Churchills Irlandpolitik

Die möglichen Rückschlüsse auf die Person Churchill


Zwischenprüfungsarbeit, 2005

30 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Der Irlandkonflikt
Einführung
1.1. Ein allgegenwärtiger Konflikt

II. Irland in der britischen Politik
2.1. Erste Veränderungen durch Gladstone
2.2. Der Streit um Home Rule als britische Krise

III. Churchill und Irland
3.1. Die irische Frage
3.2. Churchill und Home Rule
3.3. Vertragsunterzeichnung und die Teilung Irlands
3.4. Irlands Neutralität im Zweiten Weltkrieg

IV. Churchills Irlandpolitik und ihre Rückschlüsse
4.1. Churchill und ‚sein’ British Empire
4.2. Die Person Churchill und die Irlandfrage

V. Literatur

I. Der Irlandkonflikt

Einführung

Diese Arbeit behandelt die Irlandpolitik Winston Churchills. Ohne Frage zählt Winston Churchill zu den bedeutendsten Politikern des 20. Jahrhunderts mit einer beispiellosen, wechselvollen Karriere. Er kehrte der konservativen Partei den Rücken zugunsten der Liberalen und umgekehrt; bis zu seiner ersten Amtszeit als Premierminister hatte er bereits zahlreiche andere Ministerämter durchlaufen.

Für die politischen, religiösen und militärischen Konflikte und Auseinandersetzungen im Irland des letzten Jahrhunderts war immer die britische Regierung in London mitverantwortlich. Die Irlandfrage beschäftigte Churchill bereits in seiner frühen parlamentarischen Zeit; und sie blieb für viele Jahre ein Hauptthema in seiner politischen Karriere. Man kann sagen, dass Churchills Irlandpolitik ein eigenes Kapitel in der Geschichte des Anglo- Irischen Konflikts einnimmt. Zunächst als strikter Gegner einer irischen Selbstregierung, wandelte er sich im Laufe der Jahre zu einem Befürworter der so genannten Home Rule. Er war maßgeblich an den Versuchen, eine möglichst für alle Parteien akzeptable Lösung zu finden, beteiligt.

Nach dem Ersten Weltkrieg spielte er eine führende Rolle während der Verhandlungen, die 1921 zum Anglo-Irischen-Vertrag und zur Abspaltung der Provinz Ulster vom restlichen Irland führten. Sicher ist es Churchill stets primär um britische Interessen gegangen, aber dieser Aspekt soll hier nicht berücksichtigt werden.

Nach einer Darstellung des irischen Konflikts in der britischen Politik soll die zentrale Figur Churchills innerhalb der anglo-irischen Verhandlungen beleuchtet werden. Aufzuzeigen, was seine Denk- und Handlungsweise im Bezug auf Irland über ihn als politische Person und seine Persönlichkeit aussagt, ist Ziel dieser Arbeit.

1.1. Ein allgegenwärtiger Konflikt

Irlands bewegte Geschichte haben die britischen Nachbarn zumeist mitbestimmt. Bis zu Irlands Unabhängigkeit 1921 war es ein langer, von blutigen Auseinandersetzungen durchzogener Weg; nicht zuletzt gekennzeichnet von dem Verzicht auf die Teile des Nordens, die als Nordirland der englischen Krone verblieben. Der daraus resultierende Konflikt schwelt trotz unzähliger Verhandlungen und Abkommen bis zum heutigen Tag vor sich hin. Zu tief scheinen die Wurzeln dieser Teilung in die Geschichte zurück zu reichen, auch wenn die staatliche Aufteilung erst Mitte des 20.Jahrhunderts erfolgte. Es lässt sich heute gar nicht mehr eindeutig sagen, dass es ein religiöser Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten ist oder einfach ein territorialer Streit zwischen Nationalisten auf der einen und Loyalisten auf der anderen Seite.

Michael Maurer ist der Auffassung, dass es in Irland schon immer zwei unterschiedliche Gesellschaften mit zwei unterschiedlichen Kulturen gab, zurückverfolgbar bis ins 12. Jahrhundert. Die staatliche Trennung im letzten Jahrhundert sei eine „Grundgegebenheit der irischen Geschichte“,[1] die sich auf diese zwei unterschiedlichen Gesellschaften zurückführen ließe.

Heute kann man allerdings nicht mehr klar erkennen, wo genau die Hauptursache liegt. Dass der Konflikt bis heute nicht gelöst ist, scheint meiner Meinung nach viel mehr ein ‚unhistorischer’ Grund zu sein. Viel zu sehr überwiegt in der Gegenwart der durch die Generationen vorgelebte, verbitterte Hass auf die jeweils andere Konfession, an der die Zugehörigkeit festgemacht wird: Katholiken als Nationalisten und Protestanten als Loyalisten. Viel zu tief scheinen uralte Vorurteile, Jahrhunderte voller Hass und Wut zu sitzen, der gewissermaßen ‚vererbt’ wird. In Nordirland, wo heute wie nirgends anders homogene Stadtviertel existieren, die durch sichtbare und unsichtbare Grenzen voneinander abgetrennt sind, und wo Kinder ausnahmslos getrennte Schulen besuchen, ist der Konflikt allgegenwärtig.

Der einstige Wunsch nach Loslösung vom britischen Machtbereich und einer Selbstbestimmung hat sich für den Süden nach langer Zeit ausgezahlt. Im Norden tobt bis heute der Krieg, wenn auch in einer anderen Dimension, weiter.

Esther Schapira stellte im Rahmen ihres Dokumentarfilms „Belfast – die Kinder und der Fluch der Geschichte“,[2] einer Ursachenforschung über die Hintergründe verschiedener Ausschreitungen in Belfast des Jahres 2001, fest, dass die Menschen im heutigen Nordirland kaum noch die wahren Ursachen des Konflikts kennen. Es scheint stattdessen nichts Weiteres als ein geradezu unbegründbarer Hass vorzuherrschen, von Versöhnung ist hier keine Rede.

Zu hasserfüllt sind beide Seiten, als dass sie einlenken würden. Beispielsweise wird noch heute die Schlacht an der Boyne, der historische Sieg der Protestanten über die Katholiken im Jahre 1691, Jahr für Jahr mit Paraden durch die Stadt zelebriert. Mag man als Außenstehender nicht begreifen, dass sich im heutigen aufgeklärten Europa des 21.Jahrhunderts Katholiken und Protestanten wegen einiger Meter Schulweg durch ‚gegnerisches Territorium’ gewaltsam streiten, so ist dies nicht als Folge des eigentlichen Konfliktes zu betrachten, sondern eher als eine Folge des durch die Jahrhunderte getragenen Misstrauens und Hasses der anderen Partei gegenüber.

Eine (friedliche) Lösung ist immer noch nicht in Sicht.

II. Irland in der britischen Politik

Während des 19. Jahrhunderts gab es keine Anzeichen dafür, dass sich Irland zu einem großen Konfliktherd britischer Politik entwickeln würde. Zwar hatte Irland stets mit Problemen wie Arbeitslosigkeit, Armut und mit den daraus resultierenden sozialen Konflikten zu tun; und das britische Parlament war immer wieder damit beschäftigt, aber für die meisten britischen Politiker blieb die Angelegenheit Irland „meist nur ein Randthema“.[3]

Erst ab 1867, als die Demokratisierungsphase des Königreichs begann, wurde die Irlandpolitik zentrales Thema in Großbritannien. Die Liberalen unter William Gladstone versuchten, die Integration Irlands zu stärken, während die Konservativen jede Form von Nachgiebigkeit gegenüber den irischen Nationalisten strikt ablehnten. Eine vollständige Integration Irlands war nie wirklich gelungen, und in der Reformära seit 1867 eskalierten die britischen und irischen Differenzen; nicht zuletzt auch verursacht durch den aufkeimenden irischen Nationalismus.

Die britischen Bemühungen um eine Integration Irlands ins eigene politische System brachte 1886 die vom führenden liberalen Politiker der Epoche, Gladstone, vorgelegte Government of Ireland Bill, das erste Home Rule - Gesetz, vor. Gladstone vertrat somit die erste strategische britische Irlandpolitik, um die Nachbarinsel fester in die Union einzubinden. Sein Motto soll „my mission is to pacify Ireland“[4] gewesen sein. Er hatte es geschafft, sich für friedensfördernde Maßnahmen in Irland Gehör zu verschaffen: „He now found public opinion prepared as never before to contemplate measures that might be necessary to give Ireland peace and justice.“[5]

In seinen vier Amtsperioden von 1868 bis 1893 war die Irlandfrage zentrales Thema seiner Innenpolitik.

Dass Irland überhaupt die britische Innenpolitik beherrschen konnte und im Laufe der Jahre zu einer zentralen politischen Auseinandersetzung auflodern konnte, liegt hauptsächlich auch an der politisch mobilisierten Gesellschaft. Bei den Versuchen, Irlands eigene Probleme (Agrarkonflikte und Strukturprobleme nebst Armut) innerhalb der britischen Union Herr zu werden, geriet Gladstone sowohl in die Schusslinie britischer als auch irischer Parteien. Es war ihm unmöglich, den Forderungen irischer Nationalisten und der katholischen Seite nachzugeben; schließlich gab es noch seine eigene Liberale Partei mit starken antikatholischen Tendenzen, die er (vor allem deren rechten Flügel) nicht einfach verprellen konnte.

War es ihm anfangs noch gelungen, seine eigene Partei mit Zugeständnissen ruhig zu stellen, artete das durch seine Politik wachgerüttelte Irland ab 1880 zu einem ernsten Integrationsproblem des britischen Staates aus. Irland, bisher nicht viel mehr als ein Objekt im britischen Politikgeschäft, wurde mit der Irischen Parlamentspartei zu einem selbständigen Akteur: die innenpolitische Situation des Königreichs wurde immer komplizierter. Die Auseinandersetzungen um Home Rule löste in den 1880er Jahren eine politische Krise in Großbritannien aus: sämtliche Parteien schienen sich mit dem Irlandthema gegenseitig zu blockieren und gar daran zu zerbrechen.

2.1. Erste Veränderungen durch Gladstone

William Gladstone begann 1868 seine erste Amtszeit als Premierminister an der Spitze eines liberalen Kabinetts. Er hatte erkannt, dass der irische Republikanismus, vornehmlich durch die Fenier[6] präsent, eine Gefahr für das Königreich darstellte. Gladstone läutete eine neue Ära hinsichtlich der Irlandpolitik ein, indem er einen politischen Kurswechsel einnahm, der nicht ohne politisches Risiko war: er brachte 1869 einen Gesetzesentwurf vor das Parlament, der eine völlige Trennung von Staat und Kirche in Irland vorsah. Der Church of Ireland kam in seinem Vorschlag der Status einer selbstverwalteten Gemeinde ohne staatliche Kontrolle zu. Dieser Irish Church Act sollte ohne größere Probleme in Kraft treten.

In seiner Landreform im folgenden Jahr wurde die Beziehung zwischen Grundherr und Pächter insofern neu geregelt, dass der Staat nun eine Vermittlerrolle einnehmen sollte. Sein Land Act scheiterte allerdings, da die betroffenen Parteien von der neu geschaffenen Instanz keinen Gebrauch machten und stattdessen ihre Dispute wie zuvor ausschließlich untereinander austrugen.

Nach diesen zwei Eingriffen in traditionelle Strukturen, der Auflösung der protestantischen Staatskirche und der vermeintlichen Verbesserung der Rechte von Pächtern, legte er 1873 den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des irischen Universitätswesens vor: die Irish University Bill. Demnach hätte es nur noch eine große Universität mit Sitz in Dublin gegeben, der alle anderen unterstellt worden wären. Diese Reform schlug fehl, da Katholiken und Protestanten jeweils ihre eigenen Interessen nicht genügend berücksichtigt sahen. Gladstones Regierung verlor mehr und mehr an Spielraum, und nach den Parlamentswahlen 1874 konnte die konservative Opposition mit Benjamin Disraeli den Premierminister stellen.

Spätestens mit dem Streit um das Universitätsgesetz wurde eine „direkte, wenn auch unbeabsichtigte“[7] Folge der Politik Gladstones deutlich: die Irlandpolitik seiner Regierung musste, bedingt durch den Demokratisierungsprozess des parlamentarischen Systems im Königreich, immer stärker auf die öffentliche Meinung Bezug nehmen – sowohl auf die englische, als auch auf die irische. Andreas Helle beschreibt diesen Faktor als „unberechenbar“,[8] denn der öffentliche Druck auf Gladstone wurde immer größer.

[...]


[1] Michael Maurer: Kleine Geschichte Irlands, Stuttgart 1998, Seite 8.

[2] Esther Schapira: Belfast – die Kinder und der Fluch der Geschichte. Dokumentarfilm aus der Reihe „Das rote Quadrat“ des Hessischen Rundfunks, Erstausstrahlung Herbst 2003.

[3] Andreas Helle: Ulster: die blockierte Nation. Nordirlands Protestanten zwischen britischer Identität und irischem Regionalismus 1868 – 1922, Frankfurt a. M./ New York 1999, Seite 161.

[4] Ders., Seite 191.

[5] Robert Kee: The Green Flag Volume II – The Bold Fenian Men, London/ New York u.a. 1989, Seite 51.

[6] Die Bruderschaft der Fenier, Fenians, gründete sich 1859 in New York. Sie hatte sich der Unabhängigkeit Irlands verschrieben, wenn nötig auch mit radikalen Gewaltmaßnahmen.

[7] Andreas Helle, Ulster, Seite 194.

[8] Ders., Seite 194.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Churchills Irlandpolitik
Untertitel
Die möglichen Rückschlüsse auf die Person Churchill
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Historisches Institut: Neuere und Neueste Geschichte)
Veranstaltung
Die Konferenz der Allierten in Teheran
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
30
Katalognummer
V115969
ISBN (eBook)
9783640178520
ISBN (Buch)
9783640178575
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Churchills, Irlandpolitik, Konferenz, Allierten, Teheran
Arbeit zitieren
M.A. Christine So-Young Um (Autor:in), 2005, Churchills Irlandpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115969

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Churchills Irlandpolitik



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden