Literarische Erinnerung in W.G. Sebald: Die Ausgewanderten


Seminararbeit, 2008

21 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. EINLEITUNG:

2. LITERARISCHE ERINNERUNG:
2.1. BILD:
2.1.1. Die Fotografie:
2.1.2. Das Fotoalbum:
2.1.3. Die Malerei/Gemälde:
2.2. TEXT:
2.2.1. Das Tagebuch:
2.3. RAUM:

4. NACHWORT:

5. BIBLIOGRAPHIE:

Primärliteratur:

Sekundärliteratur:

Weiterführende Literatur:

Aufsätze:

Zeitschriften:

1. EINLEITUNG:

Im Winter des Jahres 2001 erlebte die deutsche Literaturgesellschaft einen Schicksalsschlag, der noch lange danach für Erschütterung sorgen sollte.[1] Der Schriftsteller W.G. Sebald starb am 14. Dezember in Norwich (England) an den Folgen eines Autounfalls. Bekannt wurde Sebald vor allem durch seine Romane Austerlitz oder Die Ausgewanderten, welche lange Zeit im englischsprachigen Raum größeren Ruhm ernteten als in Deutschland.[2]

Gründe dafür liegen wohl in der Art und Weise, wie Sebald in seinen Werken die Auseinandersetzung mit dem deutsch-jüdischen Vermächtnis darstellt. Seine Texte beschreiben nicht nur historische Ereignisse, wie zum Beispiel die Schlacht in Frankenhausen in Nacht und Natur oder die Schlacht auf dem Lechfeld in Schwindel.Gefühle., sondern auch Biographien, die an solche Ereignisse anknüpfen. Des Weiteren setzt sich Sebald immer wieder mit dem Geschichtsverlauf auseinander und behandelt dessen Problem der Zerstörung immer genauer.

Sein Werk Die Ausgewanderten, welches in dieser Arbeit als Grundlage verwendet wird, berichtet über Exilierung und den Verlust der Heimat, über Erinnerung und deren Gedächtnismetaphorik. Die Geschichten der individuellen Protagonisten, Orte und Gegenstände möchte er in seinen Werken festhalten und ihnen eine zeitlose „Aura“ verleihen.

Der Begriff der Erinnerung spielt bei Sebald eine zentrale Rolle. Die Aufgabe seiner Erinnerungstheorie beruht darin sich der Vergangenheit tastend anzunähern, welche sowohl seine Prosa als auch seine wissenschaftlichen Essays behandeln.

Laut Walter Benjamin verfolgt Sebald das Konzept einer archäologische Tätigkeit, die den Prozess des Grabens mit dem der Freilegung verschiedener Erinnerungsschichten vergleicht.[3] Sebald geht es jedoch nicht nur um das Experimentieren mit medialen und diskursiven Prozessen, sondern vor allem um die Vermittlung von Erinnerung und deren Lesbarkeit.[4]

Um dies näher zu verstehen, scheint es vor allem wichtig den Begriff der Erinnerung näher zu erläutern. Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf Aleida Assmans Aufsatz aus dem Jahre 1991 Zur Metaphorik von Erinnerung, der die Gedächtnismetaphorik von Erinnerung behandelt.[5] Schon zu Beginn des Textes stellt sie klar, dass Gedächtnis und Erinnerung keine Opposition darstellen, sondern viel mehr als Begriffspaar zu sehen sind.[6] Während das Gedächtnis als virtuelle Fähigkeit und organisches Substrat erscheint, wird die Erinnerung als aktueller Vorgang des Einprägens und Rückrufens spezifischer Inhalte beschrieben.[7]

In Anlehnung an Harald Weinrichs Studie zu den Typen der Gedächtnismetaphorik (1964) gliedert Assman die Gedächtnismetaphorik in schriftliche, räumliche und zeitliche Gedächtnismetaphern.

Die Räumliche Gedächtnismetaphorik beschreibt sie anhand der Mnemotechnik, der Lehre die dem unzuverlässigen natürlichen Gedächtnis ein artifizielles hinzufügt.[8] Dieses artifizielle Gedächtnis wird mit den Begriffen images, der Kodifizierung von Gedächtnisinhalten in prägnanten Bildformeln, und loci, der Zuordnung dieser Bilder zu spezifischen Orten eines strukturierten Raumes, beschrieben.[9] Es bestehe eine unverbrüderliche Verbindung zwischen Gedächtnis und Raum, wobei der Raum, als mnemotechnisches Medium, als Gebäude realisiert wird.[10] Daher lenkt sie ihr Augenmerk besonders auf den Ruhmestempel und die Bibliothek, die ihr als räumliche Gedächtnismetaphern essenziell erscheinen.

Des Weiteren beschreibt sie die schriftliche Erinnerungsmetapher, welche Assman als die Dauerhafteste beschreibt.[11] Hierzu hebt sie vor allem das Buch hervor, das trotz seiner Ganzheitlichkeit keine totalitäre Metapher ist. Der Geschlossenheit steht immer eine Interpretation gegenüber.[12] Eine weitere Schrift-Metapher des Gedächtnisses ist das Palimpsest, das ohne feste Gestalt als dynamisiertes Buch erscheint.[13]

Die Zeitliche Gedächtnismetapher beruht auf der Kontinuität des Vergessens. Vergessen, Diskontinuität und Verfall stehen im Vordergrund.[14] Assman ergänzt hier Harald Weinrichs Memoria-Bildfelder des Magazins und der Wachstafel-Metapher um die beiden zeitorientierten Metaphern des Erwachens und des Erweckens.[15] Für viele Metaphern des Vergessens lassen sich Landschaftsbezüge konstruieren. Die meisten Bezüge finden sich zum Wasser.

Aus dieser Beschreibung der Erinnerung ergibt sich nun die Frage, wie Sebald im Roman Die Ausgewanderten die Erinnerung unter der Berücksichtigung der erläuterten Gedächtnis-Metaphorik literarisch darstellt.

2. LITERARISCHE ERINNERUNG:

Sebald widmet sich in seinem Prosaband Die Ausgewanderten, erschienen 1992, Außenseitern, die ihr Heimatland verlassen haben, um in der Fremde einen neuen Halt zu finden. Hierzu finden wir Parallelen zum Leben des Autors: auch er war ein Ausgewanderter, verließ sein Heimatland Deutschland.

Das Buch berichtet über vier fiktionale Lebensgeschichten die im Zeichen der jüdisch-deutschen Geschichte stehen. Die vier Erzählungen enthalten jeweils eine zentrale Biographie, die von einem homodiegetischen Erzähler begleitet wird.[16] Der Untertitel des Buches kündigt vier einzelne Erzählungen an, jedoch wird im Laufe des Buches klar, dass eine gewisse Intertextualität besteht. Die vier Erzählungen bergen eigentlich noch eine fünfte, die des Erzählers. Diesen nicht mit Sebald zu identifizieren wird auch dem literaturwissenschaftlich vorgewarnten Leser schwer fallen dürfen.[17]

Nach Öhlschläger haben Sebalds Bücher einen Auftrag: Sie fordern auf Grund der Modellierung einer dominanten Erzählstimme dazu auf, sich mit dieser zu erinnern, Erinnerung als Praxis zu vollziehen und das heißt, einzutreten in das Feld der komplexen Mechanismen von Erinnern und Vergessen.[18]

2.1. BILD:

In diesem Abschnitt wird die Art und Weise der literarischen Erinnerung anhand von schriftlichen Gedächtnismetaphern untersucht.

Die Bild-Metapher spielt bei Sebald eine wichtige Rolle, da die Funktion des Erinnerns vor allem durch diese wiedergegeben wird. Die Bilder, die die Erzählungen ergänzen, scheinen auf dem ersten Blick wirklich zu denen zu gehören. Wenn der Leser es nicht besser wüsste, würde er wahrscheinlich am Glauben festhalten, das Bild erzähle uns den realen Hintergrund der Geschichte.

Die Bilder in Die Ausgewanderten haben bis auf die Zeichnung des Klassenzimmers in der Geschichte Paul Bereyters (S.50), fast nie illustrativen Charakter. Sie fließen mit dem Text mit und ersetzen die fehlende Textstelle. Es scheint, als gebe Sebald eine Bildbeschreibung vor, die sich zu seiner eigenen kleinen Geschichte entwickelt. Der Erzähler im Buch ist ein Auswanderer, ein Reisender, so sind auch die Bilder Reisebilder. Durch die Bewegung der Worte und der Bilder, werden die Gedanken des Lesers in Bewegung versetzt.[19]

Das Kapitel Bild wird in drei Kategorien unterschieden, da es mehrere Varianten der Schriftlichen Gedächtnis-Metaphorik im Werk gibt. Jene der Fotografie, des Fotoalbums und der Malerei.

2.1.1. Die Fotografie:

Das Besondere, das von den Texten Sebalds ausgeht, ist nicht nur die Reflexion der Literatur, Grenzen der Darstellbarkeit aufzuzeigen und mit ihnen erzähltechnisch zu experimentieren, sondern auch die Fotografien, die in den Texten eingelassen werden.[20] Oftmals unscharf, verschwommen, fragmentiert, nicht betitelt oder sonstiges, geben sie dem Leser das Gefühl, sie führten ein Art Doppelleben.[21] Es scheint als würden Erinnerungen, Erlebnisse und Erfahrungen durch diese einzelnen Bilder wiedergegeben werden.

Das Interesse an dieser Art der Erinnerungspoetik begründet Sebald wie folgt:

[...]


[1] Susanne Schedel: Wer weiß, wie es vor Zeiten wirklich gewesen ist? Würzburg: Königshausen & Neumann, 2004, S.9.

[2] Ebda.

[3] Vgl. Walter Benjamin: Ausgraben und Erinnern, In: ders. Denkbilder. 2. Aufl. Frankfurt a.M: Suhrkamp 1994, S. 100f.

[4] Vgl. Claudia Öhlschleger: Beschädigtes Leben. Erzählte Risse. W.G. Sebalds poetische Ordnung des Unglücks, 1. Aufl. Freiburg in Breisgau/Berlin/Wien: Rombach-Druck , 2006, S.11.

[5] Assman, Aleida: Zur Metaphorik der Erinnerung In: ders. und Dietrich Hart (hg.) Mnemosyne. Formen und Funktionen der kulturellen Erinnerung. Frankfurt a.M: Fischer, 1991, S.13-35.

[6] Vgl. Assman (1991), S. 14.

[7] Vgl. Ebda.

[8] Vgl. Ebda.

[9] Vgl. Ebda.

[10] Vgl. Ebda.

[11] Vgl. Ebda S.18.

[12] Vgl. Ebda, S.19.

[13] Vgl. Ebda.

[14] Vgl. Ebda. S. 22.

[15] Vgl. Ebda, S. 14.

[16] Der Begriff homodiegetisch stammt aus dem Bereich der Narratologie und beschreibt eine Erzählhaltung die bedeutet, dass der Erzähler und die Geschichte zur selben „Welt“ gehören. (Petersen, Wagner-Egelhaaf (2006), S. 46).

[17] Vgl. Jan Ceuppens: Im zerschundenen Papier herumgeisternde Gesichter. Fragen der Repräsentation in W.G. Sebalds Die Ausgewanderten, in: Germanistische Mitteilungen, 2002, 55: Periphere Identität in der deutschsprachigen Literatur nach 1945, Bosse/Ruthner (hg.), S. 82.

[18] Vgl. Öhlschläger (2006) S. 20.

[19] Vgl. Hannes Veraguth: W.G. Sebald und die alte Schule. Schwindel.Gefühle., Die Ausgewanderten, Die Ringe des Saturns und Austerlitz: Literarische Erinnerungskunst in vier Büchern, die so tun, als ob sie wahr seinen, in: W. G. Sebald-Text + Kritik, 2003, 158, Heinz Ludwig Arnold (hg), S. 35.

[20] Vgl. Ebda S.20.

[21] Vgl. Ebda S.21.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Literarische Erinnerung in W.G. Sebald: Die Ausgewanderten
Hochschule
Universität Wien
Note
2
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V116012
ISBN (eBook)
9783640175604
ISBN (Buch)
9783640175451
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Literarische, Erinnerung, Sebald, Ausgewanderten
Arbeit zitieren
Sandra Mayr (Autor:in), 2008, Literarische Erinnerung in W.G. Sebald: Die Ausgewanderten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116012

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