Dancer in the Dark – Ein Dogma-Musical?

Musik im Dogma-Film


Hausarbeit, 2008

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Inhaltsangabe

3. Ein Dogma-Film namens „Dancer in the Dark“?
3.1. Das Dogma-Manifest (Dogma 95) und seine Umsetzung im Film
3.2. Diegetische Musik in DITD

4. Das Musical
4.1 DitD als Musical und dessen Legitimation
4.1 Die Musicalszenen in der Analyse
4.3. Selbstreferenz von Dancer in the Dark bezüglich Musik und Musical

5. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Dancer in the Dark, der im Jahr 2000 veröffentlichte Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier und dritter Teil seiner „Goldherzchen“-Trilogie, verbindet zwei auf den ersten Blick sehr gegensätzliche, ja geradezu konträre Genres: Das des klassischen Musicalfilms mit dem des radikalen Dogma-Films.

Von Trier als Gründer der Bewegung „Dogma 95“, einer Gruppe skandinavischer Regisseure, vertritt ab Mitte der 1990er Jahre eine neue, stark reglementierte Art des Filmemachens, die in den zehn Regeln des so genannten „Dogma-Manifestes“ formuliert sind und auch im vorliegenden Werk zu großen Teilen die stilistischen Parameter vorzugeben scheint. Jedoch montiert der Regisseur mehrere klassische Musical-Szenen in den ansonsten nahezu musikfreien Film und thematisiert das Musical als Genre mehrmals textuell, schafft so also den formalen Konflikt, der in dieser Arbeit erörtert werden soll: Ist „Dancer in the Dark“ ein Dogma-Film, ein Musical, ein Dogma-Musical oder eine anders zu nennende Mischform, und vor allem: Mit welcher Absicht konfrontiert von Trier diese beiden Genres?

Hierzu soll zuerst geklärt werden, welche Definitionen für die beiden Genres gelten und inwieweit der Film diese (in den jeweiligen Teilen) erfüllt. Die „normalen“ Szenen und die Musical-Szenen werden vorerst getrennt voneinander behandelt, um eine saubere Einordnung zu erreichen. Besondere Berücksichtigung erfahren dabei auch die autoreferentiellen Aussagen und Hinweise des Films bezüglich seiner Gattungseinordnung. Gleichzeitig soll untersucht werden, wie effizient von Trier mit minimalen, da durch den Dogma-Geist limitierten musikalischen Mitteln arbeitet.

Durch die Analyse der Musicalszenen und ihres Einsatzes im Film soll die Absicht hinter der Konfrontation der beiden oppositionellen Genres und ihrer musikalischen Komponenten aufgezeigt werden: Der Niedergang der Hauptdarstellerin, die sich mittels ihrer Musical-Tagträumen immer wieder aus einer stark reglementierten, an positiven Emotionen eher armen Welt extrahiert, findet darin sein formales Äquivalent. Ihr Eskapismus manifestiert sich in den Musical-Szenen, die raue Dogma-Ästhetik im Rest des Films jedoch steht dem als Realitätsentwurf gegenüber und unterstützt letztlich die Empathisierung des Rezipienten mit der Protagonistin. Der Gegensatz Musical versus Dogma-Film erscheint also nicht nur ästhetisch bewusst gewählt, sondern auch semantisch verankert und erfährt im Laufe des Filmes eine narrative Aufladung. Diese Arbeit soll demnach zeigen, dass der Tod der Protagonistin, also die finale Wende ihres Schicksals zur Tragödie hin, seinen Gegenpart nur im formalen Versagen der befreienden Macht des Musicals gegenüber der harten Realität des Dogma-Films finden kann, Musik also über die intertextuelle Metaebene der Genres zu semantischen Zwecken verwendet wird.

2. Inhaltsangabe

Die Handlung begleitet die tschechische Einwanderin Selma Jezkova (Björk) bei ihrem beschwerlichen Leben in den USA der 1960er Jahre. Sie muss einerseits ihren Sohn Gene (Vladica Kostic) versorgen, andererseits kämpft sie mit einer vererblichen Augenkrankheit, die sie langsam erblinden lässt. Bill (David Morse) und Linda (Cara Seymour), ein amerikanisches Ehepaar in den mittleren Jahren ohne Kinder, vermieten ihr einen kleinen Wohnwagen auf ihrem Grundstück. Bill ist ein einfacher Streifenpolizist, der seiner Frau Linda jedoch einen aufwändigen Lebensstil bieten will und deswegen eine Erbschaft erfindet. Während Selma in einer Fabrik an der Metallpresse Geld verdient, um ihrem Sohn eine rettende Augenoperation zu ermöglichen, und in einer Laien-Musicalproduktion die Hauptrolle übernimmt, freundet sie sich mit Cathy (Catherine Deneuve) und Jeff (Peter Stormare) an, der sich in sie verliebt. Als sie Bill von ihren geheimen Ersparnissen erzählt, bittet dieser sie erst um ihre Hilfe, da er die Lüge seiner Frau gegenüber aufrechterhalten muss, als sie jedoch ablehnt, nutzt er ihre Blindheit aus und bestiehlt sie. Quasi zeitgleich wird Selma in der Fabrik gekündigt, da ihr Augenlicht zu schwach geworden ist. Verzweifelt sucht sie Bill auf und es kommt zu einem Streit und einem Handgemenge, währenddessen Selma Bill mit seiner Dienstwaffe erschießt. Ihr gelingt es noch, zur Augenklinik zu fahren und dort im Voraus für Genes Operation zu bezahlen. Dann wird sie festgenommen, angeklagt und in einem, wegen ihrer Herkunft ideologisch aufgeladenen, Prozess zum Tode verurteilt. Obwohl sie eine Wiederaufnahme des Verfahrens erwirken könnte, weigert sie sich gegen die Versuche ihrer Freunde Cathy und Jeff, ihr zu helfen, da sie Genes Operation nicht gefährden möchte, und wird schließlich hingerichtet.

3. Ein Dogma-Film namens „Dancer in the Dark“?

3.1. Das Dogma-Manifest (Dogma 95) und seine Umsetzung im Film

Die Bewegung „Dogma 95“, also die Regisseure, die das Manifest 1995 veröffentlichte, bestand aus den vier „Dogma-Brüdern“ Lars von Trier, Thomas Vinterberg, Kristian Levring und Søren Kragh-Jacobsen. Die zehn Regeln waren als Antwort auf zunehmend artifizielle Stilistiken und Methoden der Filmproduktion gemeint. Eine neue Realistik sollte Einzug erhalten.

Die Gründer waren von Anfang an weniger eine feste Autorengruppe als vielmehr eine lose Verbindung, die durchaus Wert auf die klare Ausarbeitung eines jeweiligen persönlichen Stils legte, zu dessen Verwirklichung (und nicht Verhinderung) die pure Ästhetik des Dogma-Kinos beitragen sollte. Es verwundert also kaum, dass die drei Gründer schon nach kurzer Zeit Meinungsverschiedenheiten äußerten und das Dogma-Manifest unterschiedlich bewerteten.

Dennoch bildeten die zehn Regeln des ursprünglichen Manifestes die Grundlage für eine Reihe von international erfolgreichen Filmen, vor allem: „Das Fest“ (Thomas Vinterberg, 1998), „Dancer in the Dark“ und „Idioten“ (Lars von Trier, 1998).

„Die Regeln im Einzelnen lauteten:

1. Es darf nur an Originalschauplätzen gedreht werden. Sets und Requisiten dürfen nicht verwendet werden.
2. Der Ton darf nicht unabhängig vom Bild produziert werden oder umgekehrt.
3. Die Kamera muss von Hand geführt werden.
4. Der Film muss in Farbe gedreht werden. Zusätzliches Licht wird nicht akzeptiert. (...)
5. Optische Verfälschungen und Filter sind verboten.
6. Der Film darf keine oberflächliche Action enthalten.
7. Zeitliche und geographische Verfremdungen sind verboten. (Das heißt, der Film muss hier und jetzt spielen).
8. Genrefilme werden nicht akzeptiert.
9. Das Filmformat muss Academy 35mm sein.
10. Der Regisseur darf nicht genannt werden.“

(Müller (Hrsg.) 2001: 533).

Die Erklärung der drei Gründer, sich und ihr Schaffen diesen Regeln zu unterwerfen, nannten sie damals ein filmisches „Keuschheitsgelübde“[1]. Jedoch schwang von Anfang an nicht nur radikaler Erneuerungswillen und künstlerische Selbstdisziplin, sondern auch eine gewisse Selbstironie mit. Sogar die Gründer sahen die Dogma95-Bewegung irgendwo zwischen „Spiel und bitterem Ernst“ oszillieren (Thomas von Vinterberg zitiert in: Müller (Hrsg.) 2001: 530). Insofern stellt sich die Frage, ob „Dancer in the Dark“ überhaupt ein Dogma-Film ist.

Untersucht man „Dancer in the dark“ dahingehend, ob und wenn ja inwieweit der Film in Übereinstimmung mit den im Dogma-Manifest niedergelegten Regeln produziert wurde bzw. an welchen Stellen er davon abweicht, kommt man wie Marion Müller in ihrem Aufsatz „Lars von Trier nach Dogma 95: Dancer in the Dark“ zu dem klaren Schluss, es hier nicht mit einem Dogma-Film zu tun zu haben[2].

[...]


[1] Zur Dogma-Bewegung sei die offizielle Homepage www.dogme95.dk empfohlen, auf welcher sowohl das Manifest im vollständigen Wortlaut als auch weitere Informationen zur Dogma-Bewegung und ihres Wirkungskreises zu finden sind.

[2] Vgl. zur umfassenderen Bewertung von von Triers Werk auch Müller in Lorenz (Hrsg.) 2003: 209 ff.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Dancer in the Dark – Ein Dogma-Musical?
Untertitel
Musik im Dogma-Film
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, Prof. Dr. Hans Krah)
Veranstaltung
Proseminar "Musik und Film"
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V115745
ISBN (eBook)
9783640171026
ISBN (Buch)
9783640205042
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dancer, Dark, Dogma-Musical, Proseminar, Musik, Film
Arbeit zitieren
Friedemann Karig (Autor:in), 2008, Dancer in the Dark – Ein Dogma-Musical?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115745

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