Rezeptionsmodalitäten und emotionales Erleben bei der Rezeption von Fernsehnachrichten. Medienpsychologie


Diplomarbeit, 2006

320 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Konzept der Rezeptionsmodalitäten
2.1 Grundlagen
2.1.1 Wirkungsansatz
2.1.2 Uses and Gratifications-Ansatz
2.1.3 Eine integrative Perspektive
2.1.4 Das Konstrukt Involvement – Suche nach Transaktionalität
2.2 Rezeptionsmodalitäten – Definition und Status des Konstrukts
2.2.1 Dynamische Perspektive
2.2.2 Molare Perspektive
2.2.3 Transaktionale Perspektive
2.2.4 Schlussfolgerungen
2.3 Rezeptionsmodalitäten – Faktoren und ihre Operationalisierungen
2.4 Validierung der empirisch ermittelten Rezeptionsmodalitäten
2.4.1 Need for Cognition
2.4.2 Need for Affect
2.5 Rezeptionsmodalitäten - Forschungsstand
2.6 Fazit

3 Emotionales Erleben
3.1 Emotion – eine Definition des Begriffs
3.2 Emotionskomponenten nach Scherer
3.3 Anwendung des SEC-Modells auf medial vermittelte Reize
3.4 Emotionale Medienwirkungen bei der Rezeption von TV-Nachrichten – Forschungsstand

4 Zusammenfassung und Fragestellung

5 Ableitung von Forschungsannahmen und -fragen
5.1 Anwendung der Rezeptionsmodalitäten auf Fernsehnachrichten
5.2 Rezeptionsmodalitäten als Differenzierungsmerkmal
5.3 Hypothesen
5.3.1 Modalitäten und die Wirkungsrelevanz der Medienstimuli
5.3.2 Vorhersage einzelner Appraisalschritte
5.3.3 Narration – Besonderheit im Appraisal
5.3.4 Passiv-Beiläufige Rezeption
5.3.5 Tabellarische Übersicht der Hypothesen

6 Methode
6.1 Versuchplan
6.2 Das Stimulusmaterial (UV 1)
6.2.1 Auswahl der Nachrichtenbeiträge
6.2.2 Inhaltliche Beschreibung des Reizmaterials
6.2.3 Zusammenstellung der Test-DVD´s
6.3 Erfassung der Rezeptionsmodalitäten (UV2)
6.4 Emotionales Erleben
6.4.1 Kognitive Bewertungsmuster- SEC (AV1)
6.4.2 Subjektives Selbsterleben – M-DAS (AV2)
6.5 Kontrollvariablen
6.5.1 Need for Cognition
6.5.2 Need for Affect
6.5.3 Geschlecht, Alter, Nachrichtennutzungsverhalten
6.6 Versuchspersonenstichprobe
6.7 Versuchsablauf und -Durchführung

7 Ergebnisse und Auswertung
7.1 Beschreibung der Versuchspersonenstichprobe
7.1.1 Soziodemographische Daten
7.1.2 Nachrichtennutzungsverhalten
7.2 Überprüfung der Forschungsannahmen
7.3 Ergebnisse der Hypothesentestung
7.3.1 Modalitäten und die Wirkungsrelevanz der Medienstimuli
7.3.2 Vorhersage einzelner Appraisalschritte
7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse der Hypothesentestung

8 Explorative Datenanalyse
8.1 Modalität Präsenz
8.1.1 Varianzanalyse: Modalität Präsenz und SECs
8.1.2 Varianzanalyse: Modalität Präsenz und M-DAS
8.2 Modalität Kommotion
8.2.1 Varianzanalyse: Modalität Kommotion und SECs
8.2.2 Varianzanalyse: Modalität Kommotion und M-DAS
8.3 Modalität Produktion
8.3.1 Varianzanalyse: Modalität Produktion und SECs
8.3.2 Varianzanalyse: Modalität Produktion und M-DAS
8.4 Modalität Spiel
8.4.1 Varianzanalyse: Modalität Spiel und SECs
8.4.2 Varianzanalyse: Modalität Spiel und M-DAS
8.5 Modalität Ideensuche
8.5.1 Varianzanalyse: Modalität Ideensuche und SECs
8.5.2 Varianzanalyse: Modalität Ideensuche und M-DAS
8.6 Modalität Identifikation
8.6.1 Varianzanalyse: Modalität Identifikation und SECs
8.6.2 Varianzanalyse: Modalität Identifikation und M-DAS
8.7 Modalität Narration
8.7.1 Varianzanalyse: Modalität Narration und SECs
8.7.2 Varianzanalyse: Modalität Narration und M-DAS
8.8 Modalität Passiv-Beiläufige Rezeption
8.8.1 Varianzanalyse: Modalität Passiv-Beiläufige Rezeption und SECs
8.8.2 Varianzanalyse: Modalität Passiv-Beiläufige Rezeption und M-DAS
8.9 Haupteffekte und Wirkungen der Nachrichtenbeiträge
8.9.1 Nachrichtenbeiträge und SECs
8.9.2 Nachrichtenbeiträge und M-DAS
8.9.3 Fazit
8.10 Fazit der bisherigen Ergebnisse
8.11 Clusteranalyse
8.12 Faktorenanalyse

9 Diskussion
9.1 Beurteilung der empirischen Ergebnisse
9.1.1 Beurteilung der Hypothesentestung
9.1.2 Modalitäten – Haupteffekte und Interaktionseffekte
9.1.3 Modalitäten und die Korrespondenz mit dem Medienstimulus
9.2 Clusterbildung
9.3 Ein alternatives Faktorenmodell
9.4 Allgemeine Kritikpunkte
9.5 Fazit und Ausblick

10 Zusammenfassung

11 Verzeichnisse
11.1 Literaturverzeichnis
11.2 Tabellenverzeichnis
11.3 Abbildungsverzeichnis

ANHANG

1 Einleitung

Wir leben in einem medialen Zeitalter. Ob man das ständig wachsende Internet und die riesige Schar seiner Nutzer in den Fokus der Aufmerksamkeit zieht, sich die unzähligen Zeitschriften, Magazine und Werbebroschüren vergegenwärtigt oder Statistiken über durchschnittliche Fernsehnutzungszeiten zu Gesicht bekommt: die Omnipräsenz der Medien ist zum Kennzeichen der heutigen Informationsgesellschaft geworden. Dabei muss dem Einzelnen die Allgegenwart medialer Angebote nicht unbedingt bewusst sein. Unabhängig davon erreichen strategisch durchdachte Medienwirkungen tagtäglich unser Informationsverarbeitungssystem, ohne dass man sich dieses Einflusses entziehen könnte. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Informationen. Seit Jahren zeigt sich ein Trend, gerade in den Massenmedien wie Fernsehen und Radio, der zunehmend Sendeformate hervorbringt, die gezielt die Emotionen der Zuschauer und –hörer ansprechen. Der Begriff „Affektfernsehen“ von Bente und Fromm (1997) für bestimmte TV-Formate beschreibt die verstärkte Emotionalisierung der Medieninhalte, insbesondere die des Fernsehens. Doch nicht nur Unterhaltungsangebote wirken emotionalisierend, sondern auch bei der Nachrichtenrezeption, die im Fokus dieser Arbeit steht, besitzen emotionale Prozesse eine gewisse Tragweite. Wie eine Studie von Schwab, Unz, Mangold & Winterhoff- Spurk (1998) zeigt, stehen zwar Nutzungsmotive wie „Neugier“, „auf dem Laufenden bleiben“ sowie „sich ein Bild von der Realität machen“ an erster Stelle, daneben spielen jedoch eher emotionale Gratifikationserwartungen wie „Spannung“ oder „spannende Unterhaltung“ eine wichtige Rolle. 25 % der Befragten, so die Ergebnisse einer Clusteranalyse auf der Basis dieser Befunde, sehen Nachrichten vor allem zur Unterhaltung. Trotz der offensichtlichen emotionalen Wirkungen bei der Nachrichtenrezeption, finden sich in der Literatur bislang nur wenige Ansätze zur Erforschung und Erklärung des Entstehens emotionaler Prozesse und Nachwirkungen der Rezeption von TV-Nachrichten (Winterhoff-Spurk, 1999; Winterhoff-Spurk & Mangold, 2001).

Die vorliegende Arbeit untersucht die emotionalen Reaktionen von Personen bei der Rezeption von TV-Nachrichten in Abhängigkeit von den eingesetzten Rezeptionsmodalitä- ten. Rezeptionsmodalitäten sind dabei aufzufassen als qualitativ unterschiedliche Arten bzw. Herangehensweisen im Umgang mit medialen Inhalten. Die theoretische Darstellung des Konstrukts Rezeptionsmodalitäten in dieser Arbeit basiert auf der Habilitationsschrift von Monika Suckfüll (2004), in deren Rahmen sie sieben Modalitäten empirisch ermittelte. Ihre Untersuchungen bezogen sich vornehmlich auf fiktives Stimulusmaterial (Kinofilme), deren Wahrnehmung aufgrund der Spezifität der fiktionalen Inhalte sich eindeutig von der Wahrnehmung realer Reizsituationen unterscheidet. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die adaptierte Anwendung der Konzeptionen von Suckfüll (2004) auf die Rezeption nicht-fiktionaler Fernsehbeiträge. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Art und Weise der Rezeption im Sinne dominanter Rezeptionsstile Auswirkungen auf das emotionale Erleben während der Mediennutzungssituation hat. Diese Annahme scheint insofern plausibel, da die verschiedenen Rezeptionsstile im Sinne unterschiedlicher Herangehensweisen an das Stimulusmaterial ebenso wie medieninduzierte Emotionalität von grundsätzlicher Bedeutung für die Medienrezeptionsprozesse sind. Die Erfassung der emotionalen Reaktionen der Personen auf das dargebotene Stimulusmaterial ist theoretisch begründet im Component-Process-Modell nach Scherer (1984, 1987, 1990, 2001). Scherer geht davon aus, dass vor der emotionalen Reaktion einer Person, der emotionsauslösende Reiz bezüglich 4 Beurteilungsdimensionen kognitiv bewertet wird (Stimulus Evaluation Checks). Je nachdem mit welchen Ergebnissen der sequenzielle Bewertungsprozess durchlaufen wird, entstehen unterschiedliche Emotionen. Im Rahmen der vorliegenden Studie soll der Zusammenhang zwischen Rezeptionsmodalitäten und Ergebnissen des Appraisalprozesses untersucht werden.

2 Das Konzept der Rezeptionsmodalitäten

Das folgende Kapitel soll einen theoretischen Überblick über die Grundlagen, Definition und Operationalisierung des Konstrukts Rezeptionsmodalitäten von Monika Suckfüll (2004) geben. Bedeutsam für die Herleitung des Konstrukts Rezeptionsmodalitäten sind Wirkungsansatz (2.1.1) und der Uses and Gratifications-Ansatz (2.1.2), auf den Dualismus beider Ansätze wird daher zunächst kurz eingegangen. In den weiteren Abschnitten werden dann die Idee integrativer Konzepte und andere bestehende integrative Ansätze vorgestellt (2.1.3). Im Anschluss wird die Definition der Rezeptionsmodalitäten (2.2) sowie die Operationalisierungen der 7 Faktoren (2.3) und Validierungen anhand der Konstrukte Need for Cognition und Need for Affect aufgezeigt (2.4). Am Ende des Kapitels werden Forschungsarbeiten und Forschungsergebnisse, die für den Gegenstand dieser Arbeit von Bedeutung sind, vorgestellt (2.5).

2.1 Grundlagen

Menschen unterscheiden sich nicht nur darin, was sie wahrnehmen, sondern auch in der Art und Weise wie sie Angebote ihrer Umwelt und Umgebung rezipieren. Diese Modalitäten bei der Rezeption von Medieninhalten sind Gegenstand der Habilitationsschrift von Monika Suckfüll (2004). Die so genannten „Rezeptionsmodalitäten“ sind ein integratives Konstrukt für die Medienwirkungsforschung. Integrativ deshalb, weil versucht wird, im Rahmen des dynamisch-transaktionalen Ansatzes medienorientierte und rezipientenorientierte Perspektiven in einem Modell zu integrieren. Früher galt die Wirkungsforschung (medienorientiert) als Gegenperspektive zur Rezeptionsforschung (rezipientenorientiert). Doch gerade in der Wechselwirkung und Interaktion zwischen Medienangebot und Zuschauer scheint der Schlüssel zur Abbildung der transaktionalen Prozesse, die beim Ansehen und Verarbeiten von audio-visuellen Inhalten ablaufen, zu liegen. Um zu einem Verständnis des Konzeptes der Rezeptionsmodalitäten zu kommen, werden im vorliegenden Abschnitt die theoretischen Überlegungen und die Herleitung Suckfülls zusammenfassend dargestellt (vgl. zum folgenden Kapitel die ausführlichen Darstellungen in Suckfüll (2004)).

Zunächst werden dazu frühere Forschungsansätze der Medienwirkungsforschung knapp vorgestellt. Traditionell unterscheidet man medienorientierte und rezipientenorientierte Modelle, je nachdem ob darauf fokussiert wird, welche Wirkung eine Medienbotschaft beim Empfänger hinterlässt oder darauf, welchen subjektiv empfundenen Nutzen sich der Zuschauer von der Rezeption verspricht bzw. welche Motive ihn zur Rezeption des Medieninhalts leiten. Auch wenn sich die Medienwirkungsforschung nicht ausschließlich in diese Dichotomie aufteilen lässt, sollen im folgenden trotzdem lediglich der medienzentrierte Wirkungsund der rezipientenzentrierte Nutzenund Belohnungsansatz (Uses and Gratifications-Ansatz) vorgestellt werden. Beide Ansätze können weder als einheitliches geschlossenes Forschungskonzept oder gar als Theorie verstanden werden, sondern sind eher als „Referenzmodell, vor dem Hintergrund dessen Forschungsarbeiten durchgeführt werden“ (Suckfüll, 2004) aufzufassen.

Im folgenden Überblick beider Ansätze geht es lediglich darum die Grundannahmen des Wirkungsund des Uses and Gratifications-Ansatzes und deren methodische Umsetzung vorzustellen, um ein tieferes Verständnis des weiterführenden Konstrukts der Rezeptionsmodalitäten, sowie deren Herleitung zu ermöglichen. Ziel ist eine kurze Übersicht der grundlegenden Ideen beider Sichtweisen und nicht eine vollständige und ausführliche Darstellung beider Perspektiven.1

2.1.1 Wirkungsansatz

Seinen Ursprung hat der Wirkungsansatz in der US-amerikanischen Propagandaforschung der 20er und 30er Jahre. Er gilt als historischer Startpunkt der Medienwirkungsforschung und wird von Vorderer (1992) als massenkommunikationstheoretisches „Ausgangsparadigma“ bezeichnet. Auf ihm basierende Studien gehen davon aus, dass die in den Massenmedien vermittelten Botschaften direkt auf den Rezipienten wirken, woran man die Rückführung auf klassisch behavioristischen Vorstellungen eines Stimulus-Response-(SR-) Modells erkennt. Dabei wird von einem einseitig-linearen Prozess ausgegangen, der sich in der viel zitierten handlichen Lasswell-Formel (1948) „Who says what in which channel to whom with what effect?“ widerspiegelt.

Der Wirkungsansatz konzipiert den Rezipienten als passiven Empfänger von Signalen. Frühe Studien, die diesem Ansatz folgen, werden der „Phase der starken Medienwirkungen“ zugeordnet (z.B. McQuail 1994, S. 328ff.). Es wurde davon ausgegangen, unter Vernachlässigung von Persönlichkeitsmerkmalen der Rezipienten, „dass gleiche Medieninhalte bei allen Rezipienten gleiche Wirkungen hervorrufen“ (Suckfüll, 2004, S.18). Nach Esser und Brosius (2000) müssen im Rahmen der SR-Vorstellungen zwischen Stärke und Ausmaß der Wirkung unterschieden werden. Die Stärke der Wirkung bezeichnet dabei eine durchschnittliche Ausprägung einer Veränderung bei den Rezipienten („individuelles“ SR-Modell), wohingegen sich das Ausmaß der Wirkung auf die Anzahl der Rezipienten („globales“ SR-Modell) bezieht, bei denen sich eine Wirkung eingestellt hat. Von einer unvermittelten und direkten Medienwirkung auszugehen, erwies sich schon sehr früh als ungenügend, so dass auch Esser und Brosius (2000) von einem „Mythos“ sprechen, der Medienwirkungsforschung ein einfaches SR-Modell zu unterstellen. Bereits in einer Studie zum Präsidentschaftswahlkampf von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1944) erwies sich das behavioristische Modell als nicht mehr haltbar. Da bekannt war, wenn auch nicht in die Modellbildung integriert, dass unterschiedliche Personen auf unterschiedliche Inhalte unterschiedlich reagieren, wurde die Bedeutung der Aktivitäten der Rezipienten für die Medienwirkung bemerkt (Merten, 1994, S.291) und zunehmend berücksichtigt. Später in der „Phase der schwachen Medienwirkungen“ wurde im Rahmen der neobehavioristischen SOR-Modelle, eine zwischen Reiz und Reaktion vermittelnde Organismusvariable zwischengeschaltet, so dass u. a. Prädispositionen der Rezipienten berücksichtigt wurden.

Trotz aller Differenzierungen des Wirkungsansatzes, die im Laufe der folgenden Forschungsjahre vorgenommen wurden (wie beispielsweise die Einbeziehung der Intention der Kommunikatoren, inhaltliche und formale Aspekte der Medienangebote, soziologische, situationale und andere intervenierende Variablen), galt Medienwirkung weiterhin als ursächlich auf Medienstimuli zurückzuführende Veränderung von Rezipientenmerkmalen, in der der passive Rezipient lediglich zur „wirkungsbegrenzenden Instanz“ (Halff, 1998) aufgewertet wird. Der Wirkungsansatz wurde später in das „Folgeparadigma“ (Vorderer, 1992) des Uses and Gratifications-Ansatzes, der eine rezipientenorientierte Sichtweise vertritt und im folgenden kurz erläutert werden soll, umgekehrt.

2.1.2 Uses and Gratifications-Ansatz

Die Umkehrung der Frage „Was machen die Medien mit den Menschen?“ in die Frage „Was machen die Menschen mit den Medien?“ (Katz, 1959) beschreibt die neue Sichtweise im Nutzenund Belohnungsansatz, in der der Zuschauer als aktiver Rezipient gesehen wird, der die Medien zielgerichtet, intentional und initiativ nutzt. Die Medien erfüllen für den Rezipienten bestimmte Funktionen. Diese Funktionen sowie die Bedürfnisse, die durch die Zuwendung zum Medium befriedigt werden sollen, bestimmen, welche Medienangebote genutzt werden. Es zeigt sich, dass Menschen Medienangebote selektiv nutzten. Dieser Selektionsmechanismus wird funktional erklärt, wobei Medienkonsum nur eine von vielen alternativen Möglichkeiten ist, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Die Aktivitäten des Rezipienten, der sich dem Ansatz zufolge seiner Bedürfnisse bewusst ist, werden durch soziale und psychologische Faktoren beeinflusst. Welches (Medien-) Angebot ausgewählt wird, hängt davon ab, welche Alternativen zur Bedürfnisbefriedigung verfügbar sind. Die durch die Auswahlentscheidung und die damit verbundene Aktivität erhaltenen Belohnungen (bzw. das Ausbleiben von Belohnungen) wirken sich auf zukünftige Selektionsentscheidungen aus. Längerfristig entstehen auf diese Weise Muster der Medienselektion (vgl. z.B. Katz, Blumler und Gurevitch, 1974, S.21f.; Palmgreen, Wenner und Rosengren, 1985, S. 14; Renckstorf, 1977, S.15f.).

Klappner (1960) wies darauf hin, das die Selektivität der Rezipienten direkte Wirkungen unterbinde (S.50ff.), wobei es die Merkmale der Rezipienten seien, die diese Selektivität bedingen. Der Ausdruck „Selektivität“ etablierte sich seitdem als Grundbegriff der Medienwirkungsforschung. Weiterführende Überlegungen aufgrund der Notwendigkeit den kontextuellen Rahmen dieser selektiven Medienzuwendung zu erfassen, gehen auf Katz (1968) zurück, der darin den Spezialfall eines übergeordneten Prinzips sah, nach dem die Rezipienten durch die Medienzuwendung einen generellen Nutzen anstreben, wobei dieser Nutzen nicht wertend, sondern als für das Individuum subjektiv nützlich aufzufassen ist, beispielsweise auch im Sinne entspannter Gefühle bei der Rezeption „nutzloser“ Inhalte. Durch die Erweiterungen im Rahmen seiner Studien trug Katz maßgeblich zur Entwicklung des Uses and Gratifications Ansatzes bei.2

Weiterentwicklungen und Differenzierungen des Ansatzes: Beginnend mit dem Versuch, soziale und psychologische Funktionen der Medien zu inventarisieren (Blumler und Katz, 1947b, S.15), entstanden in der Folge motivationale Inventare, die versuchten, die Medienselektion vom Rezipienten ausgehend zu erklären. Unterhaltung und Information wurden als Hauptfunktionen bzw. als wesentliche Bedürfnisse unterschieden (Schramm 1949), wobei andere Autoren dieser zweidimensionalen Perspektive das Bedürfnis nach sozialer Interaktion als dritte Dimension hinzufügten (Dance und Larson, 1976; Levy und Windahl, 1984). In weiteren Studien anderer Autoren wurden noch weitere Motive und Bedürfnisse hinzugefügt.

Bei der Fokussierung auf die Funktionen der Medien in ihrer Gesamtheit und darauf, welchen Bedürfnissen sie entsprechen, musste spezifischer gefragt werden, da zur prägnanten Charakterisierung der Funktionen der Medienangebote nicht nur zwischen Medien (Fernsehen oder Radio), sondern auch zwischen Sendern (Privaten oder Öffentlich-Rechtlichen) und konkreten Sendungsformaten (Tagesschau oder Tagesthemen) unterschieden werden muss.3

Im Zuge der Entwicklung des Ansatzes differenziert Palmgreen (1984) zwischen gesuchten (sought) und erhaltenen (obtained) Gratifikationen. Dabei setzt er die gesuchten Gratifikationen explizit mit den Bedürfnissen bzw. den Motiven des Rezipienten gleich, wobei die tatsächlich von den Medien erhaltenen Gratifikationen oder diejenigen, die der Rezipient zu erhalten erhofft, von besonderer Bedeutung sind.

Der Erwartungs-Bewertungs-Ansatz (McLeod, Bybee und Durall, 1982; Palmgreen und Rayburn, 1982, 1985) stellt ebenso eine Erweiterung des Ansatzes dar. Hier wird die Wahl eines Medienangebots durch die Erwartungen des Rezipienten an ein bestimmtes Medium bzw. seine Inhalte sowie dadurch, wie die Rezeption bewertet wird, bestimmt.

Beiden Differenzierungen des Uses and Gratifications-Ansatzes, namentlich der Unterscheidung zwischen gesuchten und erhaltenen Gratifikationen und dem Erwartungs-Bewertungs-Ansatz4 haben eines gemeinsam: sie betrachten die Mediennutzung aus einer funktionalen Perspektive, in der die Befriedigung von Rezipientenbedürfnissen durch Medienangebote beschrieben wird.

Andere Forschungsarbeiten fokussieren den Einfluss von Persönlichkeitsmerkmalen auf die Bedürfnisse und somit das spätere Medienauswahlverhalten. Insbesondere die Variable Parasoziale Interaktion oder die allgemeine Ängstlichkeit der Rezipienten tragen zur Erklärung der Rezeptionsmotive bei. Obwohl häufig darauf hingewiesen wurde, dass das Erkärungspotenzial solcher Persönlichkeitsvariablen noch nicht ausgeschöpft sei (vgl. Kunz, 1995, S.101f), wurden zahlreiche weitere Variablen untersucht.5

In weiteren Arbeiten zur Weiterentwicklung des Nutzenund Belohnungsansatzes gerät die Aktivität der Rezipienten ins Zentrum des Interesses. Levy und Windahl (1984, 1985) unterscheiden eine zeitliche und eine qualitative Dimension der Rezipientenaktivität. Zeitlich wird Aktivität vor, während oder nach der Mediennutzung differenziert, wohingegen die qualitative Dimension die Aktivität des Rezipienten in Bezug zur Selektivität (selectivity), Beteiligung (involvement) oder zur Nützlichkeit (utility) setzt (1985, S.113; vgl. Kunz 1995, S. 106). Rubin (1984, 1986) differenziert innerhalb des Nutzenund Belohnungsansatzes zwischen instrumenteller und habitueller Medienselektion, wobei auch letztere als aktiv, zielgerichtet und initiativ betrachtet wird.6 Das habituelle Entscheidungsverhalten kann sich dabei sowohl auf das Medium (Fernsehen), den Sender (ARD) als auch die konkreten Angebotsformate (Tagesschau) beziehen.

Jäckel (1992) kritisiert die Annahme, dass Rezipienten die Medieninhalte rational, aktiv und bewusst unter Berücksichtigung bestehender Alternativen aussuchen. Für ihn ist die Auswahl und Nutzung eines Medienangebotes in vielen Fällen (aber nicht generell) eine „Niedrigkostensituation“, in der eine suboptimale Entscheidung für ein Medienangebot zwar nicht zu den gewünschten Gratifikationen führt, jedoch auch keine ernsthaften Konsequenzen nach sich zieht. Da es dem Zuschauer faktisch unmöglich sei, Auswahlentscheidungen immer auf der Basis vollständiger Informationen zu treffen, bedient er sich heuristischer und habitueller Routinen. Somit werden Entscheidungen auf der Grundlage der vorhandenen und verfügbaren Kenntnisse so getroffen, dass sie sinnvoll erscheinen. Der Rezipient nutzt das, was ihm nützlich erscheint (McLeod und Becker, 1981, S. 71; zitiert nach Jäckel 1992, S. 249). Dieser Argumentation folgend kann sogar das Konzept des aktiven und rationalen Rezipienten beibehalten bleiben.

Der „Nutzenansatz“ (Teichert, 1972, 1973; Renckstorf, 1973, 1977, 1984, 1989), erweitert und modifiziert den ursprünglichen Gratifikationsansatz unter einer handlungstheoretischen Perspektive. Dabei geht der Nutzenansatz von einem interpretativen Handlungskonzept aus, worunter Renckstorf „die dem Symbolischen Interaktionismus entlehnte Annahme über die ´soziale Konstruktion der Wirklichkeit´ […versteht…], d.h. eine grundsätzliche ´Sinnund Bedeutungszuweisung´ durch soziale Akteure“ (Vorderer, 1992, S.23). Medieninhalte werden nicht mehr als Stimuli an sich, sondern nur noch als interpretationsbedürftige Vorgaben konzeptualisiert, deren Wirkungen folglich nur unter Einbeziehung der Rezeptionsleistung des Rezipienten adäquat beschreibund erklärbar sind (Vorderer, 1992, S.24). Die selektive Zuwendung zu Medienangeboten aufgrund eines subjektiv erwarteten Nutzens - die Kernaussage des Nutzenund Belohnungsansatzeswird im Nutzenansatz radikalisiert, da Selektivität hier als intentionales Handeln und nicht mehr lediglich als wirkungshemmender Mechanismus aufgefasst wird.

Der Begriff „Selektion“ wird in unterschiedlichen Kontexten heterogen verwendet. Dass Menschen nur einen winzigen Teil der immensen Informationsmengen, die täglich auf sie einwirken, verarbeiten können, ist unmittelbar einsichtig. Somit ist „Selektion alltägliches Erfordernis im Umgang mit Umweltreizen“ (Eilders, 1999, S. 14). Bei der individuellen Medienrezeption ist es üblich Zeitphasen (Schulz, 1994; Levy & Windahl, 1984) zu unterteilen, in denen Selektion auf mehreren Ebenen stattfindet. Donsbach (1989, 1991) unterscheidet drei Phasen (a) präkommunikativ (vor der eigentlichen Medienzuwendung), (b) kommunikativ (während der eigentlichen Medienzuwendung) und (c) postkommunikativ (Wirkungen, Gedanken, Eindrücke und Gefühle nach der Medienrezeption). Der Begriff Selektion wird in der vorliegenden Arbeit vor allem für die Auswahlentscheidung in der präkommunikativen Phase benutzt. Es wird jedoch explizit darauf hingewiesen, dass Selektion in allen Phasen des Medienrezeptionsprozesses stattfindet. Der Begriff Rezeption wird in dieser Arbeit im engeren Sinne verwendet, d.h. zur Beschreibung eines Prozesses, der sich auf die kommunikative Phase bezieht. Im Uses and Gratifications-Ansatz stellt die Wahl eines bestimmten Angebotes vor dem Hintergrund wahrgenommener Bedürfnisse, die aktivste und selektivste Form von Auswahlentscheidungen dar. Sie wird als instrumentell-angebotsspezifische Auswahl bezeichnet und kann als der Prototyp der in diesem Ansatz erforschten Fernsehnutzung angesehen werden.

2.1.3 Eine integrative Perspektive

Der rezipientenorientierte Uses-and-Gratifications-Ansatz sollte ein Gegengewicht zum medienorientierten Wirkungsansatz darstellen. Auch Maletzke (1981) begrüßte ihn als notwendige „ Ergänzung älterer Sichtweisen“ (S. 38; Hervorheb. im Orig.). Da jedoch die Benennung des Rezipienten als maßgebende Einflussgröße im Medienwirkungsprozess alte Erklärungsmuster nicht verdrängt hat, kann nicht von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden (Jäckel, 1992, S. 246).

Inhalte werden im Nutzenund Belohnungsansatz lediglich grob kategorisiert, z.B. als Informations- oder Unterhaltungsangebote, weswegen der Vorwurf, die eigentlichen Medieninhalte zu wenig oder gar nicht zu berücksichtigen, berechtigt ist. Erst wenn eine Perspektive eingenommen wird, in der Prozesse während der Rezeption ins Blickfeld geraten, können Wirkmechanismen inhaltlicher, formaler und struktureller Merkmale der Medienangebote wieder ihren Stellenwert einnehmen. Doch die vor dem Hintergrund des Nutzenund Belohnungsansatzes durchgeführten Studien stellen die Zuwendung zum Medium in den Mittelpunkt.7 Die Abgrenzung des Uses and Gratifications-Ansatz vom Wirkungsansatz als gegensätzliche Perspektiven der Rezipientenund der Medienorientierung hat zu einer Erkenntnisstagnation in der Medienwirkungsforschung geführt, wie Halff (1998, S. 22ff.) bedauert, zumal im Nutzenund Belohnungsansatz eine ähnlich einseitige Perspektive eingenommen wurde, wie unter dem Diktat der Medienorientierung (Elliott, 1974; Merten, 1984). Der Bedarf an einem integrativen Konstrukt, das beide Sichtweisen vereinigt wird hierbei deutlich: Es geht um die Erkenntnis, dass Medienwirkungen multikausal und dynamisch sind und Interdependenzen berücksichtigt werden müssen. Dies schließt eine ganzheitliche, prozessorientierte Erforschung der Medienwirkungen ein, die sich auch in der Methodik der Untersuchungen widerspiegeln sollte.

Bislang wurde der Dualismus zwischen Wirkungund Uses and Gratifications-Ansatz auch auf methodischer Ebene abgebildet: „Im Wirkungsansatz fungieren Medienmerkmale als unabhängige Variablen und die Reaktionen des Publikums als abhängige Variablen, im Uses and Gratifications-Ansatz sind die Merkmale der aktiven Rezipienten (Nutzenerwartung) die unabhängigen Variablen und die Merkmale der Medienselektion (Mediennutzung) die abhängigen Variablen (Suckfüll, 2004, S.46). Somit nimmt jede konkrete Studie entweder eine Wirkungsoder eine Nutzenund Belohnungsperspektive ein, je nachdem auf welchen der beiden Verursachungskomplexe der Schwerpunkt gelegt wird. Die Einnahme einer der beiden Perspektiven ist damit unumgänglich (Halff 1998, S.19). Schon früh erkannten verschiedene Forscher (Bauer, 1964; Becker und McLeod, 1974; Davis und Kraus, 1976; Davison, 1959; Lin, 1977; Nordlund, 1978; Windahl, 1981), dass es notwendig ist, die Medienbzw. Rezipientenorientierung innerhalb eines integrativen Ansatzes aufzuheben oder in sich zu vereinen. Dass sich die Sichtweisen des Wirkungsund des Nutzenund Belohnungsansatzes nicht grundsätzlich widersprechen müssen und gegebenenfalls kombiniert und integriert werden können, erscheint plausibel, wobei Halff (1998) betont, dass ein integrativer Ansatz die vielfältigen Komponenten der Medienwirkungen an ihren richtigen Platz stellen muss und es nicht ausreicht, sie ergänzend heranzuziehen, additiv zu verknüpfen oder einen goldenen Mittelweg zu suchen (S.31f.).

Die Forderung nach einem solch integrativen Ansatz ist nicht neu und wurde von Barnlund (1970) detailliert vorgetragen. Zwei Ansätze, die auf unterschiedliche Art für sich beanspruchen den Dualismus zwischen Wirkungsund Nutzenund Belohnungsansatz aufzuheben, sollen im Folgenden vorgestellt werden, zunächst Hertha Sturm´s (z.B 1982) rezipientenorientierter Ansatz und im Anschluss daran der dynamisch-transaktionale Ansatz von Früh und Schönbach (1982). Beide Ansätze liefern wertvolle Erkenntnisse und tragen zur Annäherung an das Konstrukt der Rezeptionsmodalitäten bei.

Der „rezipientenorientierte“ Ansatz von Hertha Sturm: Die Bezeichnung „rezipientenorientiert“ beruht auf dem Bestreben, eine Gegenkonstruktion zur „medienzentrierten“ Perspektive zu schaffen. Es geht dabei darum, psychologische, den Rezipienten betreffenden Variablen in konkrete empirische Untersuchungen zu Medienwirkungen einfließen zu lassen. Der rezipientenorientierte Ansatz ist also vielmehr Teil eines Forschungsprogramms als eine eigenständige Theorie, innerhalb dessen Sturm vor allem praktisch relevante Ergebnisse anstrebte. Ausgangspunkt des Ansatzes war die Annahme, „dass Medienwirkungen auf Zuschauer/Zuhörer und Leser abhängig sind von Persönlichkeitsmerkmalen der Rezipienten (wozu auch Sozialund Situationsvariablen gehören) und von Form und Inhalt medienspezifischer Darbietungen“ (Sturm, 2000, S.31; Hervorheb. Im Orig.; zitiert nach Suckfüll, S.52). Dabei müssen Rezipientenund Medienvariablen gleichermaßen exakt erfasst und zusammengeschaltet sowie in ihren wechselseitigen Wirkungsbeziehungen geprüft werden. Auf Rezipientenseite fungieren beispielsweise erlernte Anpassungsund Abwehrstrategien als zentrale Steuermechanismen potenzieller Medienwirkungen. Diesen kommt eine besondere Wirkungsqualität zu (Sturm 2000, S.35) und sie korrespondieren mit den Piagetschen Begriffen der Assimilation8 und der Akkomodation9.

Sturm bemühte sich, dominante Medienwirkungen zu erfassen, also medienspezifische und medienimmante Wirkungen, die sich vielleicht kulturübergreifend zeigen (Sturm 2000). Die Suche mündete in dem Ergebnis, dass nicht „die Inhalte das eigentlich Medienspezifische [sind] (…), sondern die Art und Weise, wie diese Inhalte angeboten werden“ (1988, S.37; vgl. auch 1978; zitiert nach Suckfüll, 2004, S.55). Hierbei spricht man auch von der Dominanz des „Wie der Präsentation“. In Abgrenzung zu anderen Medientypen wie Büchern oder dem Radio (bei denen vornehmlich nur eine Dekodierebene verlangt wird) stellen gerade die audiovisuellen Medien durch die erforderlichen Dekodierleistungen auf unterschiedlichen Ebenen besondere Anforderungen an den Rezipienten.

Vergleicht man die medienvermittelte Wahrnehmung mit der in realweltlichen Situationen, so zeigen die unterschiedlichen medienspezifischen Wirkungspotenziale, dass weniger den Inhalten als der formalen Umsetzung besondere Bedeutung zugeschrieben werden muss. Die „auf schnelle Wechsel angelegten, kurzzeitigen Angebotsmuster des Fernsehens“ (Sturm 2000, S.74) erfordern ein „medientypisches Aktionsund Reaktionsverhalten“ (S.125) und führen zur „fehlenden Halbsekunde“ in Abgrenzung zur lebensrealen Wahrnehmung . Sturm geht jedoch davon aus, dass die fehlende Halbsekunde innere Aktivitäten, wie das Einbringen eigener Vorstellungen, während der Rezeption, behindert.10 Erfahrene Rezipienten entwickeln jedoch Schemata, die eine Verarbeitung der von Sturm betonten formalen Angebotsweisen erleichtern (vgl. Greenfeld, 1984; Finke, 1985).

Im Folgenden wird nun der von Früh und Schönbach seit Beginn der 80er Jahre entwickelte dynamisch-transaktionale Ansatz vorgestellt. In ihrem integrativen Ansatz erhalten die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den vielfältigen Komponenten der Medienwirkungen eine besondere Bedeutung. Diese Relationalität ist die Grundlage einer prozessualen Perspektive.

Der dynamisch-transaktionale Ansatz: Beim dynamisch-transaktionalen Ansatz handelt es sich weniger um eine eigenständige Theorie oder ein Modell. Vielmehr ist es eine „Denkmuster“ (Früh 1991, S.18, 2001, S. 11), das Wechselbezüglichkeit, Dynamik und Kontextualität betont. Deshalb kann es nicht direkt empirisch umgesetzt werden. Seinen Nutzen erhält es dennoch unter anderem daraus, dass der Ansatz Verwendung in verschiedenen theoretischen Kontexten finden kann. Der neue und über die bisherigen Ansätze hinausgehende Aspekt in Früh und Schönbachs Ansatz ist, dass Medienund Rezipientenmerkmale gleichberechtigte Komponenten sind, die nicht getrennt voneinander betrachtet werden können und deren Wirkungsrelevanz sich erst durch deren wechselseitige Beziehung ergibt. Erst durch die Relationierung beider Merkmale wird das eigentliche Wirkungspotenzial bestimmt.

Drei Standpunkte werden im dynamisch-transaktionalen Ansatz besonders berücksichtigt:

(a) die transaktionale Sicht (Wechselbezüglichkeit) besagt, dass „der Stimulus keine fixe Identität hat“ (Früh, 1994, S.69), (b) eine prozessuale Sichtweise (Berücksichtigung der Zeit): die Interdependenz von Medienund Rezipientenmerkmalen ist nicht statisch, sondern zeitlich veränderlich und (c) die so genannte molare oder ökologische Sicht, die besagt, dass Medienwirkungen in relevanten Kontexten eingebettet betrachtet werden müssen und nicht isoliert, da Rezeptionsverhalten nur eine Ausformung alltäglichen Lebens ist (Früh 2001, S.20).

Auch linear-kausale und direkte Wirkungen werden im integrativen Sinne des Konzepts mitberücksichtigt. Bei der Informationsverwendung unterscheidet Früh (1994) Selektion (reduktiv), Modifikation (transformativ) und Konstruktion/Elaboration (produktiv) als unterschiedliche Strategien der Informationsverarbeitung. Wird in Bezug auf Inhalte und deren strukturellen Zusammenhänge selektiert und vergessen, ist dies ein reduktiver Prozess, wohingegen Modifikation Veränderungen der präsentierten Information umfasst. So genannte kognitive Elaborationen/Konstruktionen meinen einen produktiven Umgang mit der vorhandenen Information, wie das Ziehen von Schlussfolgerungen oder Ergänzungen aus dem eigenen Vorwissen. Somit kann ein Kommunikationsprozess also in Teilen reduktiv, transformativ oder produktiv sein, beispielsweise in dem Sinne ob die erhaltenen Informationen vorhandenes Wissen teilweise bestätigen oder aber neues Wissen vermitteln. Grundsätzlich gilt aber auch im Sinne direkter Medienwirkungen, dass ein Teil der Informationen unverändert adaptiert werden.

Im dynamisch-transaktionalen Ansatz werden unterschiedliche Transaktionen beschrieben, um die wechselseitigen Beziehungen der verschiedenen am Medienwirkungsprozess beteiligten Komponenten zu verdeutlichen (z.B. Früh 1991, S. 141 ff.): Im Wesentlichen unterscheiden Früh und Schönbach (1984; Früh, 2001) zwei Transaktionsarten. Die horizontale Transaktion (auch Inter-Transaktion genannt), die zwischen Medium bzw. Kommunikator und Rezipient stattfindet, während die zweite, die vertikale Transaktion (auch Intra-Transaktion genannt) „innerhalb“ des Rezipienten, zwischen seiner Aktivation und seinem Wissen abläuft.11

Der Rezipient versucht schon relativ frühzeitig im Rezeptionsprozess anhand von Anhaltspunkten im Medienangebot eine „Rezeptionshypothese“ (Früh, 1994, S.71) aufzustellen. Diese basiert u. a. auch auf seinem Vorwissen und seinen Prädispositionen. Diese Rezeptionshypothese, in der die unterschiedlichsten Annahmen integriert sein können (z.B. Vermutungen über die Intention des Drehbuchautors), wird schließlich je nach Passung der nun folgenden Informationen entweder im Detail konkretisiert bzw. geändert oder die eingehenden Informationen werden (gegebenenfalls auch rückwirkend) uminterpretiert (Früh, 1994, S. 71). Dieses Wechselspiel zwischen Rezeptionshypothese und Einzelinformationen ist sowohl simultan und interdependent, als auch dynamisch und sukzessiv, da jederzeit die Einzelinformationen von der Rezeptionshypothese abhängig sind und umgekehrt. „Jeder Faktor entsteht in seiner charakteristischen Form erst im Moment seiner Wirkung auf den anderen Faktor; die Wirkung ist Bestandteil seiner Genese“ 1994, S.71f; zitiert nach Suckfüll, 2004, S. 66).

Wirkungsrelevant sind im dynamisch-transaktionalen Ansatz also nicht Rezipientenund Medienmerkmale per se, sondern das dynamische Wechselverhältnis von beiden. Beide Komponenten stehen in einer Beziehung, die sich im zeitlichen Verlauf ändern kann und vom jeweiligen Kontext abhängt. Dabei sind Medium und Rezipient verschränkt, so dass nicht ein Faktor wirkt und ein anderer beeinflusst wird, sondern es existiert ein transaktionales Wechselverhältnis, in der „zwei Größen in einer Beziehung zueinander stehen, die das Resultat gleichzeitiger Prägung von beiden Seiten ist (Früh, 2001, S.22, zitiert nach Suckfüll, 2004, S.67)“. Jeder Faktor verändert sich selbst, indem er den anderen Faktor beeinflusst und umgekehrt. Somit beschreibt der dynamisch-transaktionale Ansatz einen anderen Wirkungsbegriff als im Wirkungsund Nutzenund Belohnungsansatz, da allgemein Wirkung verstanden wird als einseitige Beziehung zwischen zwei Variablen, wobei die eine die Veränderung der anderen ursächlich bedingt. Im Uses-and-Gratifications-Ansatz wird dieser kausale Wirkungszusammenhang dadurch erweitert, dass der Rezipient sich die wirkenden Medienangebote bzw. -merkmale bewusst auswählt, von denen er sich einen subjektiven Nutzen verspricht. Im dynamsich-transaktionalen Ansatz treten Wirkungen bei allen beteiligten Faktoren auf, nicht nur beim Rezipienten, entweder offensichtlich oder latent im Verborgenen, statisch oder prozessual, zeitverzögert oder antizipiert. (Früh, 2001, S.33). Das Einflusspotenzial einzelner Variablen ergibt sich erst im Wechselspiel mit anderen Variablen im Sinne einer inneren Dynamik.

Der dynamisch-transaktionale Ansatz ist an sich keine falsifizierbare Theorie, da seine Komponenten nicht operational definiert werden können. Seinen unangezweifelten heuristischen Wert erhält er vor allem durch die Hervorhebung der Aspekte Transaktion, Kontext und Zeit. Jedoch gerade in der Schwierigkeit bei der empirischen Umsetzung von Transaktionalität aufgrund mangelnder Konkretheit sieht auch Halff (1998) ein Hauptproblem. Früh geht es eher darum, die Wechselbezüglichkeit zwischen Medienund Rezipientenmerkmalen theoretisch zu konzeptionieren (in seiner Theorie der Fernsehunterhaltung erweitert Früh 2002 seine theoretischen Überlegungen auf der Grundlage des dynamisch-transaktionalen Ansatzes.

2.1.4 Das Konstrukt Involvement – Suche nach Transaktionalität

Um die integrative Sichtweise im Medienwirkungsprozess umzusetzen, sowohl theoretisch als auch empirisch, ist ein integratives Konstrukt notwendig, das über bisherige meist theoretische Versuche, Transaktionalität zu erfassen, hinausgeht. Ein solches Konstrukt ist das des Involvements (Krugman, 1965, 1966). Dabei handelt es sich nach Halff (1998) um eine interdependente Variable, die zwischen Medium und Rezipient vermittelt12. Krugman (1965, 1966) führte das Konstrukt ein und seine Arbeit ist die Grundlage weiterer theoretischer und methodischer Konkretisierungen. Definitionsgemäß ist Involvement nach Krugman „die Menge der Verbindungen (bridging experiences, connections, personal references), die ein Individuum zwischen dem Inhalt eines Medienangebots und seinem eigenen Leben herstellt“ (1966, S. 584, zitiert nach Suckfüll, 2004, S. 83) und seine Stärke wird von ihm operationalisiert als die Anzahl verbalisierter Assoziationen. Vor allem im Bereich der Persuasionsforschung eingesetzt, werden dahingehend unterschiedliche Informationsverarbeitungsprozesse angenommen in Abhängigkeit von der Stärke des Involvements. Dabei wird hohes Involvement im Sinne einer tiefgehenden, kognitiven Verarbeitung des Medienangebots von einer wenig involvierten Rezeptionsweise unterschieden, bei der sich der Zuschauer nicht intensiv mit den Aussagen auseinandersetzt, Wirkungen jedoch trotzdem möglich sind. In diesem Fall geht es nicht um die Stärke der Wirkverläufe, sondern um die Unterscheidung unterschiedlicher „Wirkungsmodi“ (Halff 1998, S. 41). Als prozessorientiertes Konstrukt verändert sich das Involvement im Laufe der Rezeption während der Verarbeitung von Merkmalen des Medienangebots. Hierbei ist Involvement weder ein Merkmal des Mediums z.B. im Sinne einer bestimmten Stärke des Medienstimuli, noch ist es eine generalisierbare Disposition des Rezipienten. Medienund Rezipientenmerkmale stehen vielmehr in einem wechselseitigen, prozessualen Zusammenhang. „Stets werden themenstiftende, mediale Kommunikationsangebote mit sinnstiftenden Individuen verknüpft“ (Halff 1998, S. 42).

In zahlreichen Studien, insbesondere der Werbewirkungsforschung, wurde das Konstrukt aufgegriffen, modifiziert, simplifiziert sowie vielfältig und widersprüchlich definiert. Die ursprüngliche integrative Bedeutung ging laut Suckfüll (2004) dabei zeitweise verloren, da man, um die Thesen empirisch prüfen zu können, gezwungen war, Involvement entweder als Ursache oder als Wirkung zu definieren.13 Im Rahmen des Rezeptionsmodalitäten- Konzepts von Suckfüll wird von Krugmans Konzeption ausgegangen und Involvement als prozessorientiertes, interdependentes Konstrukt angesehen, das zwischen Medium und Rezipient vermittelt.

Eine qualitative Differenzierung des Konstrukts Involvement lässt sich in der Gegenüberstellung zum Konstrukt Distanzierung ableiten, insbesondere bei der Anwendung auf fiktionale Medieninhalte. Bezugnehmend auf Rapp (1973)14 differenziert Vorderer (1992) zwischen involvierter und analysierender Rezeption. Dabei wird involvierte Rezeption aufgefasst als eine „Rezeptionshaltung (…), bei der die Rezipienten kognitiv und emotional derart in das fiktive Geschehen (…) involviert werden, dass sie sich der Rezeptionssituation selbst nicht mehr bewusst sind, sondern quasi im Wahrgenommenen mitleben“ (S.83, zitiert nach Suckfüll, 2004, S. 105). Demnach erlebt der Rezipient das fiktive Geschehen wie ein tatsächliches Geschehen. Bei der analysierenden Rezeption nehmen die Fernsehzuschauer hingegen eine distanzierte Haltung gegenüber dem fiktiven Geschehen ein, bei denen sie als weitgehend unbeteiligte Beobachter „am Aufbau des Films, an den Schauspielern, am Drehort und insbesondere an bestimmten – vom Film angesprochenen

- Themen interessiert sind“ (Vorderer, 1992, S.83, zitiert nach Suckfüll, 2004, S.105). Die Fiktionalität des Gesehenen wird dabei auch in der psychischen Repräsentation abgebildet. Nach Suckfüll (S.106) gehen beide Definitionen vor dem Hintergrund des Alltagsverständnisses zu weit, da Zuschauer wohl trotz involvierter Rezeption nicht vergessen, dass es sich bei dem Dargebotenen um einen Film handelt und bei der Definition analysierender Rezeption unterschiedlichste formale wie auch inhaltliche Aspekte eingeschlossen sind.

Interessant bleibt die Frage nach dem Verhältnis beider Modalitäten. In Vorderers Konzeption sind sowohl rein involvierte als auch rein analysierende oder kombiniert involviert-analysierende Rezeptionsphasen vorgesehen, jeweils begünstigt durch bestimmte Inhalte. Die Annahme einer strengen Dichotomie zweier grundsätzlich voneinander zu unterscheidenden Rezeptionsweisen nach Rapp (1973) ist unwahrscheinlich. Sinnvoller erscheint dort die Möglichkeit weiterer Rezeptionsweisen, die zwischen den Extremen angesiedelt sind. Auch andere Unterscheidungsmerkmale als der Grad der Distanzierung werden von einigen Autoren getroffen, insbesondere die Differenzierung zwischen emotionalen und kognitiven Prozessen während der Rezeption (Cupchik, 1996). Beide Unterscheidungskriterien werden auch verknüpft, wobei die involvierte als eher emotional, die distanzierte als eher kognitiv beschrieben wird (Vorderer, 1992).

Der Argumentation von Monika Suckfüll (2004, S.108) folgend zeigt sich, dass Involvement in zahlreichen Studien entweder einer wirkungstheoretischen oder einer nutzentheoretischen Perspektive zugeordnet worden ist. Ob als Medienmerkmal oder als prädispositionelles, teilweise situativ variierendes Rezipientenmerkmal konzipiert, ob als Ursache unterschiedlicher Informationsprozesse definiert oder sogar mit selbigen gleichgesetzt, in allen Fällen blieb das Konstrukt Involvement inhaltlich unklar. Auch in Bezug zum komplementären Konstrukt Distanzierung gesetzt, erfolgte weniger eine hinreichende Differenzierung als eine stärkere Berücksichtigung auch von emotionalen Prozessen neben den kognitiven. „Involvement verstanden als Elaboration ist weder die persönliche Relevanz des Stimulus, noch eine Form der Bereitschaft, sich mit ihm auseinander zu setzen, sondern es geht um unterschiedliche Formen kognitiver und emotionaler Beteiligung, wobei Medienmerkmale und Rezipientenmerkmale im Laufe des Prozesses gemeinsam mit unterschiedlichen Anteilen wirkungsrelevant werden“ (Suckfüll, 2004, S.108). Dabei sollten die interindividuell unterschiedlichen Erlebensprozesse im Blickpunkt stehen, die sich gerade aus der Transaktionalität von Medienund Rezipientenmerkmalen ergeben.

Fazit:

Während frühe Ansätze der Medienforschung davon ausgingen, dass die in den Massenmedien vermittelten Botschaften direkt auf den Rezipienten wirken und sie daher den Rezepienten als passiven Empfänger von Signalen konzipierten …,, kehrte sich später die Frage „Was machen die Medien mit den Menschen?“ in die Frage „Was machen die Menschen mit den Medien?“ um. Dies beschreibt die neue Sichtweise im Nutzenund Belohnungsansatz, in der der Zuschauer als aktiver Rezipient gesehen wird, der die Medien zielgerichtet, intentional und initiativ nutzt. Um die Einseitigkeit dieser Ansätze zu überwinden, wurden integrative Ansätze formuliert. Diese versuchen medienund rezipientenorientierte Sichtweisen zu vereinigen. Dabei geht es um die Erkenntnis, dass Medienwirkungen multikausal und dynamisch sind und Interdependenzen berücksichtigt werden müssen. Integrative Ansätze betonen somit die Wechselbezüglichkeit zwischen Medienmerkmalen und Merkmalen des Rezipienten. Erst deren Zusammenspiel resultiert im Ergebnis medialer Wirkungen. Die theoretische und methodische Umsetzung von Transaktionalität führte zum Konstrukts des Involvements. Beim Konzept des Involvement handelt es sich um ein interdependentes, zwischen Medium und Rezipient vermittelndes, prozessorientiertes Konstrukt, das auch qualitative Differenzierungen wie emotionale Prozesse einschließt und das gleichberechtigt sowohl unter einer Nutzenund Belohnungs- als auch unter einer Wirkungsperspektive eingesetzt werden kann. Im Rahmen einer Rekonzeptionalisierung des bis dahin widersprüchlich zugeordneten Begriffs Involvement, benennt Suckfüll (2004) das Konstrukt „ Rezeptionsmodalitäten “, als Ausdruck dafür, dass es sich hierbei um qualitativ unterschiedliche Formen der Elaboration während der Rezeption von Medienangeboten handelt.

2.2 Rezeptionsmodalitäten – Definition und Status des Konstrukts

Das vorangehende Kapitel sollte die Herleitung des Konstrukts Rezeptionsmodalitäten nachvollziehbar machen. Im Folgenden werden nun die Rezeptionsmodalitäten definiert. Suckfüll (2004) berücksichtigt zur Konzeption dabei die Prinzipien des dynamisch-transaktionalen Ansatzes. Üblicherweise werden dort Kommunikationsphänomene unter einer dynamischen, molaren und transaktionalen Perspektive analysiert. Diese Vorgehensweise soll auch hier gewählt werden.

2.2.1 Dynamische Perspektive

Jede Person, die mit Medienangeboten (unabhängig ob per Kino, Radio, Fernsehen oder sonstige Medien) konfrontiert wird, nutzt und interpretiert diese durch interindividuell unterschiedliche, kulturell, sozial und situativ geprägte Strategien. Diese Strategien sind nicht statisch oder bereits vorab vorhanden, sondern werden im Laufe eines Lernprozesses im Sinne einer medialen Sozialisation durch wiederholte Anwendung eingeübt, modifiziert und an die jeweils aktuellen Erfordernisse adaptiert. Dieser Vorgang ist zwar grundsätzlich dem Bewusstsein zugänglich, wird aber nur selten reflektiert. Die hier benannten Strategien bezogen auf die Medienrezeption werden im Rahmen kognitiver und emotionaler Informationsverarbeitungsprozesse eingesetzt, die mehr oder weniger automatisiert ablaufen. Suckfüll (2004, S.111) bezeichnet diese Strategien in Abgrenzung zu dem in der Alltagssprache eher wohlüberlegtes, geplantes und intentionales Handeln implizierenden Begriffsverständnis als Rezeptionsmodalitäten. Diese sind medienübergreifend relevant, was bedeutet, dass ein Rezipient versuchen wird, eine bei der häufigen Nutzung eines bestimmten Mediums entwickelte Modalität auf seltener genutzt Medien oder Medienangebote zu übertragen (zum Beispiel vom Fernsehen auf das Kino). Gelingt dieser Transfer nicht, muss der Rezipient unter Umständen eine neue Modalität entwickeln oder eine derartige Mediennutzung vermeiden. Grundsätzlich ist für das Zurückgreifen auf bewährte Rezeptionsund Selektionsmuster weniger die situative Angemessenheit als vielmehr die kognitive Verfügbarkeit entscheidend, die von der häufigen Nutzung einer Modalität abhängt. Für Auswahlentscheidungen würde dies bedeuten, dass ein Rezipient die seinen Modalitäten entsprechenden Medien und spezifischen Medienangebote vorzugsweise auswählt. Diese häufig und bei unterschiedlichen Medienangeboten eingesetzten Modalitäten, werden als dominante Modalitäten bezeichnet, wobei durchaus vielfältige und individuell unterschiedliche Rezeptionsmodalitäten angenommen werden. Beispielsweise wird eine Person, die durch häufige Rezeption von Fernsehserien eine Modalität entwickelt hat, die die Probleme der auftretenden Figuren untereinander in den Blickpunkt stellt, mit größerer Wahrscheinlichkeit auch beim Kinobesuch die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Filmhandlung rezeptiv fokussieren. Somit werden die seltener genutzten Medien soweit möglich den durch häufige Nutzung spezifischer Medien und Medienangebote manifestierten Rezeptionsstilen, den dominanten Modalitäten, unterworfen.

Dynamisch sind die Rezeptionsmodalitäten jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer Aneignung und Modifizierung im Laufe eines Lernprozesses, sondern es wird angenommen, dass auch während der Rezeptionsphase selbst niemand vom Anfang bis zum Ende der Rezeption des Medienangebots eine einzige Modalität verwendet. Vielmehr muss dieser Vorgang als flexibles Hinund Herwechseln zwischen dominant gebrauchten Modalitäten verstanden werden. Unterschiedliche Ursachen für einen solchen Wechsel sind denkbar, so dass eine zuvor gewählte Modalität nicht mehr anwendbar erscheint. Dies könnte unter anderem der Fall sein, wenn persönliche Grenzen überschritten werden beispielsweise vor dem Hintergrund einer subjektiv empfundenen übertriebenen Brutalität des Medienmaterials. Wird die unangenehme Gefühle auslösende Situation nicht gänzlich beendet (durch Umoder Ausschalten des Fernsehers oder Verlassen des Kinosaals), so wird der Aufmerksamkeitsfokus auf alternative, interessierende Aspekte des Medienangebots verlagert. Dies muss auch nicht unmittelbar passieren, denn grundsätzlich ist die Medienrezeption durch eine gewisse Toleranz für Rezeptionsphasen gekennzeichnet, in denen die eigenen eingeübten Modalitäten nicht greifen, aber der Rezipient darauf vertraut, dass sie in einem absehbaren Zeitraum wieder entsprechend genutzt werden können. Ein solches Verharren vor dem Medienangebot trotz unzureichender Gratifikationen kann auch im Sinne Früh´s (2002) mit kognitiv-affektiver Trägheit bezeichnet und erklärt werden. Jedoch beinhaltet diese Zustandsbeschreibung weniger eine negative Implikation als vielmehr eine sinnvolle Haltung hinsichtlich eines kompetenten Medienumgangs, da dem Modalitätswechsel eine spezifische Funktion zugeschrieben wird. Basierend auf erregungstheoretischen Modellen wird davon ausgegangen, dass Menschen versuchen, physiologische Erregungszustände, die als angenehm erlebt werden herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. Die Funktion eines Modalitätswechsels liegt nun gerade im Streben nach solch einem als angenehm empfundenen Erregungslevel. Beispielsweise könnte, um die durch negativ erlebte Filmszenen erzeugte Erregung abzubauen, zu einer distanzierteren Rezeptionsmodalität gewechselt werden. Ziel eines derartigen Energiemanagement ist jedoch weniger die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts, sondern die Einhaltung eines Energiebudgets bei größtmöglicher Variabilität (Früh, 2002).Dabei sind durchaus auch längere Phasen hoher bzw. niedriger Erregung möglich, wobei Früh lediglich davon ausgeht, dass diese nicht über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden.

Betrachtet man die Phase vor der eigentlichen Rezeption, so ist festzustellen, dass die Auswahl bestimmter Medienangebote sich auch u. a. an dominant gebrauchten Rezeptionsmodalitäten orientieren kann. Sie fungieren potenziell als Selektionskriterium. Der Rezipient wählt aus der Vielfalt der ihm angebotenen Alternativen diejenigen, die versprechen, dass eingeübte Modalitäten greifen und in diesem Sinne ihre meist latenten und vieldimensionalen Bedürfnisse befriedigt werden. Innerhalb eines Kreislaufs manifestieren sich so die Rezeptionsmodalitäten vor dem Hintergrund einer „erfolgreichen“ Wahl und eines positiv erlebten Kompetenzempfindens. Die entsprechende Herangehensweise wird bei der nächsten Selektionsentscheidung möglichst wiederholt, eventuell bis hin zum Extremfall, dass immer wieder die gleichen Modalitäten aufgerufen und weiter eingeübt werden.

Auch im Rahmen des Uses and Gratifications-Ansatzes nehmen Selektionskriterien eine entscheidende Rolle ein. Dort wird die Auswahl der Medienangebote durch bestimmte Motive des Rezipienten geleitet. Die während der Rezeption eingesetzten Modalitäten sind nicht unabhängig von solchen allgemeinen Motiven, sondern die Rezeptionsmotive stehen in einer wechselseitigen Beziehung zu den Rezeptionsmodalitäten. Vermutlich lässt das die Angebotsauswahl leitende Motiv Ausssagen bezüglich der zu Beginn der Rezeption eingesetzten Modalität zu. Werden dann jedoch während der Rezeption die für die Selektion verantwortlichen Bedürfnisse nicht befriedigt, so muss es nicht zwangsläufig zu einem Abbruch der Rezeption kommen, sondern der Zuschauer kann auch mit einem Modalitätswechsel reagieren. Diese Erfahrung fließt dann wiederum in die Bildung übergeordneter Rezeptionsmotive ein. Ausgehend von allgemeinen Motiven ist es allerdings nicht möglich, nachfolgende Prozessabläufe während der Rezeption vorherzusagen. Für die Beschreibung dynamischer Abläufe sind die Aktivitäten während der Rezeption entscheidend. Bezüglich des Rezeptionsprozesses ist somit die Bedeutung der Rezeptionsmodalitäten größer als die von übergeordneten Motiven.

Bei der dynamischen Betrachtungsweise des Konstrukts Rezeptionsmodalitäten ist festzuhalten, dass diese im doppelten Sinne prozesshaft sind. Sie beschreiben einerseits die Aktivitäten während der eigentlichen Rezeptionsphase und können andererseits als Selektionskriterium für die Auswahlentscheidung fungieren. Angeeignet und modifiziert in einem medialen Sozialisationsprozess, manifestieren sich die Rezeptionsmodalitäten durch wiederholte Einübung und kontinuierliche, erfolgreiche Anwendung.

2.2.2 Molare Perspektive

Das Konstrukt Rezeptionsmodalitäten wird ausgehend von den Annahmen des dynamisch-transaktionalen Ansatzes im Rahmen der Ausführungen Suckfülls (2004, S.120 ff.) auch aus einer molaren Perspektive betrachtet. Die molare Sichtweise bedeutet übertragen auf die Definition von Rezeptionsmodalitäten, dass diese situationsgemäß und sachbzw. gegenstandsbezogen zu bestimmen sind. Sachbezogen meint dabei die vollständige Berücksichtigung aller relevanten Einflussfaktoren, was möglichst die Einbeziehung anderer Wissenschaftsdisziplinen inklusive deren Variablen und Betrachtungsweisen einschließt. Die Bestimmung der relevanten Variablen sollte sich nicht an der Fachdisziplin, sondern am Gegenstand orientieren (Früh, 2002, S. 69f.). Beispielsweise ist die Übertragung psychologischer Ansätze bzw. psychologischer Variablen und ihre Operationalisierungen auf kommunikationswissenschaftliche Fragestellungen nicht immer unproblematisch. Die spezifischen medialen Situationscharakteristika, die sich meist grundlegend von Alltagssituationen unterscheiden, sind nicht immer über entsprechend modifizierte Theorien greifbar und erfordern so teilweise neue, auf den Kontext der Medienrezeption bezogene Theorien. Kontext meint nicht nur die eigentliche spezifische Rezeptionssituation, sondern umfasst auch das weitere Umfeld sozialer, kultureller sowie medienpolitischer und medienökonomischer Bedingungen. Eine situationsgemäße Betrachtung berücksichtigt sowohl den Wirkungskontext als auch die Zusammenhänge relevanter Variablen. Die Rezeptionsmodalitäten entfalten sich in einer jeweils besonderen Rezeptionssituation. Beispielsweise unterscheidet sich die Kinosituation offensichtlich gravierend von der Mediennutzungssituation daheim vor dem Fernseher.

Um eine spezifische Situationsvorgabe für die Definition der Rezeptionsmodalitäten zu bestimmen, sollen hierfür besonders relevante Aspekte der Medienrezeptionssituation herausgestellt werden. Suckfüll (2004) formuliert folgende situationsspezifische Aspekte, die jedoch nicht bei allen Medienangeboten gemeinsam und in gleicher Stärke eine Rolle spielen. Für die Kinobzw. die Fernsehsituation, insbesondere bei der Rezeption fiktionaler Inhalte, sind dies:

(a) Die Souveränität des Rezipienten, was zum einen die Auswahl der Medienangebote beinhaltet und zum anderen sich auch auf die Vorgänge während der Rezeption eines Medienangebots bezieht. Der Zuschauer gestaltet die Rezeption nach eigenem Ermessen, kann seine Haltung dem Medienangebot gegenüber frei definieren und beliebig wechseln.

(b) Die Konsequenzlosigkeit seiner Gedanken, Empfindungen bzw. seines Verhaltens innerhalb der Rezeptionssituation. Der Zuschauer kann und darf „gesellschaftlich tabuisierte und negativ sanktionierte Empfindungen, Intentionen, Handlungen etc. mit (…) empfinden, mit (…) beabsichtigen, mit (…) realisieren, ohne sich dafür schuldig fühlen bzw. verantworten zu müssen“ (Vorderer, 1992, S. 85, zitiert nach Suckfüll, 2004, S.122).

(c) Die Sicherheit, durch die die Mediennutzungssituation gekennzeichnet ist. Unabhängig von den gesehenen Inhalten kann dem Zuschauer selbst nichts passieren. Für den Fall unangenehmer Empfindungen während der Rezeption, beispielsweise wenn unerwünschte Erinnerungen aktiviert werden, kann er souverän entscheiden umoder auszuschalten bzw. die Situation zu verlassen. Oftmals reicht auch die Bewusstmachung, dass es sich lediglich um fiktionale Inhalte handelt.

Der Zuschauer verfügt somit über Kontrollmöglichkeiten, weswegen Früh (2002) in diesem Zusammenhang von einem kontrollierten Kontrollverlust spricht. In der Medienrezeptionssituation übt der Zuschauer die vollständige Kontrolle aus und weiß dabei um seine unbegrenzten Möglichkeiten. Da er sicher voraussehen kann, dass eventuelle psychische Verunsicherungen im Verlauf der Rezeption aufgelöst werden, lässt er sich zumindest vorübergehend bereitwilliger auf Verunsicherungen ein.

Suckfüll argumentiert, dass zur Operationalisierung der Rezeptionsmodalitäten unter einer molaren Perspektive die situationsspezifischen Aspekte genau berücksichtigt werden müssen. Sie betont, dass gerade der fiktionale Charakter des Gezeigten von großer Bedeutung ist, da sich hier der Zuschauer im Falle einer außer Kontrolle geratenden Situation auf die Tatsache der Fiktionalität der Inhalte zurückbesinnen kann. Deshalb beschränkt sie sich in ihrer Arbeit zunächst auf fiktionale Medieninhalte, speziell den klassischen Kinofilm.

[...]


1 Weitere Ansätze und Theorien bzw. deren Differenzierungen, die im Rahmen der Medienwirkungsforschung entwickelt wurden, sind in zahlreichen Lehrbüchern und Übersichtsarbeiten ausführlich dargestellt worden (z.B McQuail 1994; Brosius 1997; Severin und Tankard 1997; Bonfadelli 1999; Schenk 2000, 2002).

2 Diese Ausführungen zum Uses and Gratifications-Ansatz geben nur einen groben Überblick über grundlegende Annahmen im Hinblick zur Abgrenzung vom Wirkungsansatz. Eine vollständige Darstellung ist im Rahmen dieser Arbeit weder zu leisten noch zielführend, da alle Beschreibungen dem Zwecke, das Konstrukt Rezeptionsmodalitäten nachzuvollziehen, dienen sollen. Ausführlich und äußerst informativ wird der Uses and Gratifications-Ansatz in den Ausführungen von Kunz (1995) beschrieben.

3 Studien, die diese Spezifität berücksichtigten (z.B. Kiefer, 1989; Saxer, Langenbucher und Fritz, 1989; Kubitschke und Trebbe, 1992), wiesen große Ähnlichkeiten in der Beschreibung der Funktionen trotz der offensichtlichen Unterschiedlichkeit der Medien und Formate auf, was auf methodische Probleme (Formulierung der konkreten Items) bei der Inventarisierung von Rezeptionsmotiven hindeutet.

4 Später auch noch die Berücksichtigung alternativer Angebote hinsichtlich der Intensität der Medienzuwendung.

5 Beispielsweise Kreativität (Conway & Rubin, 1991), Selbstkontrolle (self monitoring: Snyder, 1979, 1987), Extraversion (Cotton, 1985) oder Sensationssuche (sensation seeking).

6 Einige Autoren haben darauf hingewiesen, dass die Auswahl der Medienangebote nicht immer aktiv erfolgt, sondern häufig, wenn nicht sogar in den meisten Rezeptionssituationen passiv erfolgt (z.B., Büchner, 1989; Jeffres, 1978; Webster und Wakshlag, 1983; Zillmann und Bryant, 1985b).

7 Dies spiegelt sich in der Vermutung Weibulls (1985), „dass eine Betonung der Medienmerkmale einer Renaissance des Wirkungsansatzes gleichgekommen wäre, gegen den man ja so nachhaltig argumentiert hatte“ (S.123, zitiert nach Suckfüll, 2004).

8 Integration von Umweltreizen in ein bestehendes kognitives Schema

9 Reichen die bisherigen kognitiven Schemata nitchs aus, ist der Mensch auf Anpassungsleistungen angewiesen

10 In ihren Studien zur Messung innerer Aktivitäten während der Rezeption sind die Ergebnisse allerdings als fragwürdig zu bewerten, da die Befragungstechniken zur Erfassung der Daten kognitive Prozesse hervorrufen, die der natürlichen Rezeptionssituation entgegenstehen. Neben ihrer Forderung nach interdisziplinären Kooperationen war Sturm (1972) in ihren Untersuchungen an zeitlichen Abläufen interessiert und erhob Daten zu unterschiedlichen Messzeitpunkten. In ihrer Untersuchung von 1982 wurden sogar physiologische Messdaten erfasst. „Schwachstellen dieser Studien sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die vorliegenden Methoden ihre Grenzen haben und nicht etwa darauf, dass unangemessene Methoden gewählt worden wären“ (Suckfüll, 2004, S.61).

11 Die vertikale bzw. Intra-Transaktion drückt die Bedeutungszuweisung durch den Rezipienten aus. Die Wirkung des Medienangebots hängt nicht nur davon ab, wie viel der Rezipient verstehen kann, sondern auch davon, wie viel er verstehen will. Neben einer allgemeinen physiologischen Aktiviertheit (Wachheit, Erregung schließt der Begriff Aktivation auch ein langfristiges Interesse und aktuelle, rezeptionsbezogene Motivation und Aufmerksamkeit als spezifische Antriebsmechanismen ein (Früh und Schönbach, 1982, S.

(Früh, 87; Früh, 1994, S. 87). Die Bedeutungsherstellung beginnt bei der Aufnahme konkreter Informationen durch das Medienangebot, wodurch die Aktivation des Rezipienten stimuliert wird. Weitere Informationen können dann sukzessive akkumuliert werden, allerdings wird die Bedeutung nicht in einem einseitig linearen Prozess hergestellt, sondern jede neue Information trifft auf einen veränderten Wissensstand und auf eine veränderte Aktivation. Jede Änderung wirkt simultan auf die Aktivation zurück. Die steuernde, kognitive Sinneinheit wird während und gerade wegen der Bedeutungszuweisung geändert, wobei einerseits jede eintreffende Teilinformation auf übergeordnete, vorher bereits gespeicherte Sinneinheiten bezogen wird und andererseits die bereits existierenden Sinneinheiten dabei gleichzeitig konkretisiert, modifiziert oder gar aufgegeben werden (Früh, 1991, S.124f.; vgl auch Halff, 1998, S.72). Damit verändern sich beide Komponenten der Relation Wissen und Aktivation immer auch jeweils selbst, wenn die eine die andere verändert. Die Intra-Transaktion ist die Basis für eine weitere, ähnliche Oszillation bei der Inter-Transaktion zwischen Rezipient und Medium.

Die horizontale bzw. Inter-Transaktion beschreibt die integrative Perspektive dieses Ansatzes, da dort die Wechselbezüglichkeit zwischen den an der Kommunikation beteiligten Akteuren Medium bzw. Kommunikator und Rezipient stattfindet, deren Interdependenz auf derselben Hierarchieebene entsteht. Sowohl die Bedeutung des Medienangebots als auch die Kognition des Rezipienten ändern sich während und durch den Medienwirkungsprozess. Das Medienangebot wird dabei differenziert in die Bestandteile Medium (technische und gesellschaftliche Größe) und Aussage (Inhalt und Bedeutung). Zwischen beiden Komponenten werden wiederum spezifische Transaktionen angenommen. Objektiv betrachtet ist das Medienangebot zwar ein vom Rezipienten unabhängiger Stimulus, jedoch erhält und verändert er seine Identität im Verlauf der Rezeption. Um beispielsweise bestimmte Aussagen verstehen zu können, müssen „sowohl die bisher schon rezipierten (…) Aussagen kognitiv präsent (ge-)halten als auch Aussagen, die man aufgrund der bisherigen Information erwartet“ (Früh, 1994, S.71, zitiert nach Suckfüll, 2004, S.66) berücksichtigt werden müssen. Somit besteht eine Transaktionalität zwischen akutellen, zurückliegenden und antizipierten Aussagen.

12 Allerdings wurde diese Variable auf Kosten der interdependenten Merkmale des Konstrukts in zahlreichen Studien aufgrund von Schwierigkeiten bezüglich der methodischen Umsetzung stark vereinfacht, so dass Involvement entweder als Medienoder als Rezipientenmerkmal festgelegt wurde.

13 So wurde Involvement im Sinne einer Wirkungsperspektive entweder als Eigenschaft des Medienstimulus, als intervenierende Rezipientenvariable oder als Wirkung beim Rezipienten betrachtet. Im Nutzenund Belohnungsansatz wurde es zu einem Merkmal des Mediennutzers oder zu einem Nutzungsmodus vereinfacht. Im Wirkungsansatz wurde dabei der Aspekt des Verarbeitungsmodus weitergehend eingebracht, dem ein spezifisches Medienangebot mehr oder weniger entgegenkommt. Die leichter zu verarbeitenden, gestalterischen Medienmerkmale werden bei niedrigem Involvement, die inhaltlichen Merkmale mehr bei hohem Involvement wirken. Aus der Perspektive des Uses and Gratifications-Ansatz wird Mediennutzung als Folge des Involvement des Mediennutzers betrachtet und dabei implizit als Nutzungsmotiv aufgefasst.

14 Rapp (1973) unterscheidet die beiden Rezeptionsweisen Illusion und Inlusion, je nachdem ob der Zuschauer in das fiktive Geschehen regelrecht hineingezogen wird oder ob er sich aus einer distanzierten Perspektive der Fiktionalität bewusst ist.

Ende der Leseprobe aus 320 Seiten

Details

Titel
Rezeptionsmodalitäten und emotionales Erleben bei der Rezeption von Fernsehnachrichten. Medienpsychologie
Hochschule
Universität des Saarlandes
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
320
Katalognummer
V116107
ISBN (eBook)
9783640178964
ISBN (Buch)
9783640179114
Dateigröße
3351 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Diplomarbeit umfasst ca. 300 Seiten, detaillierte statistische Berechnungen und ein Thema (Emotionen in der Medienpsychologie), das im Kontext der heutigen Medienlandschaft immer spannender werden wird.
Schlagworte
Rezeptionsmodalitäten, Erleben, Rezeption, Fernsehnachrichten
Arbeit zitieren
Diplom-Psychologe Volker Fischer (Autor:in), 2006, Rezeptionsmodalitäten und emotionales Erleben bei der Rezeption von Fernsehnachrichten. Medienpsychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116107

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Titel: Rezeptionsmodalitäten und emotionales Erleben bei der Rezeption von Fernsehnachrichten. Medienpsychologie



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