Die religiöse Akkommodation des Pater Matteo Ricci


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Forschungsgegenstand und Materiallage
1.2. Fragestellungen und Schwerpunkte der Arbeit

2. Riccis und die chinesischen Religionen
2.1. Möglichkeiten der positiven Bewertung fremder religiöser Traditionen
2.2. Riccis Beurteilung von Buddhismus und Taoismus
2.3. Hinwendung zum Konfuzianismus – allgemeine Aspekte

3. Akkommodation der Begriffe
3.1. Gottesbegriff
3.1.1. Geschichte und Gebrauch
3.1.2. Riccis Erklärungsbemühungen
3.1.3. Das Kruzifix und die Leidensgeschichte Christi
3.2. Die Schöpfung
3.3. Die Seele
3.4. Hölle und Paradies

4. Schluß

5. Literaturverzeichnis

6. Internetlinks

1. Einleitung

1.1. Forschungsgegenstand und Materiallage

Im Rahmen der folgenden Seminararbeit möchte ich die Akkommodation christlicher Grundbegriffe während der Chinamission des Jesuitenpaters Matteo Ricci genauer beleuchten. Meine ausführliche Literaturrecherche ergab eine Vielzahl von Monographien und Aufsätzen, welche sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Allerdings findet man auf deutschsprachigem Terrain häufig nur oberflächliche Abhandlungen, gerade was die in dieser Arbeit näher betrachtete religiöse Akkommodation betrifft. Ausnahmen stellen hierbei zum einen das recht umfassende Werk von Johannes Bettray, die Geschichte der Jesuitenmission Gernet’s und die kürzlich erschienene Arbeit von Wenchao Li dar, welche sich ausschließlich mit religiösen Aspekt des Anpassungsvorgangs beschäftigt. Leider war es mir aufgrund sprachlicher Einschränkungen nicht möglich, italienische Originaldokumente in meine Betrachtungen einzubeziehen, welche aber zum Großteil in der von mir verwendeten Literatur bereits berücksichtigt sind.

1.2. Fragestellungen und Schwerpunkte der Arbeit

Ziel meiner Arbeit ist es, gemäß Gliederung spezifische Fragestellungen zur Akkommodation zu bearbeiten. Hierbei möchte ich meinen Schwerpunkt auf das chinesische und europäische Verständnis ausgewählter christlicher Grundbegriffe legen und zeigen, welche Anknüpfungspunkte Matteo Ricci in den Werken des Frühkonfuzianismus fand. Nach einer kurzen theoretischen Einführung in religiöse Akkommodationsmodelle möchte ich anschließend auf allgemeine Standpunkte der Jesuitenmission gegenüber den Religionen Chinas eingehen.

Darauffolgend werde ich mit der Analyse der Begriffsakkommodation beginnen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Gottesbegriffes, welcher um praktische Aussagen über den Umgang mit dem gekreuzigten, menschgewordenen Christus ergänzt wird. Innerhalb dieser Arbeit möchte ich versuchen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten und produktiven Ansätze sich durch das konsequente Anwenden des neuen Missionskonzeptes boten, aber auch an welche Grenzen die Jesuitenmönche dabei stießen. Den Abschluß bildet eine Zusammenfassung sowie das Literaturverzeichnis.

2. Riccis und die chinesischen Religionen

2.1. Möglichkeiten der positiven Bewertung fremder religiöser Traditionen

Für einen Missionar wie Ricci gab es zwei grundsätzliche Möglichkeiten der positiven Bewertung fremder religiöser Traditionen: die Theologia naturalis und die Theologia prisca.

Letztere bezog sich auf Uroffenbarung in und nach dem Paradies. Sie ging der alttestamentlichen Offenbarung voraus und hinterließ darum ihre Spuren auch bei nicht-christlichen Völkern. Diese Denklinie war vor allem in der Patristik und der Renaissance weit verbreitet.[1] Zu ihren Hauptvertretern in Europa zählte Athanasius Kirchner. Ende des 17. Jahrhunderts griff Joachim Bouvet den Gedanken erneut auf und begründete die Gemeinschaft der Figuristen. Diese

versuchten in chinesischer und christlicher Chronologie eine gemeinsame Uroffenbarung zu finden und respektierten dabei im Gegensatz zu Matteo Ricci auch Aspekte von Taoismus und Neokonfuzianismus. Ricci hingegen war ein Anhänger der Theologia naturalis, welche auf der Grundlage der Apostelgeschichte 17, 27-28, sowie Römer 1,19-20, 2,14-15 basierte. Das Konzept ging davon aus, daß dem Menschen kraft seines Geschöpfseins auch außerhalb der geschichtlichen Offenbarung zwar nicht der Zugang zu den eigentlichen Glaubensmysterien, wohl aber die Erkenntnis bestimmter religiös- sittlicher Überzeugungen möglich ist. Dies beinhaltet das Erkennen eines persönlichen Schöpfergottes, der Geistigkeit und der Unsterblichkeit der Seele,

der Freiheit des menschlichen Willens und des natürlichen Sittengesetzes.[2]

Fanden sich in fremden Kulturen in diesem Sinne interpretierbare Überzeugungen, konnten diese Erkenntnisse akzeptiert und positiv integriert werden. Besonders deutlich spiegelte sich diese Ansicht im Werk „Die wahre Lehre über den Herrn des Himmels“ wider, worin Riccis Anlehnung an den Konfuzianismus ablesbar war.

2.2. Riccis Beurteilung von Buddhismus und Taoismus

In den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts faßte Ricci sein Studium der chinesischen Religionen zum Werk „Storia del introduzione dell Christianesimo in Cina“ zusammen.

Er benannte drei „chinesische Sekten", wobei der Begriff Sekte eher als Philosophenschule verstanden werden sollte. Die "Sekte der Idole", das heißt der chinesische Buddhismus, und die "Sekte des Laozu", sprich: Taoismus bildeten mit einer Vielzahl von magischen Praktiken, Götter-und Geisterglauben die vom Volk getragenen Religionen. Als offizielle Staatsideologie bzw. Staatsreligion fungierte der Konfuzianismus – die hohe Schule von Philosophie und Moral,

verinnerlicht durch die mit der Staatsführung vertrauten Literaten.[3]

Pater Ricci lehnte die Buddhisten pauschal als Idolverehrer ab. Er kritisierte das Fehlen gewisser Grundelemente einer natürlichen christlichen Gotteslehre. Hinzu kam sein negativer Eindruck von den Bonzen, den er sich nach und nach verschaffte.[4]

Einer der Hauptkritikpunkte war der Aspekt der Wiedergeburt. Ricci stellte in seinem Katechismus fest, daß dem wiedergeborenen Menschen keinerlei Intellektualität oder Erinnerungsvermögen seiner alten Seele zur Verfügung stand. Weiterhin könnten Menschseelen in Tieren unmöglich existieren. Dies belegte er

mit der Drei- Stufen-Lehre, nach der die Seelen in vegetative, sensitive und intellektive kategorisiert werden können.[5] Einem Tier wäre es demzufolge unmöglich letztere in sich zu tragen, so daß die Seele als individuell und nicht anpassungsfähig betrachtet werden sollte. Ricci kritisierte, daß die Buddhisten zwar einerseits kein Fleisch aßen, um die Seele des eventuell wiedergeborenen Verwandten zu schützen, andererseits aber auf Ochsen ritten und mit Peitschen vor den Pflug zwangen.[6] Vielgötterei und Vergötzung wurden ebenfalls beanstandet und vor allem in brieflichen Disputen mit Bonzen zum Ausdruck gebracht.

Ähnlich dem Buddhismus kritisierte der Jesuitenpater das Fehlen von gewissen Grundelementen einer natürlichen christlichen Gotteslehre innerhalb des Taoismus. Angriffspunkt war vorangig die Lehre vom Nichts, welche besagte, daß alles aus dem demselbigen, als Ausdruck der Vollkommenheit stammt. Die Anhänger des Taoismus beschäftigten sich, neben alchimistischen Prozessen, vor allem mit einer Vielzahl an Kultpraktiken, wie Heilkräuterkulte oder auch Dämonen- und Regenbeschwörungen um Unwetter und Überschwemmungen

abzuwenden. [7] Nicht zu vergessen die Totenriten, welche durch Taoistenmönche

durchgeführt, ihren festen Platz bei Beerdigungen hatten. Als problematisch sah Ricci hier auch die Vielgötterei, sowie die taoistische Dreiheit an, zu der neben Herrscher und König des Himmels zu Unrecht auch Laotse zählte.[8]

2.3. Hinwendung zum Konfuzianismus – allgemeine Aspekte

Als der Jesuitenpater seine Mission in China begann, war das Lager der Konfuzianer gespalten. Dominierend waren Neokonfuzianer, welche die uralten Lehren des Kung-fu-zi in einer neuen Art und Weise auslegten. Dieser Religionsform stand Ricci sehr kritisch gegenüber. Der von taoistischen und buddhistischen Elementen der Vielgötterei verfälschte Neokonfuzianismus eignete sich nicht zur christlichen Interpretation im Sinne eines Monotheismus. Somit akkommodierte sich Ricci ab 1595 ausschließlich mit dem ursprünglichen Frühkonfuzianismus, den er als eine hochstehende Morallehre betrachtete, auf der das Christentum als Krönung aufbauen könne. Der Pater sah einen wesentlichen Anknüpfungspunkt in der ursprüngliche Reinheit der Naturreligion, die im Gegensatz zu den beiden anderen chinesischen Religionen ein höchstes Wesen, den „Herrn des Himmels“, anbetete.[9] Alle Dinge unterlagen einer Zurückführung auf die Stimme der Vernunft, welche die Chinesen mit der göttlichen bzw. der Stimme des Himmels gleichsetzten.[10] Die von Ricci studierten alten Klassiker spiegelten den Idealzustand wider. Der Pater plädierte für eine Rückbesinnung auf diese alte Traditionen und Werte, um dann einen fruchtbaren Boden für seine christliche Lehre zu finden. Das Hauptziel des ursprünglichen Konfuzianismus

definierte Ricci in der Erhaltung des öffentlichen Friedens und einer guten tugendhaften Ordnung im familiären und individuellen Bereich. „Dafür geben sie (Konfuzianer) sehr gute Richtlinien, alle in Übereinstimmung mit dem natürlichen Lichte (der Vernunft) und mit der katholischen Wahrheit“.[11]

Es handelte sich also um Morallehren und einfache praxisorientierte Sätze über das richtige Verhalten der Menschen im Leben. Diese überwiegend weltlichen Züge betonte Ricci hauptsächlich in der Ritenfrage. So schrieb er zum Beispiel Ahnen- und Konfuzius-Riten keinen wesentlichen religiösen Charakter zu. Als Ausdruck der Vereinbarkeit mit dem Christentum erlaubte er die Durchführung der Riten auch chinesischen Christen, da eine generelle Ablehnung vom Volk

nicht akzeptiert worden wäre.[12] Derartige selektive Akzeptanz stellte

Ansatzpunkte für die Kritiker seiner Akkommodationsmethode dar. Sie sahen die Reinheit des Glaubens gefährdet. Obwohl Ricci den Konfuzianismus als weitestgehend mit dem Christentum vereinbare Lehre ansah, scheute er sich nicht, auch wesentliche Ansatzpunkte für Differenzen zu schildern. Als Medium dafür diente ihn sein in Dialogform verfaßter „Wahrer Bericht über Gott“.

In diesem Werk kam es zwischen einem Buddhisten und einem Christen zum zwanglosen Gedankenaustausch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der chinesischen Religionswelt. Ricci setzte sich dabei indirekt mit dem chinesischen Universismus auseinander, dessen Grunderfahrung die leidvolle Existenz des Menschen ist und die erst durch das Eingehen ins Nichts endet. Dem setzte er beispielsweise die Chancen eines gläubigen Christen auf die Freuden des Himmels entgegen. Der Pater versuchte insgesamt gesehen allerdings komplexere Themenbereiche aus der Diskussion fernzuhalten. Er riet Interessenten sich bezüglich des Kreuzestodes und der Auferstehung Christi genauer bei den

geschulten Jesuitenmönchen zu informieren.[13] Des weiteren behandelte Ricci die

göttliche Vorsehung, die Unsterblichkeit der Seele, das Gesetz von Mose, die Fleischwerdung Jesu sowie die Taufe und das Jüngste Gericht. Eine korrekte schriftliche Erklärung aller Sachverhalte gestaltete sich oftmals schwierig, da für die christlichen Ausdrücke entsprechende chinesische Begriffe gefunden werden mußten.

[...]


[1] http://www.bildungssystem.purespace.de/Natuerliche.htm

[2] Schatz, Klaus: Kulturelle Optionen der Jesuiten in China, in: Li, Wenchao und Poser, Hans (Hrsg.): Das Neueste über China. G.W. Leibnizens Novissima Sinica von 1697, Stuttgart 2000, S. 73

[3] Hoffmann-Herreros, Johann: Matteo Ricci. Den Chinesen ein Chinese sein – ein Missionar sucht neue Wege, Mainz 1990, S. 40-44.

[4] Bettray, Johannes: Die Akkommodationsmethode des Pater Matteo Ricci in China, Rom 1955, S. 256.

[5] ebenda.

[6] Hoffmann-Herreros, S. 94.

[7] Schatz, S.72.

[8] Bettray, S. 267 - 273.

[9] Schatz, S. 72.

[10] Bettray, S. 235 – 238.

[11] Bettray, S. 237.

[12] Li, Wenchao: Die christliche China-Mission im 17. Jahrhundert, Stuttgart 2000, S. 89-94.

[13] Hoffmann-Herreros, S. 93-96.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die religiöse Akkommodation des Pater Matteo Ricci
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Institut für Theologie und Gesellschaft)
Veranstaltung
Grundlagen christlicher Ethik
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
20
Katalognummer
V11771
ISBN (eBook)
9783638178372
ISBN (Buch)
9783638777469
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Matteo Ricci, Ricci, China, Chinamission, Akkommodationsmethode, Akkommodation, Konfuzianismus, Taoismus, Buddhismus, Gottesbegriff, Seele, Schöpfung, Hölle, Paradies
Arbeit zitieren
Andreas Hönicke (Autor:in), 2001, Die religiöse Akkommodation des Pater Matteo Ricci, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11771

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