Lernen und Lehren im institutionalisierten Kontext

Lernbereiche Mathematik, Deutsch und Sachunterricht


Seminararbeit, 2006

15 Seiten, Note: 2,2


Leseprobe


Aufgaben zu Teil I/III:Tobias rechnet 44 + 32 = 4432.

a) Welches grundlegende mathematische Konzept hat Tobias nicht verstanden, so dass es zu diesem Fehler kommen konnte?
b) Welche Kenntnisse muss ein Schüler bis zum Ende der Behandlung der Natürlichen Zahlen in der Grundschule erworben haben, damit ein solcher Fehler nicht mehr entstehen kann?

Mehmet rechnet die Aufgabe 73 – 45 so: „Siebzig minus Vierzig ist Dreißig. Drei minus Fünf geht nicht, aber Drei sind schon --- also noch Zwei. Dreiundsiebzig minus Fünfundvierzig ist Achtunddreißig.“

a) Welche Rechenstrategie verwendet Mehmet zum Lösen der Aufgabe? Beschreiben Sie diese!
b) Welche Fehler hat Mehmet gemacht?
c) Welches mentale Bild könnte Mehmet helfen, diesen Fehler zu vermeiden?

„Fall“ Tobias

Zu a)

Das grundlegende mathematische Konzept, was Tobias nicht verstanden hat, ist das des Stellenwertsystems mit seinen typischen Charakteristika wie Bündeln (bei uns im Dezimalsystem) und Stellenwert. Der Stellenwert ist der Wert einer Ziffer in einer Zahl, der durch deren Position in der Zahl bestimmt wird. Die Ziffer gibt die „Anzahl der Bündel der betreffenden Mächtigkeit an“, die „Stellung der Ziffer innerhalb des Zahlwortes gibt die Mächtigkeit des zugehörigen Bündels an“ (vgl. Padberg, S. 55).

Tobias hat offensichtlich auch generell kein Verständnis für Mengen, Größen, Zahlen („Zahlbegriff“) oder mathematische Operationen - wie hier der Addition; ihm ist nicht bewusst, dass die Zahl rechts vom Gleichheitszeichen unverhältnismäßig größer ist als die Summe der beiden zu addierenden Zahlen links vom Gleichheitszeichen. Das Ergebnis von Tobias besteht aus einer Aneinanderreihung von den vier Ziffern der beiden zweistelligen Zahlen, die er addieren soll, eine „Rechnung“ im eigentlichen Sinne fand gar nicht statt. Ihm fehlt die Einsicht, dass es sich bei der Zahl „44“ (1. Summand) um eine Menge handelt, also um 4 Zehner und 4 Einer, genauso ist es vermutlich der Fall mit der „38“ (2. Summand).

Somit ist er auch nicht in der Lage, die Mächtigkeit der Vereinigungsmenge aus den beiden Mengen („Addition“) zu ermitteln, geschweige denn, sich vorzustellen, dass die Zahl 4432 aus 4 Tausendern, 4 Hundertern, 3 Zehnern und 2 Einern besteht. Die Zahlen werden von ihm nur als Ansammlung von Ziffern wahrgenommen. Für die Operation des Addierens sind viele Teilleistungen notwendig, die eine Einsicht in das Stellenwertsystem und ein Zahlverständnis voraussetzen, was hier fehlt.

Man kann auch vermuten, dass Tobias keinerlei heuristische Strategien beherrscht, mit denen er die Summanden zum Beispiel hätte zerlegen können (wie schrittweises Rechnen etc.).

Zu b)

Damit ein solcher Fehler nicht mehr passieren kann, muss ein Schüler gemäß Rahmenlehrplan Grundschule Mathematik (Themenfeld „Zahlen und Operationen“) bis zum Ende der Behandlung der Natürlichen Zahlen in der Grundschule folgende Kenntnisse erworben haben:

Er sollte die natürlichen Zahlen im Zahlenraum bis eine Million erfassen, lesen, bilden und zerlegen und diese mit Ziffern bzw. Worten darstellen können. Er hat Einsicht in das dezimale Stellenwertsystem, d.h. er kann bündeln und entbündeln und sicher mit Stellenwerten umgehen. Dazu gehört eine Mengen- und Zahlvorstellung, ein Übersetzungsvermögen zwischen den drei Darstellungsebenen sowie ein sicheres und flexibles Bewegen innerhalb des Zahlenraumes (z.B. Zahlen der Größe nach ordnen und runden) mit Einsicht in Zahlbeziehungen und Analogien.

Er sollte die vier Grundrechenoperationen der Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division verstehen und mündlich, halbschriftlich sowie schriftlich – also unter Berücksichtigung auch von Teilschritten – beherrschen und Zusammenhänge zu den anderen Grundrechenarten herstellen können.

Ein Schüler sollte außerdem mit den natürlichen Zahlen sicher rechnen, einem Problem angemessen runden und schätzen können und eine Überschlagsrechnung und Umkehroperation zur Kontrolle von Rechenergebnissen nutzen können. Außerdem verfügt er über ein Mindestmaß an Zähl- und Rechenstrategien (dazu gehört auch das Bewusstsein, dass sich nicht jede Aufgabe auf die gleiche Art und Weise lösen lässt) und sicheren Umgang mit Stellentafel, Zahlenstrahl, Hunderterfeld und -tafel, Tausenderbuch etc.

Ein Schüler sollte die Grundaufgaben des Kopfrechnens (Einspluseins, Einmaleins, Zahlzerlegungen) aus dem Gedächtnis beherrschen, deren Umkehrung sicher ableiten und diese Grundkenntnisse auf analoge Aufgaben in größeren Zahlenräumen übertragen können.

Letztlich sollte dem Schüler das Gleichheitszeichen als Zeichen für „Gleichheit“,

„Gleichwertigkeit“ oder „wechselseitige Austauschbarkeit“ bewusst sein. Er sollte Rechenfehler selbst finden, erklären und korrigieren können.

„Fall“ Mehmet

Zu a)

Bei der Aufgabe handelt es sich um eine Subtraktionsaufgabe mit Zehnerübergang. Ich gehe davon aus, dass Mehmet mündlich gerechnet und die Strategie „Stellenweises Rechnen“ angewandt hat. Diese Strategie wird zwar wegen der mit ihr verbundenen Schwierigkeiten bzw. Fehleranfälligkeit im Unterricht eher seltener thematisiert, Untersuchungen ergaben jedoch dennoch, dass viele Schüler sie benutzen (vgl. Padberg, 185-188). So offensichtlich auch Mehmet. Er ist schrittweise vorgegangen, und hat damit angefangen, den Minuenden „73“ und den Subtrahenden „45“ jeweils stellenweise zu zerlegen. Aus den jeweiligen Zehnern erhielt er somit die erste richtige Teilrechnung „70 minus 40 gleich 30“, was er auch mitteilt. Danach will er, wie er ebenso äußert, mit der sich aus den Einern ergebenden nächsten Teilrechnung „3 minus 5“ fortfahren, stellt aber fest, dass das nicht geht, da der Subtrahend größer ist als der Minuend. Nun fällt ihm auf, dass er von dem Ausgangsminuenden („73“) für die erste Teilrechnung gedanklich bereits „3“ abgezogen hat, um auf die „70“ zu kommen. Diese „3“ merkt er sich. Er weiß offensichtlich auch, dass, nachdem er in der ersten Teilrechnung bereits „40“ von den „70“ abgezogen hat, er die „5 Einer“ aus dem Ausgangssubtrahenden immer noch abziehen muss, „3“ davon aber bereits (wie gerade erwähnt) abgezogen hat, somit nun also nur noch zwei abziehen muss. Diese „2“ zieht er von den „40“ aus der ersten Teilrechnung ab, d.h. aus den Zehnern vom Ausgangssubtrahenden. Hierin liegt sein Rechenfehler, nachdem er bisher eigentlich richtig gerechnet hat.

Zu b)

Mehmet wusste offensichtlich, dass er neben der „40“ von der „73“ noch „5“ abziehen muss. Da er für die erste Teilrechnung, um auf „70“ zu kommen, ja schon „3“ abgezogen hat, wusste er, dass er letztlich nur noch die Differenz von der „3“ zur „5“, also „2“, abziehen muss. Dieser Gedanke war richtig, aber leider verkennt Mehmet, dass er die „2“ von der „30“, d.h. dem Ergebnis seiner ersten Teilrechnung, hätte abziehen müssen anstatt von der „40“. Es bleibt die Frage offen, warum Mehmet diesen Fehler gemacht hat, vor allem, weil er seinen letzten Schritt nicht begründet. Es gibt mehrere Möglichkeiten: Entweder handelt es sich einfach um einen Gedächtnisfehler, weil er sich keinerlei Notizen beim Rechnen gemacht hat und einfach die Zahlen „40“ und „30“ durcheinander bringt, oder es herrschte folgendes Phänomen vor: Er hat eigentlich die „2“ von der „30“ abgezogen, sagt aber dennoch „38“, weil die „30“ als Wort aus der Rechnung in seinem Kopf immer noch nachhallt. Oder er hat die Strategie letztlich doch nicht mit voller Sicherheit verstanden, auch wenn ich mir das bei seinen vorherigen Gedankengängen nicht so gut vorstellen kann. Ich denke eher, dass er die Strategie schon richtig verstanden und auch angewendet hat, sich aber letztlich in der Zahl gedanklich vertan hat.

Sicher kann man sagen, dass die Strategie „Stellenweises Rechnen“ eine denkbar ungünstige Strategie darstellt, da hier ein hoher Merkaufwand nötig ist, man sich also leicht vertun kann, diese Strategie einfach sehr fehleranfällig ist (vgl. Padberg 171). Schrittweises Rechnen wäre bei Mehmets Rechenaufgabe sicher vorteilhafter gewesen mit einem schrittweisen Ergänzen des Subtrahenden zum Minuenden.

Letztlich hätte Mehmet durch eine Umkehraufgabe noch einmal probieren sollen, ob er richtig gerechnet hat, und dann schnell festgestellt, dass sein Ergebnis falsch ist.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Lernen und Lehren im institutionalisierten Kontext
Untertitel
Lernbereiche Mathematik, Deutsch und Sachunterricht
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Erziehungswissenschaften (Abteilung Grundschulpädagogik))
Note
2,2
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V117303
ISBN (eBook)
9783640197569
ISBN (Buch)
9783640197798
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernen, Lehren, Kontext
Arbeit zitieren
Anne-Kathrin Buse (Autor:in), 2006, Lernen und Lehren im institutionalisierten Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117303

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