Ungleichgewichts-Makroökonomik: Die Ansätze von Clower und Drèze


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

13 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Bedeutung der Ungleichgewichts-Theorie
2.1 Gleichgewichtsbegriffe
2.2 Die Grundannahmen der Allgemeinen Gleichgewichts-Theorie

3 Das Modell von Clower
3.1 Clower über Keynes und Patinkin
3.2 Die Duale Entscheidungshypothese
3.3 Die Clower- und die Drèze-Nachfrage

4 Die Wirkung von Clower und Drèze im wissenschaftlichen Diskurs

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Vertreter der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie neigen gelegentlich dazu, die Bemühungen ihrer auf dem Gebiet der Makroökonomik arbeitenden Kollegen mit einer gewissen Geringschätzung zu betrachten: deren Analyse fehle eine konsistente mikroökonomische Fundierung, sie operiere mit wenig plausiblen ad hoc-Hypothesen, es mangele ihr an Allgemeinheit […]. Die gelegentliche Überheblichkeit einiger Abkömmlinge von Walras macht auf eingefleischte Makroökonomen wenig Eindruck. Die Abkömmlinge von Keynes pflegen nicht selten wie folgt zu reagieren: Zugegeben, die Allgemeine Gleichgewichtstheorie ist rigoros formuliert, allein sie ist irrelevant. Sie kann nicht nachweisen, daß es zu einem Walrasianischen Gleichgewicht kommt und sie trägt nichts zur Klärung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit bei. Die präferenz- und produktionstheoretischen Prämissen der Theorie sind höchst fragwürdig (Hagemann/Kurz/Schäfer 1981, S. 13).“

Einer der hier beschriebenen „Abkömmlinge von Keynes“ ist der 1926 in Pullmann (Washington) geborene Robert W. Clower. Dabei darf der Begriff Abkömmling nicht missverstanden werden. Clower befasste sich sehr kritisch mit den Erkenntnissen und Auslegungen der Keynesianischen Theorie. Mit seinem berühmten Artikel „The Keynesian Counterrevolution“ von 1965 kritisierte er die bis dahin herrschende und aus seiner Sicht inkonsistente Verbindung von neoklassischem und keynesianischem Gedankengut. Mit diesem „Anschlag“ wurde er der Wegbereiter für die „Neokeynesianische Theorie“ (vgl. Berlemann 2005, S. 318f). Zahlreiche Ökonomen wie Leijonhufvud, Barro, Grossman, Benassy und Drèze entwickelten aus der Clowerschen Keynes-Interpretation weiterführende Neokeynesianische Modelle (vgl. Hagemann/Kurz/Schäfer 1981, S. 225).

In dieser Seminararbeit werden der Ansatz von Clower und die von ihm entwickelte „Duale Entscheidungshypothese“ näher beleuchtet. Zunächst soll jedoch die Bedeutung der Ungleichgewichts-Theorie skizziert werden, die auch als Synonym für die Neokeynesianische Theorie gilt. Dabei werden Unterschiede von Gleichgewichtsbegriffen verdeutlicht und die Grundannahmen der walrasianischen Gleichgewichts-Theorie vorgestellt. Da sich Clower in seinen Artikeln kritisch mit der Interpretation von Keynes und dem Ansatz von Patinkin beschäftigt und dies gleichzeitig ein wichtiger Schritt im wissenschaftlichen Diskurs darstellte, wird im Kapitel „Clower über Keynes und Patinkin“ kurz darauf eingegangen. Mit diesem Hintergrundwissen wird im Weiteren die Duale Entscheidungshypothese von Clower vorgestellt und die „Lösungsansätze im Ungleichgewicht“ skizziert, die er und sein neokeynesianischer Mitstreiter Jacques Drèze mit der so genannten Clower- bzw. Drèze-Nachfrage entwickelten. Abschließend wird die Wirkung von Clower und Drèze im wissenschaftlichen Diskurs beispielhaft skizziert.

2 Die Bedeutung der Ungleichgewichts-Theorie

2.1 Gleichgewichtsbegriffe

Da in dieser Seminararbeit der Begriff „Gleichgewicht“ eine zentrale Rolle einnimmt, scheint es angebracht zunächst die unterschiedlichen Bedeutungen des Gleichgewichtsbegriffs zu klären. In der ökonomischen Theorie existieren drei grundlegende unterschiedliche Ausprägungen. Eine recht weiche und unscharfe Verwendung, beschreibt im Kern stabile Beziehungen unterschiedlicher wirtschaftlicher Akteure. Dort geht es nicht um einen unveränderlichen Ruhepunkt, sondern vielmehr um einen Zustand, in dem in Interdependenz zueinander stehende Elemente eine konsistente Beziehung zueinander haben, ohne Spannungen und Umschichtungstendenzen. Als Beispiel ist hierbei ein sich im Gleichgewicht befindender Saat zu nennen, in dem die Handlungen von Exekutive, Parlament, Judikative und Bevölkerung mehr oder weniger reibungslos zusammenwirken und keine unmittelbaren Umwälzungen erwarten lassen (vgl. Rothschild 1981, S. 3).

Ein zweiter Gleichgewichtsbegriff bezieht sich auf die Beharrungstendenz einer Situation. Dieser Begriff ist etwas schärfer als der erste und skizziert nicht nur eine stabile Konstellation von Elementen, die ja im Regelfall in Volkswirtschaften gegeben ist, sondern Verfestigungstendenzen innerhalb dieser Konstellationen. Das „Keynesianische Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht“ kann hierfür als Beispiel genannt werden (ebd. S. 4).

Maßgeblich für die nationalökonomische Theorie wird ein dritter Gleichgewichtsbegriff verwendet, dessen Charakter der Mechanik entnommen ist. Gleichgewicht herrscht dann, wenn bestimmte Kräfte gerade die Balance halten. Leichte Störungen dieser Situation führen entweder dazu, dass durch Gegensteuerung das System zum Gleichgewicht zurückkehrt (stabiles Gleichgewicht) oder es sich immer mehr vom Gleichgewicht entfernt. Im letzteren Fall kann das System zu einem neuen, anderen Gleichgewicht finden. Dort kann es im ständigen Ungleichgewicht verharren (Schwankungen) oder schließlich an dieser Störung zerschellen („explodiert“). Den Höhepunkt der Gleichgewichtsanalyse findet sich in der Allgemeinen Gleichgewichts-Theorie wieder, dem Versuch, das gesamte komplexe System einer privaten Marktwirtschaft als Resultat balancierender mikroökonomischer Kräfte zu begreifen. Die Grundannahmen dieser Theorie werden im folgenden Abschnitt nun kurz beleuchtet (vgl. ebd. S. 4f).

2.2 Die Grundannahmen der Allgemeinen Gleichgewichts-Theorie

Léon Walras wurde 1834 in der Normandie geboren und gilt als der Urvater der Gleichgewichtstheorie. Um die Existenz eines eindeutigen allgemeinen Marktgleichgewichts nachzuweisen, vereinfachte er die marktwirtschaftlichen Mechanismen radikal. Grundlage seines Modells ist eine atomische Konkurrenz, d.h. die Anzahl der Markteilnehmer in jedem einzelnen Markt ist so groß, dass niemand den Preis durch sein Verhalten direkt beeinflussen kann. Der aktuelle Marktpreis gilt als Datum. Die Individuen verfügen über eine Grundausstattung an Gütern, die sie zum Marktpreis vergrößern (positive Überschussnachfrage) oder verkleinern möchten (negative Überschussnachfrage). Diese Grundannahme lässt sich ebenso für die Geldwirtschaft konstruieren. Das Tauschverhalten wird unter der Prämisse der Nutzenmaximierung, je nach herrschenden Preisen, zu einer ganz bestimmten Umschichtung der Anfangsvorräte führen. Das Marktverhalten jedes Individuums auf jedem einzelnen Markt, ist somit durch die PreiseallerGüter und der Anfangsbestände gegeben. Für die Markteilnehmer herrscht volle Informationstransparenz. Sie können somit „rational“ und ohne irgendwelche Beschränkungen optimieren (ebd. S. 7ff).

Wenn die einzelnen Individuen ihre Kauf- und Verkaufabsichten voll realisieren können, ist von einem „Gleichgewicht“ zu sprechen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn auf jedem einzelnen Markt die gewünschten Nachfrage- und Angebotsmengen genau übereinstimmen, das heißt die für alle Individuen aggregierte Überschussnachfrage gleich Null ist. In diesem Fall wird der Gleichgewichtspreis realisiert. Beim Auftreten von positiver oder negativer Überschussnachfrage auf den jeweiligen Märkten, wird der Preis entweder erhöht oder gesenkt. Dies soll durch einen Tâtonnement-Prozess erfolgen, welcher als die fiktive Existenz eines Auktionators verstanden werden kann. Der Auktionator gibt die Preise bekannt und passt sie bei Ungleichgewichten entsprechend an, bis zu „markträumenden“ Preisen gehandelt wird. Bei positiver Überschussnachfrage erhöht er die Preise, bei negativer Überschussnachfrage senkt er sie. Ebenfalls wird die vollständige Substituierbarkeit der Güter unterstellt. Der beschriebene Mechanismus gilt ebenso für den Faktormarkt. Für den Arbeitsmarkt ist der Lohn dann der „Preis“ für die angebotene Arbeit der Haushalte. Das Modell der Allgemeinen Gleichgewichts-Theorie soll hier nicht weiter vorgestellt werden. Es liefert insgesamt den Beweis dafür, dass für ein Modell freier atomischer Konkurrenz, wo sich alle Tauschvorgänge auf transparenten Märkten vollziehen, ein eindeutiges Preissystem existiert, das alle individuellen Angebots- und Nachfragewünsche auf Faktor- und Gütermärkten in Übereinstimmung bringt. Es liefert jedoch keine Aussagen für Situationen, in denen das Preissystem vom Gleichgewicht abweicht, da unterstellt wird, dass nur bei Gleichgewichtspreisen Transaktionen stattfinden (ebd. S. 9ff).

3 Das Modell von Clower

3.1 Clower über Keynes und Patinkin

Mit der „General Theory“ von 1936 sorgte John Maynard Keynes für grundlegend neue Impulse im wissenschaftlichen Diskurs über die Mechanismen der Nationalökonomie. Eines seiner grundlegenden „Anklagepunkte“ war, dass die orthodoxe Theorie außer Stande sei, die Existenz unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zu integrieren. Zur Erklärung von Ungleichgewichten bedarf es einer anderen Herangehensweise, ein neues System sei hierfür notwendig (zitiert nach Clower 1965, S. 42f).

Patinkin und andere Wissenschaftler entwickelten davon angeregt neue Modelle, um die Situationen von Ungleichgewichten zu modellieren. Letztlich integrierten sie jedoch immer wieder ihre Annahmen in die Allgemeine Gleichgewichtstheorie. Ausgangs- und Endpunkt war stets ein Gleichgewicht. Clower wertete diese Versuche jedoch als eine Fehlinterpretation der Keynesschen Theorie. Er wollte sich mit seinem Artikel „Die keynesianische Gegenrevolution“ nicht anmaßen, die Auffassung früherer Autoren über das Verhältnis von Keynes zur Klassik richtig zu stellen oder Zweideutigkeiten in Eindeutigkeit verwandeln. Allerdings hatte er die Intension zu zeigen, dass die Theorie von Keynes und dessen Angriff auf die orthodoxe Theorie sowie auch die damalige moderne Preistheorie ohne die bereits beschriebenen, höchst speziellen theoretischen Vorrausetzungen „zusammenbrechen“ würden. Dabei ging Clower zum Teil schwer mit Keynes in Gericht und stellte eine provokatorische These auf: „Entweder ist das Gesetz von Walras mit der Keynesschen Theorie nicht vereinbar, oder Keynes hatte zur orthodoxen Theorie nichts grundlegend Neues hinzuzufügen“. Clower vertrat natürlich Ersteres, was er in seinem Artikel von 1965 entsprechend begründet. Allerdings fehle der Keynesianischen Theorie eine saubere Integration einer Preis- und Einkommensanalyse. Mit der „Dualen Entscheidungshypothese“ versuchte Clower letztlich diesen Mangel zu beseitigen und die Keynesianische Theorie nach seiner Interpretation weiter zu entwickeln (vgl. Clower 1965, S. 37ff).

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Ungleichgewichts-Makroökonomik: Die Ansätze von Clower und Drèze
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Makroökonomik für Fortgeschrittene
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
13
Katalognummer
V117126
ISBN (eBook)
9783640195152
ISBN (Buch)
9783640526451
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ungleichgewichts-Makroökonomik, Ansätze, Clower, Drèze, Makroökonomik, Fortgeschrittene
Arbeit zitieren
Raoul Weise (Autor:in), 2007, Ungleichgewichts-Makroökonomik: Die Ansätze von Clower und Drèze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117126

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