Film im Kontext der Medien des späten 19. Jahrhunderts

Die Laterna Magica als Vorform des frühen Kinos


Seminararbeit, 2004

17 Seiten, Note: 3.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Laterna Magica
2.1 Ihre Vorformen und ihre Erfinder
2.2 Technische Entwicklung
2.3 Das Publikum
2.4 Die Vorführer
2.5 Inhalte und Motive

3 Resümee I

4 Die Laterna Magica als Vorform des frühen Kinos
4.1 Grundsätzliches: Techniken und ihre Medien
4.2 Medienübergang
4.2.1 Effekte
4.2.2 Technische und geschichtliche Entwicklung zum frühen Kino

1 Einleitung

Wie in der Hausarbeit aufgezeigt werden wird, sind die Projektionsmedien immer im Aufbau aufeinander begriffen, greifen zurück auf frühere Erfindungen oder Erkenntnisse, beruhen im Wesentlichen auf den Gesetzen der Physik und Optik und werden darauf und aufeinander aufbauend immer weiter entwickelt. In der Literatur finden sich immer wieder, im Großen wie im Kleinen, offensichtlich untersucht und unbeabsichtigt dargelegt, Hinweise auf Querverbindungen zwischen den einzelnen Medien. So erscheint es geradezu offensichtlich, dass die Laterna Magica eine Vorform des frühen Kinos ist, sowohl in technischer als auch in kultureller Hinsicht. Es wird eine erstaunliche Tatsache beleuchtet, dass nämlich die eigentlich nur ein gutes Jahrhundert alte Geschichte der Kinematographie eine jahrtausendealte Vorgeschichte[1] besitzt, zusammengepuzzelt aus Hunderten von einzelnen Aspekten aus den verschiedensten Sparten der menschlichen Entdeckungen und Erfindungen. Die einzelnen Aspekte dieser Entwicklung werden im Folgenden aufgeführt und beleuchtet. Zunächst werden die Grundlagen der Laterna Magica besprochen, ihre Technik, ihr Publikum und ihre Vorführer, um dann darauf aufbauend den Übergang zum Medium des frühen Films – den Kinematographen – im Detail darzustellen, ein Übergang, der sich in jedem einzelnen Kapitel schon andeutet.

2 Die Laterna Magica

2.1 Ihre Vorformen und ihre Erfinder

Generell gesehen ist die Laterna Magica ein Projektionsmedium. Die Kunst der Projektion ist seit Jahrtausenden bekannt. Schon im alten Ägypten arbeitete man mit Projektionen, um Furcht zu erzeugen und das Publikum in Schrecken und Erstaunen zu versetzen[2]. Im Jahre 965 wurde der Grundstein für die Camera Obscura, die umgekehrte Laterna Magica und „der Vorläufer jenes ersten Photoapparates und einer Filmkamera“[3], gelegt: Ein Abbild der Aussenwelt durch ein kleines Loch auf eine Wand in einem verdunkelten Raum geworfen. In den nächsten Jahrhunderten ist von Geisterbeschwörungen die Rede[4], auch Leonardo Da Vinci beschäftigte sich mit den Phänomenen der Optik und Projektion. Im 16. Jahrhundert begann der Neapolitaner Johann Baptist Porta seine Versuche der Projektion von Schriftzeichen mittels Kerzenlicht und Linse[5] und erfand 1558 die Camera Obscura. Auch die Laterna Magica hat anscheinend viele Väter, als bekanntester und auch lange Zeit anerkanntester Erfinder galt der Jesuitenpater Athanasius Kircher (1602 – 1680). Er arbeitete mit einem Hohlspiegelverfahren oder mit Sammellinsen und leistete so Vorarbeit für die beiden später auftretenden Varianten der Laterna Magica. Allerdings fehlte bei ihm der Schritt, der die Laterna Magica ausmachte – das zu Projizierende, die festen Laternenbilder an sich. Er arbeitet mit allerhand Figuren, auch lebenden, wie einer in Honig getauchten Fliege, die er auf seinen Spiegel klebte. Ihm aber verdankt man die erste Beschreibung seiner Apparatur, die so das Grundlagenwissen über die Bildprojektion verbreitete[6]. Allerdings ist in seiner Abbildung das zu projizierende Objekt vor dem Objektiv abgebildet, so dass die Laterna Magica in dieser Form nicht hätte funktionieren können[7]. Andreas Taquet (1612 – 1660) zog dennoch seine Lehre aus den Beschreibungen Kirchers und zeigte wohl schon um 1653 seine ersten Projektionen mit Glasbildern. Ab spätestens 1665 trat die Laterna Magica in Europa ihren Siegeszug an. Der Däne Thomas Walgenstein (1622 – 1701) stellte sie auf einer Ausstellung in Lyon als Weltneuheit vor[8], verbesserte die vorhandene Technik und verkaufte sie mit großem Erfolg.

Der Grundstein für die rasante Entwicklung und Verbreitung der magischen Laterne war

somit gelegt. In den folgenden Jahrzehnten wurde sie technisch weiterentwickelt und perfektioniert und fand ihre diversen Anwendungsformen.

2.2 Technische Entwicklung

Bei der Laterna Magica handelt es sich allgemein gesprochen um einen „Projektionsapparat für transparente Bilder, der ... im Wesentlichen aus drei Elementen besteht: der Lichtquelle, dem Linsensystem und dem Bild“[9]. Genauer besteht sie aus folgenden Einzelteilen: dem Gehäuse aus Holz, Blech oder Kupfer, einer Lichtquelle, einer Beleuchtungslinse, einem Glasbildhalter, dem Objektiv und eventuell einem Hohlspiegel hinter der Lichtquelle zur Verstärkung der Lichtstrahlen. In dem meist viereckigen Gehäuse befindet sich die Lichtquelle, in den Anfängen eine Kerze, dann Kalklicht und Ölfunzeln, später auch Petrol- und elektrische Lampen, die ihr Licht, das eventuell von dem Hohlspiegel gebündelt wird, auf ein Bild wirft, das wiederum durch ein Objektiv auf eine Leinwand projiziert wird.

Als Bilder verwendete man bis in die Zeit der Romantik von Hand gemalte Bilder, zunächst Bilder, die während der Aufführung gemalt, weggewischt und durch ein Neues ersetzt wurden, und dann auf Glasplatten gemalte Motive, die erhalten blieben. Um 1850 kam es zur industriellen Herstellung der Glasmotive, die sich weiterentwickelte und als „Chromolithographie“[10] nun auch Farbdrucke möglich machte. Diese Technik wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Erfindung der Fotografie abgelöst: jetzt konnten auch Negative oder Drucke projiziert werden. Die Laterna Magica wurde zu einem – noch heute verwendeten – Diaprojektor. Durch die Möglichkeiten der Fotografie, also der Abbildung der Realität, verbesserten sich auch die inhaltlichen Darstellungen: wurden die Bilder bisher oft ohne großes Können und mit ungeeigneter Farbe gemalt[11], wohl eher nur des Effekts als der Vermittlung des Inhalts wegen, trat nun die inhaltliche Darstellung in den Vordergrund. Auch hier tritt wieder eine Verbindung zu einem bereits erwähnten Vorläufer wiederum der Laterna Magica auf:

die Camera Obscura, die ja bereits Jahrunderte zuvor zwar die Realität abbilden, sie aber nicht festhalten, also nicht speichern konnte. In der Verbindung der Medien Camera Obscura, Fotografie und Laterna Magica waren nun also wichtige Grundlagen für weitere Entwicklungen gelegt: Das Abbilden, Speichern und Reproduzieren der Realität. Diese Realität war aber zunächst bewegungslos. Zwar war ab 1799 mit der Einführung des Fantascope, einer Laterna Magica auf Rädern, von Robertson, schon Bewegung in die Laterna Magica Bilder geraten, aber eben in gemalte Bilder: Der Wunsch der Menschen, Bewegung darzustellen, schien immer einer der Hauptbeweggründe für die Forschung und Weiterentwicklung zu sein[12]. Es entwickelten sich verschiedenen Techniken zur mechanischen Bewegung der Laternenbilder: Ziehbilder, Schiebebilder, Hebelbilder, Chromatropen. Die Einzelheiten der Bewegungstechniken und ihre Bedeutung für den Frühen Film werden in Kapitel 4.2.1, ausführlicher behandelt.

Neben der Bewegung in Laternenbildern wurde auch die Projektionsverfahren weiterentwickelt, in Form der Nebelbilder, der Dissolving Views. Sie bestanden aus zwei Ansichten des selben Objekts, bei Tag und bei Nacht. Wurden diese Bilder nun langsam ineinander projiziert, kam es zu einem Überblendungseffekt – ein weiterer Meilenstein der Entwicklung auf dem Weg zum Kinematographen. Diese Effekte setzten natürlich die gleichzeitige Verwendung mehrerer Laternen bzw. einer Laterne mit mehreren Objektiven voraus, und eine Blendvorrichtung in der Laterne, mit der das Licht gedimmt bzw. erhellt werden konnte. Vorführer sollen zu diesem Zweck bis zu neun Projektoren eingesetzt haben[13].

Den Höhepunkt ihrer technischen Entwicklung erreichte die Laterna Magica in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter dem Namen „Skioptikon“: die Perfektionierung der Laterne im Hinblick auf Lichtkraft, Schärfe und Größe der Projektion[14].

2.3 Das Publikum

Informationen über das Publikum der Laterna Magica sind in der Sekundär-, aber vor allem auch in der Primärliteratur[15] äußerst rar gesät. Eine Erklärung wäre das damalige Desinteresse an Meinungen und Empfindungen der Zuschauer zugunsten einer Darstellung der technischen Entwicklungen und Fortschritte. In den Leserbriefen findet man allenfalls Angaben technischer Details über eigene Erfahrungen mit der Laterna Magica oder eine Einschätzung der Bedeutung der Laterna Magica für die Zukunft:

Ich freue mich jedesmal über Ihr Sciopticon, so oft ich es gebrauche; es ist wirklich ein eminenter Fortschritt... In zehn Jahren wird es wenig Anstalten geben, die aus diesem Fortschritt nicht Vortheil ziehen[16]

Erste Zeugnisse von Publikum findet man zwischen 1660 und 1670 als Thomas Walgenstein durch Europa reiste, um seine Schreckenslaternen zu verkaufen. Hier gilt der dänische König als einer der ersten Zuschauer einer Projektion der Gestalt des Todes[17]. Die höfischen Kreise des 17. Jahrhunderts waren wohl die ersten, die in den Genuß einer Laterna Magica Vorführung kamen[18]. Der Partner Walgensteins, Christian Huygens, hielt seine Entwicklung der Laterna Magica für trivial und peinlich und versuchte, sie geheim zu halten und Vorführungen zu unterbinden, indem er absichtlich die Herstellung der Laterne verzögerte[19]. Erste Nachricht über das Auftreten der Laterna Magica in Deutschland findet sich um 1670, als der Optiker Johann F. Griendel in Nürnberg seine Curiosae Opticae – darunter die LaternaMagica - vorgeführt und verkauft hat[20]. Großes Aufsehen und wohl auch Entsetzen erregten um die Wende des 17. / 18. Jahrhunderts wohl die Phantasmagorien Robertsons: „Damen fallen in Ohnmacht, Offiziere ziehen den Säbel. Das Publikum ist jeweils dermassen erschüttert, dass es nicht feststellen kann, worin der Spuk besteht.“[21] Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Zauberlaterne wohl den wissenschaftlich gelehrten und höfischen Kreisen in ganz Europa bekannt. Die Bekanntheit und Beliebtheit zog immer größere Kreise, weitete sich auf alle sozialen Schichten aus, da nun auch Laternenvorstellungen auf Jahrmärkten besucht werden und Laternenvorführer nach Hause bestellt werden konnten[22].

[...]


[1] Vgl.: Fraenkel, Heinrich: Unsterblicher Film. München 1956, S. 21.

[2] Vgl.: Hrabalek, Ernst: Laterna Magica. Zauberwelt und Faszination des optischen Spielzeugs. München, 1985, S. 17.

[3] Fraenkl, Heinrich: Unsterblicher Film. München 1956. S. 21.

[4] Vgl.: Hrabalek, Ernst: Laterna Magica. Zauberwelt und Faszination des optischen Spielzeugs. München,

1985. S. 17.

[5] Vgl.: Die Zauberlaterne. Zauberbilder. Katalog zur Ausstellung. Musée Museum Neuhaus Bienne, 1999.

S.11.

[6] Vgl.: Ganz, Thomas, Die Welt im Kasten. Zürich, 1994. S.27.

[7] Vgl.: Die Zauberlaterne. Zauberbilder. Katalog zur Ausstellung. Musée Museum Neuhaus Bienne, 1999.

S.15.

8 Vgl.: Ebenda. S.22.

[9] Kerstein, Heidrun / Weber, Cornelia: Laterna Magica. Ausstellungskatalog. Bewegte Bilder und

Bildermaschinen, Siegen, 1981. S.6.

[10] Vgl.: Die Zauberlaterne. Zauberbilder. Katalog zur Ausstellung. Musée Museum Neuhaus Bienne, 1999. S. 49.

[11] Vgl.: Bartels, Klaus: Proto-kinematographie der Laterna Magica in Literatur und Theater des 18. Jahrhunderts. In: Segeberg, Harro (Hsgb.), Die Mobilisierung des Sehens. Zur vor- und Frühgeschichte des Films in Literatur und Kunst, Mediengeschichte des Films Band 1. Wilhelm Fink Verlag, 1996. S. 119.

[12] Thiele, Jens: Der Augenblick des Verweilens und die Flüchtigkeit des Blickes. Bildstand und Bildwechsel in vorkinematographischen Zeiten.

13 Vgl.: Hrabalek, Ernst: Laterna Magica. Zauberwelt und Faszination des optischen Spielzeugs. München,

1985. S.40.

14 Vgl.: Historisches Museum Frankfurt. Laterna Magica, Vergnügen, Belehrung, Unterhaltung.

[15] Vgl.: Hrsg.:E. Liesegang: Laterna Magica. Vierteljahreszeitschrift für alle Zweige der Projectionskunst. Düsseldorf, Dez. 1877 – Oktober 1889. Und: Hrsg: J. Hay Taylor: The Optical Magic Lantern Journal and Photographic Enlarger. Januar 1892 – Oktober 1896.

16 Vgl.: Dr. Kretzschmer in: Laterna Magica. Vierteljahreszeitschrift für alle Zweige der Pojectionskunst. Hrsg.:E. Liesegang, Düsseldorf. Heft IV, Nr. 8, 1878, S. 49.

17 Vgl.: Kerstein, Heidrun / Weber, Cornelia: Laterna Magica. Ausstellungskatalog. Bewegte Bilder und

Bildermaschinen, Siegen, 1981. S. 11.

18 Vgl. Ebenda, S. 13.

19 Vgl.: Deac Rossell. In: Dewitz, Bodo von, Hrsg. Ich sehe was, was du nicht siehst. Sehmaschinen und Bilderwelten. S. 137.

[20] Vgl.: Kerstein, Heidrun / Weber, Cornelia: Laterna Magica. Ausstellungskatalog. Bewegte Bilder und

Bildermaschinen. Siegen, 1981. S. 14.

[21] Ganz, Thomas. Die Welt im Kasten. 1994, Zürich. S. 76.

[22] Vgl.: Beschreibung einer Zauberlaternen-Vorführung um 1800. In: Die Zaberlaterne. Zauberbilder. Katalog zur Ausstellung. Musee Neuhaus Bienne, S. 35 ff.

23 Vgl.: Hrabalek, Ernst: Laterna Magica. Zauberwelt und Faszination des optischen Spielzeugs. München,

1985. S. 67.

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Details

Titel
Film im Kontext der Medien des späten 19. Jahrhunderts
Untertitel
Die Laterna Magica als Vorform des frühen Kinos
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Fernseh-, Film- und Theaterwissenschaften)
Veranstaltung
Film im Kontext der Medien des späten 19. Jahrhunderts
Note
3.0
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V116799
ISBN (eBook)
9783640191314
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Film, Kontext, Medien
Arbeit zitieren
Stefanie Vomhof (Autor:in), 2004, Film im Kontext der Medien des späten 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116799

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