Die Auslandsberichterstattung internationaler Tageszeitungen am Beispiel von Le Monde


Term Paper (Advanced seminar), 2001

57 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


INHALT

1. EINLEITUNG

2. LEMONDE; PORTR;T
2.1.Geschichte
2.2.Le Monde heute

3.INHALTSANALYSE
3.1.Methodische berlegungen
3.2.Makroanalyse
3.2.1.Hypothesen
3.2.2.Kategorien und Messung
3.2.3.Auswertung
3.3.Mikroanalyse
3.3.1.Ereignisskizze
3.3.2.Hypothesen
3.3.3.Kategorien und Messung
3.3.4.Auswertung

4.SCHLUSS

5.LITERATUR

6. ANHANG; MAKRO

7.ANHANGMIKRO

1.Einleitung

Wie berichten die groen Zeitungen dieser Welt ber das Ausland? Der vorliegende Text soll diese Frage in Bezug auf die franzsische Zeitung Le Monde beantworten. Als Methode dient eine ; in zwei Schritten durchgefhrte - Inhaltsanalyse. Dabei wird zuerst die allgemeine Auslandsberichterstattung der Zeitung im Januar 2000, danach die Beitrge zum Thema Tschetschenien unter die Lupe genommen. Ziel des Gesamtprojektes ist, die Basis fr einen Zeitungsvergleich zu legen, ohne dabei die Eigenheiten der einzelnen Zeitungen ; verursacht durch ihre unterschiedlichen Vertriebsstrukturen und ihre Geschichte, sowie ein jeweils spezifisches sozio-kulturelles und politisches Umfeld ; aus dem Blick zu verlieren.

Internationale Tageszeitungen sind das Fenster zur Welt fr ein inlndisches Publikum. Sie verfgen in der Regel ber ein dichtes Korrespondentennetz, meist mit einigen Prferenzregionen, die zum Herkunftsland der Zeitung eine besondere Beziehung haben. Gleichzeitig werden sie von auslndischen Eliten gelesen, die sich ber Ereignisse im Erscheinungsland der Zeitung informieren wollen. Ein Teil ihrer Auflage wird, meist ber Abonnements, im Ausland verkauft. Tendenziell liegen die Schwerpunkte dieser Zeitungen also auf der Information ber national und international bedeutsame Ereignisse. Bei der Analyse des Auslandsteils der Zeitung ist also darauf zu achten, dass dieser Teil in erster Linie von den Prferenzen der Inlnder und der Medienlandschaft im Erscheinungsland der einzelnen Zeitungen bestimmt wird. Daraus lassen sich erste Fragen ableiten: Wie stark ist das Ausland in der Berichterstattung im Allgemeinen und wie stark in den einzelnen Rubriken vertreten? Welche Funktion haben Auslandsberichte im Blatt? Tauchen sie nur auf, um die Auenpolitik des eigenen Landes zu erklren, oder werden auch Ereignisse erwhnt, die nichts mit Frankreich zu tun haben? Sind manche Lnder vielleicht nur mit bestimmten Themen prsent? Welche Nachrichtenfaktoren werden wirksam, wenn Nhe oder Betroffenheit nur eine untergeordnete Rolle spielen?

Da internationale Tageszeitungen eine gewisse Meinungsfhrerschaft im eigenen Land beanspruchen, kann man vermuten, dass es eine Verbindung zwischen dem Weltbild der Zeitung und nationalen Klischees und Vorurteilen gibt. Ein Vergleich zwischen weltanschaulich verschieden positionierten Zeitungen in Frankreich ; etwa Le Monde, Le Figaro und Libration; knnte deshalb helfen festzustellen, was an Le Monde nur typisch franzsisch ist und was ein Charakterzug der Zeitung.

2.Le Monde Portrt

2.1. Geschichte

Unter den internationalen Tageszeitungen gehrt Le Monde zu den spt geborenen. Sie wurde erst im Herbst 1944 gegrndet, kurz nach dem Ende der deutschen Besatzung in Frankreich. Mitinitiator war der Chef der provisorischen Regierung Charles de Gaulle. Eine international anerkannte Zeitung ; ein journal de rfrence ; war Teil seines Programms, um in Frankreich wieder eine zivile Autoritt durchzusetzen. Auerdem wollte er so den anderen Alliierten zu beweisen, dass Frankreich in die Konstruktion einer Nachkriegsordnung als gleichberechtigter Partner eingebunden werden musste.

Das Jahr 1944 markiert eine vllige Umbildung der franzsischen Zeitungslandschaft. Von 206 franzsischen Tageszeitungen durften 28 nach dem Krieg wieder erscheinen, darunter Le Figaro 1. Alle brigen galten als Untersttzer des Vichy-Regimes und wurden verboten2. Ziel der anfangs sehr restriktiven Pressepolitik war es, die Medien nach dem Krieg vom Einfluss der Konzerne frei zu halten. Dieser wird bei den Zeitungen der III. Republik im Allgemeinen beklagt. Die aus der Rsistance heraus entstandenen Bltter waren oft an politische Parteien gebunden3. Ihre Parteilichkeit, ihre finanzielle Instabilitt und geringe Reichweite machte sie ungeeignet fr die Rolle eines journal de rfrence. Die neue Zeitung entstand nach dem Bild von Le Temps, eine der groen brgerlichen Zeitungen der III. Republik und lange Zeit inoffizielles Sprachrohr des Quai dOrsay. Le Monde erbte von Le Temps nicht nur die Druckerei und die Redaktionsgebude, sondern auch einen Teil der Redaktion. Vermutlich erbte sie damit in den Augen von de Gaulle auch deren Aufgabe: Seit dem Moment, als in Le Monde zum ersten Mal Kritik an de Gaulles Politik erschien, war das Verhltnis gestrt. Spter wendete sich der General lieber ber das Fernsehen an alle Franzosen4.

In den ersten Monaten verfgte de Gaulle ber eine Machtflle, wie sie weder in der IV. noch in der V. Republik von einem einzelnen wieder erreicht wurde. Diese Macht beruhte in erster Linie auf einem Konsens zwischen Parteien und Bewegungen der Rsistance bis zur

der Deutschen in der das Erscheinen eingestellt werden musste, berschreitet Le Temps nur um drei Tage. Vermutlich hat de Gaulle bei Festlegung der Frist darauf geachtet, dass Le Figaro wieder erscheinen kann Le Temps jedoch nicht.

Wiedererrichtung einer stabilen staatlichen Ordnung. Eine Spiegel dieses Konsens ist auch die erste Redaktion neuen Referenz-Zeitung: Der erste Direktor Hubert Beuve-Mry, Katholik und ehemaliger Rsistant, in erster Linie aber fhiger Journalist, hatte vor dem Krieg als Korrespondent von Le Temps in Prag gearbeitet. Neben ihm kamen insgesamt etwa 30 Journalisten aus der Redaktion von Le Temps, darunter Rmy Roure5, Andr Chnebenoit6,

Robert Gauthier7. Die beiden anderen Mitglieder der Direktion waren neu: der Professor fr

Recht und konomie Ren Courtin und Christian Funck-Brentano, ehemaliges Mitglied von de Gaulles Kabinett in Algier. Auch die spteren Chefredakteure Jacques Fauvet und Andr Fontaine kamen erst in den Jahren 1944 und 1945 hinzu.

Le Monde schrieb von Anfang an fr eine Elite. Das zeigte sich schon an ihrer Preispolitik ; sie kostete immer etwas mehr als alle anderen. Das zeigte sich auch direkt nach dem Krieg an ihrer Reaktion auf die Verknappung des Papierkontingentes ; sie halbierte die Auflage an Stelle der Seitenzahl. Diese Elite bestand nicht nur aus Politikern sondern auch wichtigen Akteuren des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Deshalb definierte sich Le Monde in erster Linie ber die Politikberichterstattung. Berichte ber das Ausland hatten lange Zeit sogar einen festen Platz auf der Titelseite: das Bulletin de ltranger 8 . Anders als ihre Vorgngerin, lie sie sich ihre Themen allerdings nicht von der Politik diktieren. Wichtig fr das Profil der Zeitung war auch die Kultur, die mit Redakteuren wie mile Henriot und Robert Kemp9 ganz an Le Temps anknpfte. Von Anfang an rumte Le Monde auch intellektuellen und politischen Debatten viel Raum ein. In den 70er Jahren bekamen diese in Les Grilles du temps fr eine Weile sogar eine Rubrik auf dem Titel. Heute ergreifen unter Point de vue auf Seite Eins Experten und Intellektuelle das Wort. Ebenfalls eine inhaltliche Konstante ist die Verffentlichung von wichtigen Dokumenten in extenso, heute vor allem unter der Rubrik Verbatim. Den Erfolg dieser Strategie zeigten schon frh die Leserzahlen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

quautour de moi. Quand vous avez pris un chemin different [Anspielung auf das zweite Referendum zur Verfassung im Jahr 1946], jai su que vous ntiez pas des miens.

Eigentlich als Leiter vorgesehen, aber da er bei der Grndung noch in Deutschland im Gefngnis sa, wird er statt dessen Politikchef ab 1945.

die verkaufte Auflage lag zwischen 1945 und 1952 konstant bei etwa 150 000 Exemplaren10 und stieg bis 1968 kontinuierlich an.

Wie stark der Einfluss von Le Monde von ihren Gegnern wahrgenommen wurde, zeigen zwei Gegenprojekte: Le Temps de Paris (1956) und Les Dbats de ce Temps (1957). Die Anspielung an Le Temps ist kein Zufall. Sie sollten ehemalige Leser ansprechen, die sich mit der Nachfolgezeitung nicht identifizieren konnten. Beide Projekte fanden Untersttzer in der Industrie, denen Le Monde zu links war. Fr eine ernsthafte Konkurrenz gengte es aber offensichtlich nicht, rechter zu sein. Beide Zeitungen wurden nach kurzer Zeit eingestellt11. Das Gewicht von Le Monde im Ausland lsst sich anhand einer anderen Episode illustrieren. Im Jahr 1948 schickte Auenminister Georges Bidault ein Schreiben an alle diplomatischen Vertretungen, in dem er betonte, dass Le Monde unabhngig von der Regierung sei und deshalb auch ihre Kommentare nicht die Meinung der franzsischen Diplomatie wiedergben12. Das Schreiben lsst erahnen, welche Rolle die Zeitung unter Diplomaten spielte.

Bei der Wahrnehmung von Le Monde fllt eine Eigentmlichkeit ins Auge: Beuve-Mry bezeichnet in einem Radiointerview die Zeitung als anti-pouvoir13, andere Autoren betonen die Unabhngigkeit des Blattes gegenber der Politik und entdecken als einzige Konstante die Kritik am Prsidenten14. Le Monde erscheint dabei nicht nur als unabhngig von der Regierung, sondern fast schon prinzipiell in der Opposition. ber weite Strecken geht die Berichterstattung jedoch konform mit den Entscheidungen der Mitte- oder Mitte-Links- Regierungen der IV. Republik, spter auch bedingt mit Charles de Gaulles Algerienpolitik (1958) und seiner Haltung zur NATO. Das Blatt schreibt fr den Austritt der Kommunisten aus der Regierung und fr den Erhalt des franzsischen Kolonialreiches unter dem Dach der

Union franaise. In der Auenpolitik feiert Le Monde die Explosion der ersten Atombombe als eine wissenschaftliche Revolution15, steht dem Marschallplan eher positiv gegenber, ebenso dem Schumann-Plan zur Grndung einer Montanunion mit Deutschland16. Dabei bewahrt die Zeitung ein grundstzliches Misstrauen gegen den groen Nachbarn, das auch

1989 noch zu spren ist. Le Monde wird von Studentenrevolte 1968 ebenso berrascht, wie Prsident de Gaulle oder die Vertreter der groen Parteien17. Es bleibt festzuhalten, dass politische Stellungnahmen in den Leitartikeln von Le Monde sich oft nicht sehr vom politischen Mainstream unterscheiden.

Worauf grndet sich dann das Prestige von Le Monde als unabhngige Gegenkraft? Jacques Thibau sieht den wichtigsten Grund in der Haltung der Zeitung gegen den Nord-Atlantikpakt. Beuve-Mry wollte ein starkes von den Supermchten unabhngiges Europa18. Er fhrte die Idee vom neutralen Europa in die ffentliche Diskussion ein, als die politische Landschaft Frankreichs durch die Polarisierung zwischen rechts und links gekennzeichnet war. Die sogenannte Neutralittsthese sorgte auch in der Redaktion fr heftige Diskussionen, die 1950 zur ersten groen Krise eskalierten. Ren Courtin und Christian Funck-Brentano zogen sich zurck. Hubert Beuve-Mry gab seine Position ab, wurde auf Druck der Redakteure aber wieder eingesetzt. Die Krise fhrt zu einer wichtigen Vernderung der Entscheidungsstrukturen. Die Redakteure bildeten im Innern der GmbH (SARL) ; Le Monde einen Redakteursrat, ber den sie unter anderem an der Wahl des Direktors beteiligt wurden. Wirklich sprbar wurde ihr Einfluss erst nach einer zweiten Reform im Jahr 1968 19. Die Strukturreformen strkten die Rechte der Angestellten gegenber den Besitzern der Zeitung. Auch das war ein wichtiges Element der Unabhngigkeit: Le Monde konnte nicht ; wie Le Figaro 1971 ; an einen groen Medienkonzerne wie Robert Hersant verkauft werden.

Neben dem Ost-West-Konflikt sind die dominierenden Themen der 50er und 60er Jahre wohl zum einen die ; im Vergleich zum deutschen Wirtschaftswunder ; nur langsam anlaufende Modernisierung Frankreichs20, zum anderen der Algerienkrieg. Le Monde, schreibt Jacques Thibau, attend dun rgime politique quil rponde la lgalit, la moralit, lefficacit.21 Wenn man diesen Satz als Urteilsmastab der Zeitung akzeptiert, dann lsst sich folgendes feststellen: Le Monde untersttzte die Regierungen der IV. Republik immer dann, wenn sie eine Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft realisierten (Paul

Zeitungen folgen. Beuve-Mry begrndet das: Les modifications ont un double objet.[...] En second lieu, accentuer toujours davantage le caractre communautre dune socit que ne se jamais propos lappropriation dventuels bnfices, mais sest toujours efforce dtre en mme temps quune entreprise prive une sorte de service public, dinstitut de libre information et de libre rflexion.

Ramadier, Pierre Mends France). Die Rckkehr Charles de Gaulles wurde untersttzt, da er Stabilitt und eine schnelle Lsung des Algerienkrieges versprach22. Le Monde war natrlich gegen den Krieg. Wenn die franzsische Armee folterte und die Generle in Algerien sich immer weniger um die politische Autoritt kmmerten, wenn eine Minderheit von Algerienfranzosen es schaffte, ihrem Mutterland eine Politik aufzuzwingen, dann war das weder gesetzlich noch moralisch. Auerdem bot der Krieg einen Vorwand zur empfindlichen Einschrnkung der Pressefreiheit. Allein 1958 wurde die in Algerien erscheinende Auflage von Le Monde 37 Mal beschlagnahmt23. Mit dem Ende des Krieges fand Le Monde eines ihrer groen Themen jedoch im Kampf gegen die Gefahr einer autoritren Herrschaft, die in der Prsidialverfassung der V. Republik angelegt ist.

Im Verlauf der 60er Jahre wurde Le Monde zu einer Institution. Diese Position verdankte sie der Geburtshilfe durch die Politik, der persnlichen Unabhngigkeit ihres Grnders und einem politischen Kurs, der weitgehend in bereinstimmung mit den groen Strmungen der franzsischen Gesellschaft war, ohne dabei den eigenen Charakter zu verlieren. Gemessen am Anstieg der Verkaufszahlen erlebte Le Monde die erfolgreichste Periode von 1955 bis 1968. Die Verkufe nherten sich immer mehr denen von Le Figaro (1955: ca. 120 000 Ex., 1968: ca. 350 000 Ex.)24. Zu Beginn der 70er Jahre wurde ungefhr ein Fnftel der Auflage im Ausland gelesen, bis zum Beginn der 80er Jahre stieg dieser Anteil auf etwa dreiig Prozent an25. Die starke Ausstrahlung in die Provinz (1971: 57 % der Gesamtauflage) machten Le Monde zur nationalsten Tageszeitung des Landes26. Gleichzeitig mit der Auflage wuchs auch die Seitenzahl. Eine neue Druckerei in St. Denis ermglichte den Druck von bis zu 32 Seiten pro Exemplar. Neben der Tageszeitung entstanden weitere Verffentlichungen zu Spezialthemen: Le Monde diplomatique (1954 ), le Monde de lducation (1974), Dossiers et Documents (1973) und Le Monde des philatlistes, Le Monde de la musique (1978) . Eine wchentliche Ausgabe, die die wichtigsten Artikel der Tagesausgaben zusammenfasste, erschien ab 1969 auch in Englisch. Die englische Ausgabe wurde ab August 1971 ein Teil des Guardian Weekly. Eine weitere Kooperation mit internationalen Tageszeitungen bestand seit

Februar 1972 in Form einer Beilage, die Le Monde zusammen mit den Zeitungen Die Welt, La Stampa und The Times 27 herausbrachte.

Auf dem Hhepunkt des kommerziellen Erfolges 1969 ging Hubert Beuve-Mry in den Ruhestand. Nachfolger wurde Jacques Fauvet. Doch die Tradition der Institution Le Monde rumt ihrem Grnder bis heute einen herausragenden Platz ein: So heit ein Gebude der Druckerei in Ivry Sirius28, Beuve-Mry hat als Grnder immer noch einen Platz auf dem Titel. Wenn Andr Fontaine 1996 die besten Titelseiten der letzten 52 Jahre verffentlicht, dann geschieht das nicht ohne im Vorwort den Geist Beuve-Mrys zu beschwren ; echte und behauptete Kontinuitt durch alle ;nderungen hindurch29.

Nach der politischen Befreiung Frankreichs 1945, schien 1968 die Befreiung des Individuums anzukndigen. Doch die 70er Jahre waren fr die Macher von Le Monde eine Enttuschung. Gesellschaftliche Reformen wurden durch die lange Wirtschaftskrise gebremst. Die V. Republik, die nach berzeugung der Redakteure zu sehr auf de Gaulle zugeschnitten war, um nach ihm weiter zu bestehen, erfreute sich unter Pompidou und Giscard dEstaing bester Gesundheit. Die Vereinigung der linken Parteien zerschlug sich 1978 ohne die regierenden Konservativen abgelst zu haben. Zum Machtwechsel kam es dann erst 1981. Enttuschend wenig Bewegung auch in den internationalen Beziehungen: Trotzt Aufnahme von Grobritannien, Irland und Dnemark 1972 wurden sie europischen Institutionen kaum weiterentwickelt. Die Entspannung zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion fhrte, nach den Worten von Andr Fontaine, nur dazu, das Wettrsten vom quantitativen in den qualitativen Bereich zu verlagern30.

Unter Jacques Fauvet stand die Zeitung deutlich weiter links als unter Beuve-Mry und verteidigte die Brger gegen den Staat. Das brachte sie in Verdacht, in Frankreich die Linksradikalen und in ihrer Auslandsberichterstattung den Weltkommunismus zu untersttzen. Der wichtigste Grund fr die Vorwrfe war allerdings derselbe wie in den 50er Jahren: Le Monde schrieb auch unter Jacques Fauvet gegen den Nord-Atlantikpakt und eine enge Anbindung Europas an die Vereinigten Staaten. Das war auch der Grund fr den Start des vorerst letzten Konkurrenzprojektes zu Le Monde im September 1977. ;hnlich folgen-

und erfolglos wie seine Vorgnger, wurde Jinforme nach wenigen Ausgaben wieder eingestellt31.

Die Wirtschaftskrise der 70er Jahre lie auch die Medien nicht unberhrt. Eine Tageszeitung herauszubringen war seit Ende des Krieges immer teurer geworden. So berlebte fast keine der 1968 entstandenen Zeitungen. Eine Ausnahme ist Libration von Jean Paul Sartre. Die etablierten Bltter reagierten auf die steigenden Kosten, indem sie zum einen versuchten, die Auflage zu steigern und sich zum anderen zu Medienkonzernen zusammenschlossen. Le Monde blieb unabhngig. Im Jahr 1977 verzeichnete Le Monde die hchste Auflage aller Pariser Tageszeitungen32 und gleichzeitig das erste Defizit. Dieses Defizit sollte noch ansteigen, bis 1980 auf 7,5 Millionen Francs33. Grund dafr waren und sind vor allem die hohen Kosten: Die Seitenzahl pro Exemplar hatte sich bis in die 70er Jahre erheblich erhht. Zwischen 1972 und 1973 stieg der Preis fr Papier auf fast das Doppelte34. Hinzu kamen starke Lohnerhhungen nach dem Grenelle-Vertrgen von 1968 und die zunehmende Konkurrenz um Werbegelder durch das Fernsehen. Generell leidet die Pariser Presse unter dem Einfluss und der Streikbereitschaft der Gewerkschaft Le Livre und den hohen Preisen fr die Verteilung durch die Nouvelles Messageries de la Presse Parisienne. Abonnements gibt es kaum. Die Zeitungen haben deshalb weniger Planungssicherheit als groe deutsche Zeitungen und hohe Zusatzkosten durch die unverkauften Exemplare35.

Zum ersten Mal stellte sich Ende der 70er Jahre neben den finanziellen Schwierigkeiten das Problem der Nachfolge. Anders als Beuve-Mry konnte Jacques Fauvet seinen Nachfolger nicht mehr selbst einsetzen. Die Redaktion entschied darber mit einer Zwei-Drittelmehrheit. Der Streit wurde hauptschlich zwischen Claude Julien36 und Jacques Amalric37 ausgetragen, beide vor allem durch ihre Auslandsberichte profiliert. Dabei handelte sich nicht nur um einen persnlichen sondern auch um einen ideologischen Konflikt. Von Julien war eher einer Fortsetzung der antiamerikanischen Haltung zu erwarten, whrend Amalric Amerika deutlich positiver gegenber stand. Chefredakteur wurde jedoch Andr Laurens, der es sich zur

Aufgabe machte, das Journal auf einen weniger ideologischen Kurs zu lenken. Er scheiterte jedoch schon zwei Jahre spter am immer weiter wachsenden Defizit der Zeitung.

Zwischen 1981 und 1985 nahm die Auflage der Zeitung zum ersten Mal mehrere Jahre hintereinander ab. Vielleicht lag das ja daran, dass Le Monde zum ersten Mal seit langem einer Regierung wieder grundstzlich positiv gegenberstand, und ihre Leser damit noch nicht umgehen konnten. Laurens Nachfolger Andr Fontaine startete einen Plan zur finanziellen Erholung des Unternehmens. Zwischen 1985 und 1987 erlebte Le Monde eine Phase starker Strukturreformen. Fontaine suchte auerhalb der Zeitung Mglichkeiten der Finanzierung und fand sie zum einen bei den Lesern, zum anderen bei einigen groen franzsischen Firmen. Parallel zur Erhhung des Kapitalstockes, begannen auch die Auflage und die Einknfte aus der Werbung wieder zu steigen. Le Monde baute 1989 zusammen mit Hachette eine moderne Druckerei in Ivry. Die Strukturreformen erklren nicht den Anstieg der Auflage: Den begrndet Jacques Thibau durch die immer wichtigere Rolle des investigativen Journalismus. Die Bedeutung, die dieser in den vergangenen 15 Jahren fr Le Monde gewonnen hat, zeigt schon die Tatsache, dass der derzeitige Chefredakteur Edwy Plenel sich besonders ber Enthllungsjournalismus profiliert hat. Le Monde wird dadurch strker als zuvor zu einem Akteur des politischen Lebens, eine Entwicklung die Plenel positiv bewertet: Nous sommes aussi acteurs, impliqus par nos commentaires, nos reportages, nos enqutes qui minimisent tel fait, en grossirent un autre, en oublient un troisime. Nous pouvons tre honntes, nous ne serons jamais objectifs38. Unter Andr Fontaine ndert sich auch die Aufmachung des Titels: Plantu bekommt regelmig seinen Platz auf der ersten Seite.

Zwischen 1991 und 1995 fiel die Auflage aufs neue39. Den Finanzschwierigkeiten begegnete Jean-Marie Colombani, Direktor seit 1995, mit einer neuen Strukturreform, die noch umfangreicher war als die erste. Aus der GmbH wurde eine Aktiengesellschaft. Belegschaft und Grnder hielten in dieser Aktiengesellschaft noch etwas mehr als 50 Prozent der Aktien, die Gesellschaft der Leser und die beteiligten Firmen den Rest40. Auerdem verfgt er eine umfangreiche Layoutnderung, die zur besseren Lesbarkeit betrgt und etwas mehr Farbe ; insbesondere auf dem Titel ; unterbringt. Einen Bruch mit der Tradition stellt die neue Aufmachung vor allem in einem Punkt dar: Das Bulletin de ltranger verschwand ab 1995

nicht: Les moyens de vivre ne peuvent lemporter sur la raison de vivre quest lindpendance. (Thibau, S. 471)

im Innenteil und wurde zum normalen Editorial, in dem auch innenpolitische Themen behandelt werden. Ist das Ausland deshalb weniger wichtig? Oder taucht es vielleicht nur in anderer Form auf?

2.2.Le Monde heute

* erscheint tglich (auer sonntags), 13 Uhr, datiert auf den jeweils folgenden Tag41

* Preis 7,50 FF

* Erscheinungsort: Paris

* Verlag: AG Le Monde

* Personal: ca. 1.000 Mitarbeiter, davon 274 Journalisten und Grafiker (incl. vier festen Karikaturisten und 19 Auslandskorrespondenten)

* Leitlinien: "mieux comprendre le statut du monde"/ Transparenz & Ausfhrlichkeit

* Aufbau:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Layout:

9 wenig Farbe und kaum Fotos, und wenn dann vor allem auf dem Titel und in den

bunten Rubriken (Horizonte, Heute, Kultur)

10 Karikaturen wichtig im gesamten Politikteil

11 tglich gleicher Aufbau der Titelseite (neun Artikel, darunter der Aufmacher und ein Kommentar)

12 Nachrichten und Meinungen stehen zum groen Teil auf unterschiedlichen Seiten (International/ France ; Horizonts/ Analyses/ Dbats)

* Auslandsberichterstattung: ausfhrlich, sehr Deutschland-fixiert

* Agenturen: AFP/ Reuter/ Associated Press/ United Press International/ Itar-Tass

* Presseschau: "Dans la Presse" (Print, Radio, Fernsehen)

* Seitenumfang: max. 40 Seiten

* Korrespondenten:

Europa: 9

USA: 3 (UNO+NY + DC)

Ruland, Israel, China, Japan, Sdasien /Indien, Sdost-Asien, Elfenbeinkste/ Afrika: je 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Wirtschaftliches Umfeld:

- im Jahr 1990 ist Le Monde das zehntgrte Medienunternehmen Frankreichs42
- Auflagezahlen der groen franzsischen Tageszeitungen 1999 43

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Supplements: montags - TV/Radio/ dienstags ; Wirtschaft/ mittwochs ; Stellenanzeigen/ donnerstag - ADEN (Kulturbeilage fr Paris)/ freitags ; Le Monde des livres

* Le Monde spcialis: Le Monde diplomatique (Wirtschaft, Poitik, Internationales)/ Le Monde des philatlistes/ Le Monde de lducation (Bildung, Kultur, Geisteswissenschaften)/ Dossiers et Documents (Texte aus Le Monde)/ Dossiers et Documents littraires (je ein Thema und ein Autor)/ Slection hebdomadaire (nur im Ausland)

* Ausland:

44.ooo Exemplare werden in 146 Lndern ber Abonnement bzw. am Kiosk gekauft

- die meistgekaufte franzsische Tageszeitung auerhalb Frankreichs

* Abonnements: 130.000 Abonnenten (Anstieg von 13% zwischen 1994 und 1998)

*Le Monde interactif:

9 Le Monde interactif ist seit 1998 die Multimedia-Sparte von Le Monde

10 seit 1995 ist die Zeitung im Internet (ab 9. Mai 1998 Umstrukturierung des gesamten Angebotes)

11 direkter und kostenloser Zugriff auf Artikel, die nicht lter als drei Tages sind/ einige Artikel sind in Dossiers geordnet und so lnger auf dem Server verfgbar

12 kostenpflichtiges Archiv (alle Artikel seit 1987)

13 Chat/ kostenlose eMail-Adresse/ Webfernsehen

14 Newsletter zu bestimmten Themen (Kino, Kunst, neue Technologien, Brsenkurse)

[...]


1 Yves Guillauma, La presse en France, Paris 1990, S. 19: Le Figaro berlebte als einziges Organ der brgerlichen Rechten.

2 Histoire gnrale de la Presse Fran aise, Bd. 1, Paris 1975, S. 286: Die Frist von 15 Tagen nach dem Einmarsch

3 Die Zulassung wurde eher Blttern gewehrt, hinter denen eine Organisation stand.

4 Hubert Beuve-Mry, Onze ans de rgne, 1958-1969, Paris 1974, S. 10-11: Il y a quinze ans, je croyais comme aujourdhui, que les institutions de la France devoient tre rformes, transformes et que cela ne pouvait se faire

5 Jacques Thibau, Le Monde 1944-1996. Histoire dun journal ; und journal dans lHistoire, Paris 1996, S. 53:

6 Thibau, S. 53: Vor dem Krieg Chef des Kabinetts von Raymond Poincar, secrtaire gnral der Redaktion von Le Temps.

7 Thibau, S. 53: erster stellvertretender Chefredakteur von Le Monde.

8 La Une. Le Monde 1944-1996, Paris 1996: Das Bulletin, von Le Temps bernommen, blieb 50 Jahre fester Bestandteil der Titelseite. Erst im Rahmen der nouvelle formule von 1995 wurde es auf die Meinungsseiten im Innern versetzt. Heute werden im Editorial aber nicht mehr ausschlielich Auslandsthemen behandelt (Vorwort A. Fontaine).

9 Thibau, S. 239-41.

10 Zum Vergleich: 1999 waren es knapp 400 000 verkaufte Exemplare (Diffusion Contrle). Starke Schwankungen und Abstrze erlebten vor allem sogenannte Meinungsbltter wie Humanit (1947: 450 000 Ex., 1950: 200 000 Ex.; Zahlen nach Histoire gnrale de Presse franaise, Bd. 1, S. 357 und Jean-Marie Charon, La presse en France, S. 101).

11 Histoire gnrale de la presse franaise, Bd. 1, S. 429.

12 Zitiert in Thibau, S. 177, S. 434.

13 Zitiert in Thibau, S. 163.

14 Jean-Noel Jeanneney, S.205.

15 La Une, 8. August 1945.

16 Thibau, S. 115, S. 125f., S. 170ff., S. 183f., S. 309f.

17 Le Monde, 15. Mrz 1968: Quand la France sennuie (Pierre Viansson-Pont).

18 Zitiert in Histoire gnrale de la Presse franaise, S. 397: LEurope ne peut se passer du concours de lAmrique, mais elle ne peut lui abandonner son destin (Sirius, 17. Mrz 1949)

19 Le Monde ist die erste franzsische Zeitung, die den Journalisten ein Mitbestimmungsrecht einrumt. Andere

20 Beispiel in La Une, 8. Juni 1954.

21 Thibau, S. 123.

22 Siehe Sirius, le suicide de la IV. Rpublique, Paris 1958. Das Pseudonym stammt noch aus der Rsistance. Spter unterschrieb Beuve-Mry so seine politischen Kommentare.

23 Histoire gnrale de la Presse franaise, Bd. 2, S. 173: Wiederholt direkt in Frankreich beschlagnahmt werden

unter anderen Humanit, LExpress und Le Nouvel Observateur.

24 Charon, S. 101.

25 Patrick veno, Le Monde 1944-95. Histoire dune Entreprise de Presse, Paris 1996, S. 152.

26 Zahlen in Histoire Gnrale de la presse franaise, Bd. 2, S. 373.

27 Mit den denselben Partnern organisiert Le Monde ein Kolloquium 1973 in Paris, bei dem unter anderen auch Oberst Gaddafi zu Wort kommt. Internationale Zeitungen haben offensichtlich auch die Tendenz selbst Weltnachrichten zu produzieren.

28 HBMs Deckname in der Rsistance.

29 La Une, Vorwort.

30 Le Monde, 1. Juni 1980.

31 vgl. Thibau, S . 437: Hier ist nicht mehr der Vorgnger die Referenz sondern eine Zeitung, die ihr Publikum sachlich informiert, eine Aufgabe, der Le Monde nach Ansicht der Initiatoren nicht mehr nachkam. Finanziert wurde das Blatt u.a. von Paribas, LOral und Michelin.

32 Thibau, S. 444.

33 Guillauma, S. 34f.; 1993 sind es nach Jacques Thibau (S. 470) 40 Millionen Francs.

34 Histoire gnrale de la presse franaise, Bd. 2, S. 335.

35 Jeanneney, S. 209.

36 1980 von Jacques Fauvet zu seinem Nachfolger bestimmt, kommt es zwischen ihm und der Redaktion im Verlauf des Jahres 1981 zu mehreren Zusammensten, die dazu fhren, dass er zu Le Monde diplomatique wechselt.

37 Chef des Auslandsdienstes seit 1979.

38 Edwy Plenel, La part de lombre, Paris 1992, S. 20.

39 Thibau zieht eine Parallele zum Golfkrieg (S. 470). Dieser habe dazu gefhrt, dass sich die Brger von den Medien im Allgemeinen getuscht gefhlt htten. In der Mikroanalyse ist zu untersuchen, ob der Golfkrieg eventuell zum Vergleich herangezogen wird.

40 An Le Monde beteiligt sind heute Canal +, Havas, CLT, la Stampa. Hubert Beuve-Mry untersttzt die Reform

41 Soweit nicht anders angegeben, sind die Zahlen zu finden unter http://tout.lemonde.fr.

42 Guillauma, S. 86.

43 Tatschlich verkaufte Auflage nach Diffusion Contrle (http://www.diffusion-controle.com)

Excerpt out of 57 pages

Details

Title
Die Auslandsberichterstattung internationaler Tageszeitungen am Beispiel von Le Monde
College
University of Leipzig  (Institut für Kommunikations-und Medienwissenschaften)
Course
Internationale Tageszeitungen
Grade
1,3
Author
Year
2001
Pages
57
Catalog Number
V11579
ISBN (eBook)
9783638177016
File size
588 KB
Language
German
Keywords
Inhaltsanalyse
Quote paper
Kristin Klank (Author), 2001, Die Auslandsberichterstattung internationaler Tageszeitungen am Beispiel von Le Monde, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11579

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