Beschäftigungspolitische Auswirkungen des "Poldermodell"


Referat (Ausarbeitung), 2008

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Poldermodell
2.1 Definition
2.2 Korporatistische Interessenvertretungen
2.3 Abkommen von Wassenaar
2.4 Kernpunkte der Regierungen ab 1982
2.5 Ergebnisse

3. Kritische Betrachtung

Literatur

Internetlinks

Handout

1. Einleitung

Anfang der 1980er Jahre machten die Niederlande noch wegen ihrer dramatischen wirtschafts- und sozialpolitischen Situation als „kranker Mann Europas“[1] weltweit Schlagzeilen. Und besonders gut sah es auch nicht aus: Die Zahl der Arbeitslosen stieg monatlich um 10.000 Personen an und erreichte 1984 ihren Rekord mit 800.000 Arbeitslosen, was 14% Prozent bzw. nach OECD Berechnungen[2] 27% der Erwerbsbevölkerung ausmachte. Infolge der hohen Arbeitslosigkeit und verschiedener Möglichkeiten früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, erhöhte sich die Zahl der Leistungsempfänger des sozialen Sicherungssystems drastisch; weshalb auch die Staatsschuld beträchtlich anwuchs.[3]

Umso erstaunlicher ist die Entwicklung, die die Niederlande seit Mitte der 1990er Jahren machte. Quasi über Nacht wandelte sich die besorgniserregende Situation der Niederlande zum allgemeinen beschäftigungspolitischen Vorbild. Niemand sprach mehr vom „kranken Mann“, sondern nur noch von dem niederländischen Poldermodell, das diesen beschäftigungspolitischen Erfolg erst möglich machte.

Nach Kleinhenz gibt es eine Gemeinsamkeit im öffentlichen Interesse an der Erfüllung des beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Wohlfahrtsziels:

„[Ziel ist es] für alle potentiell Erwerbsfähigen die Fähigkeit zu eigener Existenzsicherung durch Arbeit […] zu stärken und Beschäftigung unter den bestmöglichen Bedingungen zu gewährleisten, und zwar zum Wohle des einzelnen wie des Gemeinwesens.“[4]

In dieser Arbeit wird der Versuch unternommen dem Mysterium des Poldermodells auf die Spur zu kommen, indem der Frage nachgegangen wird: War das Poldermodell Mitte der 1990er Jahre wirklich beschäftigungspolitisch erfolgreich?

Um diese Frage zu beantworten soll zunächst das Poldermodell definiert werden, um im Anschluss die zwei wesentlichen korporatistischen Interessenvertretungen kurz vorzustellen. Ein weiterer Punkt stellt das Abkommen von Wassenaar dar, sowie die daraus resultierenden Kernpunkte der Regierung. Eine Darstellung der Ergebnisse des Poldermodells beschließt diesen Abschnitt. Im letzten Punkt soll mit einer kritischen Betrachtung der Ergebnisse auf die Fragestellung geantwortet werden.

2. Poldermodell

2.1 Definition

Wenn das Poldermodell untersucht werden soll, muss zunächst eine begriffliche Bestimmung vorgenommen werden. Das Poldermodell lässt sich in die Teile „Polder“ und „Modell“ aufteilen.

Die Polder sind „das in gemeinsamer Arbeit dem Meer abgerungene Land.“[5] Es handelt sich hierbei um eine Deichlandschaft, die zum Schutz gegen das vordringende Meer angelegt wurde.[6]

Unter einem Modell lässt sich ein Vorbild bzw. ein Muster verstehen.

Ähnlich wie bei der Landgewinnung, war es in der dramatischen Arbeitsmarktlage der Niederlande in den 1980er Jahren notwendig, gemeinsam mit allen Verantwortlichen, zu einer Verbesserung der Situation zu kommen.

Demnach ist unter dem Poldermodell[7] die vorbildhafte, enge Zusammenarbeit von Regierung, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, in Bezug auf die dramatische Arbeitsmarktsituation der Niederlande, zu verstehen.[8]

Diese Zusammenarbeit wurde und wird durch korporatistische Interessenvertretungen unterstützt, die im Folgenden näher erläutert werden.

2.2 Korporatistische Interessenvertretungen

Unter Korporatismus ist die „institutionalisierte und gleichberechtigte Beteiligung von gesellschaftlichen Verbänden an der Formulierung und Ausführung staatlicher Politik“[9] zu verstehen.

Es können zwei Arten von Korporatismus unterschieden werden. Zum einem gibt es den sozialdemokratischen Korporatismus, dieser wird durch starke sozialdemokratische Parteien sowie starke Gewerkschaften bestimmt. Zum anderen gibt es den liberalen Korporatismus, der sich durch schwache und gespaltene Gewerkschaften und eine im Gegensatz dazu stärkere Position der Wirtschaft auszeichnet.[10] In den Niederlanden herrscht letzterer vor.

Die wichtigsten Institutionen korporatistischer Interessenvertretungen in den Niederlanden sind zum einen die Stiftung für Arbeit (STAR) und zum anderen der Sozial-ökonomische Rat (SER).[11]

Für die Lohnpolitik ist die STAR, die bereits 1945 auf Initiative der Sozialpartner gegründet wurde, das wichtigste Gremium. Zweimal im Jahr finden in diesem Rahmen tripartistische Beratungen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern, die sog. Frühjahrs- und Herbstberatungen[12], statt.[13]

Der SER wurde im Jahr 1950 gegründet und galt als oberstes wirtschafts- und sozialpolitisches Beratungsorgan der Regierung. Ab den 1970er Jahren gelang es dem SER nicht mehr internen Konsens zu erzielen, wodurch er immer weniger Einfluss auf die Regierungspolitik nahm. In den letzten Jahren hat der SER durch die Stiftung der Arbeit zunehmend an Bedeutung verloren und 1995 wurde ihm schlussendlich sein Vorrecht zur Beratung der Regierung entzogen.[14]

2.3 Abkommen von Wassenaar

Im November 1982 verkündeten die Vertreter des Gewerkschaftsbundes (Wim Kok) und des Dachverbandes der Arbeitgebervereinigungen (Chris van Veen), dass sie ein Abkommen über „allgemeinverbindliche Empfehlungen und Fragen der Beschäftigungspolitik“ getroffen hätten. Dieses Abkommen wurde nach dem Wohngebiet Wassenaar in der Nähe von den Haag, wo die Vereinbarung vorbereitet wurde, benannt.[15]

Das „Abkommen von Wassenaar“ gilt als Wendepunkt des niederländischen Arbeitsmarktdesasters. Außerdem gilt es als Symbol für den wieder gewonnenen Korporatismus, denn seit den 1970er Jahren hatten die Dachverbände, unter dem Druck der Regierung, jedes Jahr den Versuch unternommen, eine Einigung auszuhandeln und bis auf ein Mal waren alle Versuche erfolglos geblieben. Bis zu diesem Abkommen erzwang die Regierung deshalb sieben Mal einen Lohnstopp bzw. eine Begrenzung der Lohnerhöhungen.[16]

Die drei Sozialpartner nahmen zum Zeitpunkt des Abkommens von Wassenaar unterschiedlich starke Positionen ein. Die Arbeitgeberverbände konnten gegenüber den Gewerkschaften, aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit ein deutliches Machtübergewicht verzeichnen. Die stärkste Position hatte die Regierung unter Premier Lubbers inne; sie hätte auch ohne Einigung der Sozialpartner die Möglichkeit gehabt einen Lohnstopp gesetzlich durchzusetzen.[17]

Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften einigten sich in dem Abkommen auf drei Kernpunkte: Lohnzurückhaltung, Arbeitszeitverkürzungen und aktive Beschäftigungspolitik.[18]

Zu beachten ist an dieser Stelle, dass es sich bei dem Abkommen von Wassenaar lediglich um eine Vereinbarung und nicht um eine rechtliche Verpflichtung handelte. Dies wurde in den 1980er Jahren noch als Schwäche gesehen, allerdings lässt sich rückschauend festhalten, dass sich überwiegend daran gehalten wurde.

Im Folgenden werden die drei Kernpunkte des Abkommens: Lohnzurückhaltung, Arbeitszeitverkürzungen und aktive Beschäftigungspolitik näher erläutert.

Die Strategie der Lohnzurückhaltung war, nach dem zentralen Planungsbüro der Regierungsbehörde für Wirtschaftsprognosen, „Hollands wichtigste Waffe im internationalen Wettbewerb“[19] und verfolgte im Wesentlichen drei Ziele. Erstens sollten Unternehmen zu Investitionen ermutigt werden, die wiederum die notwendige Vorbedingung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze sind. Zweitens sollte eine Lohnzurückhaltung zu dem Verkauf von Gütern und Dienstleistungen auf ausländischen Märkten beitragen und somit die Nettoexportquote erhöhen. Und drittens sollten mit der Strategie der Lohnzurückhaltung mehr Menschen ihre Arbeit behalten können, also die Unternehmen am Stellenabbau gehindert werden.[20]

Anfang der 1980er Jahre wurde der Gulden an die DM gebunden, d.h. die niederländische Bank folgte der Bundesbank und hatte den nominalen Wechselkurs zwischen dem Gulden und der DM fixiert. Dies führte aufgrund der Lohnzurückhaltung in den Niederlanden zu einem steigenden Wechselkurs des Guldens gegenüber der DM. Damit wurden Waren aus den Niederlanden für den DM- Wirtschaftsraum günstiger und dem gegenüber Waren aus dem DM- Wirtschaftsraum für den Gulden teurer. Hierdurch sollte und wurde der niederländische Außenhandelsbeitrag verbessert.[21]

Die aktive Beschäftigungspolitik, die Umverteilung der Arbeit auf eine größere Anzahl an Erwerbspersonen und die damit einhergehende Arbeitszeitverkürzung, sind ebenfalls wichtige Elemente des Abkommens von Wassenaar. Mit diesen Strategien sollten, wie auch durch die Lohnzurückhaltung, die Arbeitslosenzahlen gesenkt, die Beschäftigung erhöht und damit das Haushaltsdefizit verringert werden.

[...]


[1] Ex- Minister Präsident Lubbers 1990, in: Schettkat, 1997, S. 807.

[2] In die Arbeitslosenquote der OECD werden auch noch die Personen mit einrechnet, die zwar registriert waren aber dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen, die Frührentner und Sozialhilfeempfänger sowie die Beschäftigten in staatlich geförderten Maßnahmen und staatlich subventionierten Arbeitsverhältnissen.

[3] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 27ff.

[4] Kleinhenz, 1998, S. 260.

[5] Schneider, 2004, S. 38.

[6] Vgl.: Schulten/ Mühlhaupt, 2003, S. 45.

[7] Anzumerken ist, dass die zum Poldermodell viel zitierten Autoren Jelle Visser und Anton Hemerijck nie von einem Modell geschrieben haben und die Auffassung vertreten, dass es zu keiner Zeit ein Modell oder Art Plan gegeben hat. Vgl. dazu: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 247.

[8] Vgl.: www.niederlandeweb.de/de/content/community/Wirtschaft/Unternehmerplattform/beziehungen/ FAQ /1149877007#1149877007, Zugriff am 21.12.07.

[9] Czada, 1998, S. 218.

[10] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 27.

[11] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 125.

[12] In den Frühjahrsberatungen wird das Budget für das folgende Geschäftsjahr vorbereitet und im Herbst werden Lohnverhandlungen geführt.

[13] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 125f.

[14] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 126.

[15] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 111.

[16] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 111.

[17] Vgl.: Stille, 1998, S. 300.

[18] Vgl.: Schettkat, 1997, S. 810.

[19] CPB, in: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 44.

[20] Vgl.: Visser/ Hemerijck, 1998, S. 44ff.

[21] Vgl.: Schettkat, 1997, S. 808f.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Beschäftigungspolitische Auswirkungen des "Poldermodell"
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Modul: Vergleich politischer Systeme
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V116812
ISBN (eBook)
9783640192434
ISBN (Buch)
9783640192496
Dateigröße
985 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Poldermodell, Modul, Vergleich, Systeme
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Nina Eger (Autor:in), 2008, Beschäftigungspolitische Auswirkungen des "Poldermodell", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116812

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