Die OPEC im Niedergang?

Zur kontemporären Relevanz der OPEC auf dem Weltölmarkt


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Der theoretische Rahmen

III. OPEC im Niedergang?
III.1 Interne Faktoren: Heterogene Interessen als Ursache für Regimeversagen
III.2 Externe Faktoren: Herausforderungen für die OPEC

IV. Fazit

V. Literatur

I. Einleitung

Der Ölpreis klettert dieser Tage in nie da gewesene Höhen, bis zu 100 US Dollar pro Barrel schienen manchen Experten noch vor kurzem für die nahe Zukunft im Bereich des Möglichen zu liegen. Die Angst vor Lieferengpässen aufgrund der militärischen Eskalation im Nahen Osten sowie die Krise in der iranischen Atomfrage trieben den Rohölpreis nach oben. Letztere Krise ließ den Ölpreis Anfang 2006 innerhalb zweier Monate um knapp 30% ansteigen.[1] Laut dem Statut der „Organisation Erdöl exportierender Länder“ (OPEC) verpflichten sich diese Länder, „schädliche Fluktuationen“[2] des Ölpreises zu verhindern. Die gegenwärtige Situation auf den Ölmärkten wirft jedoch die Frage auf, welchen Einfluss die OPEC überhaupt noch auf die Ölmärkte und die Rohölpreise hat, wie relevant sie als Akteur[3] noch ist. Da die Weltenergiemärkte in erster Linie noch immer Ölmärkte sind und somit vom Ölpreis bestimmt sind,[4] ist diese Fragestellung für die Energiesicherheit von großer Bedeutung. Die in den 1970er Jahren viel beschworene und vom Westen gefürchtete Macht der OPEC über die Weltölmärkte scheint dieser Tage endgültig im Schwinden begriffen zu sein.

„Opec is unable to control and influence the global crude markets any further, the International Energy Agency (IEA), the OECD energy watchdog and Opec now concur.”[5]

Dieses Eingeständnis demonstriert den offenbaren Einflussverlust der OPEC und wirft zugleich die Frage auf, welche Faktoren zu dem Kontrollverlust geführt haben, der die OPEC zu einem machtlosen Akteur auf dem Weltölmarkt werden ließ. Betrachtet man die weltweit nachgewiesenen Rohölreserven, dann scheint obiges Zitat völlig an der Realität vorbeizugehen: Nach den Daten von 2004 lagen die größten Reserven mit knapp 777 Mrd. Barrel von weltweit nachgewiesenen 1144 Mrd. Barrel im Gebiet der OPEC-Mitgliedsländer des Nahen Ostens.[6] Insgesamt liegen 78,4% der weltweit nachgewiesenen Rohölreserven im Territorium der OPEC-Mitglieder. Hinzu kommt, dass die Förderkosten in diesen Ländern deutlich geringer ausfallen als in anderen Regionen.[7] Warum also hat die OPEC keinerlei Einfluss auf den Weltölmarkt? Spielt dieses „Relikt aus einer völlig anderen Zeit“[8] überhaupt noch eine Rolle? Dieser Relevanzfrage soll hier anhand aktueller Daten zu Fördermengen, globaler Nachfrage, Anteilen am Weltölmarkt und nachgewiesenen Ölreserven nachgegangen werden. Die Organisation OPEC wird dabei als ein Regime verstanden, über das eine Kooperation der Erdöl fördernden Länder ermöglicht werden soll, um eine bestmögliche Verfolgung deren Interessen zu gewährleisten. Unter regimetheoretischen Gesichtspunkten soll eine Erklärung des kollektiven Handelns der OPEC erfolgen, um die Ziele und Handlungsweisen dieser Organisation zu erklären. Darüber hinaus soll das Verhalten der einzelnen OPEC-Mitglieder und die Resultate dieser Verhaltensweisen beleuchtet werden, um das zu beobachtende Ausscheren aus getroffenen Absprachen zu illustrieren.

Einleitend wird auf regimetheoretische Grundlagen, um den theoretischen Rahmen dieser Arbeit abzustecken. Dazu sollen die Grundlagen und Kernaussagen der Regimetheorie erläutert werden, anhand derer die OPEC als Regime definiert werden kann. Auf die Einordnung dieser Theorierichtung in den Kontext der Großtheorien internationaler

Politik sowie auf Kritik an diesem Ansatz soll hier verzichtet werden.[9]

Im Hauptteil richtet sich der Blick auf die Akteure und Entwicklungen auf dem Weltölmarkt. Anhand aktueller Statistiken und Analysen sollen die Handlungen der Akteure auf dem Weltmarkt aufgezeigt, sowie deren Auswirkungen auf die Relevanz der OPEC untersucht werden. Im Fokus sollen dabei nicht nur Förderquoten, Exportmengen und Anteile am Weltölmarkt der Erdölproduzenten stehen, sondern auch Nachfrage und Entwicklungen auf den Energiemärkten skizziert werden. Die Untersuchung interner Faktoren beschreibt die individuellen und kollektiven Verhaltensweisen der OPEC-Staaten, das Spannungsfeld zwischen dem kollektiven Handeln dieser Länder und den individuellen Interessen der einzelnen Mitglieder. Dabei soll untersucht werden, warum von getroffenen Vereinbarungen abweichende Verhaltensweisen zu beobachten sind und inwiefern sich diese auf die Relevanz der OPEC als Akteur auf dem Weltölmarkt auswirken. Da ein Regime nicht in einem leeren Raum agiert, sondern auch durch das Handeln anderer Akteure und Entwicklungen beeinflusst wird, müssen auch externe Faktoren für den Einflussverlust der OPEC in Betracht gezogen werden. Unter externen Faktoren sollen hier Handlungen und Entwicklungen verstanden werden, die nicht direkt von OPEC-Mitgliedern ausgehen, aber dennoch Auswirkung auf das Handeln der OPEC haben. Abschließend werden in einem Fazit die Kernargumente der Arbeit zusammengefasst, um die Gründe für den Niedergang der OPEC zu illustrieren.

II. Der theoretische Rahmen

Als theoretische Grundlage dienen dieser Arbeit regimetheoretische Annahmen, die, wie auch die realistische Schule, den Staat als den zentralen Akteur der Weltpolitik betrachten, der in einem anarchischen Umfeld seine eigennützig definierten Interessen rational verfolgt.[10] Darüber hinaus werden internationale Institutionen als hilfreich angesehen, um „(…)die aus komplexen Interdependenzbeziehungen resultierenden Kooperationsprobleme im gemeinsamen Interesse zu lösen.“[11] Die Grundfragen der Regimetheorie sind, unter welchen Umständen Regime entstehen, was charakteristische Elemente von Regimes sind und wie sich Regime auf das Verhalten von Staaten und auf die internationale Ebene auswirken.[12]

Ein Regime kann aus einer Interessenkongruenz verschiedener Staaten entstehen und ihnen dabei helfen, diese Interessen zu verwirklichen. Dabei besitzt das Regime selbst keine Akteursqualität, sondern schreibt lediglich Verfahrensregeln und Handlungsprinzipien fest, die von den ratifizierenden Staaten als gültig akzeptiert werden[13] und nach denen die Mitgliedsländer ihr Handeln auf dem jeweiligen Kooperationssektor ausrichten. Die Institutionalisierung von Kooperation durch internationale Regime hilft die mit internationaler Kooperation verbundenen Transaktionskosten zu reduzieren, da sie einen Verhandlungsrahmen und sach- sowie akteursbezogene Informationen für die spezifischen Kooperationsziele bereitstellt. Darüber hinaus erhöhen reduzierte Transaktionskosten die Erwartungssicherheit bezüglich des Verhaltens anderer, da durch eine Reduzierung von Kooperationskosten die Chance steigt, dass sich die Kooperationspartner an getroffene Vereinbarungen halten. Je mehr Staaten jedoch an einem Regime beteiligt sind, desto schwieriger wird es, Regelverstöße zu identifizieren und die Kooperationstreue wirksam zu kontrollieren. Die Kosten für eine Einrichtung und Unterhaltung von Kontrollmechanismen steigen mit der Mitgliederzahl, ebenso steigt die Chance, dass die einzelnen Staaten versuchen, Kosten auf andere Kooperationspartner abzuwälzen. Die Gefahr, dass Trittbrettfahrer dem Regime beitreten, um die Vorteile der kollektiven Güterbereitstellung zu genießen, ohne dabei einen Teil der Regimekosten zu übernehmen, steigt ebenfalls, wenn das

Regime sich erfolgreich erweist und dadurch an Mitgliedern gewinnt.[14]

Die gemeinsamen Interessen sind jedoch nicht die einzige Bedingung, die zu einer Regimebildung führen kann. Vielmehr ist die Kosten-Nutzen-Relation für die einzelnen Staaten von entscheidender Bedeutung für diesen Vorgang: Je geringer die Kosten einer Zusammenarbeit und deren Institutionalisierung und je größer der erhoffte Nutzen aus einer solchen Kooperation, desto wahrscheinlicher ist die Regimebildung. Der Begriff „Regime“ bezeichnet also ein System von Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren, die für ein jeweils spezifisches Kooperationsfeld gültig sind und die eine institutionalisierte Zusammenarbeit aufgrund konvergierender Interessen der beteiligten Staaten ermöglicht.[15] Prinzipien werden dabei als allgemeine Verhaltensstandards definiert, Normen dagegen sind konkretere Verhaltensvorschriften, welche die Rechte und Pflichten der teilnehmenden Staaten festlegen. Unter Regeln werden überprüfbare Verhaltensvorschriften verstanden, die ein bestimmtes Verhalten verlangen bzw. verbieten. Entscheidungsverfahren spezifizieren bestimmte Vorschriften, wie zum Beispiel den Wahlmodus, und geben den prozeduralen Rahmen für die Entscheidungsfindung vor.[16] Regime ermöglichen eine Senkung von Transaktionskosten, bieten ein Kommunikationsforum für die Kooperationspartner und schaffen somit Erwartungssicherheit für die beteiligten Staaten.

[...]


[1] Vgl.: PFEIFFER, Hermanus: Öl für die Welt; in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 06/2006, S.755-757, S.755

[2] OPEC: OPEC Statute; Wien 2001, S.1

[3] Nach der theoretischen Grundlage dieser Arbeit, der Regimetheorie, hat ein Regime keine Akteursqualität auf der internationalen Bühne. Die hier angesprochene Akteursrolle der OPEC soll deswegen rein output orientiert verstanden werden, d.h. die Akteursqualität der OPEC soll daran gemessen werden, wie erfolgreich die OPEC-Staaten aufgrund ihrer Kooperation in der OPEC auf den Weltmarkt Einfluss nehmen können.

[4] Vgl.: HÄCKEL, Erwin: Internationale Energiepolitik; in: WOYKE, Wichard (Hg.): Handwörterbuch Internationale Politik; Bonn 2000, S.155-163, S.157

[5] Husain, Syed Rashid: Opec unable to influence crude markets any further ; http://www.dawn.com/2006/07/30/ebr5.htm

[6] Vgl.: OPEC: Annual Statistical Bulletin 2004; Wien 2005, S.20

[7] Vgl.: IEA: World Energy Outlook 2004; a.a.O. 2004, S.105

[8] CHALABI, Fadhil J.: OPEC. An Obituary; in: Foreign Policy, Nr.109, 1997/1998, S.126-140, S.127 (eigene Übersetzung)

[9] Für eine Übersicht über die Theorieentwicklung siehe: HASENCLEVER, Andreas; MAYER, Peter, RITTBERGER, Volker: Theories of International Regimes; Cambridge 1997. Für eine Kritik an der Anwendung regimetheoretischer Überlegungen im Fall der OPEC siehe: BECK, Martin: Die Erdöl-Rentier-Staaten des Nahen und Mittleren Ostens; Münster/Hamburg 1993, S.89ff.

[10] Vgl.: ZANGL, Bernhard: Regimetheorie; in: SCHIEDER, Siegfried; SPINDLER, Manuela (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen; Opladen 2003, S.117-140, S.117

[11] ZANGL, Bernhard: Regimetheorie; in: SCHIEDER, Siegfried; SPINDLER, Manuela (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen; Opladen 2003, S.117-140, S.118

[12] Vgl.: LITTLE, Richard: International Regimes; in: BAYLIS, John; SMITH, Steve (Hrsg.): The Globalization of World Politics. An Introduction to International Relations; Oxford 1999, S.231-247, S.231

[13] Vgl.: ZANGL, Bernhard: Regimetheorie; in: SCHIEDER, Siegfried; SPINDLER, Manuela (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen; Opladen 2003, S.117-140, S.117

[14] Vgl.: BECK, Martin: Die Erdöl-Rentier-Staaten des Nahen und Mittleren Ostens; Münster/Hamburg 1993, S.317

[15] Vgl.: MEYERS, Reinhard: Theorien internationaler Kooperation und Verflechtung; in: WOYKE, Wichard (Hg.): Handwörterbuch Internationale Politik; Bonn 2000, S.448-489, S.454

[16] Vgl.: ZANGL, Bernhard: Regimetheorie; in: SCHIEDER, Siegfried; SPINDLER, Manuela (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen; Opladen 2003, S.117-140, S.119; siehe auch: LITTLE, Richard: International Regimes; in: BAYLIS, John; SMITH, Steve (Hrsg.): The Globalization of World Politics. An Introduction to International Relations; Oxford 1999, S.231-247, S.235

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die OPEC im Niedergang?
Untertitel
Zur kontemporären Relevanz der OPEC auf dem Weltölmarkt
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Seminar für Politikwisschenschaft)
Veranstaltung
Internationale Beziehungen - Internationale Organisationen - Global Governance
Note
2,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
20
Katalognummer
V117146
ISBN (eBook)
9783640196296
ISBN (Buch)
9783640196906
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
OPEC, Niedergang, Internationale, Beziehungen, Internationale, Organisationen, Global, Governance
Arbeit zitieren
Marius Sauter (Autor:in), 2006, Die OPEC im Niedergang?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117146

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