Politische Rhetorik zwischen Normativität und Faktizität


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2008

18 Seiten, Note: "-"


Leseprobe


Inhalt

1. Problemstellung und Verlauf der Arbeit

2. Zentrale Begriffsbestimmungen: Moral, Ethik, politisches Handeln
2.1 Gesellschaftliche Moral und politische Ethik
2.2 Verantwortung und Gesinnung als ethische Handlungsorientierungen

3. Politische Ethik und politische Rhetorik
3.1 Moral als Wertorientierung der politischen Rhetorik
3.2 Politische Rhetorik als Legitimation der politischen Handlungen
3.3 . Politische Rhetorik als Gegenstand der Medienethik
3.4 Politische Rhetorik als Gegenstand einer ethischen Strukturtheorie
3.5 Politische Rhetorik als Gegenstand einer normativen Theorie

4. Ethische versus moralische Interpretation der öffentliche politischen Diskussionen
4.1 Ethische Implikationen der politischen Rhetorik
4.2 Moralische Implikationen der politischen Rhetorik

Fazit

1. Problemstellung und Verlauf der Arbeit

Politische Handlungsmotivation hat als Schlagwort der zeitgenössischen politischen Theorie in den vergangenen Jahren zunehmend an Popularität gewonnen. Aufbauend auf der Definition von Max Weber bezüglich der Unterscheidung zwischen der Gesinnung und der Verantwortung als Motivationsgrundlage des politischen Handelns ist das Phänomen der richtigen Handlungsorientierung insbesondere in den Debatten um soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Demokratie und im Hinblick auf die neuen medialen Formen der politischen Kommunikation ins Zentrum der politikwissenschaftlichen Analyse gerückt. Vor diesem Hintergrund dieser Debatten formieren sich die Fragen nach einer ethischen Fundierung des politischen Handelns in der Moderne. Dabei stehen Fragen danach im Mittelpunkt, wie faktisches politisches Handeln normativ gerechtfertigt werden kann.

Beispielhaft sollen problematische Fälle in den Blick genommen werden, bei denen sich die Frage stellt, ob auch solche Formen des praktischen politischen Handelns normativ gerechtfertigt werden können, die in scheinbaren Widerspruch zu den eigenen moralischen Prinzipien stehen, nämlich die mediale politische Kommunikation und ihr diskurstheoretische Anspruch auf Rationalität und Wahrhaftigkeit.

Bei der Begriffsverwendungen der Moral, der politischen Ethik und der politischen Rhetorik und der Zuordnung der Handlungsfolgen herrscht eine Indifferenz, welcher Begriff welchem Handlungsbereich gerecht wird und welche normativen Implikationen die Handlungsorientierungen der Politiker beinhalten . Je nach Kontext wird von Öffentlichkeit, Transparenz oder Rücksichtslosigkeit gesprochen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht somit eine Rekonstruktion dieser Begriffe. Daran anschließend wird problem- und sachorientiert untersucht, welche Rolle die Handlungsorientierung im Kontext der politischen Rede, insbesondere in den Medien spielt. Schließlich wird die Frage beantwortet, ob es eher eine Ethik oder eine Moral ist, die der Forderung nach einem politischen Stil in der Sprache und Darstellung der politischen Rede gerecht wird. Dies schließt an die Frage an, wie mit der Forderung nach Verantwortlichkeit in der medialen Inszenierung der politischen Gesprächen umzugehen ist.

2. Zentrale Begriffsbestimmungen: Moral, Ethik, politisches Handeln

Viele Sozialphilosophen und Ethiker argumentieren durchgängig von einer Sichtweise aus, der zufolge Ethik als eine Theorie der Sittlichkeit und Moral als deren praktische Umsetzung wechselseitig aufeinander bezogen sind und folglich in einer theoretischen Beziehung zueinander stehen: „Moral und Ethik werden manchmal synonym, manchmal- und dies ist vor allem heutzutage in der Philosophie der Fall- so gebraucht, dass mit Moral das Sittliche selbst, mit Ethik eher die Theorie darüber gemeint ist…Ethik ist dann konkret zu definieren als ein System begründeter, von der Idee eines sinnvollen menschlichen Lebens geleiteter Aussagen über das richtige Verhalten bzw. Handeln unter Beachtung der entsprechenden Gesinnung und mit Ausrichtung auf entsprechende Institutionen und Strukturen, Moral als das solchen aussagen gemäße tatsächliche Verhalten und Handeln oder, kürzer ausgedrückt, als gelebte Ethik.“[1]. Die Ethik ist folglich die treibende Kraft, die zur Herausbildung der gesellschaftlichen Moral führt. Im Gefolge der fortschreitenden Modernisierung und der damit einhergehenden Pluralisierung der Werte findet nicht nur eine funktionale Ausdifferenzierung der Ethik in verschiedene Teilethiken statt, vielmehr verändern die mit der Ethik einhergehende moralische Werte ihren Sinngehalt: „In der modernen Gesellschaft muss politische Ethik mit Ambivalenz leben. Eine Gesellschaft, die sich als Risikogesellschaft begreift und Risikoprobleme in moralischen Codes behandelt, bildet offenkundig ein phantastisches Moralmilieu…Wer über das Verhältnis der Geschlechter, die Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, über politische Kultur oder über die Beseitigung und Vermeidung von Müll redet, kommt in einer Zeit der Auflösung traditioneller Sozialbeziehungen, der Fremdenfeindlichkeit, der politischen Skandale oder des Dioxins um moralische Begriffe wie Solidarität, Toleranz, Achtung, Glaubwürdigkeit oder Verantwortung nicht herum.“[2]

2.1 Gesellschaftliche Moral und politische Ethik

Die ethische Fundierung politischer Handlungen darf jedoch nicht allein auf allgemein gesellschaftlich gültige moralische Normen zurückgeführt werden, denn die Grundsätze der gesellschaftlichen Normen basieren auf gemeinsame fundamentale Überzeugungen, die sich aus Geschichte und Tradition herausgebildet haben: „Dieser Standpunkt ist dadurch charakterisiert, dass das gemeinwohldienliche oder auch altruistische Verhalten im Ganzen von einer Verhaltensänderung der Individuen erwartet wird…nach ihm sind die Menschen als einzelne, d. h. als Privatpersonen verpflichtet, bestimmte moralische Normen eines kulturell, traditional oder national eingegrenzten Geltungsbereichs zu befolgen.“[3] Die Grundsätze der gesellschaftlichen Moral lassen sich nicht als eine politische Moral konzipieren. Dies hat mehrere Gründe.

Die Gültigkeit von politischen ethischen Überzeugungen hängt nicht nur von der Annerkennung unterschiedlicher ethischer Überzeugungen ab, sondern auch ganz wesentlich von den gegenwärtigen Bedingungen der Politik, die auch im Widerspruch von moralischen Grundüberzeugungen stehen können: „Ein zu behandelndes Spannungsfeld zwischen Politik und Moral liegt darin, dass sich auf dem Gebiet der der Politik als des interessensgeleiteten Kampfes um die rechte Ordnung mit Mitteln der Macht insbesondere Weise die harte Wirklichkeit des Lebens zeigt, der gerecht zu werden den Normen und Weisungen der Ethik nicht so leicht gelingt, sind doch diese in gewisser Weise immer wider von der Wirklichkeit des Lebens abgehoben, also abstrakter Natur.“[4].

Die Politik ist folglich nicht moralfrei, vielmehr enthält sie eigene moralische Werte. An die Stelle einer durch Geschichte und Tradition hergeleiteten allgemeinen ethischen und moralischen Norm treten spezielle Vorstellungen bezüglich Gesetzesgehorsam oder staatsbürgerlichen Pflichten und die allgemeine gesellschaftliche Moral übernimmt die Aufgabe der Überprüfung der politischen Geschehnisse: „Gerade in der breiten öffentlichen Aufarbeitung der Skandale in der Demokratie kommt die Selbstreinigungskraft der Demokratie zum Ausdruck. Nicht zuletzt in der Hoffnung auf solche Selbstreinigungskräfte stellt sich angesichts der bisher zutage getretenen Gegensatz- bzw. Spannungsverhältnisses von Politik und Moral die Frage nach den tieferen Gründen dieser Spannung.“[5].

Es besteht kein Zweifel darüber, dass die politischen Geschehnisse sowie ihre Mittel im Ringen um die Durchsetzung spezifischer Interessen stets neu hinterfragt werden müssen. Eine politische Ethik ist daher eine praktische Forderung. Es geht also darum, die Handlungen und Motive der Politiker aus einer ethischen Perspektive zu reflektieren und zu bewerten.

2.2 Verantwortung und Gesinnung als ethische Handlungsorientierungen

Der Sinn ethischer politischer Werte erschließt sich aus der Reflexion der Handlungsmotive der Politiker. Max Weber ist in diesem Zusammenhang der Frage nachgegangen, welchen Motiven Politiker in ihrem Handeln folgen und wie sie ihre eigene Verantwortung im Hinblick auf die politischen und gesellschaftlichen Folgen ihres Handelns wahrnehmen: „Da liegt der entscheidende Punkt. Wir müssen uns klarmachen, dass alles ethisch orientierte Handeln unter zwei voneinander grundverschiedenen, unaustragbar gegensätzlichen Maximen stehen kann: es kann gesinnungsethisch oder verantwortungsethisch orientiert sein…Aber es ist ein abgrundtiefer Gegensatz, ab man unter der gesinungsethischen Maxime handelt…oder unter der verantwortungsethischen: das man für die voraussehbaren Folgen seines Handelns aufzukommen hat.“[6].

Verantwortung und Gesinnung als zwei unterschiedliche Motive des politischen Handelns schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus, es muss vielmehr in theoretischer Hinsicht argumentiert werden, dass Verantwortungsübernahme für die Handlungen ja eine richtige Gesinnung voraussetzt: „Denn reine Gesinnungsethik wäre keine Ethik, sowie auch reine Verantwortungsethik keine Ethik wäre, weil eine Verantwortung eine entsprechende Gesinnung bedarf und weil eine richtige Gesinnung auch den Blick auf die Folgen zu richten hat. Für die politische Ethik ist eine gesinnungsmäßig fundierte Verantwortungsethik besonders wichtig. Bei richtiger Gesinnung bleibt die subjektive Rechtschaffenheit trotz negativer Folgen, die man entweder nicht vorhergesehen hat oder nicht direkt gewollt, sondern aus entsprechenden Gründen nur in Kauf genommen hat.“[7].

Im Spannungsfeld zwischen der Eigenverantwortlichkeit der Folgen der Handlungen einerseits und der Gemeinwohlorientierung andererseits steht also auch die gesellschaftliche Erwartungshaltung, dass die Handlungen nicht nur am Gemeinwohl orientiert sind, sondern dass den Handelnden, d. h. den Politikern diese Verantwortung für das Gemeinwesen auch bewusst ist.

3. Politische Ethik und politische Rhetorik

Ethische Vorstellungen der Politiker sowie deren Handlungsmotivationen entziehen sich der direkten Beobachtung. Diese Vorstellungen erschließen sich jedoch aus der politischen Konstruktion von Entscheidungen, die in der modernen Demokratie in öffentlichen medialen Diskussionen und Dialogen deutlich werden. Die politische Ethik bezieht sich somit sowohl auf die individuelle Handlungsorientierung als auch auf den gemeinschaftlichen Aspekt, denn Kommunikation setzt eine Vergesellschaftung des Subjektes voraus: „Moralische Normen, die der paradoxen Situation des Individuums gerecht werden wollen, müssen also beide dimensionen der Vergesellschaftung entgegenkommen. Sie sollen erstens Individualisierung ermöglichen, d. h. die Unantastbarkeit der vergesellschafteten Individuen zur Geltung bringen. Sie sollen zweitens Vergesellschaftung ermöglichen, d. h. die intersubjektiven Bedingungen reziproker Anerkennung schützen.“[8]

3.1 Moral als Wertorientierung der politischen Rhetorik

Wenn Politiker versuchen, bestimmte Entscheidungen und Ziele in der Öffentlichkeit zu legitimieren, so werden diese Entscheidungen von ihnen nicht nur politisch, sondern auch moralisch begründet. Hierbei stellt sich die Frage, wie sich politische und moralische Argumente gegenseitig beeinflussen, wie die politischen Interessen definiert werden und wie politische und moralische Argumente miteinander in Einklang gebracht werden: „Die meisten wichtigen Gesetze werden moralisch begründet und moralisch angefochten, ob es sich um die Erhöhung des Kindergeldes handelt oder um die Erhöhung der Verzugszinsen im Geschäftsverkehr. Die drei Prinzipien der französischen Revolution, die als Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität die Grundwerte europäischer Demokratien ausmachen, haben einen moralischen Beiklang…wo also darüber gestritten wird, ob etwas der Freiheit diene, Gerechtigkeit schaffe oder Solidarität fördere, ist immer Moral im Spiel. Die Politik kennt keinen moralfreien Raum.“[9].

Zum anderen wird Moral in den Reden der Politiker auch rhetorisch konstruiert, in dem die Analyse von Entscheidungen und Interessenslagen durch Schuldzuschreibungen, moralischen Typisierungen oder überlagert wird: „Immer dann, wenn die politische Sachdebatte unangemessen moralisiert wird, wenn also nicht mehr das Richtige vom Falschen, sondern die Bösen von den Guten zu unterscheiden sind, hat die politische Moral keine Chance mehr. Schon die Moralisierung selbst ist meist unmoralisch.“[10].

Moral stellt folglich in den politischen Debatten eine Wertorientierung dar, die sowohl in den Argumenten der Debatten zu finden sind als auch dass Moral selbst als Wert vermittelt wird. Durch gezielte Rhetorik wird folglich Moral vermittelt und gleichzeitig stellt die Rhetorik Gegenstand moralischer Debatten dar.

[...]


[1] Zsifkovits, 1989: 13

[2] Henkenborg, 1998: 448

[3] Becker, 1985: 3

[4] Zsifkovits, 1989: 94

[5] Zsifkovits, 1989: 12

[6] Weber, 1980: 551, 552

[7] Zsifkovits, 1989: 111

[8] Henkenborg, 1998: 457

[9] Eppler, 2003: 17

[10] Eppler, 2003: 19

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Politische Rhetorik zwischen Normativität und Faktizität
Note
"-"
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V115661
ISBN (eBook)
9783640167173
ISBN (Buch)
9783640167319
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politische, Rhetorik, Normativität, Faktizität, Thema Redeanalyse
Arbeit zitieren
Birgit Schröer (Autor:in), 2008, Politische Rhetorik zwischen Normativität und Faktizität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115661

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