Hörverstehenstraining im Anfangsunterricht Englisch in der Grundschule

Theoretische Grundlagen und ihre Bedeutung für die Praxis


Examensarbeit, 2008

76 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

0. Summary

1. Einleitung

2. Was ist Hörverstehen?
2.1 Das Hörverstehen als aktiver Prozess in Muttersprache, Zweitsprache und Fremdsprache
2.1.1 Charakteristika gesprochener Sprache
2.1.2 Verstehensabsichten beim Hörverstehen
2.1.3 Prozesse beim Hörverstehensvorgang
2.1.4 Verstehensstrategien beim Hörverstehen
2.1.5 Probleme beim Hörverstehen in der Zweit- und Fremdsprache
2.2 Die Bedeutung des Hörverstehens beim Mutterspracherwerb, beim Zweitspracherwerb und beim Fremdspracherwerb
2.2.1 Mutterspracherwerb
2.2.2 Natürlicher Zweitspracherwerb und Fremdspracherwerb in der Schule

3. Das Hörverstehen im Rahmenplan Grundschule
3.1 Die Rolle des Hörverstehens in Bezug auf die Zielsetzung des Englischunterrichts im Rahmenplan Grundschule
3.2 Die für das Hörverstehenstraining maßgeblichen didaktischen und methodischen Prinzipien nach dem Rahmenplan Grundschule
3.3 Leistungsbeurteilung und –bewertung beim Hörverstehenstraining nach dem Rahmenplan Grundschule

4. Wie sollte das Hörverstehenstraining in der Grundschule in der Praxis aussehen?
4.1 Wie sollte optimaler comprehensible input aussehen?
4.2 Der Lehrer als „sprachhandelnder input-provider
4.3 Wie sollte mit medienvermittelten Hörtexten umgegangen werden?
4.3.1 Nach welchen Kriterien sollten Hörtexte ausgewählt werden?
4.3.2 Wie sollte die Arbeit mit Hörtexten aussehen?
4.4 Welche Methoden und Verfahren eignen sich besonders für das Hörverstehenstraining in der Grundschule?
4.4.1 Listen and do: Total Physical Response (TPR)
4.4.2 Listen and repeat: Songs, chants, rhymes, poems
4.4.3 Listening for detailed information: While- and post-listening tasks
4.4.4 Listening for gist: Storytelling und story-presentation (Erzähllesen)
4.4.5 Wie sollte mit Methoden und Verfahren zum Hörverstehenstraining im Anfangsunterricht Englisch umgegangen werden?
4.5 Praxisbeispiel: Vorstellung und Analyse einer Unterrichtsstunde mit dem Schwerpunkt Hörverstehen
4.5.1 Lehrwerk und Rahmen der Unterrichtsstunde
4.5.2 Ablauf der Unterrichtsstunde
4.5.3 Beschreibung und Einschätzung des Hörtextes
4.5.4 Reflexion der Arbeit mit dem Hörtext im Rahmen des Unterrichtablaufes und Verbesserungsvorschläge

5. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

0. Summary

Contrary to the inadequate assumption that listening is a passive operation, since it is among reading a receptive skill, listening or rather listening comprehension is proven to be a very active and complex process. And more than that; it is the key skill that is fundamental for first and foreign language acquisition. That is why it should especially for English beginners be the central skill to be taught in the ESL (English as a Second Language) classroom at school.

Therefore this paper starts with a theoretical part including first of all, a description of how listening comprehension works to show that it is a very active process. Before the actual listening process, there is always a purpose for listening to the text and an expectation towards the text is developed. This purpose could be taking part in communication or listening for information, fun etc. The listening process itself consists of two parallel processes that contain an interaction between text and listener, the bottom-up process and the top-down process. During the bottom-up process the listener absorbs the text and tries to understand what is said by using their already acquainted phonological, lexical, syntactical and semantic knowledge. The top-down process can be seen as an interpretation of the text, where the listener uses not only their linguistic and cognitive knowledge, but also their pragmatic, social-cultural knowledge and their assessment of the situational context and the speakers. During these processes a number of listening strategies that compensate possibly appearing problems are applied. These problems can be caused by certain features of language that can make understanding difficult and they might be even more serious for the foreign language learner.

Furthermore, the importance of listening comprehension in first, second and foreign language acquisition is portrayed. Many parallels between first and foreign language acquisition that can and should be accounted for ELT (English Language Teaching) are shown in this context.

How these cognitions are applied, is pointed out by the presentation of the main aspects of the curriculum for ESL at primary school in Germany. There it is portrayed that and how listening comprehension should play an essential role in these ESL classes. The curriculum is based on language acquisition theories and also considers developmental psychological factors. Methods and contents appropriate for children and children’s language acquisition are required to encourage motivating authentic language learning. This language learning or rather language acquisition mainly depends on the input the listeners are provided with by the teacher. This input can be e.g. everyday talk, classroom talk or texts presented by the teacher as well as by other media such as audio CD’s, videos etc. To guarantee an optimal comprehensible input, according to Krashen’s hypotheses, the characteristics of optimal input, in terms of teacher talk or media-presented texts and how to present and work with them are explained.

The consequences of these didactic and pedagogical principles, guidelines and theories are further clarified by an overview over the most popular teaching methods for listening comprehension training. Represented are the results of the theoretical reflection by the analysis of a lesson example to illustrate their practicability. This is to demonstrate how easily workable, diversified and effective listening comprehension training can be in ELT and what factors need particular consideration, especially in primary school.

1. Einleitung

Betrachtet man die vier in der Schule zu vermittelnden Fertigkeiten Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben im öffentlichen Diskurs, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass das Hören die wichtigste Fertigkeit ist. Diese Erkenntnis beruht einerseits darauf, dass das Hören die am meisten verwendete Fertigkeit in der Kommunikation ist und die Tendenz dahin geht, dass das Hören zukünftig noch stärker dominieren wird und somit die Fähigkeit Hörverstehen besser ausgebildet sein und werden muss. Denn,

The point has frequently been made (Rivers and Temperley 1978; Oxford 1993; Celce-Murcia 1995) that of the time an individual is engaged in communication; approximately 9 per cent is devoted to writing, 16 per cent to reading, 30 per cent to speaking, and 45 per cent to listening. It is also undoubtedly the case that contemporary society exhibits a shift away from printed media and towards sound, and its members therefore need to develop a high level of proficiency in listening. (Hedge 2003: 228)

Andererseits, und dieser Punkt ist im Rahmen dieser Arbeit besonders hervorzuheben, spielt das Hören, beziehungsweise das Hörverstehen beim Spracherwerb, und so auch beim Fremdspracherwerb[1] in der Schule, eine zentrale Rolle. Trotz seiner Wichtigkeit im Fremdsprachenunterricht, ist es die am wenigsten erforschte Fertigkeit, was zum Teil auch daran liegen mag, dass der Hörverstehensvorgang nicht direkt beobachtbar ist. Sicher ist jedoch, dass das Hörverstehen nicht bereits als ausgebildete Fertigkeit vorhanden ist, sondern genau wie die anderen Fertigkeiten, erlernt, geübt und so gut wie möglich automatisiert werden sollte. (vgl. Hermes 1998: 221)

Dieses Verständnis von Hörverstehen existiert jedoch erst seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, als mit der Kommunikativen Wende ein Paradigmenwechsel stattfand. Das allgemeine Ziel des Fremdsprachenunterrichts wurde nun, eine ‚Kommunikative Kompetenz’ in der Fremdsprache aufzubauen, um sich vor allem in Betracht des zusammenwachsenden Europas, mit den Nachbarländern verständigen zu können. Aus diesem Grund löste ein in England entwickelter neuer methodischer Ansatz für das Fremdsprachenlernen, das Communicative Language Teaching (CLT) die audiolinguale Methode ab. (vgl. Richards/Rodgers 2001: 154 ff.) Die Fähigkeit zum Sprachhandeln wird nach diesem Ansatz durch möglichst authentische Kommunikation in der Fremdsprache selbst angeeignet, bei welcher die Nachricht im Vordergrund steht (message orientation). Sprechen und Hören waren nun wichtiger als vormals Lesen und Schreiben und rückten in den Fokus der Sprachwissenschaft, Fremdsprachendidaktik und -methodik.[2] Dieses neue wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Hörverstehen und die daraus resultierende Entwicklung neuer Methoden und Verfahren mit einer Fokussierung auf das Hörverstehen im schulischen Englischunterricht einleitete. (vgl. Richards/Rodgers 2001: 165 ff.) Frühere, sehr populäre Methoden, wie zum Beispiel die Grammatik-Übersetzungs-Methode, erkannten die Wichtigkeit des Hörverstehens nicht. Und auch die audiolinguale Methode, obwohl sie das Hörverstehen als wichtigste Fertigkeit betrachtete, räumte dem Hörverstehenstraining im Unterricht keine übergeordnete Rolle ein. (vgl. Quetz 1981: 111) Im Gegenteil, Hedge (2003: 227 f.) stellt fest, “Certainly some ELT methods have assumed that listening ability will develop automatically through exposure to the language and through practice of grammar, vocabulary, and pronunciation.” Dies mag in einem sehr geringen Maße zutreffen, jedoch reicht dies auf keinen Fall aus. Da es nicht durch einen Lehrer gelehrt werden kann, muss das Hörverstehen in verschiedenen Situationen, ausgebildet, geübt und schließlich automatisiert werden. Es ist deshalb Aufgabe des Lehrers, dafür geeignete Lernumgebungen und Lernsituationen zu schaffen. (vgl. Schmid-Schönbein 2001: 63-64)

Besonders im Anfangsunterricht Englisch in der Grundschule spielt das Hörverstehen eine sehr große Rolle, da es neben seiner Grundlage für den Spracherwerb, Teil der mündlichen Fertigkeiten ist und der Schwerpunkt im Grundschulunterricht Englisch auf der Mündlichkeit liegt. (vgl. Rahmenplan Grundschule Hessen 1995: 245)

Damit das Hörverstehen im Englischunterricht in der Grundschule gewinnbringend gefördert werden kann, ist es notwendig, dass aus der Vielzahl der Verfahren besonders geeignete angewendet werden. Aus diesem Grund sollen im Rahmen dieser Arbeit die in der Methodik und Didaktik des Englischunterrichts in der Grundschule am häufigsten empfohlenen Methoden und Verfahren zum Hörverstehenstraining in Englischunterricht in der Grundschule vorgestellt und auf ihre Eignung hin geprüft werden. Diese Methoden und Verfahren gründen sich zum einen auf spracherwerbstheoretische Erkenntnisse und Hypothesen und zum anderen auf ihre Erfolge in der Unterrichtspraxis. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass verschiedene Spracherwerbsmodelle mit unterschiedlichen Hypothesen für den Fremdspracherwerb in der Schule existieren, die nicht ausreichend empirisch untermauert sind. (vgl. Böttger 2001: 41) Dies bedeutet wiederum, „In Einzelaspekten einander klar widersprechenden Verfahren […] können und dürfen nebeneinander bestehen, weil sie, richtig angewendet, alle ihre Praxis-Erfolge zeitigen.“ (Butzkamm 1989: 47) Diese Methodenvielfalt ist besonders in Anbetracht der Individualität der Schüler wichtig, die es kaum möglich macht, eine universell erfolgreich anwendbare Methode zu entwickeln. Aus der Vielfalt der Unterrichtsmethoden und –verfahren zum Hörverstehen ergibt sich außerdem eine Vielfalt von zu verwendenden Unterrichtsinhalten (hier vor allem Texte), die es auch zu beurteilen gilt. Als Orientierungshilfe und Richtlinien gelten hierbei der vom Staat vorgegebene Rahmenplan Grundschule und ein dazugehöriger Erlass.[3]

Zusammenfassend ist demnach das Ziel dieser Arbeit, anhand theoretischer Grundlagen aus Entwicklungspsychologie, Spracherwerbsforschung, Linguistik, Erkenntnissen aus der Praxis und gemäß der staatlichen Vorgaben, die Konsequenzen für die Praxis des Hörverstehenstrainings im Anfangsunterricht Englisch in der Grundschule in Bezug auf Methode und somit auch Inhalt und Rolle des Lehrers und der Schüler, darzulegen. Dazu wird zunächst geklärt, wie Hörverstehen zu funktionieren scheint, welche Rolle es im Spracherwerb spielt und welchen staatlichen Vorgaben es im Rahmen des Englischunterrichts in der Grundschule unterliegt. Auf dieser Grundlage werden daraufhin verschiedene Faktoren, wie Hörmaterial und Präsentation dargestellt, die es beim Hörverstehenstraining in der Grundschule zu berücksichtigen gilt. Darauf basierend folgt eine Übersicht über die populärsten Methoden zum Hörverstehenstraining im Anfangsunterricht Englisch. Abschließend wird ein Unterrichtsbeispiel vorgestellt und anhand der im Verlauf der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse analysiert.

2. Was ist Hörverstehen?

„Das Hörverstehen vereinigt als rezeptive Sprachkompetenz die Wahrnehmung, das Verstehen, Interpretieren und Reflektieren von sprachlichen Äußerungen.“ (Nold/Rossa 2007, 178) Eine genaue Definition des Hörverstehens gibt es jedoch nicht, da die Vorgänge beim Hörverstehen nicht unmittelbar beobachtet werden können. (vgl. Elsner 2007: 101) Im Folgenden soll nun näher erläutert werden, was über das Konstrukt ‚Hören’ oder ‚Hörverstehen’ bekannt ist. Dabei wird Bezug genommen auf die allgemeinen Vorgänge, sowie auf die verschiedenen Strategien, die beim Hörverstehen angewendet werden. Des Weiteren sollen Probleme erläutert werden, die beim Hörverstehen, besonders in der Fremdsprache auftreten können. Schließlich soll der Bezug zwischen Hörverstehen beim Mutterspracherwerb beziehungsweise Zweitspracherwerb und Fremdspracherwerb[4] in der Schule hergestellt werden, um die Wichtigkeit des Hörverstehens(-trainings) im Anfangsunterricht Englisch in der Grundschule zu rechtfertigen und um später die Eignung bestimmter Methoden beurteilen zu können.

2.1 Das Hörverstehen als aktiver Prozess in Muttersprache, Zweitsprache und Fremdsprache

Wie bereits erwähnt, ist das Hörverstehen die grundlegende Fertigkeit für den Spracherwerb. Es kann keine Produktion von Sprache stattfinden, wenn die rezeptive Fertigkeit des Hörverstehens unzureichend ausgebildet wurde. Trotz dieser Erkenntnis wurden und werden die beiden rezeptiven Fertigkeiten, das Hören und das Lesen, oft fälschlicherweise als passive Fertigkeiten bezeichnet und somit vor allem in der Praxis als weniger wichtig erachtet als die produktiven Fertigkeiten Sprechen und Schreiben. Im Folgenden soll, obwohl die Erkenntnisse auch für das Lesen gelten, aufgrund des Rahmenthemas jedoch ausschließlich auf das Hören eingegangen werden[5]. Dazu sollen zunächst die besonderen Eigenschaften des für das Hörverstehen maßgeblichen Mediums, der Sprache, dargestellt werden, um die im Anschluss folgende Beschreibung des Hörverstehensvorganges mit seinen Verstehensabsichten und Verstehensstrategien besser nachvollziehen zu können. Grundlegend wichtig für die im weiteren Verlauf der Arbeit dargestellten Kriterien für den Umgang mit dem Hörverstehen im Englischunterricht, ist die Betrachtung der beim Hörverstehensprozess auftretenden Probleme, im Besonderen bezogen auf das fremdsprachliche Hörverstehen.

2.1.1 Charakteristika gesprochener Sprache

Gesprochene Sprache, kann entweder spontane, unvorbereitete Sprache sein (unscripted speech) oder vorbereitete Sprache (scripted speech). Sie kann einseitig (unidirektional) an den Hörer gerichtet sein, oder in Dialogform (bidirektional) stattfinden. (vgl. Hedge 2003: 245) Des Weiteren kann sie entweder durch einen Sprecher oder durch ein anderes Medium (z.B. CD) vermittelt werden. Gesprochene Sprache, vor allem unscripted speech, ist kein linear verlaufender Prozess, was bedeutet dass auch die Vorgänge der Sprachverarbeitung beim Hörverstehen nicht linear sein können. (vgl. Quetz 1981: 113) Gesprochene Sprache basiert zwar auf den gleichen morphologischen und syntaktischen Prinzipien wie die geschriebene Sprache, zeichnet sich jedoch durch viele Eigenheiten aus, die das Verständnis erschweren, es aber auch teilweise erleichtern können, wenn die angemessene Hörverstehensstrategie (siehe Kapitel 2.1.4) zur Kompensation angewendet wird. (vgl. Müller-Hartmann/Schocker von Ditfurth 2004: 76 f.; Hedge 238 ff.; Hermes 1998: 222)

Häufige Unterbrechungen des Sprachflusses, wie zum Beispiel Sprechpausen, Selbstkorrektur oder das abwechselnde Sprechen von Dialogpartnern (turn-taking), können den Hörer einerseits irritieren, andererseits geben sie dem Hörer mehr Zeit zur Sprachverarbeitung. (vgl. Harmer 2005: 99; Hedge 2003: 238 f.; Hermes 1998: 222; Müller-Hartmann/Schocker von Ditfurth 2004: 76 f.)

Den gleichen Effekt hat auch die in hohem Maße vorkommende Redundanz der Sprache. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich während einer sprachlichen Äußerung, Worte und Inhalte entweder in identischer oder in paraphrasierter Form wiederholen. Erkennt der Hörer diese Redundanz nicht, oder verarbeitet er sie nicht in der angemessenen Art und Weise, kann dies den Hörverstehensprozess behindern oder sogar zu einem Fehlverständnis des Textes führen. Wird auf Redundanz kompetent reagiert, kann diese genauso wie die oben bereits erwähnten Unterbrechungen des Sprachflusses, dem Hörer mehr Verarbeitungszeit bescheren. (vgl. Quetz 1981: 114 f.) Außerdem kommt es beim Verstehen gesprochener Sprache öfter als bei geschriebener Sprache vor, dass der Hörer Verstehenslücken kompensieren muss. Einerseits ist dies so, weil gesprochene Sprache sehr flüchtig ist und der Hörer ausgleichen muss, was er nicht aufgenommen oder verstanden hat, da er den Text direkt verarbeiten muss (real-time processing) und nicht, außer er fragt danach, noch einmal hören kann. (vgl. Buck 2001: 4) Andererseits kommt es auch oft vor, dass gesprochene Sätze unvollständig sind, da sie unterbrochen und unvollständig wieder aufgenommen oder einfach komplett abgebrochen werden. Unterstützt beziehungsweise komplettiert wird gesprochene Sprache oft durch nonverbale Äußerungen, wie Gestik, Mimik und Körpersprache, sowie durch die Situation und die Sprecher selbst. (vgl. Quetz 1981, 114) Es ist also notwendig, diese Zeichen wahrzunehmen und in richtiger Weise zu deuten, um nicht Gesagtes leichter erschließen zu können. Das Verstehen kann außerdem durch phonologische Besonderheiten, wie Laut- oder Wortverschleifungen und/oder Dialekte und Akzente erschwert werden. (vgl. Müller-Hartmann/Schocker von Ditfurth 2004: 77) Nur durch häufigen Kontakt mit Sprache in diesen Formen, kann dieser Problemfaktor verringert werden. Auch im Allgemeinen gilt, je öfter das Hörverstehen geübt wird, desto kompetenter kann mit diesen Problemfaktoren umgegangen werden.

2.1.2 Verstehensabsichten beim Hörverstehen

Am Anfang eines jedes Hörverstehensprozesses steht immer eine Verstehensabsicht. Diese Verstehensabsicht ist das Resultat einer Hörerwartung, die sich aus individuellen Vorstellungen des Hörers, der Textart und anderen gesprächssituationsabhängigen Faktoren, wie zum Beispiel Sprechern und Thema herausbildet. Sie bestimmt in welcher Weise der Verstehensvorgang verläuft, dass heißt ob und wie der Hörer an den Text herangeht und welche Strategien wie angewendet werden. (vgl. Solmecke, 2003: 5) Möchte man jedes Wort bzw. jede Aussage eines Textes nachvollziehen, wie zum Beispiel beim Hören eines Rezeptes, bei dem jedes Detail wichtig ist, nennt man dies das totale Textverstehen. (vgl. Solmecke 1993: 26) Beim globalen Verstehen soll der Gesamtsinn des Textes erfasst werden (listening for gist), was zum Beispiel beim Smalltalk wichtig ist um am Gespräch teilzunehmen oder beim lustvollen Hören von Geschichten. (vgl. Schmid-Schönbein 2001: 65) Beim Detailverstehen sollen ausschließlich vorher bestimmte Details eines Textes, erfasst werden, wie das zum Beispiel beim Hören Wetterberichts der Fall ist, bei dem mich wahrscheinlich das Wetter in meiner Stadt und nicht das in jeder erwähnten Stadt interessiert. (vgl. Solmecke 1993: 26) Alle drei Verstehensabsichten haben ihre Berechtigung, jedoch ist das listening for gist, die für die Kommunikationsfähigkeit wichtigste Art des Verstehens und so sollte deshalb auch im Englischunterricht eine zentrale Rolle spielen.

Natürlich können bestimmte Verstehensabsichten durch das Schaffen bestimmter Hörerwartungen beziehungsweise Hörsituationen induziert werden. Dies ist vor allem in der Schule notwendig und auch essentiell für das Hörverstehenstraining, da hier die Hörsituation oft nicht in einem natürlichen Kontext stattfindet. Der Kontext wird also vom Lehrer geschaffen, dass heißt der Hörtext wird in einen künstlichen Kontext eingebettet, damit der Schüler eine bestimmte Hörerwartung und so eine angemessene Verstehensabsicht aufbauen kann. (Siehe Kapitel 4)

2.1.3 Prozesse beim Hörverstehensvorgang

Dass die Annahme der Passivität des Hörers nicht korrekt ist wird deutlich, wenn man die Rolle des Rezipienten beim Hören genauer untersucht und feststellt, dass beim Textverständnis im Hörer aktive Prozesse ablaufen. Der Hörer bekommt den Text nicht „eingefüllt“ (Solmecke, 1993: 13), sondern es findet eine Interaktion zwischen Text bzw. Sprecher und Hörer statt. Diese Interaktion verläuft in zwei Richtungen. Einerseits werden durch den Text Informationen vom Sprecher zum Hörer getragen, was als bottom-up Prozess („aufwärts gerichteter Prozess“) bezeichnet wird. Andererseits wendet der Hörer sein bereits vorhandenes Wissen auf den Text an, was man als den top-down Prozess („abwärts gerichteter Prozess“) bezeichnet. (vgl. Solmecke 1993: 13) Der Sprecher drückt also seine mitzuteilenden Gedanken in Schriftzeichen bzw. Lautgebilden, sozusagen verschlüsselt aus (er enkodiert sie), was zur Folge hat, dass der Rezipient die Mitteilung wieder entschlüsseln (dekodieren) muss um sie zu verstehen.

Betrachtet man die Charakteristika von gesprochener Sprache, wird deutlich, dass die beim Hörverstehen ablaufenden Prozesse nicht linear oder getrennt voneinander ablaufen können. Auch wenn diese hier, dem besseren Verständnis wegen, getrennt voneinander dargestellt werden, und in sich eine bestimmte Abfolge haben, sei darauf hingewiesen, dass alle diese Vorgänge zwar aufeinander aufbauen, teilweise aber auch simultan verlaufen können.

Beim bottom-up Prozess verwendet der Hörer seine bereits vorhandenen muttersprachlichen und fremdsprachlichen linguistischen Kenntnisse in Phonologie, Lexik, Syntax und Semantik um das Gehörte zu verstehen.

Der Hörer muss dazu zunächst die relevanten Sprachlaute erkennen, das heißt, von irrelevanten Nebengeräuschen trennen, indem er die Hintergrundgeräusche vernachlässigt und sich nur auf den zu verstehenden Lautstrom konzentriert. (vgl. Poelmans 2003: 12) Voraussetzung dabei ist natürlich, dass der Hörer die Fähigkeit besitzt, Geräusche beziehungsweise Laute differenziert wahrzunehmen. Je lauter und störender hierbei die Hintergrundgeräusche oder je leiser und undeutlicher der aufzunehmende Sprachfluss, umso schwieriger ist dieser Vorgang zu bewältigen.

Im nächsten Schritt wird dieser Lautstrom segmentiert, also in seine phonetischen Bestandteile gegliedert. (vgl. Müller-Hartmann/Schocker von Ditfurth 2004: 73) Das heißt, der Hörer muss verschiedenste in der Sprache vorkommende Laute wahrnehmen und voneinander unterscheiden. Er muss auch unvollständig gehörte beziehungsweise geäußerte Laute als solche wahrnehmen und auf ihre ursprüngliche Form schließen können. Vor allem im Englischen ist dies keine einfach zu lösende Aufgabe, da die Laute und Wörter sehr ineinander „verschliffen“ werden. (vgl. McDonough/Shaw 2003: 133) Dieses Verfahren basiert auf der Wiedererkennung bereits bekannter Lautstrukturen und impliziert natürlich, dass der Hörer mit der Phonologie der gesprochenen beziehungsweise gehörten Sprache vertraut ist. Er kann nur richtig wahrnehmen, was er bereits kennt. (vgl. Solmecke 1993: 27)

Die unterschiedlichen Laute und Lautabfolgen werden nun in sinnvolle grammatische Einheiten, wie Morpheme, Silben, Wörter, Phrasen oder Sätze kategorisiert. Hierbei ist es wichtig, dass der Hörer Wort- und Satzgrenzen erkennt. (vgl. McDonough/Shaw 2003: 133) Eine Vertrautheit mit Lexik, Syntax, Intonation und Betonung ist dabei unerlässlich, da auch hier das Wiedererkennungsprinzip fungiert.

Da die Satzstruktur, die Syntax, die nun erarbeitet wurde nur für Sekunden im Kurzzeitgedächtnis gespeichert wird, muss im nächsten Schritt die inhaltliche Bedeutung der grammatischen Einheiten erkannt und zugeordnet werden, da diese länger aus dem Gedächtnis abrufbar ist. (vgl. McDonough/Shaw 2003: 134) Dabei wird die Bedeutung eines Wortes aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen und die Bedeutung einzelner Wörter innerhalb eines Satzes beziehungsweise die Bedeutung des Satzes werden mit Hilfe lexikalischer sowie syntaktischer Kenntnisse erfasst. Es können also auch hier nur die Wörter und Satzstrukturen richtig erkannt und verarbeitet werden, die bereits bekannt sind.

Sind einzelne Wörter oder ganze Sätze identifiziert, ist der Dekodiervorgang abgeschlossen. An dieser Stelle setzt der top-down Prozess an. Nun nimmt der Hörer nicht mehr die Informationen von außen auf und entschlüsselt sie, sondern er trägt sein bereits vorhandenes Wissen an den Text heran und interpretiert diesen in seinem Kontext. (vgl. Hedge 2003: 232) Dieser Vorgang beschränkt sich nun nicht mehr nur auf linguistisches Wissen und die kognitiven Fähigkeiten des Hörers sondern auch auf seine Kenntnisse über externe Faktoren, wie Pragmatik, soziolinguistische und soziokulturelle Zusammenhänge, Überblick über die Gesprächssituation, die Sprecher, den sprachlichen Kontext und die Art des Textes ist gefordert. Auch interne Faktoren wie die Charakteristika des Sprechers, sein emotionaler und motivationaler Zustand und sein vorhandenes Weltwissen spielen nun eine zentrale Rolle. (vgl. Solmecke 1993: 19; Poelmans: 2003 14 f.) Kennt der Hörer alle soeben genannten externen Faktoren, teilt ein gemeinsames Hintergrund- oder Weltwissen mit dem Sprecher und hat vorteilhafte interne Voraussetzungen, hilft dies dem Hörer eine Erwartungshaltung an den Text aufzubauen. Eine adäquate Erwartungshaltung dem Text gegenüber ist die Voraussetzung für die Anwendung einer angemessenen Hörverstehensabsicht sowie hilfreich für die Anwendung von Hörverstehensstrategien.

2.1.4 Verstehensstrategien beim Hörverstehen

Hörverstehensstrategien erleichtern das Hörverstehen und kompensieren mögliche Probleme innerhalb des Hörverstehensvorgangs. (siehe Kapitel 2.1.4 und 2.1.5) Sie werden kontinuierlich während des bottom-up Prozesses und top-down Prozesses angewendet. Zu den Verstehensstrategien gehören das skillful guessing oder Antizipieren wodurch Voraussagen (predictions) getroffen werden und das Inferieren. Dabei gelten immer die Grundsätze “Things will be as they were before” (Hermes 1998 nach Brown/Yule 1983: 222) und “Things are as like as possible as to how they were before.” (Hermes 1998 nach Brown/Yule 1983: 222) gemäß der Analogie und minimalen Veränderung. Auch der richtige Umgang mit Redundanz ist unverzichtbar für das kompetente Hörverstehen. (vgl. Solmecke 1993: 14 f.)

Voraussetzung für diese Hörverstehensstrategien sind die Kenntnisse des Hörers über Sprache, Textart, Thema des Hörtextes, allgemeines Weltwissen und dem Umgang mit Texten allgemein, und inwieweit er in der Lage ist, diese Kenntnisse anzuwenden. Je routinierter ein Hörer ist, desto besser ist er im Umgang mit diesen Strategien.

Bei der Hörverstehensstrategie der Antizipation, kann im Voraus noch nicht Geäußertes vorausgedeutet werden, was den Verstehensvorgang erleichtert. (vgl. Solmecke 1993 18 ff.) Einerseits kann auf bestimmte auftretende Laute, Silben, Wörter oder Phrasen geschlossen werden, z.B. erwarten wir nach „on the one hand“ im weiteren Verlauf des Textes auch „on the other“. Aber auch Schlüsse auf Genre und Inhalt können im Voraus gezogen werden. Fängt der Sprecher seinen Text z.B. mit der Phrase „Once upon a time“ an, antizipiert der Hörer, dass nun ein Märchen folgen muss und keine Diskussion, auf die er sicherlich ganz anders reagieren würde.

Mit der Hörverstehensstrategie des Inferierens können Verstehenslücken, wie sie in jedem Text vorkommen, geschlossen werden. (vgl. Solmecke 1993: 18 ff.) So ist es möglich, durch logische Rückschlüsse auf Verbindungen zwischen verschiedenen Spracheinheiten, wie z.B. Silben und Wörtern, nicht Verstandenes oder Unbekanntes zu „erraten“ und so auch unvollständig wahrgenommene Sätze vollständig zu verstehen. (vgl. Hedge 2003: 230 f.) Zum Beispiel hören wir „Mr. and --- Miller“ und wissen, dass es „Mr. and Mrs. Miller“ heißen muss und schließen somit durch Inferieren die Verstehenslücke. Natürlich wird auch hinsichtlich des Inhalts inferiert. Das Inferieren ist vor allem bei der Interpretation eines Textes eine unverzichtbare Strategie, da kein Text inhaltlich zu hundert Prozent vollständig ist und diese Lückenhaftigkeit nur durch das Inferieren durch den Rezipienten geschlossen werden kann.

In der Rezeptionsästhetik spricht man davon, dass der Leser die ‚Leerstellen’ eines Textes schließt und somit auch als ‚Co-Produzent’ des Textes bezeichnet werden kann. (vgl. Iser 1994: 262 f. ) Das kann in diesem Fall auch uneingeschränkt auf den Hörer bezogen werden. Besonders hilfreich beim Inferieren, aber auch beim Antizipieren, sind nonverbale visuelle und auditive Elemente wie die Körpersprache, Mimik Gestik oder Intonation des Sprechers sowie andere Hinweise aus dem Kontext des Hörtextes, die den Hörtext unterstützen (zum Beispiel Bilder, Realia, Situation). (vgl. Ur 1984: 28 ff.)

Doch nicht nur das kompetente Erschließen von nicht Geäußertem oder nicht Verstandenem muss etabliert werden, sondern der Hörer muss außerdem entscheiden, ob eine Information, je nach Verstehensabsicht, relevant ist oder nicht, um den Gedächtnisspeicher nicht zu überlasten. Dazu gehört auch der Umgang mit Redundanzen. (vgl. Solmecke 1993: 14 f.) Da Sprache redundant ist, das heißt Informationen oft in gleichem oder anderem Wortlaut wiederholt werden, muss der Hörer wiederholte Informationen erkennen und aussortieren um sie nicht zweimal zu verarbeiten. Die dadurch gewonnene Verarbeitungszeit nutzt der geübte Hörer um andere relevante Informationen zu verarbeiten. (vgl. McDonough/Shaw 2003: 134 f.)

Der Hörer muss also auf den Kontext des Hörtextes eingehen, in dem er Rückschlüsse zieht und vorausdeutet, einen Zusammenhang zwischen dem Gesagten und dem Unausgesprochenen herstellt um einzelne Aussagen in der Gesamtheit des Gehörten zu verstehen. Es findet eine aktive Auseinandersetzung des Hörers mit dem Hörtext, bzw. eine Interaktion zwischen Text und Hörer statt, die auf dem gemeinsamen Wissen von Sprecher und Hörer, aber auch auf den individuellen Voraussetzungen und Fähigkeiten des Hörers basiert. Aus dieser Interaktion sollte im Idealfall ein Verständnis des Hörtextes resultieren, welches individuell verschieden sein kann. Je größer hierbei der gemeinsame „Wissenspool“ von Textproduzent und Rezipient ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Hörer den Text so interpretiert wie er vom Sprecher gemeint war.

Wurde ein Text verstanden und interpretiert, ist der Verstehensprozess jedoch noch nicht beendet. Die finale Stufe des Textverstehens ist die Evaluation des Textes, auf die eine persönliche Reaktion auf den Text folgt, indem die gewonnenen, möglicherweise neuen Erkenntnisse, nun in das bereits vorhandene Wissen integriert werden können. Dabei werden bereits vorhandene Schemata verändert, ergänzt oder durch neue Erkenntnisse verworfen. Der Text wirkt sich also, sofern er zur einer Veränderung der Wissensbestände des Hörers führt, nachhaltig auf diesen aus und kann als Grundlage für die eigene Text- beziehungsweise Sprachproduktion dienen. (vgl. Solmecke 1993: 21 f.)

2.1.5 Probleme beim Hörverstehen in der Zweit- und Fremdsprache

Die oben beschriebene Vorgehensweise beim Verstehen eines Textes ist natürlich der Idealfall und in der Realität je nach Text, Situation und den individuellen Fähigkeiten des Hörers mehr oder weniger erfolgreich durchführbar. Da auf die richtige Art von Text und das richtige Vermittlungsverfahren im weiteren Verlauf der Arbeit noch ausführlich eingegangen wird, sollen in diesem Kapitel hauptsächlich die Probleme die vom Hörer ausgehen, dargestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Hörer auch verschiedene Voraussetzungen mitbringen und hier nur auf durchschnittliche Tendenzen eingegangen werden kann.

Grundlegend ist erst einmal festzuhalten, dass je öfter sich ein Empfänger eines Textes mit dem Textverstehen beschäftigt, das heißt umso routinierter er im Umgang mit Texten ist (egal ob in der Muttersprache, Zweit- oder Fremdsprache), umso leichter fällt ihm das Textverstehen. (vgl. Solmecke 1993: 13;16) Insofern ist es sinnvoll, das Hörverstehen sowohl in Muttersprache, als auch im Besonderen in der Zweit- und Fremdsprache, so häufig wie möglich zu trainieren. Der eigentliche Dekodiervorgang bzw. die Inhaltsentnahme des Textes, sowie die Hörverstehensstrategien sind beim routinierten Hörer automatisiert und für ihn mit weniger Aufwand und Anstrengung sowie mit größerer Richtigkeit zu bewältigen, wodurch Analyse und Evaluation des Textes auf einem höheren Niveau stattfinden können.

Daraus lässt sich schließen, dass aufgrund fehlender Routine, das fremdsprachliche Hörverstehen im Allgemeinen viel anstrengender ist, da mehr Konzentration nötig ist, und wahrscheinlich auch weniger etabliert ist als das muttersprachliche Hörverstehen. Diese Probleme beginnen bei der Segmentierung des Lautstroms, setzen sich fort bei der Kategorisierung und Bedeutungszuordnung der grammatikalischen Einheiten und können schließlich in einer Fehlinterpretation des Textes resultieren. Das liegt meist, dass der Hörer nicht genügend linguistische Kenntnisse der Fremdsprache hat, was seinen Dekodiervorgang beeinträchtigt.

Aus phonologischer Sicht bedeutet das, dass der Fremdsprachenlerner Laute oder Lautsequenzen nicht korrekt wahrnimmt, da sie in seiner Muttersprache nicht existieren und er sie in der Fremdsprache noch nicht erworben hat beziehungsweise aufgrund von Dialekten oder Akzenten, oder im Englischen häufig vorkommenden Verschleifungen von Lauten und Lautfolgen, nicht wieder erkennt. ( vgl. Ur 1984: 11 f.) Auch die mangelnde Vertrautheit mit der fremdsprachlichen Betonung und Intonation sowie dem Sprachrhythmus, sprachliche Eigenschaften, die im Englischen sehr variieren, können einerseits das Erfassen bestimmter Phoneme und andererseits das Verstehen des Gemeinten erschweren. (vgl. Ur 1984: 12 f.) Ein weiteres linguistisches Problem ist, dass der Lautstrom aufgrund seines schnellen Tempos, nicht korrekt segmentiert werden kann, da Wortgrenzen nicht deutlich herausgehört werden können. Dies ist einerseits wieder ein phonologisches Problem, andererseits aber auch das Resultat fehlender lexikalischer und syntaktischer Kenntnisse, wodurch schließlich auch bei der Bedeutungszuordnung der Wörter Probleme entstehen. (vgl. Poelmans 2003: 21). Häufig konzentrieren sich Fremdsprachenlerner unter diesen Umständen darauf, jedes einzelne Wort zu verstehen, anstatt die allgemeine Aussage des Textes zu erfassen, was die Schwierigkeiten noch gravierender macht. Der bottom-up Prozess beansprucht dabei die Kapazität des Hörers so stark, dass der top-down Prozess fast überhaupt nicht mehr stattfinden kann, was in diesem Moment zu einem totalen Zusammenbruch des Hörverstehensprozesses führen kann. (vgl. Poelmans 2003: 22) Aus diesem Grund ist es der Kommunikationsabsicht wegen wichtig, auch im Unterricht besonders das globale Textverstehen (listening for gist) zu trainieren.

Bei diesem listening for gist ist es vor allem wichtig, dass die oben genannten Verstehensstrategien geübt werden, welche dafür sorgen, dass mögliche Lücken im Verstehensprozess geschlossen werden können. Dazu müssen die Lernern den Umgang mit den das Verstehen erschwerenden Charakteristika der Sprache (z.B. Redundanz, Lückenhaftigkeit) lernen, ihnen müssen Redemittel in der Fremdsprache zur Verfügung stehen, um sich zum Verständnis äußern zu können, und ihnen müssen sowohl inhaltsbezogene als auch soziokulturelle Grundlagen vermittelt werden. Denn auch wenn die Segmentierung des Lautstroms und die Bedeutungszuordnung der Wörter erfolgreich und korrekt verlaufen, besteht die Gefahr einer Fehlinterpretation des Gesagten, wenn soziokulturelle Unterschiede nicht berücksichtigt werden oder ein zu kleiner gemeinsamer „Wissenspool“ vorhanden ist. (vgl. Elsner 2007: 194 f.) Das bedeutet, dass die Themen vom Lehrer nach den Kenntnissen der Kinder gewählt werden müssen und dass bereits vorhandenes Wissen aktiviert werden muss.

Schließlich können auch affektive und motivationale Faktoren, Schwierigkeiten beim Hörverstehen in der Fremdsprache auslösen oder verschlimmern. (vgl. Hedge 2003: 237) Desinteresse, zum Beispiel aufgrund des Themas, kann dazu führen, dass der Schüler aus Demotivation nicht aufmerksam oder gar nicht zuhört. Viel gravierender ist jedoch mangelndes Selbstbewusstsein bezüglich der Fremdsprache oder Stress verursachender Leistungsdruck, welche bereits im Lerner vorhanden sein oder durch eine unvorteilhafte Lernsituation (Material, Aufgabe, Lehrer etc.) ausgelöst werden können. Beide emotionalen Zustände können zu einer Überforderung der Schüler mit der Situation und so zu Demotivation, Angst und schließlich zu Lernblockaden oder zu hoher Fehlerproduktion beim Hörverstehen führen. Es sollte deshalb besonders darauf geachtet werden, dass die Lernsituation so stressfrei wie möglich ist, damit sich die Lerner nicht überfordert fühlen.

[...]


[1] Hier und im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Begriffe ‚Fremdsprache’ und ‚Englisch’ gleichermaßen verwendet, jedoch wird zwischen Erstspracherwerb (Mutterspracherwerb), Zweitspracherwerb (natürlicher Fremdspracherwerb) und Fremdspracherwerb (schulisches Fremdsprachenlernen) und den dazugehörigen Sprachbegriffen unterschieden. (siehe Kapitel 2.2)aufrn Zusammenhang mit der Sprac Prozesse ndetchiedenscheidung heutzutage zu verschwimmen scheint. in Zusammenhang mit der Sprac

[2] Aus diesem Grund stammt ein Großteil der in dieser Arbeit verwendeten Fachliteratur zum Hörverstehen aus den 70er und 80er Jahren.

[3] In dieser Arbeit entstammen diese Richtlinien dem ‚Rahmenplan Grundschule des Landes Hessen` von 1995 und der dazugehörigen ‚Orientierungshilfe zur Leistungsbeurteilung und –bewertung im Fach Englisch in der Grundschule’ von 2004 (siehe Literaturverzeichnis).

[4] Die Begriffe Fremdspracherwerb und Fremdsprachenlernen werden in dieser Arbeit nicht kontrastiv verwendet, denn „Die Sprachentwicklung folgt in der Erst- und in der Zweitsprache demselben Muster. Sie wird durch das Lehren nicht beeinflusst. (Bleyhl 2000: 22)

[5] Dies impliziert, dass sich die Begriffe „Text“ und „Textverstehen“ hier und im weiteren Verlauf der Arbeit ausschließlich auf Hörtexte und Hörverstehen beziehen, wenn nicht anders gekennzeichnet.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Hörverstehenstraining im Anfangsunterricht Englisch in der Grundschule
Untertitel
Theoretische Grundlagen und ihre Bedeutung für die Praxis
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Neuere Philologien - Institut für England und Amerkastudien)
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
76
Katalognummer
V115958
ISBN (eBook)
9783640179916
ISBN (Buch)
9783640179954
Dateigröße
1020 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hörverstehenstraining, Anfangsunterricht, Englisch, Grundschule
Arbeit zitieren
Manja Neubert (Autor:in), 2008, Hörverstehenstraining im Anfangsunterricht Englisch in der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115958

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