"Une femme est une femme" - Interpretation eines Films von Jean-Luc Godard


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Die Nouvelle Vague
2. Leben und Werke des Regisseurs Jean-Luc Godard
3. Die Schauspieler
3.1 Anna Karina
3.2 Jean-Paul Belmondo
3.3 Jean-Claude Brialy
4. Jean-Luc Godards Une femme est une femme
4.1 Inhalt
4.2 Charakterisierung der Personen
4.3 Stilmittel
4.4 Anspielungen und Wortspielereien
5. Fazit

III. Schluss
1.1 Der Einfluss der Nouvelle Vague auf die Moderne
1.2 Persönliche Meinung

Bibliographie

I. Einleitung

Was versteht man unter dem Begriff der Nouvelle Vague ? Worin liegt das Besondere dieser Epoche des französischen Kinos? Und inwiefern haben sich die großen Regisseure und Schauspieler mit dem Thema auseinandergesetzt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die folgende Hausarbeit, deren Schwerpunkt besonders auf einer Interpretation des Films Une femme est une femme („Eine Frau ist eine Frau“) des französischen Regisseurs Jean-Luc Godard aus dem Jahre 1961 liegt.

Nach einem kurzen Überblick über die Ära der Nouvelle Vague und deren Einflüsse auf das damalige französische Kino wird zunächst einer ihrer bekanntesten und einflussreichsten Vertreter vorgestellt: Jean-Luc Godard. Im dritten Kapitel stehen Anna Karina, Jean-Paul Belmondo und Jean-Claude Brialy, die zu den berühmtesten Schauspielern jener Zeit zählen, im Mittelpunkt. Der Fokus dieser Arbeit liegt anschließend auf dem Nouvelle Vague -Film Une femme est une femme. Nach einer knappen Inhaltsangabe der wichtigsten Handlungsstränge wird der Versuch einer Interpretation unternommen, bei der auch auf besondere Stilmittel und Anspielungen zu anderen Filmen Bezug genommen wird. Ein abschließendes Fazit rundet den Hauptteil ab. Der Schluss der Arbeit widmet sich schließlich den Einflüssen der Nouvelle Vague auf das Kino der Moderne und endet mit einer persönlichen Stellungnahme zum vorgestellten Film.

II. Hauptteil

1. Die Nouvelle Vague

Der Begriff Nouvelle Vague (dt. „Neue Welle“) bezeichnet „die wohl wichtigste Bewegung der europäischen Filmgeschichte[1] “, welche ab dem Ende der 50er Jahre in Frankreich entsteht. Ihr Leitspruch „Der Film von morgen wird ein Akt der Liebe sein“ stammt von François Truffaut, der neben Jean-Luc Godard, Claude Chabrol, Eric Rohmer und Jacques Rivette zu den bedeutendsten Regisseuren dieser Filmepoche zählt. Zu den ersten Produktionen der neuen Stilrichtung gehören unter anderem Chabrols Le Beau Serge („Die Enttäuschten“, 1958), Truffauts Les 400 coups („Sie küssten und sie schlugen ihn“, 1959), sowie Godards Klassiker A bout de souffle („Außer Atem“, 1959).

Die Anhänger der Nouvelle Vague vertraten die Ansicht, es müsse sich im französischen Kino vieles grundlegend ändern. Das Leitmotiv dieser Zeit ist die so genannte Autorentheorie, nach der dem Regisseur dieselbe Rolle wie dem Drehbuchautoren zukommen sollte – im Gegensatz zum Qualitätskino (frz.: Cinéma de Qualité), das viele Vertreter der Nouvelle Vague als zu etabliert, angepasst, vorhersehbar und realitätsfern kritisieren. Sie wenden sich „gegen die eingefahrene Bildsprache und den vorhersagbaren Erzählfluss des etablierten kommerziellen Kinos[2] “, „das Konventionelle, das Allseits-Bekannte[3] “. Der Regisseur soll maßgeblich an allen Prozessen des Filmemachens beteiligt sein und seine eigenen individuellen und unverkennbaren Ideen und Vorstellungen einfließen lassen können.

Das Ziel besteht darin, einen persönlichen und authentischen Film zu produzieren, der die Handschrift des Regisseurs trägt und sowohl die Entwicklungen und Handlungen der Schauspieler als auch die Thematik des Films erst in seiner Gesamtheit einzigartig macht. Unterschieden werden muss dabei „zwischen dem réalisateur (Regisseur), der, wenn er auch mit Intelligenz, Fantasie und Inspiration inszeniert, stets nur die vorgegebene Geschichte eines Drehbuchautoren umsetz[t], und dem auteur (Autor), der, wenn er auch mit Flecken und Fehlern, voller Manien und Schwächen arbeitet, stets bekenn[t], wie er zur Welt, zu den Menschen und seiner Arbeit steht[4] “, eigene Beobachtungen mit einbezieht und auch Filmen, die auf fremden Drehbüchern basieren, eine persönlichen Note verleiht. Dieser unabhängige Autorenfilm (frz.: politique des auteurs) soll das Lebensgefühl der Zuschauer widerspiegeln, wobei besonders dem inneren Monolog, einer Ausdrucksform des modernen Romans, eine zentrale künstlerische Funktion zugeordnet wird. Eine filmästhetische Gemeinsamkeit besteht auch im gewollt unperfekten, spontan wirkenden Stil, bei dem die Verwendung von Handkameras sowie die Vorliebe für das Drehen von Alltagsszenerien an Originalschauplätzen – statt in Filmstudios mit Kunstlicht – charakteristisch sind. Auch Anspielungen, Nachahmungen und versteckte Zitate von Lieblingsregisseuren, wie etwa Alfred Hitchcock, Howard Hawks oder Nicholas Ray, sind ein häufig verwendetes Mittel.

Ihr Ende erfährt die Nouvelle Vague Ende der 60er Jahre – durch ihre Vertreter selbst. Nachdem der zunächst unersättliche Drang nach Veränderung und Innovation gestillt ist, wird den Regisseuren bewusst, wie unterschiedlich ihre eigenen Ideen und Vorstellungen in der Realität aussehen. Die einst engen Freunde Truffaut und Godard beispielsweise entfremden und zerstreiten sich bald so sehr voneinander, dass sie bis zu Truffauts Tod 1984 nicht mehr miteinander sprechen.[5]

2. Leben und Werke des Regisseurs Jean-Luc Godard

Als einer der einflussreichsten Filmemacher und Vertreter der Nouvelle Vague gilt Jean-Luc Godard. Geboren am 3. Dezember 1930 in Paris als Sohn einer großbürgerlichen Arztfamilie wächst er zunächst in der Schweiz auf, kehrt allerdings mit 12 Jahren nach Frankreich zurück, um später an der Sorbonne Ethnologie zu studieren. 1950 macht er in der Cinémathèque zum ersten Mal Bekanntschaft mit seinen weiteren Weggefährten und späteren Nouvelle Vague -Regisseuren, wie etwa Rohmer, Rivette und Truffaut. Unter dem Pseudonym Hans Lucas veröffentlicht Godard in der Filmzeitschrift Cahiers du cinéma ab 1952 mehrere Artikel und Kritiken, bevor er kurz darauf beginnt, seine ersten Kurzfilme zu drehen. Sein Spielfilmdebüt A bout de souffle, dessen Drehbuch Truffaut verfasst, macht ihn über Nacht berühmt und bedeutet den Durchbruch als einflussreicher Filmemacher. Godards Motto: „Lasst uns etwas versuchen, das noch niemand gemacht hat[6] “. Zu seinen bekanntesten Werken – zwischen 1960 und 1967 drehte Godard insgesamt 15 Filme – zählen u.a.:

Vivre sa vie („Die Geschichte der Nana S.“, 1962)

Bande à part („Die Außenseiterbande“, 1964)

Pierrot le fou („Elf Uhr Nachts“, 1965)

Masculin Féminin („Maskulin Feminin“, 1966)

La Chinoise („Die Chinesin“, 1967)

Weekend („Weekend“, 1967)

Für seine Idee der Bildauflösung findet Godard in dem Dokumentarfilmer Raoul Coutard den perfekten Kameramann, mit dem er beinahe all seine Filme realisiert. Coutards Geschick besteht vor allem in seinem gekonnten Umgang mit natürlichem Licht und der handgeführten Kamera, um seinen Filmen einen individuellen Stil zu verleihen. Nicht selten wird dabei auch aus fahrenden Autos gefilmt[7]. Charakteristisch für Godards Produktionen sind zudem seine wilden, poppigen Genremixe sowie ein Nebeneinander vieler verschiedenartiger Stilmittel, wie z.B. Kameraeinstellungen, Schnitt- und Montagetechniken.

Im Laufe seiner Regisseurslaufbahn entfernt sich Godard zunehmend vom traditionellen Erzählkino und versteht seine Filme vielmehr als experimentell-essayistisches Instrument zur politischen Stellungnahme. Nach zahlreichen Stilwechseln, besonders Ende der 60er und Mitte der 70er Jahre, zieht er sich mehr und mehr vom Mainstream-Kino zurück – was sich auch im eher bescheidenen Erfolg seiner darauffolgenden, eher linksradikal angehauchten Werke widerspiegelt. Nichtsdestotrotz zählt Godard auch heute noch zu den bedeutendsten Regisseuren des europäischen Kinos (auch wenn er nie eine so große Popularität wie Truffaut erfährt) und den innovativsten und radikalsten Vertretern der Nouvelle Vague und setzte selbst nach einem schweren Unfall fort, Filme zu drehen. 1995 wird er mit dem Ehren-Leoparden von Locarno für sein Lebenswerk ausgezeichnet.[8]

Godards Werke werden oft als autoreflexiv, hermetisch und medienkritisch bezeichnet. „Die theoretische Prägung der Filme und Texte stellt Anforderungen an ihre Leser und Zuschauer. Godards Filme gelten […] seit jeher als anspruchsvoll, schwierig und komplex. Die Sprunghaftigkeit und Assoziativität, das Abbrechen und Neu-Ansetzen, mit der man in Godards Filmen immer wieder konfrontiert wird, ist auch in seine Texte eingegangen[9] “. Bei vielen seiner Werke ist nicht so wichtig, was, sondern wie erzählt wird. Bekannt für ihre experimentelle und freie Form folgen sie nicht den klassischen Regeln und Vorgaben des Hollywoodkinos, wie etwa Dialoge im Schuss-Gegenschuss-Verfahren, sondern basieren überwiegend auf individuell erprobten Kamerafahrten und Positionen. Godard verwendet häufig den Jump-Cut – eine optische Provokation, die auf irritierende und Aufmerksamkeit erregende Weise sprunghafte Bildübergänge entstehen lässt, die nur das Nötigste zeigen und durch Auslassungen die Länge des Films entscheidend verkürzen, ihm jedoch auch ein bisher ungeahntes und untypisches Tempo verleihen. Zudem wird die Handlung von plötzlichen Musik- oder Tanzszenen bzw. Schießeinlagen unterbrochen – ein Beispiel für Godards Faible für amerikanische B-Movies und den Film noir.

„Godards Filme […] bestehen überwiegend aus Dissonanzen, Brüchen, Lücken. Das Alltägliche wird nicht imitiert. Die Abbildung wird als Teil, als Aspekt einer Reihe vorgeführt, die der Fantasie der Komposition unterliegt. Bei Godard bleibt nichts selbstverständlich. Sein Kino verführt zu nichts, es verstört. Je weniger das Sicht- und Hörbare als kontinuierlich, einheitlich, gegeben zu erfahren ist, desto nachhaltiger wirkt diese Verstörung. So wird selbst das Wahrscheinlichste wieder unwahrscheinlich[10].“

Charakteristisch für seine Produktionen ist auch das Zusammenspiel von Bild und Text; die Verwendung von Schriften und Texteinblendungen stehen oft im Mittelpunkt. Seine Werke basieren häufig auf Büchern oder kommen immer wieder auf diese zurück. „Es dürfte schwer sein, einen Godard-Film ohne Bücher zu finden, in denen die Schauspieler lesen, aus denen auf der Tonspur zitiert wird, deren Titel angeführt oder die zum Requisit werden[11] “. Zudem gilt Godard als Revolutionär des zeitkritischen Essay-Films, wofür v.a. seine Filme Vivre sa vie oder Masculin Féminin beispielhaft sind.

3. Die Schauspieler

So richtungsweisend Truffaut und Godard als Regisseure der Nouvelle Vague sind, so beispielhaft sind Anna Karina, Jean-Paul Belmondo, Jean-Pierre Léaud oder Jean-Claude Brialy als Schauspieler. Statt der bekannten Gesichter engagieren die Filmemacher oftmals junge, frische und unbekannte Protagonisten – was nicht zuletzt auch am meist knappen Budget liegt. Vielen von ihnen gelingt durch die Zusammenarbeit mit so erfolgreichen Regisseuren der entscheidende Durchbruch und bedeutet den Anfang einer großen Filmkarriere.

3.1 Anna Karina

Anna Karina wird am 22. September 1940 in Kopenhagen unter dem Namen „Hanne Karin Blarke Bayer“ geboren. Mit 18 Jahren kommt die gebürtige Dänin nach Paris, wo sie zunächst als Model arbeitet und erste Werbefilme dreht. 1960 lernt sie Jean-Luc Godard kennen, der ihr die Hauptrolle in A bout de souffle anbietet – doch Anna Karina lehnt ab. Ihr großes Langfilmdebüt gibt sie allerdings schon kurz darauf in Godards Le petit soldat („Der kleine Soldat“, 1960), sowie mit Une femme est une femme – Karinas Durchbruch. Im selben Jahr heiratet sie Godard, der für mehrere Jahre der „stilbildende Regisseur ihrer Karriere[12] “ wird. In den folgenden Jahren dreht sie mehrere Filme. Zu den bekanntesten zählen u.a. Vivre sa vie (1962), Bande à part (1964) oder Pierrot le fou (1965). 1968 wird sie von Godard geschieden, woraufhin drei weitere Ehen folgen. Von ihrem letzten Mann, Dennis Berry, einem französischen Schauspieler und Regisseurleben, lebt sie heute jedoch getrennt[13].

Als Protagonistin der Nouvelle Vague -Epoche sind besonders zwei Eigenschaften der von Anna Karina dargestellten Figuren charakteristisch: ihr voller Körpereinsatz beim Schauspielern – ob bei Großaufnahmen ihres Gesichts in Vivre sa vie oder ihre berühmte Tanzszene in Bande à part – und ihre Schönheit und Anmutigkeit, mit der sie vielen ihrer Filme Wahrheit verleiht und für einige Momente Seele einhaucht[14].

[...]


[1] Movie-College, 1999-2007

[2] Wikipedia Deutschland, 2008b

[3] Grob/Kiefer, 2006 : 8

[4] Grob, 2006: 49

[5] Vgl.: Movie-College, o.J. wissen.de, o.J.

[6] kino.de, 2008

[7] Vgl.: Movie-College, o.J.

[8] Vgl.: msn.de Encarta, o.J. Kiefer, 2006: 86

[9] Pantenburg, 2006 : 23

[10] Grob/Kiefer, 2006: 21

[11] Pantenburg, 2006: 15

[12] prisma TV Guide, 2007a

[13] Vgl.: prisma TV Guide, 2007a Wikipedia Deutschland, 2007

[14] Vgl.: Rauscher, 2006: 105

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
"Une femme est une femme" - Interpretation eines Films von Jean-Luc Godard
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Seminar für Übersetzen und Dolmetschen)
Veranstaltung
Hauptseminar "Le cinéma de la Nouvelle Vague est ses acteurs fétiche"
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V116328
ISBN (eBook)
9783640178827
ISBN (Buch)
9783640178919
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
21 Einträge im Literaturverzeichnis, davon 16 Internetquellen.
Schlagworte
Interpretation, Films, Jean-Luc, Godard, Hauptseminar, Nouvelle, Vague
Arbeit zitieren
Carina Klehr (Autor:in), 2008, "Une femme est une femme" - Interpretation eines Films von Jean-Luc Godard, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116328

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