"Der erste Mensch / Le premier homme" von Albert Camus. Eine Untersuchung

Die Suche nach dem Vater und die Suche nach dem ersten Menschen


Seminararbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Suche nach dem unbekannten Vater
II.1 Algier – die Mutter
II.2 Monsieur Bernard
II.3 Bône
II.4 Der Anhang

III. Die Suche nach sich selbst
III.1 Das Lycée
III.2 Erwachsen werden
III.3 Heimat

IV. Fazit

V. Bibliografie

I. Einleitung

„Le pmier homme“ schließt den Kreis von Camus‘ Werken. „Le pmier homme“ ist ein Roman der Wiederkehr: zurück zur Welt der Kindheit und der Jugend in Algerien, zurück zur Mutter, aber auch Suche nach dem Vater, dem Ursprung, der Kolonialgeschichte. Mit „Le pmier homme“ knüpft Camus an seine ersten Texte an, die er 1937 unter dem Titel „L’Envers et l’Endroit“ veröffentlichte. Dieser autobiografische Roman, der die algerische Kindheit einerseits und die Suche nach dem unbekannten Vater andererseits verarbeitet, veranlasste die Autoren vieler Camusbiografien, ihre bisherigen Spekulationen zu annullieren. Erst 34 Jahre nach dem Tod Albert Camus‘ entschloss sich seine Tochter, diesen Roman zu veröffentlichen und so das Bild von Camus in der Öffentlichkeit zu verändern.

Albert Camus wird am 7. November 1913 in Mondovi (Ostalgerien) als zweiter Sohn französischer Einwanderer geboren. Sein Vater stirbt 1914 nach einer Verwundung in der Marneschlacht. Seitdem muss die Familie in Belcourt, einem armen Stadtviertel Algiers, mit der Großmutter und einem Onkel in einer kleinen Wohnung leben.

Die Armut ist allgegenwärtig und wird Camus grundlegend formen.

Albert Camus arbeitet während des Philosophiestudiums (1933-1936) an der „Maison de la culture“ und gründet das „Théâtre du Travail“. Von 1943 bis 1944 arbeitet er als Journalist für die Widerstandszeitung „Combat“ und übernimmt später deren Leitung. In dieser Zeit lernt er Jean-Paul Sartre kennen. Am 10. Dezember 1957 erhält Albert Camus, begleitet von heftiger Kritik, den Nobelpis für Literatur. 1958 bis 1959 arbeitet er am Roman „Der erste Mensch“. Am 4. Januar 1960 stirbt er bei einem Unfall im Wagen von Michel Gallimard auf der Fahrt von Lourmarin nach Paris. (vgl. Sändig, Brigitte 1997: 135-136)

Die folgende Arbeit widmet sich der Aufgabe, den Titel „Der erste Mensch“ zu untersuchen. Die vorgegebene grobe Strukturierung des Romans wird beibehalten, so dass im ersten Teil die Suche nach dem Vater erläutert wird. Im zweiten Teil wird die Suche nach dem ersten Menschen näher untersucht.

II. Die Suche nach dem unbekannten Vater

Der Roman „ Le pmier homme “ gliedert sich in zwei Teile: der erste Teil beschreibt die Suche nach dem Vater, den Jacques – so der Name der die Hauptfigur in diesem Roman – nie kennengelernt hat, weil dieser gestorben ist, als er noch nicht einmal ein Jahr alt war.

Der Vater ist in der Marneschlacht im 1. Weltkrieg durch einen Granatsplitter verwundet worden und schließlich in einem Lazarett in der Bretagne verstorben.

Jacques wächst also ohne Vater und eigentlich auch ohne Mutter auf, denn diese lebt in sich gekehrt, in einer gewissen „Zerstreutheit“ (EM1 1998: 138), ausgelöst durch ihre Sprachbehinderung und den Analphabetismus. So erzieht ihn allein seine Großmutter – doch diese mit aller Härte und Disziplin. Zum Haushalt gehören ebenfalls der taube und fast stumme Onkel Étienne und Jacques älterer Bruder Lucien.

Das Kapitel 6a beginnt mit der neutralen Feststellung: „Jener hatte seinen Vater nicht gekannt...“ (EM: 153). Einige Zeilen weiter dann die Erkenntnis, dass „die Abwesenheit eines Vaters [...] nie wirklich spürbar gewesen war“. Und trotzdem macht er sich als 40jähriger auf die Suche nach diesem Vater. Er will ergründen, was für ein Mensch sein Vater war, wo die Wurzeln seines eigenen Lebens liegen und seine eigene Lebensgeschichte begreifen.

Er reist nach Saint-Brieuc zum Grab seines Vaters, nachdem ihn seine Mutter mehrmals darum gebeten hatte und er erfährt durch den Friedhofswärter, dass sein Vater am 11. Oktober 1914 in einem Lazarett in Saint-Brieuc gestorben ist. Er empfindet diesen Besuch als nutzlos, zum einen weil er seinen Vater nicht gekannt hatte und „sich [deshalb auch] keine Pietät aus den Fingern saugen konnte“, zum anderen da seine Mutter, die nie über seinen verstorbenen Vater sprach, „sich von dem, was er sehen würde, nichts vorstellen konnte“ (EM: 29). Beim Lesen der Jahreszahlen auf dem Grabstein bekommt er plötzlich Mitleid mit diesem Vater, der bereits mit 29 Jahren starb und so viel jünger war als er selbst. Die „natürliche Ordnung“ (EM: 31) war hier aus den Fugen geraten.

Jacques macht sich nun also auf nach Algier, um dort nach seinem Vater zu forschen und dabei wird er viel über seine Familie erfahren. Dieses Entdecken drückt sich durch den letzten Satz des vierten Kapitels aus: „Am Ende der Nacht würde er Algier finden.“ (EM: 62).

II.1 Algier – die Mutter

In Algier trifft er auf seine Mutter, von der er möglichst viel über seinen Vater erfahren möchte, doch das fällt ihm schwer.

Er findet heraus, dass sein Vater früh seine Eltern verloren hat und ihn seine Geschwister ins Waisenhaus gaben. Ebenso entdeckt er, dass sein Vater bis zum zwanzigsten Lebensjahr nicht lesen und schreiben konnte. Er erinnert sich an ein Treffen mit seinem ehemaligen Rektor, der ihm von seinem Vater eine Episode aus dem Marokkokrieg erzählte, in welchem sie gemeinsam gekämpft hatten. Jacques erkennt, dass er aus diesen bisher für unwichtig bewerteten Einzelheiten das meiste über seinen Vater erfährt: „Ein harter, bitterer Mann, der sein Leben lang gearbeitet, auf Befehl getötet und alles akzeptiert hatte [...].“ (EM: 75). Er urteilt daher über seinen Vater: „Ein armer Mann, kurz gesagt.“ (EM: 76).

Von seiner Mutter hätte er gern mehr über seinen Vater erfahren, v.a. „daß sie sich dafür begeisterte, ihm einen vor vierzig Jahren gestorbenen Mann zu beschreiben, dessen Leben sie fünf Jahre geteilt hatte [. . .]“(EM: 91). Jacques stellt sich die Frage, ob seine Mutter seinen Vater überhaupt jemals leidenschaftlich geliebt hat in diesen wenigen Jahren.

An anderer Stelle spricht er von der „unvermeidlichen Ehe“, die sein Vater in seinem „ganz und gar unfreiwilligen Leben“ zu akzeptieren hatte. (vgl. EM: 216)

II.2 Monsieur Bernard

„Germain ist für Albert2 ein zweiter Vater – oder der erste.“ (Todd 2001: 26).

Dieser Lehrer seiner letzten Volksschulklasse gab Jacques den Halt, den er brauchte und er ermöglichte ihm, das Gymnasium zu besuchen, was einen wesentlichen Schritt in Jacques Leben bedeutete. Monsieur Bernard, der auch im Ersten Weltkrieg gekämpft hatte, wollte versuchen, seine „toten Kameraden zu ersetzen“. (vgl. EM: 171)

Diese väterliche Liebe wird vor allem auch deutlich bei den jährlichen Besuchen, die Jacques dem alten Lehrer abstattet: „Seit fünfzehn Jahren besuchte Jacques ihn jedes Jahr...“ und Monsieur Bernard war es, „der Jacques in die Welt geworfen hatte, indem er ganz allein die Verantwortung dafür übernommen hatte, ihn zu entwurzeln, damit er sich zu noch größeren Entdeckungen aufmache.“ (EM: 178/179). Diese „Entdeckungen“ waren denn auch vielfältig: zum einen der Besuch des Gymnasiums als Stipendiat, danach das Philosophiestudium an der Universität in Algier, das ihm „Nietzsche, Kierkegaard und Schopenhauer [...], Pascal, Molière und die griechische Antike“ näher brachte, welche „geistige Leitlinien“ Camus werden sollten. (vgl. Sändig: 27)

Der väterliche Lehrer herrscht in der Schule allerdings mit Zuckerbrot und Peitsche. Da er alle Fächer unterrichtet, hat er auch zu allen Schülern engen Kontakt.

„Es stellt sich also gar nicht die Frage, ob man ihn gern hat oder nicht. Meistens hat man ihn gern, weil man völlig abhängig von ihm ist. Aber wenn das Kind ihn zufällig nicht oder wenig mag, bleiben Abhängigkeit und Unentbehrlichkeit bestehen, die nicht weit entfernt sind, Ähnlichkeit mit der Liebe zu haben.“ (EM: 245)

Er teilt mit seiner „Zuckerstange“ (EM: 169), einem dicken, kurzen, roten Holzlineal, Klapse und Hiebe auf das Hinterteil aus, je nach Schwere der Strafe.

Monsieur Bernard erwartet von seinen Schülern eine vorzügliche Rechtschreibung und Zeichensetzung. Und zum Trainieren der mathematischen Kenntnisse veranstaltet er Wettkämpfe im Kopfrechnen. Zweimal im Monat, immer bei nachlassendem Interesse der Schüler, führt er naturkundliche oder geografische Themen mit der Laterna magica3 vor, worauf alle schon gespannt warteten. (vgl. EM: 162)

„Aufgabe der Lehrer ist es, die Kinder zu erziehen und ihren kritischen Geist zu wecken[...].“ (Todd: 26)

Wenn im Lehrplan „von Gott die Rede“ ist, erklärt er, manche würden an ihn glauben, „andere nicht, und daß jeder im Vollbesitz seiner Rechte machte, was er wollte.“ Beim Thema Religion beschränkt er sich darauf, die Bekannten zu nennen und er fügt hinzu, „daß es Menschen gab, die keine Religion ausübten.“ (EM: 372).

Monsieur Bernard setzt sich dafür ein, dass Jacques das Lycée besuchen kann und bemerkt die Begeisterung seines Schülers, aber er weiß nicht, wie arm er ist:

„Deine Freude an der Schule war überall spürbar. Dein Gesicht verriet Optimismus. Und wenn ich Dich beobachtete, habe ich nie etwas von der wirklichen Situation Deiner Familie geahnt. Ich habe erst einen Einblick bekommen, als Deine Mama mich wegen Deiner Bewerbung um das Stipendium aufgesucht hat.“ (EM: 370)

[...]


1 Das häufig zitierte Buch „Der erste Mensch“ wird unter der Abkürzung „EM“ angeführt.

2 der wirkliche Name wird nur einmal im Roman auf Seite 165 genannt: Monsieur Germain

3 Laterna magica: erster Projektionsapparat für Glasdiapositive

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
"Der erste Mensch / Le premier homme" von Albert Camus. Eine Untersuchung
Untertitel
Die Suche nach dem Vater und die Suche nach dem ersten Menschen
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V117498
ISBN (eBook)
9783640198207
ISBN (Buch)
9783640198320
Dateigröße
1976 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mensch, Camus, Untersuchung, Albert, Vater, premier, homme, erste
Arbeit zitieren
Diana Eckl (Autor:in), 2004, "Der erste Mensch / Le premier homme" von Albert Camus. Eine Untersuchung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117498

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