Die tragische Gestalt der Ophelia als Zerrspiegel Hamlets


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

Prolog

1. Hamlet- Zwischen Schein und Sein, oder: “For in that sleep of death what dreams may come?”
1.1 Die Vorlagen
1.2 Getrieben im Zwielicht einer Geistererscheinung
1.3 Nature und Fortune
1.4 Hamlet gefangen zwischen Schein und Sein: „To be or not to be that is the question“

2. „La femme fragile“: Opheliaweibliches Zerrbild Hamlets oder Frau ohne Eigenschaften?
2.1 Ophelia: Zwischen Lieben und Leiden
2.2 Keuschunzüchtige Ophelia: Entsexualisierte Unschuldzerrütteter Geist

3. Von Wahrheit und Wahnsinn: Die Tragik einer gescheiterten Liebe

Epilog

Literaturverzeichnis

Prolog

Als ich für meine Hausarbeit die Wahl hatte zwischen „Text, Stage und Screen“, entschied ich mich als Studentin der Literaturwissenschaft für den Text, um diesen nach Möglichkeit mit eigenen interpretatorischen Ansätzen zu beleuchten. William Shakespeares Meisterwerk ist die Tragödie um einen dänischen Königssohn, der der Melancholie verfallen ist und den es nach Rache dürstet. Er ist ein Prinz, der sich von einem durchaus zwielichtigen Geist „zur Rache aufgerufen“[1] fühlt. Diese Rache wird Schuld über ihn kommen lassen, aufgrund widriger Umstände, deren Urheber keineswegs der Prinz ist, aber deren er sich entledigen wird. Es ist überaus ungewöhnlich, wie sich das ganze Drama auf die Schlüsselfigur des Hamlets hin organisiert, diese Feststellung ist ebenso bezeichnend wie auffällig. Somit werde ich nicht umhin kommen, mich ebenso eingehendst mit Hamlet, wie Ophelia zu befassen, denn ich muss erst den Spiegel betrachten, bevor ich mich dem Zerrbild widmen kann. Die lange Untätigkeit des Prinzen, sein Zaudern, und die Passivität,[2] die von ihm auszugehen scheint, eröffnen dem Rezipienten interpretatorische Metaebenen. Der moralischen Problematik und dem daraus resultierenden inneren Konflikt des Kronprinzen, wird der Weg geebnet, selbst die eigene Vernunft in Frage zu stellen. Diese Problematik, die die Wertvorstellungen und des Prinzen Vernunft ins Wanken bringt, beginnt für Hamlet mit der Begegnung des Geistes, auch mit dieser, für den Verlauf des Stückes überaus wichtigen Begegnung, werde ich mich noch ausführlich auseinandersetzten. Hamlet ist das figurale Zentrum des Dramas, um ihn herum ordnen sich alle Figuren, Horatio wird zum idealisierten moralischen Spiegelbild des Prinzen, Ophelia zu seinem zerstörten Zerrbild. Für diese Entwicklungen und Wandlungen ist die Suche nach Wahrheit und die Bedeutung der Vernunft, für diese, von enormer Wichtigkeit. Die Begegnung mit dem Wahnhaften scheint unvermeidbar und ist ebenso bedeutsam für die Liebesbeziehung von Hamlet und Ophelia, der ich mich in meinen Ausführungen ausführlich widmen werde. Außerdem werde ich beleuchten, inwieweit Shakespeare Vernunft und Wahnsinn miteinander verwoben hat, um Wirklichkeit zu verhüllen, um diese in einen transzendenten Moment, in der Innerlichkeit Hamlets in Frage zu stellen. Diesen Prozess erlebt vor allem Hamlet und doch hat er enorme Auswirkungen auf die Figuren um ihn, besonders für die ihn liebende Ophelia, deren Emotionalität und geistige Verfassung an die Handlungen des Prinzen gebunden sind. Ich werde versuchen, die Begriffsund Werteverschiebungen, die sich in Hamlet vollziehen, transparenter erscheinen zu lassen und die Konsequenzen für den Verlauf des Dramas zu erörtern. Ebenso wird das innere Drama, der tragische Moment in Hamlet selbst voranschreiten. Anhand der tragischen Gestalt Ophelias will ich den in ihm klaffenden Zusammenbruch, die Vermischung seiner beiden Sphären, der wirklichen und der unwirklichen, darlegen. In diesem Sinne möchte ich meine Einführung mit den Worten Ophelias beenden, die es gewiss „blumiger” auszudrücken vermag, als ich es je könnte:

“There's rosemary, that's for remembrance.

Pray you, love, remember.

And there's pansies, that's for thoughts. There's fennel for you, and columbines. There's rue for you, and here's some for me.

We may call it herb of grace o' Sundays.

Oh, you must wear your rue with a difference. There's a daisy. I would give you some violets, but they withered all when my father died.

They say he made a good end.”

−Ophelia−

Hamlet Prince of Denmark

Act IV Scene V „To be or not to be, that is the question!

1. Hamlet- Zwischen Schein und Sein, oder: “ For in that sleep of death what dreams may come?”

1.1 Die Vorlagen

Dem problematischen Charakter des Hamlet liegt die Historia Danica des Saxo Grammaticus zu Grunde. Ein alter nordischer Sagenstoff, der Ende des 12. Jahrhunderts aufgezeichnet wurde. Die Sage behandelt die Geschichte des Dänenprinzen Amleth, der die Ermordung seines Vaters an dessen Mörder, seinem Oheim rächen wird. Dieser Sage hat der Dichter William Shakespeare bereits wichtige Elemente, die in seiner hier zu behandelnden Tragödie Verwendung finden, entnommen.[3] Motive wie Brudermord, Inzest, gespielter Wahnsinn, die zeitweilige Melancholie und Untätigkeit des Helden, die Benutzung eines Mädchens, um diesen zu ködern, all dies taucht bereits im Amleth des Saxo Grammaticus auf. Allerdings führt Amleth seine Rache aus und wird König von Dänemark, was den Stoff natürlich um einige hoch ästhetische und zugleich tragische Momente erleichtert. Das elisabethanische

Zeitalter wird dem Hamlet− Stoff noch das Motiv des Ehebruches vor dem Brudermord einverleiben. In dieser Vision, die in den Histoires Tragiques des Belleforest zu finden ist, wird Hamlet bereits sterben.[4] Beide Quellen hat der größte Dichter des elisabethanischen Hofes mit Sicherheit gekannt und genutzt, doch eine weitere Quelle, eine typische Rachetragödie nach dem Muster des Seneca, vollendet schließlich den Ur− Hamlet Shakespeares und verleiht ihm bis heute unübertroffene Dramatik. Der Rachefordernde Geist des Vaters tritt auf und auch das Schauspiel, das Spiel im Spiel ist in ihr enthalten.[5] Shakespeares große Leistung besteht darin, die verschiedenen Quellen, den Ur− Hamlet− Stoff, zu einer furiosen Tragödie vereint zu haben, die ihres gleichen sucht. Den schemenhaften Handlungsreichtum, mit dem seine literarischen Vorgänger ihren Helden umgaben, ordnete er seiner Vorstellung des Hamlets, als faszinierende und überaus komplexe Zentralfigur seines Dramas, zu.

1.2 Getrieben im Zwielicht einer Geisterscheinung:

„Be thou a spirit of health, or goblin damned […].”[6]

Shakespeares Zentralfigur ist so komplex, dass sie auch in der Moderne weiterhin Anklang finden wird, keine Generation konnte sich ihr bisher verwehren− William Shakespeares Hamlet ist unsterblich. Ein geheimnisvoller, undurchdringlicher Zauderer, Handlungsverweigerer, Grübler, perverser Melancholiker, vielleicht ein Genie, oder tatsächlich dem Wahnsinn verfallen? Hamlets lange Untätigkeit verlangt nach immer neuen Begründungen, fordert immer neue Interpretationsansätze, formiert sich auch als Rätsel stets neu. Natürlich, eine gewisse Passivität des Helden ist bereits durch das Schema der Rachetragödie bedingt,[7] doch Hamlets Passivität scheint zunächst nur durch regelrechte Ausbrüche von Leidenschaft und Übertreibung, unterbrochen.

„Die Moral aber ist nur der äußere Schein von Treue und Glauben und der Verwirrung Beginn.“[8]

Unweigerlich wird er in ein Übel verstrickt, dessen Verursacher er nicht ist, abwarten muss er, zaudern, bis sich Gelegenheit ergibt, Moral und Ehrgefühl verpflichten ihn dazu, dieses Übel entsprechend zu vergelten. Die Hindernisse, die Hamlet überwinden muss, scheinen zunächst lediglich äußerlich vorhanden zu sein, doch tatsächlich überwinden muss er sein Inneres. Hamlet ist gefangen zwischen wahrhaftigem Sein und dem Schein, dem das dennoch das Wahre verhaftet sein muss. Schon Johann Wolfgang von Goethe hat erkannt: „Das Wahre ist gottähnlich; es erscheint nicht unmittelbar, wir müssen es in seinen Manifestationen erraten.“[9], ebenso fühlt sich Hamlet verpflichtet, „das Wahre“ zu suchen und zu finden, wahrhaftiges Sein von zwiespältigen Schein zu trennen. Ebenso zwiespältig ist die Erscheinung des Geistes. Zwischen Schein und Sein bewegt er sich auf einer Ebene, die der Dänenprinz Hamlet vernünftig nicht fassen kann.

[...]


[1] Vgl. Schabert, I.: „Shakespeare− Handbuch“, S. 600

[2] Ebd. Vgl. S. 612

[3] Vgl. Schabert, I.: „Shakespeare − Handbuch“, S. 600

[4] Ebd. Vgl. S. 601

[5] Ebd. Vgl. S. 601 f

[6] Shakespeare, W. : ”Hamlet”, Act I, Scene IV, Z. Z. 40

[7] Vgl. Schabert, I.: „ Shakespeare − Handbuch“, S. 600

[8] Laotse, Tao Te King, siehe auch: http://www.zitate−aphorismen.de/zitate/thema/Schein/1072

[9] Aus Johann Wolfgang von Goethes: „Wilhelm Meisters Wanderjahre“, siehe auch: http://www.zitateapho− rismen.de/zitate/thema/Schein/1072

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die tragische Gestalt der Ophelia als Zerrspiegel Hamlets
Hochschule
Universität Erfurt
Veranstaltung
BA- Literaturwissenschaft/BA- Anglistik: „Hamlet: Text- Stage- Screen“
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V116181
ISBN (eBook)
9783640177660
ISBN (Buch)
9783640177721
Dateigröße
609 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gestalt, Ophelia, Zerrspiegel, Hamlets, Literaturwissenschaft/BA-, Anglistik, Text-, Stage-, Screen“
Arbeit zitieren
Julia Kulewatz (Autor:in), 2008, Die tragische Gestalt der Ophelia als Zerrspiegel Hamlets, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116181

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