Slackline. Ein neuer Trendsport?

Hintergründe und Perspektiven


Diplomarbeit, 2008

99 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Slacklinen
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Darstellung und Eigenschaften unterschiedlicher Slacklines
2.2.1 Lowlines
2.2.2 Highlines
2.3 Diskussionsansatz zur Definition des Slacklinens

3 Trendsport
3.1 Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport allgemein
3.2 Begriffsproblematik „Trendsport“
3.3 Trends als Metaphern

4 Ansätze und Modelle zur Zuordnung von Sportarten zum Trendsport
4.1 Charakteristische Merkmale von Trendsportarten im Allgemeinen und Slacklinen im Besonderen.
4.2 Modelle zur Entwicklung von Trendsportarten
4.2.1 Phasenmodell nach Schwier
4.2.2 Trendsportentwicklung nach Lamprecht und Stamm
4.2.3 Akzeptanz – Kriterien nach Volker Nagel

5 Problemstellung
5.1 Anwendung des Modells von Schwier auf Slacklinen
5.2 Anwendung des Modells von Lamprecht und Stamm auf Slacklinen

6 Untersuchungsdesign
6.1 Explorative Umfrage zum Slacklinen im deutschsprachigen Raum
6.2 Durchführung der Befragung und Auswertung
6.3 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
6.3.1 Soziodemographische Merkmale
6.3.2 Fakten bezüglich Slacklinen
6.3.3 Hintergrundwissen über Slacklinen
6.3.4 Fragen zu Merkmalen eines Trendsports nach Jürgen Schwier
6.3.5 Fragen nach Volker Nagel
6.3.6 Funktionsfragen
6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse

7 Zusammenfassung und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Scott Balcom, Erfinder des Slacklinens (Balcom, 2005, Titelbild)

Abb. 2: Scott Balcom auf der „Spireline“ im Yosemite Valley (Quelle: www.slackline.net)

Abb. 3: Slackliner beim Ausführen von Tricks. (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007)

Abb. 4: Europas höchst gelegene Highlinebegehung am Dent du Géant im Mont Blanc Massiv, (Quelle: www.slackline-tools.de, 2007)

Abb. 5: Damian Cooksey, Frontflip beim Event in Scharnitz (Quelle: www.slackline-event.com, 2008)

Abb. 6: Damian Cooksey auf einer 100m langen Line beim Treffen in Scharnitz. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:100m_slackline_scharnitz1.jpg, 2008)

Abb. 7: Phasen der Entwicklung von Trendsportarten

Abb. 8: Balanceakt über den Dächern von München. Heinz Zak auf einer Highline bei der Neueröffnung von "Sport Schuster" in der Rosenstraße in München (Quelle: www.alpin.de, 2008)

Abb. 9: Altersverteilung der Slackliner aus der Studie

Abb. 10: Geschlechterverteilung der Slackliner aus der Studie

Abb. 11: Prozentuale Verteilung der englischen und deutschen Bezeichnungen für Tricks

Abb. 12: Motivation zum Slacklinen (n=476)

Abb. 13: Einteilung der Motivation in drei Bereiche

Abb. 14: Prozentuale Verteilung des Bekanntheitsgrades von Slackline-Sets nach Herstellern

Abb. 15: Prozentuale Verteilung der bekannten Slackline-Events

Abb. 16: Prozentuale Verteilung der Tendenzen zur Beschleunigung und Entschleunigung

Abb. 17: Kategorien der genannten Slackline-Adjektive

Abb. 18: „Ja-Nein“ Verteilung in Bezug zum eigenen Slackline-Stil

Abb. 19: Kategorienunterteilung der verschiedenen genannten Slackline-Stile

Abb. 20: Verteilung der Angaben bezüglich des Stils nach Könnensgrad

Abb. 21: Darstellung der verschiedenen Slackliner-Charaktereigenschaften

Abb. 22: „Ja-Nein“ Verteilung zur äußerlichen Attraktivität des Slacklinens

Abb. 23: Prozentuale Verteilung in Bezug zum finanziellen Aufwand

Abb. 24: Prozentuale Verteilung aus Frage 28

Abb. 25: Kategorisierung der Antworten aus Frage 28

Abb. 26: Prozentuale Verteilung der Antworten zu Frage 29

Abb. 27 : Prozentuale Verteilung der Antworten zu Frage 30

Abb. 28: Prozentuale Verteilung der Antwortkategorien bezüglich Trendsport im Allgemeinen

Abb. 29: Prozentuale Verteilung der Haltung gegenüber Slackline-Workshops

Abb. 30: Prozentuale Verteilung der ermittelten Einrichtungen aus Frage 33

Abb. 31: Kinder beim Kinderjugendfestival in Stuttgart (Quelle: www.slackline-tools.de, 2008)

Abb. 32: Ein Kind auf der Slackline (Quelle: www.slackline-tools.de, 2008)

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Angaben der Slacklineerfahrung in Jahren

Tab. 2: Häufigkeit des Slacklinens pro Woche

Tab. 3: Könnensstand der Studienteilnehmer

Tab. 4: Angaben bezüglich einer Highlinebegehung

Tab. 5: Regelmäßigkeit des Trainings

Tab. 6: Teilnahme an einem Slackline-Wettkampf

Tab. 7: Analyse des Könnensstandes in Bezug zur Wettkampfteilnahme

Tab. 8: Zugang der Studienteilnehmer zum Slacklinen

Tab. 9: Erlernen des Slacklinens

Tab. 10: Ausübungsform des Slacklinens

Tab. 11: Übersicht der genannten Idole

Tab. 12: Interesse der Teilnehmer an Slackline-Events

Tab. 13: Prozentuale Verteilung der Erwartungen an Slackline-Events

Tab. 14: Vergleich der Fragen 16 und 17

Tab. 15: Darstellung von Frage 32

Tab. 16: prozentuale Verteilung der Fragen 21, 22, 23 des Fragebogens

Tab. 17: Spontane Nutzbarkeit des Slacklinens und Antwortkategorien zu Frage 25

Tab. 18: Ortsunabhängigkeit des Slacklinens

Tab. 19: Antwortenspektrum zu Slacklinen als Trendsport

1 Einleitung

„Als Individuen balancieren wir vielfach unbewusst auf bekanntem Terrain, es ist nur natürlich dass wir diese Eigenschaft aktiv erfassen und sie entsprechend fördern. Als Slackliner balancieren wir mit vollem Bewusstsein im Streben nach Vervollkommnung und Erfüllung. Versuch es einfach. Sei du, wenn du auf einer Slackline gehst; probier etwas aus, oder helfe einfach einem Kind Fahrradfahren zu lernen, du wirst spüren, das Gleichgewicht im Leben durchströmt alles. Das Arbeiten an seinen eigenen Grenzen – erkennen, bewältigen und zurücksehen – kann jedem auf seinem Weg helfen.“ (Jungshannß, o.D., S.6)

Slacklinen, eine noch junge, aufstrebende Bewegungsform[1], erfreut sich zunehmender Beliebtheit. In den letzten Monaten erschienen verstärkt Berichte und Reportagen in elektronischen Medien, Printmedien und in Form von Fernsehberichterstattungen, welche sich mit diesem bisher relativ unbekannten Trend auseinandersetzen. Slacklines werden auf der einen Seite an immer exotischeren und entlegeneren Orten auf der Welt gespannt, z.B. im Mont Blanc Massiv. Auf der anderen Seite steigt das Interesse von Schulen[2], Vereinen und Rehabilitationseinrichtungen am Slacklinen. Was genau zeichnet nun Slacklinen aus und rechtfertigt eine intensive Beschäftigung mit dieser neuen Bewegungsform?

Heinz Zak brachte Slacklinen etwa um das Jahr 2000 nach Europa und veranstaltete im Juli 2006 das „1. Internationale Slackline-Treffen in Scharnitz“ (Österreich). Die angereisten Slackliner konnten dort Erfahrungen austauschen und gemeinsam Spaß haben. Dieser erste Event in Scharnitz leitete die weitere Verbreitung dieser seit den achtziger Jahren in den USA praktizierten Sportart sowie Neuformierungen weiterer Slacklinegruppen in Deutschland und Nachbarländern ein, was auf ihre steigende Popularität hindeutet. In den Parkanlagen von Städten und Gemeinden sieht man zunehmend zwischen den Bäumen gespannte Bänder und darauf balancierende Bewegungskünstler. Ein erstes deutschsprachiges Forum im Internet wurde bereits im Jahre 2004 gegründet. Seit 2005 kann man fertig zusammengestellte Slackline-Sets in ausgewählten Sportfachgeschäften kaufen.

Blieb es im Jahre 2006 bei diesem einzigartigen Event in Scharnitz, gab es 2007 bereits mehr als zehn Slackline-Treffen und die Anzahl aktiver Slackliner und Events wächst seither stetig an. Nicht nur namhafte Hersteller aus dem Klettersport bieten mittlerweile Sets zum Verkauf an, auch kleine Unternehmen beschäftigen sich intensiv mit dieser Bewegungsform und tüfteln an neuen Materialien und Aufbauarten. Anfängerkurse, in denen Abspanntechniken und die ersten Schritte gezeigt werden, erfreuen sich großer Beliebtheit.

Da es sich beim Slacklinen um ein neues, noch unerforschtes Feld handelt, das jedoch ein sehr dynamisches Wachstum aufweist, soll in dieser Arbeit sowohl die bisherige Entwic]klung des Slacklinens betrachtet, als auch eine Prognose für die zukünftige Entwicklung dieser Bewegungsform versucht werden. Darüber hinaus steht die Frage im Raum, ob Slacklinen zu den Trendsportarten gezählt werden kann oder lediglich ein kurzlebiger Sporttrend bleibt.

In einem ersten Schritt wird daher eine historische Betrachtung des Slacklinens vorgenommen. Die junge Bewegungspraxis wird hinsichtlich ihrer Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte dargestellt und die verschiedenen Disziplinen mit ihren Anforderungen werden aufgelistet und erläutert. In einem weiteren Schritt erfolgt der Versuch einer Definition des Begriffes Slacklinen, um ein Basiswissen als Grundlage für weitere Analysen zu schaffen.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Trendsport. Dabei werden zunächst die gesellschaftlichen Hintergründe für die Ausbreitung von Trendsportarten dargestellt, Veränderungen hinsichtlich der Werte einer Gesellschaft beleuchtet und die Frage diskutiert, warum sich Menschen Trendsportarten zuwenden. Die Unterkapitel beschäftigen sich mit Begrifflichkeiten des Phänomens Trendsport. Hierbei werden die Begriffe ‚Trend’ und ‚Sport’ erläutert, auf die Problematik der Trendsportdefinition eingegangen und der Begriff Slackline im Hinblick auf „Trends als Metaphern“ untersucht.

Eine Verknüpfung der Theorien des Trendsports mit dem Slacklinen findet im Anschluss statt. Die charakteristischen Merkmale von Jürgen Schwier, durch die sich möglicherweise Trends im Feld des Sports auszeichnen, werden dargestellt und auf Slacklinen übertragen. Welche Merkmale treffen auch auf Slacklinen zu und inwiefern lässt es sich dadurch dem klassischen Trendsport zuordnen?

Zwei häufig angewandte Modelle aus der Trendsportforschung werden anschließend vorgestellt und auf ihre Relevanz für die Entwicklung des Slacklinens untersucht. Zum einen handelt es sich um das semiotische Modell nach Jürgen Schwier, zum anderen um das an einem Produktlebenszyklus orientierte Modell nach Markus Lamprecht und Hanspeter Stamm.

Abschließend kommt ein Konzept von Volker Nagel zur Anwendung, welches ursprünglich zur Analyse des Trendsports Inlineskaten entwickelt wurde. Dessen Fragen werden modifiziert in der empirischen Untersuchung (Fragebogen) auf Slacklinen bezogen.

Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine schriftliche Befragung unter Slacklinern durchgeführt (siehe Kapitel 6: Untersuchungsdesign). Hierfür kommt ein Fragebogen zum Einsatz, welcher durch seinen speziellen Aufbau sowohl einen Bezug zu den charakteristischen Merkmalen nach Schwier als auch zu den Akzeptanz-Kriterien nach Nagel herstellen soll. Die im Anschluss ausgewerteten und interpretierten Ergebnisse stützen entweder die theoretische Analyse im ersten Teil der Arbeit oder führen zu einer Verwerfung der aufgestellten Hypothesen zu Slacklinen als Trendsport.

2 Slacklinen

Um eine genauere Vorstellung von der noch jungen Sportart und damit ein Grundwissen zu erhalten, werden im Folgenden die Ursprünge des Slacklinens und seine Entwicklung dargestellt, wobei insbesondere verschiedene Disziplinen des Slacklinens und deren Charakterisierung im Mittelpunkt stehen. Abschließend erfolgt der Versuch einer Definition des Begriffs Slacklinen.

2.1 Historische Entwicklung

Die historischen Wurzeln des Slacklinens lassen sich auf das Ende der 1970er Jahre zurückverfolgen. Bis dahin balancierten Kletterer schon seit den 60er Jahren im Yosemite Nationalpark in den USA (Kalifornien) zum Zeitvertreib an Ruhe- und Regentagen auf Tauen und Absperrketten an Parkplätzen. Aufgrund des lockeren Durchhangs nannten sie ihr neu entdecktes ‚Sportgerät’ slackchain. Anfangs erschien es den Protagonisten unmöglich auf der lockeren Kette zu laufen. Nach intensivem Üben wurde es zur Routine und die Kletterer suchten sich neue Herausforderungen. Kurze Zeit später wurden die ersten Tricks und Übungselemente entwickelt, wie beispielsweise das Drehen, Hinsetzen, Liegen und auch das Surfen, d.h. stehend auf der Kette hin und her schaukeln (vgl. Müller, 2007, S.3-4).

Scott Balcom, ein junger Kletterer, schreibt in seinem Buch Walk the Line[3] von der Beobachtung zweier junger Männer im Yosemite-Tal im Sommer 1983, die auf einem fix gespannten Stahlseil im Wald balancierten. Seine besondere Aufmerksamkeit galt jedoch nicht dem gespannten Stahlseil, sondern dem daneben gespannten Band, welches die jungen Männer zu Trainingszwecken nutzten. Balcom und sein Freund Chris Carpenter, der ihn begleitete, waren sofort fasziniert von den federnden Eigenschaften des Bandes. Balcom selbst war nach eigenen Aussagen bei dem Versuch, ein Band zum Balancieren zu spannen, gescheitert, daher schienen ihm die Leistungen der beiden unglaublich: „Here was Adam Grosowski and Jeff Ellington with a command over the squirrellyness that made it look like a dance“ (Balcom, 2005, S.114).

Adam Grosowksi und Jeff Ellington gelten seitdem als Pioniere, die anstelle einer starren Kette ein dynamisches Schlauchband aus dem Klettersport mit Karabinern zum Balancieren zwischen zwei Bäumen spannten. Nach Ellington ist noch heute eine Flaschenzugvariante[4] zum straffen Spannen von Slacklines benannt.

Scott Balcom kehrte mit seinen Eindrücken zu seinem Bruder Ric Piegh und seinen Freunden Charles Tucker und Darrin Carter zurück[5]. Sie kauften sich im Bergsportladen ein entsprechendes Band und spannten dies zwischen zwei Bäumen. Mit etwas Übung konnten alle darauf laufen und Tricks vollführen. Die Eigenschaften des Bandes wurden gegenüber denen der Kette als weit überlegen eingestuft. Das bei normaler Beanspruchung im Klettersport als statisches Material – d.h. mit minimaler Gebrauchsdehnung – eingeordnete Band hatte, wenn man es über einige Meter spannte und darauf balancierte, eine angenehme Dehnung, vergleichbar mit den Eigenschaften eines sehr starken Gummibandes. Von diesem einzigartigen Gehgefühl waren alle Beteiligten begeistert (vgl. Müller, 2007, S.3-4).

Die folgenden Jahre waren dadurch geprägt, dass immer mehr Kletterer im ‚Camp Four’ (ein Klettercamp im Yosemite Nationalpark in Kalifornien, welches immer noch als der bekannteste Treffpunkt der Kletterszene gilt) Slacklinen ausübten. Die Grenzen des Slacklinens wurden immer wieder aufs Neue herausgefordert. Man experimentierte mit verschieden starken Bändern, Längen, Abspannmechanismen und schließlich auch mit der Höhe, in der das Band gespannt wurde. So entstanden verschiedene Disziplinen, welche im nächsten Kapitel vorgestellt werden.

Scott Balcom gelang nach intensivem mentalem Training die erste Highlinebegehung am Lost Arrow Spire[6] am 13. Juli 1985. Damit inspirierte er viele nachfolgende Highliner, unter anderem seinen Freund Darrin Carter, den man damals aufgrund seines immensen Ehrgeizes als erfolgreichsten Slackliner im Highlinesport betitelte. Carpenter berichtet in The evolution of slacklining by Chris Carpenter über Carter: „A demon inside Darrin was born. He could feel within himself that his purpose in life now made sense“ (Carpenter, o.D., S.5). Darrin Carter beging als erster ungesichert und allein aus sportlicher Motivation die 15m lange Slackline in über 900m Höhe über der Talsohle des Yosemite Valley (vgl. Junghannß, o.D., S.3f). Die Highline am Lost Arrow Spire wurde dadurch zu einem Mythos, um den sich zahlreiche Legenden und Geschichten ranken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Scott Balcom, Erfinder des Slacklinens (Balcom, 2005, Titelbild)

Abb. 2: Scott Balcom auf der „Spireline“ im Yosemite Valley (Quelle: www.slackline.net)

Ric Piegh gründete 1998 ‚Slackline Brothers Inc.’ und bot das erste zusammengestellte Slackline-Set[7] zum Verkauf an. ‚Asana Pack Works’ war die nächste Firma, ehe im Jahre 2004 Scott Balcom ‚SlackDaddy’ gründete und ebenfalls Slackline-Sets anbot[8]. Alle weiteren Sets, die seitdem auf den Markt gekommen sind, wurden mit einem Ratschensystem ausgestattet. Erst ‚Slackline-Tools’, ein weiteres kleines im Frühjahr 2007 in Deutschland gegründetes Unternehmen, bietet wieder Sets basierend auf der traditionellen Methode des Flaschenzuges nach Jeff Ellington zum Verkauf an.

Heinz Zak, Extremkletterer und Bergfotograf aus Österreich, wurde auf diese Bewegungs- praktik durch seine Kletterreisen ins Camp Four aufmerksam. In Europa gilt er als Slacklinepionier, der diese Form des Balancierens um die Jahrtausendwende nach Europa brachte. Das erste Slackline-Set, das in Europa auf den Markt kam, wurde von ihm in Zusammenarbeit mit der Seilerei Peter (Allgäu) für ‚Mountain Equipment’[9] entwickelt. Dieses Set ist seit 2005 in Sportfachgeschäften käuflich erwerbbar. Außerdem wohnte Zak Dean Potters[10] legendärer ungesicherter Highlinebegehung 2003 am Lost Arrow Spire bei und dokumentierte diese Überschreitung in Foto und Film und später im Film Highliner.

Im Juli 2006 eröffnete Zak das „1. Internationale Slackline-Treffen in Scharnitz“. Dort begrüßte er rund 250 aktive Slackliner aus Deutschland, Österreich, Norwegen, Neuseeland, Russland und der Schweiz, die sich dort zwei Tage lang zum Austausch von Ideen, Tricks und Erfahrungen eingefunden hatten. Das weitere Programm bestand aus der Vorstellung des Films Highliner und einem Konzert der Hardrockband ‚Caveman’. Man feierte bis in die späte Nacht und manche sprachen danach von einer Woodstock-Stimmung (vgl. Hempel, 2006). Dieser Event scheint in Europa den Grundstein für weitere Slacklinetreffen gelegt zu haben. Im Jahr 2007 fanden bereits mehr als 10 solcher Zusammenkünfte in ganz Deutschland statt, welche sich großer Beliebtheit erfreuten und auf denen bereits erste Wettkämpfe mit nicht offiziellen Regeln ausgetragen wurden. Seit einem Slackline-Treffen im Herbst des Jahres 2007 in Radolfzell gibt es in deutschsprachigen Foren Diskussionen und Planungen für die Gründung eines Slacklineverbandes mit einheitlichen Regeln für die Durchführung von Wettkämpfen.

2.2 Darstellung und Eigenschaften unterschiedlicher Slacklines

In diesem Kapitel wird eine Einteilung des Slacklinens in verschiedene Disziplinen vorgenommen. Dabei ist der Autor der Ansicht, dass generell zwischen ‚Lowlines’, d.h. Höhen aus denen ein gefahrloses Abspringen noch möglich ist[11], und ‚Highlines’, die aus Sicherheitsaspekten in nicht weniger als 8m[12] bis in beliebige Höhen gespannt werden können, zu unterscheiden ist.

2.2.1 Lowlines

Niedere Slacklines, als ‚Lowlines’ bezeichnet, können weiter in ‚Tricklines’, ‚Rodeo- oder Freestylelines’, ‚Longlines’, ‚Jumplines’ (häufig Sprunglines genannt) und als neuere Disziplin ‚Wasserlines’ differenziert werden.

Die Trickline stellt die gebräuchlichste Art der Lowlines dar. Anfänger beginnen normalerweise auf einer Trickline und lernen auf der etwa knie- bis hüfthohen Line die ersten Schritte und Tricks. Der Untergrund sollte weich und sicher sein, am besten Gras- oder Sandboden. Mit Hilfe eines „Spotters“[13] kann die Angst beim Aufsteigen auf die Slackline überwunden werden. Sobald die ersten Schritte klappen kann sich der Anfänger den verschiedensten Tricks zuwenden, angefangen z.B. mit einer Drehung, Hinsetzen oder Hinlegen auf der Line. Den Tricks sind keine Grenzen gesetzt, auch Anfänger können hier bereits ihre Kreativität voll entfalten.

Longlines stellen eine weitere, derzeit sehr beliebte spielerische Art von Slacklines dar. Entsprechend dem Wortsinn geht es darum, immer längere Entfernungen zwischen den Fixpunkten auf der Slackline zu absolvieren. Allerdings herrscht unter Slacklinern bisher keine Klarheit darüber, ab welcher Länge man von einer Longline spricht, so dass eine individuelle Einteilung möglich ist. Für Anfänger sind z.B. schon 20m eine fast unlösbare Aufgabe. Zum Zeitpunkt dieser Arbeit liegt der Weltrekord von Damian Cooksey bei einer Länge von über 154m[14]. Aktuell werden bereits Versuche mit einer 200m langen Line durchgeführt und so die Grenzen von Mensch und Material ausgetestet. Bei langen Lines besteht die Schwierigkeit darin, das Band hart genug zu spannen, um nicht aufgrund des Durchhangs in der Mitte den Boden zu berühren. Dabei kommen oft teure Gerätschaften wie z.B. ein Kettenzug zum Einsatz, mit dem es möglich ist, eine hohe Vorspannung von über 1t aufzubringen. Für die Messung der aufgebrachten Kraft und der auftretenden Kräfte bei der Belastung durch einen Slackliner werden häufig Kraftmesser in den Aufbau integriert. Lines von über 100m Länge müssen daher mindestens in zwei bis drei Metern Höhe angebracht werden – eine große technische, physische und psychische Herausforderung.

Eine weitere Variante stellt die Jumpline dar. Diese wird im Unterschied zur Trickline sehr hart und üblicherweise über eine Länge von ca. 8m gespannt. Eine sehr harte Vorspannung ist hierbei notwendig, um ähnlich wie bei einem Trampolin die dynamischen Impulse der Line für Sprünge nutzen zu können. Beliebte Sprünge sind ein Salto vorwärts oder rückwärts als Abgang oder mit Landung auf der Line, Drehsprünge und Sprünge in die Höhe oder Weite.

Rodeo- bzw. Freestylelines sind nicht fest gespannt sondern werden mehr oder weniger "schlapp" aufgehängt und ähneln somit dem klassischen Schlappseil aus dem Zirkus. Aufgrund des Durchhangs ist das Begehen solcher Lines wesentlich schwieriger, außerdem können schwere Stürze passieren, da die Line ruckartig auf eine Seite ausweichen kann. Die Tricks auf diesen Lines beschränken sich im Normalfall auf Gehen, Umdrehen, quer Stehen, Liegen und Surfen, wobei letzteres eher einem langsamen und kontrollierten hin und her Schwingen entspricht. Slacklinen auf Rodeolines stellt ein gutes Training für Longlines dar, da in beiden Fällen die Line sehr ruhig unter dem Schwerpunkt des Slackliners gehalten werden muss.

Eine neuartige Form der Balancierkunst sind so genannte Wasserlines, Slacklines über Wasser. Durch den fehlenden festen Untergrund als Möglichkeit zum Absteigen und als optischen Fixpunkt, ist das Begehen einer solchen Line anfangs meist wesentlich schwieriger als über festem Grund. Nach einer gewissen Übungsphase kann man Wasserlines jedoch gut nutzen um die Landung bei speziellen Sprung-Tricks wie beispielsweise Salti ohne Verletzungsgefahr zu üben, wobei aber auch Stürze ins Wasser nicht immer schmerzfrei sind. Einen Unterschied in der Begehung gibt es außerdem zwischen stehenden und fließenden Gewässern, da die Wasserbewegung zusätzlich ablenkt und das Gleichgewichtsempfinden stört.

2.2.2 Highlines

Das Highlinen findet als Königsdisziplin des Slacklinens immer mehr Anhänger. Wagemutige sichern sich mit der so genannten highline leash an einer redundant[15] befestigten Slackline in Schwindel erregender Höhe, d.h. in einer Höhe, aus der ein einfacher und gefahrloser Absprung auf den Untergrund nicht mehr möglich ist. Die Abstände bis zum Boden reichen von wenigen Metern bis zu einigen hundert Metern. Einen besonderen Nervenkitzel bieten Lines über einem natürlichen Abgrund oder einer Schlucht. Bei dieser Disziplin spielt nicht mehr allein die Gleichgewichtsfähigkeit eine Rolle, sondern vor allem der psychische Faktor der Höhe. Der Bau von Highlines wird weiterhin absoluten Experten vorbehalten sein, doch es zeichnet sich ab, dass immer mehr Anfänger und Fortgeschrittene diesen Kick ausprobieren und sich dabei „neu erleben“ wollen. Highlines nehmen inzwischen einen festen Platz in Workshops ein, wobei sich Anfänger in der Regel nicht um den Aufbau kümmern müssen, diesen jedoch erlernen können.

Diese grobe Unterteilung in Lowlines und Highlines ist ein Vorschlag des Autors, da es bisher keine offiziellen Standards zur Bezeichnung von Slacklines gibt. Die Einteilung in Lowline und Highline soll damit hauptsächlich zwei Extreme hervorheben, welche sich nicht nur hinsichtlich ihrer Aufbauart, sondern auch hinsichtlich der physischen und psychischen Komponente unterscheiden. Des Weiteren obliegt es jedem Slackliner selbst zu definieren, ab welcher Länge er z.B. von einer Longline spricht oder welche Vorspannung er für eine Trickline oder Sprungline wählt. Es gibt zudem keine Regeln und Richtlinien für den Aufbau einer Slackline. Die Freiheit, die eigene Line so abzuspannen, wie man es aufgrund der vorhandenen Gegebenheiten für richtig hält, ist vermutlich das, was Slacklinen so reizvoll macht. Claudius Biehl wird auf der Website der Firma Slackline-Tools unter der Rubrik ‚Philosophie’ folgendermaßen zitiert:

„Slacklinen, ein Sport, der widerspiegelt, was in der heutigen Gesellschaft immer wieder gefragt ist: Flexibilität, Lockerheit, Spannung, Kreativität, Anpassungs- fähigkeit, Konzentration, Fokussierung, Wille und natürlich Balance. Zur Erprobung all dessen bietet Slacklinen den idealen Raum, auch indem es Raum innovativ nutzt – im kreativen Sich-Bewegen zwischen Bäumen, Himmel und Erde. Der Sport erschließt sich aber nicht nur diesen Raum, sondern auch den öffentlichen. Slacklinen wird nicht „verbannt“ in die Sporthallen oder Spielfelder, sondern geschieht meist in Parks zwischen spazierenden Menschen oder mitten in der Stadt und findet immer wieder faszinierte Zuschauer. Der Slackliner wird damit auch zum Künstler – jedoch zum Künstler einer Sportart, die jeder erlernen kann und grundsätzlich jedem zugänglich ist bzw. gemacht werden kann“ (Biehl, 2007).

2.3 Diskussionsansatz zur Definition des Slacklinens

Nach dieser Kurzbeschreibung der Sportart und ihrer Disziplinen wird nun der Versuch einer Definition von Slacklinen unternommen. Dabei sollen sowohl verschiedene Begrifflichkeiten geklärt als auch auf das verwendete Material und bestimmte Merkmale dieser Bewegungsform eingegangen werden.

Bereits hinsichtlich des Laufmediums, auf dem sich der Slackliner bewegt, existieren verschiedene Begriffe. In den meisten Beschreibungen wird der Begriff „Schlauchband“[16] verwendet, z.B. unter www.slackliner.at oder in Presseartikeln. Fest steht, dass zu den Anfangszeiten des Slacklinens tatsächlich auf diesem aus dem Klettersport stammenden Material balanciert wurde. Heutzutage jedoch kommt das Schlauchband nur noch selten zum Einsatz. Die meisten angebotenen Slackline-Sets in Deutschland werden inzwischen aus kosten- und aufbautechnischen Gründen mit einem gewebten Flachband aus dem Industriebedarf zusammengestellt[17].

Das deutschsprachige Forum unter www.slackliner.de verwendet in seiner Beschreibung der Bewegungsform lediglich den Ausdruck „Band“. Dieser Ausdruck ist nach Meinung des Autors bereits zutreffender, weil allgemeiner gehalten. Das Wort „Kunstfaserband“ trifft laut Slacklineexperten am besten auf das verwendete Material zu, da es sowohl das gewebte Schlauchband aus dem Klettersport als auch die für den Industriebedarf hergestellten und gewebten Gurtbänder mit einschließt. Slacklines aus Naturfasern wurden nach Kenntnis des Autors bislang nicht hergestellt.

Eine Internetrecherche von Presseartikeln[18] ergab, dass sehr häufig das Wort „Seil“ für das

Laufmedium verwendet wird. Dieser nach Meinung des Autors fälschlicherweise verwendete Begriff lässt sich dadurch rechtfertigen, dass auch Laien sofort verstehen, um was es beim Slacklinen geht. Zwar bedeutet das Wort line aus dem Englischen übersetzt ‚Band’, ‚Schnur’ oder ‚Seil’ (vgl. Duden Oxford, 1992, S.196), doch geht es beim Slacklinen ausschließlich um das Balancieren auf einem „Band“, genauer auf einem Kunstfaserband mit 25mm und 35mm

Breite[19]. Da Slacklinen in unserer Gesellschaft noch weitgehend unbekannt ist und in den Kinderschuhen steckt, wird übergeordnet und vereinfacht der Begriff „Seil“ verwendet. Es bleibt abzuwarten, ob der Begriff „Slackline“ jemals so bekannt wird wie beispielsweise der eingedeutschte Ausdruck Nordic Walking.

Was die Bewegungsform betrifft, erscheint in vielen Kurzbeschreibungen häufig der Begriff „Seiltanzen“. Die Tübinger Zeitung Schwäbisches Tagblatt verwendet z.B. in einem Artikel über die Eröffnung des Slackline-Platzes am Institut für Sportwissenschaft der Universität Tübingen die Überschrift „Seiltanz über Schluchten“. Es ist nicht zu leugnen, dass eine Verwandtschaft zum Seiltanz besteht und dass Gemeinsamkeiten vorhanden sind, dennoch ist es vom Seiltanzen abzugrenzen[20]. Scott Balcom (2005) beschreibt in seinem Grundlagenwerk Walk the Line den Unterschied zwischen Seiltanz und Slacklinen folgendermaßen: „Wenn Passanten im Park jemanden auf einer Slackline sehen, denken viele sofort an Zirkus und Seiltänzer auf einem Stahlseil. ... Eine Slackline kann sehr straff gespannt sein, ist aber kein Seil sondern ein flaches Nylonband, welches zwischen zwei Ankerpunkten so straff gespannt wird, dass man darauf gehen kann.“ (Balcom zitiert nach Mountains2bRedaktion, 2007)

Viele Anhänger der Bewegungsform sehen es daher als ihre Aufgabe an, Passanten eine korrekte Auskunft auf die Frage, ob man aus dem Zirkus sei, zu geben. Ein weit verbreiteter Ehrenkodex ist es, interessierten Personen durch „spotten“ erste Erfahrungen auf einer Slackline zu ermöglichen (vgl. Mahler, 2006).

Eine weitere Besonderheit von Slacklines ist die Dynamik und Dehnbarkeit des Bandes unter der Last des Slackliners. Es kann in verschiedene Richtungen ausweichen, was vom Slackliner ein ständiges aktives Ausgleichen erfordert. Nach Meinung des Autors könnte man auch umgekehrt argumentieren: das Band bewegt sich nicht von selbst, sondern kann sich nur durch die vom Slackliner zugeführte Energie hin und her bewegen: „Die Line ist der Spiegel Deiner selbst“, so Müller (2006, S.19). Dies bedeutet, dass sich die Slackline genau so verhält wie ihr Begeher, sie verändert sich jedoch nicht ohne sein Zutun. Wer sich ruhig auf der Line bewegt, muss nicht viel ausgleichen.

Abschließend soll auf den amerikanischen Begriff des slacklining und seine Verwendung im deutschsprachigen Raum eingegangen werden. Generell ersetzt die deutsche Sprache bei vielen jungen Sportarten aus dem englischsprachigen Raum die Endung –ing durch die Endung –en. Mountainbiking wird zu Mountainbiken, snowboarding zu Snowboarden und inlineskating zu Inlineskaten usw[21]. Müller erklärt diesen Zusammenhang zwischen Verbbildung und Eindeutschung ausführlich. Er begründet die Begrifflichkeiten ‚Slacklinen’ und die Kurzform ‚Slacken’ mit den entsprechenden Begriffen ‚Mountainbiken’ oder auch ‚Biken’ und ‚Boarden’, welche inzwischen weit verbreitet und laut Müller deutsche Wortschöpfungen sind (2007, S.11f).

Nach Klärung der Begrifflichkeiten könnte eine Definition des Slacklinens nach Meinung des Autors folgendermaßen lauten:

„Slacklinen ist eine Bewegungsform, bei der man auf einem Kunstfaserband, gespannt zwischen zwei Befestigungspunkten, meist Bäumen, balanciert und Tricks vollführen kann. Aufgrund der Materialeigenschaft ist die Slackline elastisch und dehnt sich unter der Last des Slackliners. Sie verhält sich dadurch dynamisch und erfordert vom Slackliner ein Zusammenspiel aus Balance, Konzentration und Koordination.“

Diese Definition beinhaltet zum einen eine Beschreibung der Bewegungspraxis, zum anderen integriert sie das verwendete Material und das Anforderungsprofil aus sportwissenschaftlicher Sicht.

3 Trendsport

Die moderne Sportlandschaft verändert sich ständig: Neben traditionellen Sportarten tauchen immer wieder neue Bewegungsformen auf, was zu einem zunehmend unüberschaubaren Sportangebot führt. Häufig fällt in diesem Zusammenhang der Begriff „Trendsport“, mit dem viele neu aufkommende Bewegungspraktiken etikettiert werden.

Auch Slacklinen wird in vielen Presseartikeln bzw. im Internet oft als Trendsport bezeichnet[22]. Doch ist es wirklich den Trendsportarten zuzuordnen? Sind bei der noch jungen Bewegungspraktik Merkmale vorhanden, welche auch für andere klassische und etablierte Trendsportarten charakteristisch sind? Was macht den Reiz dieser neuen Bewegungsform aus, die nüchtern betrachtet eigentlich kein Novum darstellt, sondern in ähnlicher Form dem Seiltanzen auf einem Stahlseil entspricht, welches aber bisher nur dem Akrobaten im Zirkus vorbehalten war? Was fasziniert immer mehr Menschen am Slacklinen und welche Bedeutung lässt sich den zahlreichen neu gegründeten, auf Slacklinen spezialisierten kleinen Unternehmen beimessen? Kann sich Slacklinen tatsächlich etablieren und in den Trendsportartenkanon einfügen oder verschwindet es bald wieder von der Bildfläche? Diese Fragen stehen im Fokus der folgenden Ausführungen zum Thema Trendsport.

3.1 Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport allgemein

Dieses Unterkapitel beschreibt die in einer Gesellschaft notwendigen Voraussetzungen, welche zur Wahrnehmung einer Bewegungsform wie Slacklinen führen können. Dabei werden zunächst gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf den Sport nachgezeichnet, bevor der Übergang zum Phänomen Trendsport und ein theoretischer Vergleich mit dem Slacklinen stattfindet.

Im Zeitalter der globalen Transformation moderner Gesellschaften von einer Industriegesellschaft hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft, unterliegen die verschiedenen Gesellschaftssysteme in Deutschland einem grundlegenden Wandel. Dieser Wandel ist einerseits bedingt durch fortschreitende Individualisierung und Globalisierung, andererseits spielen auch Rationalisierung, Technisierung sowie ökonomische und mediale Entwicklungen eine Rolle. Ein umfassender Werte- und Strukturwandel ist erkennbar und findet einen breiten Niederschlag, auch im Bereich der Freizeit und des Sports (vgl. Digel, 2001, S.27-30).

Das Phänomen Sport hat sich mittlerweile zu einem unverzichtbaren Bestandteil unserer Alltagskultur entwickelt. Durch den Prozess der Versportlichung unserer Gesellschaft hat der Sport eine fast einmalige Bedeutung und Beliebtheit erlangt, die sich durch fortschreitende Ausdifferenzierung auf das gesamte Spektrum des Sports erstrecken, vom Breiten- über Leistungs- bis hin zum Spitzensport. Der moderne Sport, so wie er in den verschiedenen Institutionen und Organisationen unserer Gesellschaft verankert ist, konnte sich durch Differenzierung, Pluralisierung und eine damit einhergehende Komplexitätssteigerung zu einem Massenphänomen entwickeln (vgl. ebd.). Die Versportlichung unserer Gesellschaft ging Hand in Hand mit einem Wertewandel, wie Digel (1990, S.659) eindrücklich belegt: „Die ehemals eher einheitliche Wertestruktur des Sports, die sich in erster Linie durch Fleiß, Bedürfnisschub, Anstrengung und Leistung in Training und Wettkampf ausgezeichnet hat, hat sich mit neuen Werten vermischt. Der Sport hat dabei seine traditionelle Symbolkraft durch eine Hinwendung zu vermehrter Rationalität und Wissenschaftlichkeit, durch einen offenen finanziellen Materialismus, und durch eine Hinwendung zum Individualismus und zum praktischen Hedonismus verloren. Das Prinzip des Fair-Play wird durch eine Erfolgsideologie unterhöhlt, und an Stelle der Solidarität ist der Eigennutz getreten. Im Sport ist es zu einer einseitigen Überbetonung der Interessen des Einzelmenschen und zu einer einseitigen Überbewertung von Lust, Vergnügen und Genuß gekommen.“

Die im Zitat angesprochene Individualisierung bildet ein wichtiges Merkmal im Zusammenhang mit dem Wandel im Sport, insbesondere im Trendsport, ab. Der derzeitige Sportboom wurde vor allem durch das Streben nach Individualisierung ausgelöst. Die Menschen verfügen über mehr Freizeit, eine höhere Bildung und allgemeinen Wohlstand. Doch die heutige Arbeitswelt und die traditionelle Sportwelt bieten kaum noch Möglichkeiten zur freien Entfaltung, die Experimentier- und Risikofreude kann immer weniger ausgelebt werden. Im Freizeitsport finden sich zwar verschiedene Gelegenheiten zur Bedürfnisbefriedigung (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.39), es ist jedoch eine abnehmende Bindungswilligkeit der Menschen in ihrer freien Zeit festzustellen, d.h. sie wollen sich nicht an einen Verein binden und dadurch weitere Regeln befolgen und Verpflichtungen eingehen.

„Aus diesem Grunde bleibt festzuhalten, dass der Organisation des traditionellen Sports heute eine informell, überwiegend hedonistisch orientierte Sportkultur gegenüber steht“ (Breuer & Sander, 2003, S.38). Es steht nicht der „Ernst“ im Vordergrund, sondern vorwiegend die sinnliche Erfahrung, ein spielerisches Erleben und Spontaneität. An die Stelle einer klar definierten Bindung zum Verein sind wachsende Ich-Bezogenheit und Individualisierung getreten (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.39). Diesbezüglich bietet besonders der Trendsport aufgrund seiner Vielfältigkeit für jeden Menschen genügend Möglichkeiten zur individuellen Entfaltung und Freizeitgestaltung.

Auch Slacklinen stellt als junge, aufstrebende Bewegungsform eine Möglichkeit der individuellen Freizeitgestaltung bereit. Aufgrund der Tatsache, dass bislang kein Verein bzw. Verband mit Vorschriften bezüglich des Aufbaus einer Slackline-Anlage oder Regeln zum Slacklinen existiert, können jegliche Vorzüge der freien Entfaltung genutzt werden. Die Kreativität hinsichtlich der Gestaltung einer Slackline-Session wird positiv gefördert. Es besteht immer die Möglichkeit, sich einen individuellen „Lieblingsplatz“ zu suchen und sich für eine Sinnrichtung des Slacklinens zu entscheiden: Ästhetik, Vervollkommnung von Tricks, Variation der Länge der Slackline oder Verbesserung der Konzentrations- und Gleichgewichtsfähigkeit. Jeder der sich dem Slacklinen zuwendet, hat die Möglichkeit genau das zu finden, wonach er sucht. Selbst wenn innerhalb heterogener Gruppen verschiedene Werte und Ziele beim Slacklinen vorkommen, so können doch mehrere Menschen gemeinsam Spaß haben. Aspekte der sportlichen Herausforderung sind sowohl sozialen als auch psychischen Aspekten (wie z.B. der Förderung des sozialen Umgangs, der Gruppendynamik oder der Konzentrationsfähigkeit) untergeordnet.

Für den Trendsport und dessen Entstehung ist des Weiteren die Globalisierung als zentraler Aspekt zu erwähnen. Der Trendsport gilt als markantes gesellschaftliches Beispiel globaler Veränderungsprozesse, wobei der Sport dabei nicht ausschließlich als einfache körperliche Aktivität, sondern als Bestandteil der Kultur einer Gesellschaft zu betrachten ist (vgl. Stumm, 2004, S.11f).

Die Herausbildung bisher bekannter Trendsportarten wurde durch zwei Phänomene begünstigt. „Zum einen stellen das IOC (Internationales Olympisches Komitee, Anm. des Verfassers) und die internationalen Sportverbände im organisierten Sport globale Entscheidungsträger dar, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu globalen Organisationen entwickelt haben“ (Stumm, 2004, S.41). Zum anderen trugen der moderne Freizeitsport und die Sportartikelindustrie einen entscheidenden Teil dazu bei, dass eine Ausdifferenzierung und Vielfalt im Sport die Folge war und Trendsportarten in diesem Kontext hervorgebracht werden konnten (vgl. Stumm, 2004, S.41). „Die ‚Geburtsorte’ zahlreicher innovativer Bewegungsformen liegen in Kalifornien und haben sich von dort aus in andere Länder erfolgreich entfaltet“ (Stumm, 2004, S.59) – zur Erinnerung: auch Slacklinen wurde im Yosemite Valley in Kalifornien erfunden. Dies stellt einen bemerkenswerten Zusammenhang in diesem Kontext dar und ist für den Sachverhalt der Entstehungsgeschichte des Slacklinens ein relevanter Ansatzpunkt.

Der Prozess der Globalisierung lässt sich am Beispiel des Slacklinens sehr gut nachzeichnen. Die Protagonisten in den 80er Jahren waren Amerikaner, der Geburtsort befindet sich ebenfalls im Bundesstaat Kalifornien. Dort wurde von der Avantgarde der neuen Bewegungskunst lange Zeit getüftelt, und Slacklinen wurde zunächst nur regional im Klettercamp im Yosemite Nationalpark betrieben. Im Zuge der Globalisierung erreichte Slacklinen durch einzelne Anhänger der Sportart bald Europa. Während in Amerika fast zwanzig Jahre vergingen, bis fertig zusammengestellte und abgestimmte Sets zum Verkauf angeboten wurden, geschah dies in Deutschland innerhalb von nur fünf Jahren. Das ursprünglich von den Amerikanern verwendete Material mit Knoten und die herkömmliche Abspannmethode mit Flaschenzug fanden in den in Deutschland kommerziell vertriebenen industriellen Sets kaum Beachtung. Bei diesen Sets, welche in Zusammenarbeit mit Seilereien entwickelt wurden, werden Ursprungsmaterialien durch industrielle Materialien wie Ratschen, Rundschlingen und Schäkeln ersetzt. Auch beim eigentlichen Medium, dem Band, wich man auf Industriematerial aus, welches vorwiegend zur Ladungssicherung auf Lastwägen verwendet wird.

Im Rahmen der Ausdifferenzierung des Sportsystems und seiner Unübersichtlichkeit scheint Trendsport zu einem Begriff geworden zu sein, der als Synonym für jede neue aufkommende Bewegungspraktik steht. Dabei wechselt und entwickelt er sein Bild ständig. Die Art des Sports, die zum jetzigen Zeitpunkt als Trendsport gilt, kann wenige Monate später bereits wieder aus dem engen Kreis der Trendsportarten verschwunden sein.

Nachdem die gesellschaftlichen Veränderungen zusammengefasst dargestellt wurden, steht nun eine Untersuchung der Frage an, ob es sich beim Slacklinen um einen neuen Trendsport handelt, bzw. ob es dazu werden kann. Diesbezüglich wird im Vorfeld auf die Problematik des Begriffs Trendsport eingegangen und anschließend hinterfragt, ob es sich bei dem Begriff „Slackline“ um eine Metapher handelt.

3.2 Begriffsproblematik „Trendsport“

Der Begriff des Trendsports stellt im deutschsprachigen Raum eine Besonderheit dar und subsumiert zugleich eine scheinbar unübersichtliche Vielfalt neuer Bewegungspraktiken. Im Duden wird dabei von „Sportarten, die im Trend liegen“ gesprochen (Duden, 1999, S.745). Damit bleibt jedoch weiterhin unklar, was der Begriff Trendsport letztlich umfasst. Die Schwierigkeit einer Definition des Begriffes Trendsport erwächst aus eben dieser nicht eindeutigen Festlegung und Eingrenzung des Sports.

Ursprünglich stammt das Wort „Sport“ aus der lateinischen Sprache und entwickelte sich im Französischen zu (se) de(s)porter, „(sich) zerstreuen“, „(sich) vergnügen“ (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.43). Aus dieser Begrifflichkeit wurde im Englischen das Wort sport, eine Kurzform von disport („Zerstreuung“, „Vergnügen“). Die deutsche Sprache des 19. und früheren 20. Jahrhunderts benutzte das Wort „Sport“ „als umfassende Bezeichnung für alle mit der planmäßigen Körperschulung und mit der körperlichen Betätigung im Wettkampf und Wettspiel zusammenhängende Belange“ (Breuer & Sander, 2003, S.43). In diesem Kontext wird Sport auf den modernen Wettkampfsport reduziert, der sich international verbreitete (vgl. Breuer & Sander, 2003, S.43). Der Sport hat sich jedoch mit der Entstehung des modernen Freizeitsports ausdifferenziert und damit den organisierten Wettkampfcharakter in Frage gestellt. Sport wird somit nicht nur im traditionellen Sinne interpretiert, sondern als körperliche Aktivität angesehen, die als wichtiger Bestandteil der Gesellschaften gilt (vgl. Stumm, 2004, S.60).

Um der Problematik einer Eingrenzung des Begriffs ‚Sport’ zu begegnen, „wird allgemein versucht, mit sog. Komposita (Wortzusammensetzungen) den Bewegungsformen eine bestimmte Bedeutung zu geben, so dass beispielsweise von Wettkampfsport, Freizeitsport, Breitensport, Gesundheitssport, Extremsport oder eben auch ‚Trendsport’ gesprochen wird“ (Stumm, 2004, S.61).

In diesem Zusammenhang erwächst aus dem Begriff Trend eine weitere Unklarheit, da er für unterschiedlichste Phänomene verwendet wird (vgl. Wopp, 2006, S.13), zum einen als Vorhersage (z.B. Wetterprognose), zum anderen als Bezeichnung für neue Entwicklungen und Produkte. Nach Wopp bezeichnet der Begriff Trend zudem etwas, das in eine bestimmte Richtung verläuft. Laut Duden wurde er dem Englischen to trend entlehnt und meint dort,

„sich neigend“, „sich erstreckend“ oder „in eine bestimmte Richtung verlaufend“ (zitiert nach Wopp, 2006, S.14). „Trends sind von Menschen bewirkte Grundrichtungen von Entwicklungen in der Gesellschaft, durch die Handlungen großer Bevölkerungsgruppen nachhaltig beeinflusst werden“ (Wopp, 2006, S.14). Wie lang eine Entwicklung bzw. ein Trend anhält, kann laut Stumm nicht vorhergesagt werden:

„Die Dauer eines Trends bleibt relativ offen. Der Zeitraum richtet sich lediglich nach statistischen Fakten und kann daher sowohl auf einen Tag (z.B. an der Börse) oder auf mehrere Monate bzw. Jahre (z.B. Inflation, Arbeitslosigkeit) bezogen werden und sowohl eine positive als auch negative Konnotation haben“ (Stumm, 2004, S.61).

Der Begriff Trendsport wird dabei generell zur Kennzeichnung von neuartigen und lifestylegerecht aufbereiteten Bewegungspraktiken verwendet, denen kurz- oder mittelfristig ein erhebliches Verbreitungspotenzial vorhergesagt werden kann. Schwier verwendet den Begriff Trendsport „zur Kennzeichnung jener Veränderungstendenzen des Sports, die (explizit oder implizit) mit bewegungskultureller Erneuerung und Innovation hervorgehen“ (Schwier, 2002, S.18). Trends im Sport sind ferner dadurch gekennzeichnet, dass sie unsere gewohnten Sportvorstellungen überschreiten und zuvor unbekannte oder vernachlässigte Auslegungen des menschlichen Sich-Bewegens in den Horizont rücken. Trendsportarten weisen diesbezüglich den Charakter des ‚Andersseins’ auf und stehen dadurch in Gegensatz zum traditionellen Sport. In diesem Zusammenhang hat Schildmacher (1998, S.16f) zentrale

Bewegungsrichtungen des Trendsports[23] ermittelt:

- Vom Indoor-Sport zur Outdoor-Variante (z.B. Beachvolleyball)
- Vom normierten zum unnormierten Sport (z.B. vom Basketball zum Streetball)
- Vom großen Mannschafts- zum kleinen Gruppensport (Sportspielvarianten)
- Vom geschützten zum risikoreichen Sport (Extrem- und Risikosport)
- Vom verbindlichen zum unverbindlichen Sport (z.B. vom Verein zur Szene)

Stumm (2004, S.65) definiert Trendsportarten folgendermaßen: „Trendsportarten stellen innovative Bewegungspraktiken dar, die sich von dem klassischen etablierten Sport (zunächst) abgrenzen und sich in einem mittel- bzw. langfristigen mindestens relativen Wachstum der Nachfragesteigerung über lokale Grenzen hinweg entfalten.“

Bezug nehmend auf den Begriff „Sportart“ schreibt Wopp hingegen in seinem Handbuch zur Trendforschung im Sport, dass „Sportarten“ als Wettkampf organisierbar sind, weil sie eindeutig definierte, messbare Ziele mit einem internationalen Regelwerk haben. Dazu gehören z.B. alle Disziplinen der Sportfachverbände. Es gibt jedoch Bewegungs- und Spielformen, in denen keine Wettkämpfe durchgeführt werden, die jedoch aus Sicht der Handelnden als sportlich bezeichnet werden. Dazu gehören z.B. viele Angebote aus dem Gesundheitssport, wie Nordic Walking oder Rückenschulen. Solche Praxisformen werden als „Sportformen“ bezeichnet (vgl. Wopp, 2006, S.75). Dieser Sicht folgend ist Slacklinen noch keine „Sportart“ bzw. „Trendsportart“, sondern eine Sport- bzw. Bewegungsform. Aufgrund seiner geschichtlichen Entwicklung kann man jedoch, im Unterschied zur Mode, von einem sportiven Trend sprechen, da es sich über mehrere Jahre im Bewusstsein der Sporttreibenden verankert und als Praxis etabliert hat (vgl. Schwier, 1998, S.7), aber noch kein einheitliches Regelwerk besitzt und noch nicht in einem Verein oder Verband organisiert ist. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit finden erste Gespräche zur Gründung eines Slacklineverbandes statt, welcher z.B. Wettkampfregeln aufstellt[24]. Erste Kooperationen mit Verbänden anderer Sportarten bestehen bereits. Hierfür lässt sich z.B. aktuell das Engagement von Harald Dippe nennen, der für den bayerischen Turnverband Slackline-Schnupperkurse anbietet und regelmäßig Lehrer, Therapeuten, Trainer und Interessierte zum Thema Slacklinen weiterbildet (vgl. Dippe, 2008).

Im Gegensatz dazu vertreten Slackliner zum Teil die Ansicht, dass durch die Gründung von Verbänden und Vereinen der „Spirit“ des Slacklinens verloren ginge. Diesen Standpunkt teilt auch Thomas Huber, Extremkletterer und Hauptdarsteller des Filmes Am Limit: „Weltweit gibt’s keinen einzigen Club.“ Vereinsmeierei sei den Gleichgewichtskünstlern laut Huber eher zuwider, die Slackliner seien als „freakige Gesellschaft“ auch in Zukunft nicht an einer offiziellen Vereinigung interessiert (vgl. Tagesspiegel 07.04.07).

3.3 Trends als Metaphern

Ein Hinweis darauf, dass Trends oft als Metaphern verwendet werden, ist im Handbuch zur Trendforschung im Sport von Christian Wopp zu finden. Wopp stellt folgende These auf:

„Trends sind häufig sogenannte „Magic Words“ in Form von Metaphern als massive Verdichtungen von Themen, die im Bewusstsein großer Bevölkerungsgruppen verankert sind“ (Wopp, 2006, S.22). Es lässt sich die Vermutung aufstellen, dass es sich bei dem Begriff ‚Slackline’ um ein solches „Magic Word“ handelt. Nimmt man den Wortteil slack heraus, so kann man ihm eine Mehrdeutigkeit beimessen. Das Nomen slack als Teil des Wortes ‚Slackline’ bedeutet übersetzt „Durchhang“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 1990, S.541). Dieser ist gegeben, wenn eine gespannte Line unter der Last ihres Begehers durchhängt.

Verwendet man den Begriff slack als Adjektiv, so lässt es sich, wie bereits erwähnt, aus dem Englischen mit „locker“, „lässig“ und „lose“ (Langenscheidts Taschenwörterbuch, 1990, S.541) übersetzen. Daraus könnte man ableiten, dass dies auch als Synonym für die Gemeinschaft der Slackliner steht. Der Zeitungsartikel „Lässiger Sport auf lockerem Band“ aus dem Konstanzer Südkurier (2006) gibt durch das Zitat „...und die Stimmung unter den Slacklinern ‚lässig’“ einen Hinweis darauf[25]. Heinz Zak sagte in seiner Begrüßung zum „1. Internationalen Mountain Equipment Slackline-Treffen“: „Das Wichtigste ist, dass wir eine lässige Zeit miteinander haben“ (vgl. Hempel, 2006). ‚Lässig’ meint in diesem Sinne die Entspanntheit und Zwanglosigkeit der Gruppierung. Slackliner genießen die Freiheit sich eine Sinnrichtung des Slacklinens herauszusuchen, spannen ihre Slackline nach Lust und Laune und genießen das Aufblühen im eigenen Tun. Slacklinen in lockerer, geselliger Runde, in der es keinen Zwang zur Überbietung der anderen gibt, ist vermutlich ein Lebensstil, durch den viele Menschen im Alltag abschalten und Abstand gewinnen können.

Interessant erscheint die Tatsache, dass das Verb to slack in die deutsche Sprache mit „locker werden“ oder „sich lockern“ (Duden Oxford, 1992, S.322) übersetzt wird und metaphorisch interpretiert eine Aufforderung enthält sich auf der Slackline zu lockern und nicht verkrampft darauf zu stehen. Diesen Umstand beschreibt Scott Balcom treffend wenn er sagt: „It´s important to be relaxed. If you relax completely, you would fall off. – Try to relax almost completely“ (Balcom, 2005, S.58). Auch nach Müller bildet diese Metapher des „sich lockerns“ bzw. des „Lockerseins“ einen der Grundzüge der Slacklinebewegung ab (vgl. Müller, 2007, S.12).

4 Ansätze und Modelle zur Zuordnung von Sportarten zum Trendsport

Nach der Einführung ins Slacklinen und der Darstellung der Trendsportproblematik ist nun in diesem Kapitel anhand typischer Merkmale (Schwier, 1998, 2002) und anhand zweier klassischer Trendsport-Entwicklungsmodelle (Schwier sowie Lamprecht und Stamm) eine mögliche Einordnung des Slacklinens in den Kanon der Trendsportarten zu prüfen. Im Anschluss werden die von Volker Nagel aufgestellten Akzeptanz-Kriterien, welche als Basis für die im Fragebogen modifizierten Fragen dienen, dargestellt.

[...]


[1] Der Begriff „Bewegungsform“ wurde hier anstelle des Begriffes „Sportart“ gewählt, dies wird im Kapitel zur Begriffsproblematik Trendsport weiter ausgeführt.

[2] Vgl. http://www.soap-box-derby.de/slacklinen-der-neue-trendsport-95.htm, http://www.schulebewegt.ch/index.cfm?id=82, http://fudder.de/artikel/2007/06/05/gesucht-freiburgs-sportlichste-schule/

[3] Dieses Buch kann als erste und bisher einzige Slacklineliteratur bezeichnet werden.

[4] Bei diesem Prinzip wird reine Muskelkraft zum Spannen verwendet. Es ist somit möglich längere Distanzen zu spannen als mit einer Ratsche. Der Flaschenzug klemmt sich durch das ineinander Wickeln des Bandes selbst ab und benötigt keinen zusätzlichen Knoten.

[5] Mitteilung von Scott Balcom in einer E-Mail am 14.01.2008

[6] Eine Felsnadel im Yosemite Valley, die etwa 17m hervorragt (siehe Abb. 2)

[7] Ein Slackline-Set besteht meist aus 2 Rundschlingen für den Fixpunkt (z.B. ein Baum oder ein Holzpfosten), Materialien für einen Spannmechanismus und der eigentlichen Slackline, welche in verschiedenen Längen erhältlich ist. Die fertigen Sets werden in der Regel in passenden Beuteln zur Aufbewahrung verpackt und mit einer Aufbauanleitung angeboten.

[8] Mitteilung von Scott Balcom in einer E-Mail am 14.01.2008

[9] Mountain Equipment ist ein britischer Hersteller hochwertiger Outdoorausrüstung. Zum vertriebenen Slackline-Set siehe: http://www.globetrotter.de/de/shop/detail.php?mod_nr=me_73601&k_id=&hot=0

[10] Dean Potter ist ein bekannter Extremkletterer, der häufig mit ungesicherten Kletteraktionen Schlagzeilen macht. Er war der vierte, der die Highline am Lost Arrow Spire im Jahre 1998 beging.

[11] Lowlines reichen bei Anfängerlines von Kniehöhe bis zu einer Höhe von 2-3m (Longlines).

[12] Das zusätzliche Sicherungsband für den Slackliner, welches an einen Klettergurt geknotet wird, hat etwa eine Länge von 2m. Rechnet man zusätzlich die Dehnung der highline leash und den Durchhang der Slackline unter Last bei einem Sturz und die Größe einer Person dazu, dann sollten mindestens etwa 8m Höhe vorhanden sein, damit der Slackliner bei einem unkontrollierten Sturz nicht auf dem Boden aufkommt.

[13] Ein Partner, der neben dem Anfänger steht, kann Hilfestellung beim Aufsteigen auf die Line geben, vgl. auch das Verb „spotten“.

[14] Gelaufen am 10.Juli 2007 in München, Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Slackline

[15] Dabei handelt es sich um zwei separate Systeme, welche im Fall eines Linerisses vor dem Absturz schützen.

[16] Ein in Schlauchform gewebtes Band, das beim Klettern zum Sichern und zum Standplatzbau verwendet wird.

[17] Siehe die Sets von Slackline-Tools, Mountain Equipment, Singing Rock und Gibbon und die Sets von Seilereien wie Slackstar und Sicherungsprofi. Lediglich das Set von AustriAlpin wird mit einem Schlauchband geliefert.

[18] z.B. Schwäbisches Tagblatt am 04.09.07; www.tagesspiegel.de am 07.01.08

[19] Die Firma Gibbon bietet auch eine 50mm-Gurtvariante an.

[20] Vgl. Müller (2007, S.5ff) „Slacklinen – eine gleichgewichtsorientierte Sportart“ und M2b Redaktion (2007) „Themenspecial Trendsport Slackline“.

[21] Dieser Ansatz der „Sporting“-arten findet sich auch bei Opaschowski 1997, S.108.

[22] http://www.funsporting.de/funsporting+NEWS+Trends+Slacklinen_0238.htm; http://www.soap-box-derby.de/slacklinen-der-neue-trendsport-95.htm;

[23] Schildmachers so genannte „Trends im Sport“ stellen eine weitere Möglichkeit zur Untersuchung von Trendsportarten dar, werden jedoch in dieser Arbeit nicht weiter erläutert.

[24] Diskussionsthema mit dem Titel „Slackline-Wettkampf-Regeln“ unter www.slackline.at, 28.08.2008

[25] Im empirischen Teil der Arbeit soll dieser Sachverhalt der „Magic Words“ nochmals aufgegriffen und mittels einer Frage nach drei Adjektiven zur Charakterisierung des Slacklinens weiter verfolgt werden.

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Slackline. Ein neuer Trendsport?
Untertitel
Hintergründe und Perspektiven
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Sportwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
99
Katalognummer
V117291
ISBN (eBook)
9783640199327
ISBN (Buch)
9783640205240
Dateigröße
3853 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sportsoziologische Arbeit
Schlagworte
Slackline, Trendsport, Sportwissenschaften, Sport, Gleichgewicht, Balance, Slacklining, Seiltanz, Trendsportart, Sportsoziologie
Arbeit zitieren
Patrick Engel (Autor:in), 2008, Slackline. Ein neuer Trendsport?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117291

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