Der Einfluss Schopenhauers in Thomas Manns "Buddenbrooks"


Seminararbeit, 2000

15 Seiten, Note: 1,0

Hans Kalt (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung

2. Erste Berührungen Manns mit dem Gedankengut Schopenhauers

3. Wie viel Schopenhauer ist in den „ Buddenbrooks“?
3. 1. Manns eigene und andere Einschätzungen
3. 2. Das Schopenhauererlebnis
3. 2. 1. Einflüsse allgemein
3. 2. 2. Einordnung im Roman
3. 2. 3. Die Philosophie Schopenhauers ( 1788- 1860 )
3. 2. 4. Inhalt und Interpretation
3. 3. Das Verhältnis Wille- Intellekt in den Buddenbrooksgenerationen

4. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Vorbemerkung

Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, den Einfluss Schopenhauers in Thomas Manns Erstlingsroman „ Buddenbrooks“, erstmals erschienen 1901, zu erörtern.

Die Haltung hierbei wird, in Bezug auf den Grad der Beeinflussung Thomas Manns durch Schopenhauer, eine gemäßigte sein, wie sie in etwa auch Gero v. Wilpert[1] und Werner Frizen[2] vertreten. Extreme Ansichten, wie z. B. von Erich Heller[3], der die „ Buddenbrooks“ als philosophischen Roman klassifiziert, werden, aufgrund fehlender objektiver Belege und wegen gegensätzlicher Äußerungen von Thomas Mann selbst, nicht berücksichtigt. So wird sich die Betrachtung, nach einer kurzen Beleuchtung des Verhältnisses von Thomas Mann zu Schopenhauerischem Gedankengut ( Kapitel 2 ), hauptsächlich auf das sogenannte Schopenhauerkapitel/ - erlebnis im 10. Teil, Kapitel 5 des Romans beschränken ( Kapitel 3. 2. ) und dessen intertextuellen Zusammenhang mit Schopenhauers „ Die Welt als Wille und Vorstellung“, II, Kapitel 41: „ Über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich“ verdeutlichen. Ferner werde ich in Kapitel 3. 3. auf einen Aufsatz von Peter Pütz[4] eingehen, der die Dekadenz der Buddenbrooks schopenhauerisch erklärt und schließlich am Ende versuchen, die Rolle der Philosophie, respektive von Schopenhauers und Nietzsches Gedankengut, in den „ Buddenbrooks“ in einem Fazit zusammenzufassen ( Kapitel 4 ).

2. Erste Berührungen Manns mit dem Gedankengut Schopenhauers

Bevor man daran geht, die schopenhaurischen Elemente und Gedanken in den

„ Buddenbrooks“ zu bestimmen, muss man zumindest knapp behandeln, inwieweit Thomas Mann selbst und vor allem auf welche Art und Weise er mit Schopenhauers Philosophie vertraut war.

Man wird feststellen müssen, dass ein eindeutiges Herausfiltern von Schopenhauerischem Gedankengut, sieht man von dem expliziten

Bezug im 5. Kapitel des 10. Teils ab, nicht möglich ist. Die Frage der Rolle der Philosophie in Thomas Manns Roman ist deswegen auch, laut Gero v. Wilpert[5], der

„ strittigste Punkt in der „ Buddenbrooks“- Forschung“.

Schon bei der Datierung der erstmaligen Schopenhauerlektüre, den beiden Bänden von „ Die Welt als Wille und Vorstellung“, von Mann ergeben sich die ersten Schwierigkeiten: Manns Selbstäußerungen darüber sind uneinheitlich. So spricht er bspw. in den „ Betrachtungen eines Unpolitischen“ ( 1918 ), dem „ Lebensabriß“

( 1930 ), dem Schopenhauer- Essay ( 1938 ) und in späteren Briefen stets vom

„ dreiundzwanzig- oder vierundzwanzigjährigen Autor“ [ der „ Buddenbrooks“ ], wenn es um den Zeitpunkt der ersten Lektüre geht. Im Schopenhauer- Essay redet Mann allerdings auch vom von der Willensmetaphysik Schopenhauers berauschten

„ Zwanzigjährigen“.

Die Meinungen, welche Aussage/ n glaubwürdig sei/ en gehen auseinander. Gero v. Wilpert z. B. vertritt die Version des „ dreiundzwanzig- oder vierundzwanzigjährigen“

Erstlesers[6] Thomas Mann, der zu diesem Zeitpunkt ( 1899 ) schon zwei Drittel des Romans niedergeschrieben hatte. Begründend fügt v. Wilpert hinzu, dass in den Entwürfen zu den „ Buddenbrooks“ kein spezifischer Schopenhauereinfluss festzustellen sei, eine frühere Lektüre daher eher unwahrscheinlich sei[7]. Werner Frizen dagegen plädiert für eine frühere Datierung des ersten Kontakts mit Schopenhauers Werken, da die Konstruierung und Objektivierung, bzw., Verfremdung, (durch Nietzsche ) des Schopenhauererlebnisses mehr Zeit zwischen eigener Lektüre und der Verarbeitung im Roman bedurft hätte. An selber Stelle räumt Frizen jedoch die topische Qualität des zwanzigsten Lebensalters bei Mann ein, welches jener als eine Zeit seiner eigenen inneren Heranreifung begriff.[8] Desweiteren stützt Frizen seine Behauptung auf die Untersuchung von Manns Notizen vor 1900, in denen der Name Schopenhauer häufiger auftaucht, was allerdings nicht mehr als ein Indiz sein kann[9].

Zur selben Datierung um das Jahr 1895/ 96 neigt z. B. auch Kristiansen[10].

Durchgehend gleichlautend sind jedoch Manns Beschreibungen seines eigenen „Schopenhauererlebnisses“. Im Schopenhauer- Essay ist z. B. zu lesen, dass die erste Lektüre der Originalwerke von „ Die Welt als Wille und Vorstellung“ einem

„ Rausch“ gleichkam und die „ organische Erschütterung, [ ... ], nur mit einem Rausch verglichen werden kann, welche die erste Bekanntschaft mit der Liebe und dem Geschlecht in der jungen Seele erzeugt, [ ... ].“[11]. Eine Reaktion, die Mann auch Thomas Buddenbrook zukommen lässt.

Relativ einig ist man sich auch über die Selbststilisierung Manns ( nicht nur in diesem Fall ) bei seinen Beschreibungen des Erwerbs und Lesens der Schopenhauer-Werke, die sich an Nietzsches Erfahrung mit Schopenhauer und den Beginn des Bibelstudiums von Augustinus anlehnen.[12] Als gesichert gilt auch, dass der erste Kontakt mit Schopenhauers Gedankenwelt über Nietzsche führte, der als „ Schüler“ von Schopenhauer dessen Philosophie kritisierte und weiterentwickelte. Schriften über und von Nietzsche habe Mann schon ab 1894 (und dann in Schüben über mehrere Jahrzehnte hinweg, bis 1948 ) rezipiert[13]. Somit erklärt sich auch die spezielle Auffassung und Umformung der Philosophie Schopenhauers durch Thomas Mann, der uns im Schopenhauer- Essay den Schlüssel und die damit verbundene Schwierigkeit für die Interpretation seiner Literatur im Hinblick auf den Schopenhauereinfluss, nicht nur in den „ Buddenbrooks“, an die Hand gibt, wenn er sagt,

„ daß man im Sinn eines Philosophen denken kann, ohne im geringsten Sinn nach seinem Sinn zu denken, will sagen: daß man sich seiner Gedanken bedienen- und dabei denken kann, wie er durchaus nicht gedacht haben will. Hier dachte freilich einer, der außer Schopenhauer auch schon Nietzsche gelesen hatte und das eine Erlebnis ins andere hineintrug, die sonder barste Vermischung mit ihnen anstellte.“[14],

und somit, wie er ein anderes Mal bemerkt, „ schwer [ ... ] auseinanderzuhalten [ ist ], was er dem einzelnen verdankt.“[15].

Mit diesen Aussagen stellt Thomas Mann selbst die Problematik einer Untersuchung zum Schopenhauereinfluss in seinem Werk dar, die in einer teils bewussten, teils unbewussten Vermischung und Verfremdung der Schopenhauerschen Philosophie mit Nietzsche, Wagner und natürlich eigenen Ansichten besteht. Zu beachten ist sicherlich auch der Einfluss der genannten Denker auf den allgemeinen Zeitgeist um die Jahrhundertwende, an dem eben auch Thomas Mann gezwungenermaßen partizipierte und er somit, ohne Rezeption der Originalwerke der Philosophen, mit deren Gedankengut konfrontiert war.

[...]


[1] siehe: Ken Moulden/ Gero v. Wilpert ( Hg. ): Buddenbrooks- Handbuch. Stuttgart 1988. S. 293- 304.

[2] siehe: Werner Frizen: Zaubertrank der Metaphysik. Quellenkritische Überlegungen im Umkreis der Schopenhauer- Rezeption Thomas Manns. Frankfurt a. M. u. a. 1980.

[3] siehe: Erich Heller: Der ironische Deutsche. Frankfurt a. M. 1959.

[4] Peter Pütz: Die Stufen des Bewußtseins bei Schopenhauer und den Buddenbrooks. In Hermann Kurzke ( Hg. ): Stationen der Thomas Mann Forschung. Aufsätze seit 1970. Würzburg 1970.

[5] im Buddenbrooks- Handbuch, S. 293.

[6] ebenda, S. 295f.

[7] ebenda, S. 296.

[8] So datiert Mann seine erste Nietzsche- Lektüre auch auf sein zwanzigstes Lebensjahr, obwohl diese wohl schon früher stattgefunden hatte ( siehe Frizen, S. 38 ).

[9] Frizen, S.38ff.

[10] Borge Kristiansen: Thomas Mann und die Philosophie. In: Helmut Koopmann ( Hg. ): Thomas- Mann- Handbuch. Stuttgart 1990. S. 259- 282.

[11] Thomas Mann: Gesammelte Werke. 13 Bände. Frankfurt a. M. 1974, IX, S. 651. ( im Folgenden: GW )

[12] z. B.: Buddenbrooks- Handbuch, S. 297: v. Wilpert vergleicht hier die ähnlich lautenden Textstellen in den jeweiligen Schriften.

[13] siehe Kristiansen, S.260.

[14] GW, IX, S.561.

[15] GW, XII, S. 79.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss Schopenhauers in Thomas Manns "Buddenbrooks"
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Proseminar: Die Anfänge Thomas Manns
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
15
Katalognummer
V117464
ISBN (eBook)
9783640197620
ISBN (Buch)
9783640197835
Dateigröße
407 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einfluss, Schopenhauers, Buddenbrooks, Proseminar, Anfänge, Thomas Mann, Arthur Schopenhauer, Schopenhauer, Nietzsche, Interpretation, Die Welt als Wille und Vorstellung, Schopenhauerkapitel, Philosophie, Moderne, literarische Moderne
Arbeit zitieren
Hans Kalt (Autor:in), 2000, Der Einfluss Schopenhauers in Thomas Manns "Buddenbrooks", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117464

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