Welche Relevanz hat der Begriff von menschlicher Willensfreiheit für die Frage der Schuld?


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Nicht- Existenz der Willensfreiheit am Beispiel von David Hume

3. Nulla poena sine culpa- Das Schuldprinzip
3.1. § 20 des StGB
3.2. Freier Wille und Strafrecht: Streitgespräch

4. Zwischenfazit

5. Hirnforschung statt Erkenntnistheorie

6. Strafe ohne Schuld
6.1. Die Präventionsstrafe

7. Schluss

Bibliographie:

1. Einleitung

Die Frage danach, ob der menschliche Wille frei oder determiniert ist, beschäftigt seit jeher die Philosophie. Die Beantwortung dieser Frage ist in jedem Fall folgenschwer, denn sie macht grundlegende Aussagen über das Wesen des Menschen und von ihr hängt ab, wie weit dem Menschen Verantwortung für seine Taten übertragen werden kann.

Es ist so, dass man unterstellen kann, alle Menschen der Vergangenheit und der Gegenwart empfinden sehr sensibel, ob ihnen Unrecht getan wird oder ob Recht waltet. Jeder Mensch, selbst ein mehrfacher Mörder, verabscheut in seinem Wesen Ungerechtigkeit ihm selbst gegenüber. Der einfachste Gedanke wäre wohl der, dass Menschen das vermeiden, was sie selbst verabscheuen. In diesem Fall ungerechtes Handeln. Warum ist das nicht so? Stattdessen wird unser Zusammenleben von Gesetzen geregelt, die den Menschen vor dem Menschen schützen. Zumindest kann man sich fragen, ob der Mensch einfach unfrei ist und nicht anders handeln kann und wenn ja, was steht über ihm und beeinflusst ihn und sein Handeln?

Mit David Humes Theorie soll eine traditionelle philosophische Position dargestellt werden. Gleichzeitig soll erfahrbar sein, ob diese Theorie noch in der Gegenwart Geltung haben kann und wie der Einfluss der Frage nach der Willensfreiheit aus philosophischer Sicht, auf die Schuld in den jüngeren Rechtswissenschaften hat.

2. Die Nicht- Existenz der Willensfreiheit am Beispiel von David Hume

Im Achten Abschnitt Über Freiheit und Notwendigkeit in der Untersuchung über den menschlichen Verstand, erläutert Hume, dass es zwar Handlungs- aber keine Willensfreiheit für den Menschen gibt. Mit seiner Definition der Notwendigkeit gibt er einen gewissen Blickwinkel auf die Willensfreiheit.

Hume minimiert nicht direkt die Bedeutung der Frage nach der Willensfreiheit, doch stellt er heraus, dass es lediglich durch ungleichen Sprachgebrauch kontroverse Antworten auf sie gibt. Eigentlich stimmen alle Menschen darin überein, dass das menschliche Handeln einem Ursache- Wirkungsprinzip unterliegt. Die Ursache ergibt sich aus der Notwendigkeit, welche auf der Erfahrung beruht, „dass […] ein Ereignis dann Ursache eines anderen ist, wenn es mit dem anderen regelmäßig auftritt und dann, wenn es nicht auftritt, auch die Wirkung nicht eintritt […]“[1]

Dieses Kausalitätsprinzip ist auf das menschliche Handeln und auch den Willen zu übertragen. Die Ursache für menschliches Handeln sind Motive und Umstände.

Hume spricht sich gegen den Zufall aus. Überraschende Taten sind nicht frei von Ursachen, sondern sie haben unbekannte Ursachen, beispielsweise des Charakters oder der Situation, die noch erklärt werden müssen.

Eine konsequente Verursachtheit aller Ereignisse und auch des menschlichen Willens gehört zur Basis der Hume´schen Theorie und stellt eine deterministische Position dar. Freiheit ist aber nach Hume nicht Unverursachtheit, denn so wäre alles zufällig. Dies ist unmöglich da die Menschen dem Kausalitätsprinzip zustimmen und von ihm ausgehen. Freiheit ist das Gegenteil von Zwang, impliziert aber dennoch die Notwendigkeit.

Freiheit bedeutet, so handeln zu können wie man will, „die Macht, den Willensregungen entsprechend zu handeln [...]“[2]

Hier stellt sich die Frage, dass wenn es Freiheit bedeutet, dem Willen gemäß zu handeln, ob dies dann automatisch impliziert entgegen dem Willen handeln zu können? Mit Hume müsste man dies verneinen. Der Wille ist determiniert, das heißt, man kann keine Verantwortung dafür übernehmen, wenn man etwas will, beispielsweise etwas, das gegen das Gesetz verstößt. Dies müsste für den Handelnden nach Hume bedeuten, seine Motive so zu verändern, dass ein anderer Wille entsteht, so dass der Mensch anders handelt. Wenn dem so ist, findet sich hier ein Ansatz für die Verantwortlichkeit des Menschen für seine Taten, denn er hat die Fähigkeit „sein Tun durch Überlegung zu veranlassen, zu determinieren […]“.[3] Dies müsste streng genommen bedeuten, dass der Mensch das Kausalitätsprinzip für sich beeinflussen kann.

Hinsichtlich der moralischen Übel (Verbrechen etc.) meint Hume, dass der menschliche Geist von Natur aus so beschaffen ist, dass er beim Auftreten bestimmter Eigenschaften, Anlagen und Handlungen, sofort das Gefühl der Billigung oder des Tadels empfindet;[4]

Gemäß dem Fall, dass jemand vor einer Handlung das Gefühl des Tadels hinnimmt und diese Handlung ausführt, ist er als verantwortlich anzuerkennen, denn er hätte mit einer anderen Handlung seiner Wünsche entsprechend handeln können. Dazu hätte er seine Motive ändern müssen.

Demnach setzt hier das Strafsystem an. Strafe als Veränderung von Motiven. Hier betont Schlick, der den Gedanken Humes folgt: „ Die Frage nach dem Verantwortlichen ist die Frage nach dem richtigen Angriffspunkt der Motive.“[5] Wenn dazu betrachtet wird, dass nach Hume, und Schlick greift dies auf, die Handlungsfreiheit für jeden gilt, der nicht eingesperrt ist oder der durch äußeren Zwang, wie beispielsweise einer Waffe, zu einer Tat gezwungen wird, ergibt sich folgendes Problem: sämtliche äußeren Motive, wie das Erleben eines Verbrechens, die Erfahrung einer schlechten Kindheit o.Ä. können nicht strafmildernd berücksichtigt werden, da sie keine Rolle spielen. Dies kritisiert auch Pothast und sagt, „ der Handelnde kann nicht dadurch entlastet werden, dass man auf solches hinweist, das ihn (vielleicht auf „kausalem Weg“) zu der Handlung brachte; […]“[6] Als weiteren Kritikpunkt gibt er zu bedenken, dass einigen Tätern, die Verantwortlichkeit entzogen werden muss, denn „ergo, ist der Täter, der für jedes Verändern heute zu alt ist, nicht verantwortlich“.[7]

Fraglich wäre allerdings aus dieser Sicht auch, warum Kinder nicht von der Gesellschaft bestraft werden?[8] Die Erziehung durch die Eltern entspricht auch einem Prinzip, bestehend aus Ursache und Wirkung, das heißt auch Kinder können ihr Verhalten gewissen Normen, die sie vermittelt bekommen, anpassen beziehungsweise ihre Motive danach beeinflussen. Sie handeln nicht nur nach „sinnlichem Wollen“ wie Streminger es erklärt und sie somit auf die Stufe von Tieren setzt.[9] Eine plausiblere Erklärung scheint es zu sein, dass es von den Eltern abhängt, wie sehr Kinder ihre Motive den gesellschaftlichen Normen, sozusagen dem gesellschaftlichen Willen, anpassen können. Das heißt wie sehr sie sich dem „rationalen Wollen“[10] bereits angepasst haben. Dies erklärt gleichzeitig, warum Eltern für ihre Kinder beziehungsweise die Kindererziehung Verantwortung übernehmen und für sie haften können.

Humes Theorie legitimiert die Grundzüge des deutschen Strafrechts unserer Zeit tragfähig. Seine Existenz wird damit gerechtfertigt, dass alle Handlungen dem Kausalitätsprinzip unterliegen. Wäre dies nicht so, würden alle Taten rein zufällig passieren und eine Tat zu bestrafen für die der Täter keine Verantwortung übernehmen kann, macht keinen Sinn.

Auch Strafen sind Bestandteil des Kausalitätsprinzips, denn sie müssen als Notwendigkeit, als Wirkung, einer bestimmten (Straf-) Tat gesehen werden und sollen gleichzeitig die Ursache für sittlicheres Handeln in der Zukunft sein. Offensichtlich ist hier, dass Humes Kausalitätsprinzip die Grundlage des Strafrechts bildet.

Mit der Verantwortlichkeit des Menschen greift Hume einen wichtigen Punkt auf, allerdings gibt es hier zu schwerwiegende Kritikpunkte, als dass eine solche Praxis der Strafe durchgehend tragbar wäre. Möglicherweise reicht die Freiheitsdefinition, mit der Verneinung der Willensfreiheit und dem Zugestehen der Handlungsfreiheit nicht aus um ein durchgängig tragbares Strafsystem zu schaffen. Hier sollte sich doch grundlegend die Frage stellen, dass wenn es Handlungsfreiheit bedeutet, so zu handeln wie man will, was wäre dann hier der Unterschied zur Willensfreiheit?

3. Nulla poena sine culpa- Das Schuldprinzip

Trotz der vorangegangenen Kritik an Humes Theorie, ist diese eine Annäherung an das Schuldtheorem, welches die Grundlage des deutschen Strafrechts darstellt.

„In archaischen Gesellschaften wurde eine Strafe normalerweise schlicht spiegelbildlich zur Tat festgesetzt.“[11] Dies ist mit Hume nicht möglich, denn durch die Zuschreibung von Verantwortlichkeit an den Menschen, kann dieser Schuld haben. Dies sind erste Ansätze für ein modernes Rechtssystem.

Auf dem Schuldprinzip beruht das deutsche Strafrecht, das heißt die Bestrafung eines Menschen setzt seine Schuld voraus und bemisst sich an ihr. Die Grundlage dessen ist, dass dem Menschen die Freiheit zugesprochen wird, sich zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden. Unrecht ist hier eine Einzeltat, welche gegen die Gesetze verstößt. Moralische Schuld, die nicht im Strafrecht verankert ist sowie Charakterschuld können nicht bestraft werden. Schon Schopenhauer sagt, dass der Staat keine „moralische Anstalt“[12] (I, 358) ist, denn der Staat ist Mittel für das physische Interesse eines Jeden kein Unrecht zu erleiden.

[...]


[1] Gerhard Streminger: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Ein einführender Kommentar. Paderborn u.a. 1995. S 169

[2] Streminger, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, S.169

[3] ebd. S.177

[4] ebd. S.173

[5] Moritz Schlick: „Wann ist der Mensch verantwortlich? Das Scheinproblem der Willensfreiheit.“ In: Ulrich Pothast (Hrsg.): Seminar: Freies handeln und Determinismus, Frankfurt am Main 1978. S.164

[6] Ulrich Pothast: Die Unzulänglichkeit der Freiheitsbeweise. Zu einigen Lehrstücken aus der neueren Geschichte von Philosophie und Recht. Frankfurt am Main 1980. S.148

[7] Pothast: Die Unzulänglichkeit der Freiheitsbeweise, S.149

[8] vgl. Streminger, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, S.177

[9] ebd.

[10] ebd.

[11] Michael Rosenberger: Determinismus und Freiheit. Das Subjekt als Teilnehmer. Darmstadt 2006. S.248

[12] Gerd Haffmanns: Das Schopenhauer Nachschlag-Werk. Ein Abc für die Jetztzeit, nebst einem Anhang, der die Kritik der korrupten Vernunft enthält. Zürich 1989. S.108

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Welche Relevanz hat der Begriff von menschlicher Willensfreiheit für die Frage der Schuld?
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal  (Hochschule)
Veranstaltung
Zum Seminar: Freiheit und Determinismus
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V115567
ISBN (eBook)
9783640170388
ISBN (Buch)
9783640172641
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Welche, Relevanz, Begriff, Willensfreiheit, Frage, Schuld, Seminar, Freiheit, Determinismus
Arbeit zitieren
Nadine Hansen (Autor:in), 2007, Welche Relevanz hat der Begriff von menschlicher Willensfreiheit für die Frage der Schuld?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115567

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