der Furcht können sich zivilisatorische Errungenschaften wie arbeitsteilige Industrie, Kunst, Kultur und Literatur und viele andere Dinge, die uns das Leben angenehm machen, nicht entwickeln. So beschreibt Hobbes die natürliche Kondition des Menschen.[3]

Es drängt sich die Frage auf, welches zugeschriebene Element der menschlichen Natur zu solch asozialem Verhalten führt. Hobbes Text bietet neben einzelnen Eigenschaften wie „Ruhmsucht“ und „Konkurrenzdenken“ verschiedene Interpretationen: Entweder können langfristige Folgen des eigenen Verhaltens nur unzureichend kalkuliert werden (eingeschränkte Information, vergleichbar dem Rawls´schen „Veil of Ignorance“)[4], oder die konkreten Umstände einer Handlung sind derart gestaltet, dass die individuell rationale Entscheidung der kollektiven Rationalität zuwider läuft (permanentes Gefangenen-Dilemma), oder die Leidenschaften der Menschen sind schlicht so stark, dass sie sich gegen vernünftige Überlegungen durchsetzen und handlungsleitend werden.[5] Was immer die Ursache, das menschliche Leben im Naturzustand ist „solitary, poore, nasty, brutish, and short“.[6]

1.2 Vom Naturzustand zum Leviathan

Die Abwesenheit einer zentralen Autorität bedeutet nach Hobbes auch, dass im Naturzustand nicht sinnvoll von „rechtmäßigem Handeln“ oder „Gerechtigkeit“ gesprochen werden kann. Die einzig existenten Gesetze sind die der Natur, die dieser per Generierung durch Gott immanent sind und die gleichermaßen für alle Kreaturen gelten (auch wenn sie nur durch Mittel der Vernunft identifiziert werden können). Danach hat jedermann ein natürliches „Recht“ (oder die Freiheit) zur Selbsterhaltung und ein „Recht“ auf alle Dinge, die zur Selbsterhaltung sinnvoll erscheinen.[7]

Die im Naturzustand befindlichen Menschen erkennen nach Hobbes kraft ihrer Vernunft, dass ein permanenter Kriegzustand im Kontrast zu ihren Interessen steht. Die aktuelle Situation wird als suboptimal begriffen und der Zustand der Unsicherheit als Ursache identifiziert. Folglich wird ein gewisses Maß an Frieden für erstrebenswert angesehen, da nur ein Mindestmaß an Sicherheit eine Planung der individuellen Lebensgestaltung erlaubt. Ohne äußeren Anreiz seien Menschen jedoch nicht zur längerfristigen friedlichen Kooperation in der Lage.[8] Nur die gemeinsame Furcht vor einer übermächtigen Gewalt zwingt sie unter das Joch der Gesellschaft, das jedoch nicht so schwer wiegt wie die konstante Angst vor einem unerwarteten Angriff durch die eigenen Mitmenschen. Sie schließen zu diesem Zweck einen (hypothetischen) Vertrag und übertragen in diesem ihr „Recht auf alle Dinge“ auf eine dritte Partei, die außerhalb des Vertragsschlusses steht. Die Bedingung, unter der jeder Einzelne seine Rechte abtritt, besteht in der allgemeinen Verbindlichkeit des Vertrages: nur wenn alle Anderen ebenfalls vollständig auf ihre Rechte verzichten, ist auch der Einzelne zum Verzicht bereit.[9]

Auf diese Weise kommt es im Moment des Vertragsschlusses zur gleichzeitigen Erschaffung des Staates und der Gesellschaft, die Vertrags-partner werden zu Untertanen, die dritte Partei zum Souverän.

1.3 Recht, Gesetz und Staat

Im Naturzustand gelten keine positiven Gesetze. Individuen funktionieren nach den Gesetzen der Natur, die den Vernünftigen rational zugänglich sind, und verhalten sich entsprechend. Hobbes zufolge schränken diese „laws of nature“ unsere natürliche Freiheit zur Selbsterhaltung nicht ein, diese ist grundsätzlich unveräußerlich, da im Wesen des Menschen angelegt.[10] Das Erste Gesetz der Natur besteht im Gebot der Vernunft, Frieden mit seinen Mitmenschen zu suchen, wenn dies ohne Schaden möglich ist. Sollte diese Bedingung im Einzelfall nicht zu erfüllen sein, steht es jedem Einzelnen frei, sich jeglicher Mittel (auch solcher des Krieges) zur Selbsterhaltung zu bedienen, die sinnvoll erscheinen. Alle folgenden Gesetze der Natur lassen sich zusammenfassen in der Prämisse: Behandle Andere, wie Du selbst behandelt werden willst.[11]

Diese Gesetze sind nicht mit direkten, expliziten Sanktionen behaftet, da keine Autorität vorhanden ist, die diese durchsetzen könnte. Ihre Interpretation und Anwendung stehen jedem Einzelnen nach eigenem Ermessen frei, „Rechte“ begründen kein Ausschlusskriterium für menschliches Handeln, das sich etwa auf das (empfundene) Eigentum eines Anderen richtet.

Besteht eine staatlich verfasste Gesellschaft, existieren klare Regeln über Recht und Unrecht, zulässige und verbotene Handlungen und moralische Dimensionen. Diese Regeln werden ausschließlich vom Souverän festgelegt, der für ihre Einhaltung und Durchsetzung garantiert. Menschliche Ermessensfreiheit beschränkt sich auf die Fragestellungen, die nicht explizit durch den Souverän geregelt sind.[12] Der Hobbes´sche Staat verfügt also über eine prinzipiell unbegrenzte Machtfülle, seine Bürger ertauschen sich die gewährte Stabilität und Sicherheit mit einem tendenziell vollständigen Verlust ihrer individuellen Freiheit. Untertanen sind unabhängig vom substanziellen oder moralischen Inhalt der fixierten Normen zum Gehorsam verpflichtet, solange der Staat ihnen Sicherheit gewährt.[13]

[...]


[1] Vgl. Minogue 1973:v ff., Lloyd 2006, Williams 2006. Hobbes war vehementer Verfechter einer Wissenschaftspraxis, die großen Wert auf klare Begriffsbestimmungen und deren exakte Verwendung legte. Vgl. etwa Hobbes 1973:17.

[2] Vgl. Minogue 1973:v ff., Williams 2006, Hobbes 1973:63 f.

[3] Vgl. Lloyd 2006, Hobbes 1973:63 ff.

[4] Vgl. etwa D´Agostino 2003a & b.

[5] Vgl. Lloyd 2006.

[6] Hobbes 1973:65.

[7] Vgl. Lloyd 2006, Hobbes 1973:66.

[8] Vgl. Hobbes 1973:87ff., Cudd 2007.

[9] Vgl. Cudd 2007, Hobbes 1973:66ff.

[10] Der Leviathan kann zwar durchaus legitim die Tötung eines Untertanen betreiben, wenn dies dem von ihm definierten Gesamtwohl förderlich ist, hat dann aber keinen Anspruch auf Gehorsam des Betroffenen. Dieser fällt aus dem Geltungsbereich des Gesellschaftsvertrages heraus und befindet sich dem Staat gegenüber wieder im Naturzustand. Vgl. Lloyd 2006.

[11] Vgl. Hobbes 1973:67.

[12] Vgl. Hobbes 1973:110ff.

[13] Vgl. Green 2003.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Recht und Staat bei Hobbes und Locke
Untertitel
Ein Vergleich
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Philosophisches Seminar)
Veranstaltung
Seminar "Rechts- und Staatsphilosophie"
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V118076
ISBN (eBook)
9783640202164
ISBN (Buch)
9783640206964
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Recht, Staat, Hobbes, Locke, Seminar, Rechts-, Staatsphilosophie
Arbeit zitieren
Stefan Franke (Autor:in), 2008, Recht und Staat bei Hobbes und Locke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118076

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