Bietet die Rational-Choice-Theorie im Bezug auf das Wahlparadoxon überzeugende Lösungsansätze?


Hausarbeit, 2006

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. DER RATIONALE WÄHLER BEI DOWNS

3. DAS WAHLPARADOXON

4. LÖSUNGSANSÄTZE
4.1 Erweiterung der Modellannahmen
4.1.1 Der langfristige Nutzen der Wahlbeteiligung
4.1.2 Psychische Gratifikation
4.1.3 Neubewertung der Kosten des Wählens
4.2 Spieltheoretische Lösungsversuche
4.2.1 Wählen als Katz-und-Maus-Spiel
4.2.2 Minimizing Maximum Regret
4.3 Einschränkung des Geltungsbereichs

5. ZUSAMMENFASSUNG

LITERATURVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Rational Choice hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr zu einem wichtigen Forschungsprogramm entwickelt. Die Übernahme von Annahmen aus der Ökonomie macht es auch den Sozialwissenschaften möglich, mit einfachen und sparsamen Modellen und unter Einbeziehung individueller Handlungen Makro- Phänomene zu erklären. Die Verknüpfung von Rational-Choice-Grundannahmen mit der traditionellen Politik-wissenschaft führte zur neuen Forschungsrichtung der Ökonomischen Theorie der Politik, auch Public Choice genannt. Mit diesem Programm wird es möglich, politische Prozesse mit Hilfe wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu verstehen, zu erklären und zu prognostizieren (vgl. Braun 1999: 53).

Anthony Downs hat mit seinem bereits 1957 erschienenen Werk „An Economic Theory Of Democracy“ einen Grundstein für die Schule der ökonomischen Theorie der Politik gelegt. In dem Buch analysiert Downs die in einer Demokratie wesentlichen Akteure und erklärt ihr Verhalten und somit die Existenz der Demokratie auf der Grundlage des aus der Ökonomie bekannten Homo Oeconomicus. Durch den methodologischen Individualismus wird es möglich, Makro-Phänomene in der Politik durch das Handeln rationaler, nutzenmaximierender Akteure zu erklären.

Bei der Erklärung der Wahlbeteiligung stößt Downs allerdings auf ein Problem. Da es sich bei der Wahl einer Regierung um ein Kollektivgut handelt, ist es für rationale Akteure im ökonomischen Sinne nicht rational, sich an der Bereitstellung des Gutes, also an der Wahl, zu beteiligen. Die empirische Wirklichkeit zeigt aber mit relativ hohen Wahlbeteiligungsquoten ein ganz anderes Bild auf. Dieser Widerspruch ist in der Literatur als Downs’sches Wahlparadoxon bekannt.

Welche Bedeutung dem Wahlparadoxon in der Folgezeit zukam – und immer noch zukommt – ist schon allein an den zahlreichen Werken verschiedenster Autoren zu erkennen, die sich mit dem Wahlparadoxon beschäftigt haben. Downs selbst und viele nach ihm haben mehr oder weniger erfolgreich versucht, der Auflösung des Paradoxons näher zu kommen.

Wenn Downs bei der Konstruktion seines Modells nur ein Fehler unterlaufen ist, müsste das Problem durch Ummodellierung zu lösen sein, ohne dass der Kern der Rational-Choice-Theorie verletzt wird. Sollte dies nicht möglich sein, könnte das Wahlparadoxon ernsthafte Konsequenzen für das gesamte Forschungsprogramm Rational Choice haben. Wenn Rational Choice nämlich die Wahlbeteiligung – ein überaus bedeutendes Makro-Phänomen der Politik – nicht erklären kann, kann es auch seinen allgemeinen Geltungsanspruch für politische Phänomene nicht halten. In dieser Hausarbeit werde ich mich mit den verschiedenen Versuchen beschäftigen, die sich über die Jahre mit der Auflösung des Wahlparadoxon befasst haben. Dazu werde ich zunächst wichtige Grundannahmen Downs’ zum rationalen Wähler erläutern und anschließend das Wahlparadoxon darstellen. Im zweiten Teil werde ich einige Lösungsansätze vorstellen und kritisch analysieren, ob und inwieweit sie in der Lage sind, das Wahlparadoxon aufzulösen. Dabei werde ich mich, um den Rahmen dieser Hausarbeit nicht zu sprengen, auf einige wenige konzentrieren. Bei meiner Auswahl habe ich mich auf die meiner Meinung nach wichtigsten und auch in der Literatur meist zitierten Lösungsansätze beschränkt. Abschließend werde ich die Ergebnisse der Analyse der Auflösungsversuche kurz zusammenfassen.

2. DER RATIONALE WÄHLER BEI DOWNS

Nach Anthony Downs besteht der demokratische Prozess im Wesentlichen aus zwei Komponenten: den Parteien, die versuchen, möglichst viele Wählerstimmen auf sich zu vereinen, und den Wählern, die nach rationalen Gesichtspunkten beurteilen, ob, und wenn ja wen, sie wählen. Die Wähler wollen den Nutzen, den sie von der zukünftigen Regierung erwarten, maximieren. Rationalität bezieht sich hierbei ausschließlich auf die Mittelwahl, nicht auf die Ziele selbst (vgl. Downs 1968: 4ff). Um überhaupt zu Aussagen über den rationalen Wähler zu kommen, schränkt Downs den Zielbereich auf wirtschaftliche und politische Ziele ein:

„Wenn es rational ist, sich aus Prestigegründen an einer Wahl zu beteiligen, warum ist dann nicht auch rational zu wählen, um seinem Arbeitgeber oder seiner Freundin eine Freude zu machen? Bald wird dann jedes beliebige Verhalten rational, weil ja jeder Akt ein Mittel zur Erreichung irgendeines Zwecks ist, dem der Handelnde einen Wert zuschreibt. Um dieser sterilen Schlussfolgerung zu entgehen, haben wir nur Handlungen, die auf rein politische oder ökonomische Zwecke gerichtet sind, als rational betrachtet“ (Downs 1968: 271).

Mit dieser engen Definition von Rationalität konstruiert Downs einen abstrakten Homo Politicus, der dem Modell des Homo Oeconomicus in den Wirtschaftswissenschaften entspricht. Diese wohlbewusste und künstliche Reduktion soll dazu dienen, zu Prognosen über das Wahlverhalten zu kommen. (vgl. Braun 1999: 62)

Downs konstruiert also zunächst ein Idealbild: Den rationalen nutzenmaximierenden Wähler, der weiß, welche Ziele er hat, welche Möglichkeiten ihm zur Erreichung dieser Ziele offen stehen und welche Folgen die jeweilige Entscheidung für eine dieser Möglichkeiten haben wird. Er ist vollständig informiert und hat dabei keinerlei Kosten für Informationssuche und -verarbeitung zu tragen.

Vor dem Hintergrund dieser Annahmen bildet der rationale Wähler nun ein Parteiendifferential. Dem Nutzen, den die Regierungspartei in der letzten Legislaturperiode erbracht hat, wird der hypothetische Nutzen gegenübergestellt, den die Oppositionspartei erzielt hätte, wenn sie an der Macht gewesen wäre. Mathematisch gesehen subtrahiert man vom Nutzen, den man von der Regierungspartei erhalten hat, den Nutzen, den die Oppositionspartei erbracht hätte. Ist das Ergebnis größer Null wird der Wähler der Regierungspartei seine Stimme geben, ist das Ergebnis kleiner Null der Oppositionspartei. Wenn das Ergebnis gleich Null ist, ist der Wähler indifferent und wird sich der Stimme enthalten. Um die zukünftige Legislaturperiode in die Überlegungen mit einzubeziehen, wird ein Trendfaktor einberechnet. Wenn es sich nicht um ein Zwei- sondern ein Mehrparteiensystem handelt, müssen zudem mehrere Parteiendifferentiale gebildet werden, wobei auch die Möglichkeit von Koalitionsregierungen berücksichtigt werden muss (vgl. Mensch 1999: 68ff).

Welche Partei der Wähler präferiert, ist jedoch hier nicht das zentrale Thema, weswegen ich es nicht weiter ausführen werde.

3. DAS WAHLPARADOXON

Downs ist sich durchaus bewusst, dass die Annahme der vollständigen Informiertheit nicht aufrechterhalten werden kann. Die Beschaffung und Verarbeitung von Informationen verursacht also Kosten, die in ein Verhältnis zum Nutzen des Wählens gesetzt werden müssen (vgl. Braun 1999: 67). Es werden, um diese Kosten möglichst gering zu halten, vom Wähler hauptsächlich Informationen ausgewählt, die geringe oder keine Kosten verursachen. Kosten entstehen aber auch durch den Wahlgang selbst. Man muss sich zum Beispiel an die Wahl erinnern, sich auf den Weg machen etc. und investiert dabei vor allem Zeit, möglicherweise auch Geld und Kraft. Dadurch, dass der Wähler Zeit investiert, in der er auch etwas anderes hätte tun können, entstehen ihm so genannte Opportunitätskosten (vgl. Mensch 1999: 71f). Tugendhafte Wähler, die intrinsisch motiviert sind, sich Informationen zu beschaffen und an der Wahl teilzunehmen, gibt es dem rationalen Modell nach nicht (vgl. Braun 1999: 68f).

Bis jetzt birgt das Modell keine Schwierigkeiten. Der Wähler wägt Kosten und Nutzen ab, und wenn der Nutzen die Kosten übersteigt, geht er zur Wahl. Informationskosten treten zwar auf, können jedoch beispielsweise durch Nutzung kostenloser Informationen soweit reduziert werden, dass es sich trotzdem lohnt, zur Wahl zu gehen.

Bei der Wahl einer Regierung handelt es sich aber um ein Kollektivgutproblem. Der Nutzen, den der Wähler durch den Sieg der bevorzugten Partei erfährt, darf deshalb nicht von der eigenen Stimmvergabe abhängig gemacht werden. Er kommt erst zustande, wenn die Mehrheit der Wähler der Partei ihre Stimme gibt (vgl. Mensch 1999: 72). Die eigene Stimme ist also nur dann von Bedeutung, wenn sie die Wahl entscheiden, also ein Patt brechen oder erzeugen kann. Die Situation, die entscheidende Wahlstimme zu haben, kommt aber nur sehr selten vor. Laut Downs ist in einer Demokratie der „…Stimmzettel des Einzelnen nur ein Topfen im Ozean“ (Downs 1968: 238). Damit verändern sich die Kosten-Nutzen-Relationen des Wählers. Die Kosten müssen nun am Stimmwert gemessen werden, also daran, wie entscheidend die Stimme eines Wählers für die Wahl ist (vgl. Braun 1999: 68).

Der individuelle Nettonutzen (N), den der Wähler durch den Wahlgang erfährt, setzt sich also zusammen aus dem Nutzen, den er durch die Regierungstätigkeit der favorisierten Partei erfahren wird (B), gewichtet mit der Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Stimme wahlentscheidend ist (p) und den Kosten (C). Daraus ergibt sich folgende Gleichung:

N = p*B – C

Ein rationaler Wähler wird nur zur Wahl gehen, wenn der Nettonutzen positiv ist. Auch wenn die Kosten sehr niedrig gehalten werden können, geht die Wahrscheinlichkeit, die entscheidende Wahlstimme zu haben, bei Millionen von Wählern aber gegen Null. Die Kosten übertreffen somit den Nutzen des Wählens. Rational wäre es also, nicht wählen zu gehen.

Wenn nun jeder rational handelt, würde keiner zur Wahl gehen. Zu diesem Schluss könnte ja auch der Wähler selbst kommen. Mit jedem anderen Wähler, der zu Hause bleibt, steigt dann der eigene Stimmwert, so dass es sich wiederum lohnt, zu wählen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Bietet die Rational-Choice-Theorie im Bezug auf das Wahlparadoxon überzeugende Lösungsansätze?
Hochschule
Universität Stuttgart
Veranstaltung
Proseminar: Rational Choice-Ansätze in der Politikwissenschaft
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V115882
ISBN (eBook)
9783640174478
ISBN (Buch)
9783640278091
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bietet, Rational-Choice-Theorie, Bezug, Wahlparadoxon, Lösungsansätze, Proseminar, Rational, Choice-Ansätze, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Elke Vetter (Autor:in), 2006, Bietet die Rational-Choice-Theorie im Bezug auf das Wahlparadoxon überzeugende Lösungsansätze?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115882

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