Die Schweigespirale

Die öffentliche Meinung in der heutigen Massengesellschaft


Seminararbeit, 2003

13 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Massen
2.1 Entstehung der Massengesellschaft
2.2 Das Individuum in der Masse
2.3 Massengesellschaft und Massenkommunikation

3. Die Schweigespirale
3.1 Geschichtlicher und theoretischer Hintergrund
3.2 Einfluss der Massenmedien

4. Opinion Leader
4.1 Theorie
4.2 Gegenüberstellung Meinungsführerkonzept und Schweigespirale

5. Kritik an der Theorie der Schweigespirale
5.1. Das Quasi-statistische Wahrnehmungsorgan und die Wahrnehmung öffentlicher Meinung:
5.2 Soziale Konformität

6. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Urgrund für die Beeinflussbarkeit der Menschen ist die Angst vor Isolation, vor dem „Nicht-dazu-gehören“. Anhand dieser These wird im Folgenden erläutert, wie sich die Massengesellschaft und damit die Massenmedien entwickelten, und welchen Einfluss sie auf die öffentliche Meinung nehmen können: Im Fall der Theorie der Schweigespirale einen starken, in der Meinungsführerkonzeption einen schwachen Einfluss.

2. Die Massen

2.1 Entstehung der Massengesellschaft

Ende des 19. Jahrhunderts begann sich mit der Entstehung der Massenpresse eine neue Art Kommunikationssystem aufzubauen, das in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts mit den elektronischen Medien noch komplexer wurde und in der heutigen Zeit weltweiter Vernetzung seinen Höhepunkt erreicht zu haben scheint. Diese Kommunikation gewann für das gesellschaftliche Leben und auch für das Leben des Einzelnen immer mehr an Bedeutung, durch sie wurde es möglich, die „Wirklichkeit“ neu zu erfahren. Man konnte zwischen verschiedenen Ansichten, Perspektiven und Möglichkeiten wählen. Dies, einhergehend mit der fortschreitenden Industrialisierung, führte jedoch zu einer zunehmenden Destabilisierung der einst kulturell, politisch und lebensphilosophisch relativ festgelegten Individuen. Eine Anonymisierung, Identitätsverlust und das Gefühl „einer unter vielen zu sein“ waren die Folge. Die Auswirkungen gingen bis in die Ökonomie, Kultur und Politik. Diese Erkenntnisse ließen bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts Philosophen und Wissenschaftler sich mit den Massenmedien und der Massenkommunikation befassen. So unter anderem auch Gustave Le Bon (1841 – 1931), der der Meinung war, dass sich nicht die Massen an sich verändert haben, sondern die Gesellschaft in ihrer Struktur zur Massengesellschaft geworden ist. Die Welt träte in ein „Zeitalter der Massen“[1] ein. Er sah die Gefahr der Machtübernahme durch die proletarischen Massen, eine Macht, die einst in allen gesellschaftlichen Instanzen von der Elite beherrscht worden war. Doch durch Aufklärung der Elite über die drohende Massenherrschaft und das wahre Wesen der Masse bestand die Chance zu intervenieren und die drohende Massenmacht abzuwenden. Aber nun, da „die alten Gesellschaftsstützen eine nach der andern einstürzen“[2], wurden die Massen immer größer, stärker, machtvoller, und dies nicht durch ihre eigene innere Beschaffenheit, sondern durch eine veränderte Relevanz und Funktion, die ihr durch die Gesellschaft zugeschrieben wurde.

2.2 Das Individuum in der Masse

Die Masse ist „eine Vereinigung irgendwelcher Einzelner von beliebiger Nationalität, beliebigem Beruf und Geschlecht und beliebigem Anlass der Vereinigung“[3].

Das Ich-Bewusstsein schwindet, der Einzelne stellt seine persönlichen Bedürfnisse und Wünsche zurück und handelt im Sinne und zum Wohl der Masse. Es entsteht eine seelische Einheit der Masse. In diesen Punkten liegt die Gefahr, da mit dem schwindenden Persönlichkeitsbewusstsein auch das Verantwortungsgefühl abnimmt. Der Einzelne legt in der Masse ein anormales Verhalten an den Tag, ein Verhalten, dass auch zu kriminellen Handlungen führen kann, die der Einzelne nie und nimmer alleine durchführen würde. Scipio Sigheles untersucht diese Eigenschaft der Massen in seinem Buch „Psychologie des Auflaufs und der Massenverbrechen“ aus dem Jahr 1897. Le Bon stellt das „psychologische Gesetz von der seelischen Einheit der Massen“[4] auf, nach dem sich nicht der Durchschnitt der Eigenschaften der Individuen, die die Masse konstituieren, zu den Eigenschaften der Masse zusammenfügen, sondern sich die Masse durch grundlegend neue Charaktereigenschaften auszeichnet. So kann ein Verhalten der Masse auch nicht vorhergesagt werden, indem man die individuellen Verhaltensweisen betrachtet und versucht, daraus Rückschlüsse zu ziehen. Unberechenbar ist das Handeln der Masse, da der Einzelne Impulsen, die von der Masse, zu der er ja auch selbst gehört, ausgehen, folgt und versucht, sich an den Gemeinschaftsstrom anzupassen. Sein Realitätsempfinden und die Fähigkeit, sich den Folgen seines Handelns bewusst zu sein, schwinden. Die Masse hat keine Merkmale der kulturellen und zivilisatorischen Gepflogenheiten des Individuums, sondern besteht aus der Zusammensetzung der niedersten Instinkte, primitivsten Gewohnheiten und urzeitlichen, unbewussten Triebe. Das Wesen der Masse ist also nicht der Durchschnitt der Intelligenz der Individuen, aus denen sich die Masse zusammensetzt, sondern liegt noch unter dem niedrigsten intellektuellen Niveau des „einfachsten“ Partizipierenden. Le Bon führt diesen Umstand, also den Verlust sämtlicher kultureller Vorstellungen und Verhaltensregeln, auf einen hypnoseähnlichen Zustand zurück, der bei der Teilnahme an Massen eintritt. Er begründet diesen Zustand durch den Mechanismus der „geistigen Übertragung“[5], die das Individuum sogar Wünsche und Ansichten übernehmen lässt, die sich gegen seine ursprünglichen Ziele richten. Der Einzelne besitzt keine Selbstkontrolle mehr und ist den Einwirkungen von außen hilflos ausgesetzt, zum Werkzeug geworden, und neigt darüber hinaus auch noch zur direkten Umsetzung seiner – eingeflößten – Ideen in Taten, was ihn nach Le Bon zum Automaten und Barbar macht.

2.3 Massengesellschaft und Massenkommunikation

Nach Le Bon ist sind die Medien der Massenkommunikation, insbesondere die Massenpresse, untergeordnet unter die Massengesellschaft. Da die Medien von ihrem massenhaften Absatz abhängig sind, müssen sie sich an die Konsumentenwünsche, die, wenn sie erfüllt werden, zum Erwerb des Produkts führen, anpassen. Er sieht die Massenpresse als Dienerin der Massengesellschaft. Allerdings erkennt er, dass diese Ansicht nur eine Variante des Verhältnisses zwischen Massengesellschaft und Massenkommunikationsmitteln ist. Bezieht man diesen Ansatz auf die heutige Zeit

z. B. der Doku-Soaps, hat man den Eindruck, als hätten es die Massenmedien doch im Laufe der Zeit geschafft, die Rezipienten in ihre – der Medien - gewünschte Richtung zu drängen. Egal, was heutzutage als Programm angeboten wird, wird erst einmal konsumiert und hingenommen. Durch geschickte Zusammenarbeit der einzelnen Medien, funktioniert die Tagesordnungsfunktion (Näheres siehe S. 5) immer geschickter, es wird immer mehr vorgegeben, was man sehen muss, um in der Gesellschaft mitreden zu können. Auch wird das Massenmedium Fernsehen immer intensiver dazu benötigt, die gesellschaftliche Isolation des Individuums in der Masse auszugleichen. Wo also am Anfang der Entwicklung der Massenkommuni-kationsmittel die Massenpresse die Masseninteressen wiedergab und, durch Abhängigkeit von den Absatzzahlen, unterstützen musste, sind in einem langen Wandel die Massenmedien zu sehr mächtigen Institutionen geworden, die in großen Teilen zur Meinungsbildung beitragen und von denen nicht wenige in verschiedenen Formen abhängig sind, sei es mental, in ihrer Meinungsbildung, oder auch psychisch, als Ersatz für zwischenmenschliche Kommunikation und Beziehungen.

3. Die Schweigespirale

3.1 Geschichtlicher und theoretischer Hintergrund

In den 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte Elisabeth Noelle-Neumann, geboren 1916 in Berlin, die Theorie der Schweigespirale. Ausgangspunkt für die Entwicklung der Theorie der Schweigespirale war die Bundestagswahl im Jahr 1965. Die CDU hatte mit 49,5% die Wahl gewonnen, obwohl sich in den Umfragen vor der Wahl SPD und CDU die Waage hielten, was die Wahlabsichten der Befragten betraf. Die Frage nach der Siegeserwartung wurde jedoch ganz anders beantwortet: Dort stieg die CDU unaufhaltsam, während die SPD immer weiter bis um 50% fiel – und das bei gleichbleibenden Wahlabsichten. Der „Last-minute-Swing“ – ein Umentscheiden von 4 – 5% aller Wähler kurz vor der Wahl - ließ die CDU gewinnen. Durch Umfragen wurde klar, dass gerade diejenigen mit schwachem Selbstbewusstsein, geringem Interesse an Politik und kleinem Freundeskreis sich am ehesten am „Last-minute-Swing“ beteiligen, da die Aussicht, auf der Seite der Sieger zu stehen, verlockend ist, während die Aussicht auf Isolation abschreckt.

Diese Theorie beschreibt den Aufbau, die Funktion und die Entwicklung der öffentlichen Meinung. Öffentliche Meinung wird als sozialpsychologischer Prozess verstanden: „Meinungen, Verhaltensweisen in wertgeladenen Bereichen, die man öffentlich äußern, zeigen kann, ohne Gefahr, sich zu isolieren.“[6]

Die Theorie basiert auf Erkenntnissen dreier Wissenschaftsbereiche:

1. Sozial-psychologische Erkenntnisse der Verhaltens- und Einstellungstheorie:

Ausschlaggebend für das soziale Verhalten des Menschen ist der Wunsch nach Akzeptanz und die Angst vor Isolation in seiner sozialen Umwelt. Diese Hypothese wurde nach Erkenntnissen von Asch und Milgram in den 50er Jahren entwickelt. Solomon Asch hatte in einem Versuch nachgewiesen, dass Menschen sich in Situationen des Gruppendrucks Meinungen anschließen, die ganz offensichtlich falsch sind, aus Angst vor Isolation. Diese Angst lässt Menschen auch in der Öffentlichkeit ihre Meinung verschweigen, wenn sie die Mehrheitsmeinung gegen sich glauben. Umgekehrt tendieren Menschen, die die Mehrheit auf ihrer Seite sehen, dazu, ihre Meinung auch öffentlich zu äußern. Die Wahrnehmung der öffentlichen Meinung nehmen Menschen durch ihr „quasi-statistisches Organ der Einschätzung der Umwelt“[7] auf. Durch diese Einschätzung und der daraus resultierenden Redebereitschaft oder Schweigetendenz entsteht eine dynamische Entwicklung, in der

die eine – zunächst nur scheinbar – zunehmende Meinungsfraktion immer stärker und die andere – zunächst nur scheinbar – abnehmende Fraktion immer schwächer wird. So entsteht ein Spiralprozess, der dieser Theorie auch ihren Namen verliehen hat.

2. Gesellschafts-theoretische, philosophie-geschichtliche Erkenntnisse:

Das Gesellschaftssystem beruht auf gegenseitiger Beobachtung und auch Bestrafung von Abweichlern durch soziale Isolation. E. Noelle-Neumann sieht diese so entstehende öffentliche Meinung als „soziale Haut“[8] der Gesellschaft, die das Gesamtsystem zusammenhält und funktionieren lässt. Auch die Regierung muss diesem Gesetz folgen, denn nach Noelle-Neumann kann sich keine Regierung auf Dauer an der Macht halten, die nicht die Akzeptanz der öffentlichen Meinung inne hat.

3. Kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse:

Diese Erkenntnisse beziehen sich auf die Rolle der Massenmedien bei der Wahrnehmung von Meinungsverteilungen in der sozialen Umwelt. Der Mensch hat zur Umweltbeobachtung, aus der sein quasi-statistisches-Wahrnehmungsorgan dann Schlüsse über die öffentliche Meinung zieht, zwei Quellen zur Verfügung: die direkte Umweltbeobachtung, die durch soziale Kontakte, ergo Kommunikation, möglich ist, und die indirekte Beobachtung über die Massenmedien. Diese Massenmedien haben in diesem Vorgang eine Art Artikulationsfunktion und darüber hinaus eine besonders hohe Wirksamkeit, wenn ihre Inhalte konsonant sind, also ohne Ausweichmöglichkeit in der Meinungsbildung.

[...]


[1] LeBon, Gustave: Psychologie der Massen. Stuttgart: Kröner, 1964, S. 2

[2] ebenda

[3] LeBon, Gustave: Psychologie der Massen. Stuttgart: Kröner, 1964, S. 10

[4] ebenda, S. 12

[5] ebenda, S. 16

[6] Noelle-Neumann, E.: Die Theorie der Schweigespirale als Instrument der Medienwirkungsforschung. In: Kaase, M., W. Schulz (Hrsg.): Massenkommunikation. Sonderheft 20 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1989, s. 418 – 440, hier S. 419

[7] Noelle-Neumann, E.: Die Schweigespirale, Öffentliche Meinung – unsere soziale Haut, 1982,

S. 152

[8] Ebenda, S. 90

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die Schweigespirale
Untertitel
Die öffentliche Meinung in der heutigen Massengesellschaft
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Massenkultur
Note
2.0
Autor
Jahr
2003
Seiten
13
Katalognummer
V116797
ISBN (eBook)
9783640191291
ISBN (Buch)
9783640191338
Dateigröße
398 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schweigespirale, Massenkultur
Arbeit zitieren
Stefanie Vomhof (Autor:in), 2003, Die Schweigespirale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116797

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