Die Werbewirkung von Nachhaltigkeitsmarketing und Sustainability-Zertifikaten

Eine empirische Studie


Diplomarbeit, 2008

141 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Formelverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zielsetzung

3 Theoretische Überlegungen
3.1 Nachhaltigkeit
3.2 Das Normaktivierungsmodell von Schwartz
3.2.1 Übertragung des Normaktivierungsmodells auf die vorliegende Studie
3.3 Zielgröße
3.3.1 Verhaltensmotivation - Zahlungsbereitschaft (Willingness To Pay)
3.4 Einflussgrößen
3.4.1 Moralische Normen
3.4.1.1 Soziale Normen
3.4.1.2 Persönliche Normen
3.4.2 Wahrgenommene Konsequenzen
3.4.3 Zugeschriebene Verantwortung
3.4.4 Werte
3.4.5 Produktkategorie
3.4.6 Claims
3.4.7 Zertifikate
3.4.8 Einstellung zum Produkt
3.4.8.1 Kognitive Komponente
3.4.8.2 Affektive Komponente
3.5 Funktionale Beziehungen
3.5.1 Soziale Normen
3.5.2 Persönliche Normen
3.5.3 Wahrgenommene Konsequenzen und zugeschriebene Verantwortung
3.5.4 Werte
3.5.5 Produktkategorie
3.5.6 Claims
3.5.7 Zertifikate
3.5.8 Einstellung zum Produkt

4 Messtheoretische Überlegungen
4.1 Erhebungstechnik
4.2 Skalierung
4.3 Gütekriterien der Messung
4.3.1 Reliabilität
4.3.2 Validität
4.3.3 Objektivität
4.4 Zahlungsbereitschaft
4.4.1 Reliabilität
4.4.2 Validität
4.4.2.1 Hypothetische Bias
4.4.2.2 Strategische Bias
4.5 Persönliche Normen
4.6 Soziale Normen
4.7 Wahrgenommene Konsequenzen und zugeschriebene Verantwortung
4.8 Werte
4.9 Einstellung zum Produkt
4.9.1 Kognitive Komponente
4.9.2 Affektive Komponente

5 Stand der empirischen Forschung
5.1 Pro-Social Consumer Influence Strategies: When and how do they work
5.2 Do people care about ethics? Willingness to pay for fair-trade coffee
5.3 Altruism and market-like behavior: an analysis of willingness to pay for recycled paper products

6 Hypothesen
6.1 Hypothese 1
6.2 Hypothese 2
6.3 Hypothese 3
6.4 Hypothese 4
6.5 Hypothese 5
6.6 Hypothese 6
6.7 Hypothese 7
6.8 Hypothese 8
6.9 Hypothese 9
6.10 Hypothese 10

7 Empirische Studie
7.1 Pretest
7.2 Operationalisierung
7.2.1 Aufbau des Fragebogens
7.3 Beschreibung der Stichprobe
7.4 Dimensionsreduktion und Reliabilitätsanalysen
7.4.1 Wahrgenommene Konsequenzen
7.4.2 Zugeschriebene Verantwortung
7.4.3 Einstellung zum Produkt
7.4.3.1 Affektive Komponente
7.4.3.2 Kognitive Komponente
7.4.4 Information
7.4.5 Werte
7.4.5.1 Universalistische Werte
7.4.5.2 Humanistische Werte
7.4.6 Persönliche Normen
7.4.7 Soziale Normen
7.4.8 Nachhaltigkeitsbewusstsein
7.4.9 Wissen
7.4.10 Involvement
7.5 Prüfung auf Strukturgleichheit
7.5.1 Geschlecht
7.5.2 Alter
7.5.3 Schulbildung
7.5.4 Beruf
7.5.5 Involvement
7.5.6 Nachhaltigkeitsbewusstsein
7.5.7 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Strukturgleichheit
7.6 Deskriptive Überlegungen
7.6.1 Beschreibung des allgemeinen Nachhaltigkeitsbewusstseins
7.6.2 Beschreibung des Informationsgefühls
7.7 Überprüfung der Hypothesen
7.7.1 Hypothese 1
7.7.2 Hypothese 2
7.7.3 Hypothese 3
7.7.4 Hypothese 4
7.7.5 Hypothese 5
7.7.6 Hypothese 6
7.7.7 Hypothese 7
7.7.8 Hypothese 8
7.7.9 Hypothese 9
7.7.10 Hypothese 10

8 Fazit

Anhang

Eidesstattliche Erklärung

Werbeanzeigen

Fragebogen

Pretest

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Grundmodell

Abbildung 2: Studienmodell

Abbildung 3: SAM-Self Assessment Manikin

Abbildung 4: Kreuztabelle Nachhaltigkeitsbewusstsein in Abhängigkeit vom Alter

Abbildung 5: Kreuztabelle Nachhaltigkeitsbewusstsein in Abhängigkeit vom Geschlecht

Abbildung 6: Kreuztabelle Informationsgefühl in Abhängigkeit von der Schulbildung

Formelverzeichnis

Formel 1: Regressionsanalyse Hypothese 1

Formel 2: Regressionsanalyse Hypothese 7

Formel 3: Berechnung der relativen Zahlungsbereitschaft

Formel 4: Regressionsanalyse Hypothese 9

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gruppenaufteilung in den Fragebögen ‚Audi‘ und ‚Coca Cola‘

Tabelle 2: Gruppenaufteilung in den Fragebögen ‚Siemens‘ und ‚Adidas‘

Tabelle 3: Dimensionsreduktion ‚Wahrgenommene Konsequenzen‘

Tabelle 4: Dimensionsreduktion ‚Wahrgenommene Verantwortung‘

Tabelle 5: Dimensionsreduktion ‚Einstellung – Affektive Komponente‘

Tabelle 6: Faktoranalyse ‚Affektive Komponente: Mustermatrix‘

Tabelle 7: Dimensionsreduktion ‚Affektive Komponente Freude‘

Tabelle 8: Dimensionsreduktion ‚Einstellung – Kognitive Komponente‘

Tabelle 9: Dimensionsreduktion ‚Information‘

Tabelle 10: Dimensionsreduktion ‚Universalistische Werte‘

Tabelle 11: Dimensionsreduktion ‚Humanistische Werte‘

Tabelle 12: Dimensionsreduktion ‚Persönliche Normen‘

Tabelle 13: Dimensionsreduktion ‚Soziale Normen‘

Tabelle 14: Dimensionsreduktion ‚Nachhaltigkeitsbewusstsein‘

Tabelle 15: Ergebnisse der Prüfung auf Strukturgleichheit für das Involvement

Tabelle 16: Mittelwerte universalistische Werte nach Geschlecht

Tabelle 17: Mittelwerte humanistische Werte nach Geschlecht

Tabelle 18: Ergebnisse T-Test Hypothese 2

Tabelle 19: Ergebnisse T-Test Hypothese 3

Tabelle 20: Ergebnisse T-Test Hypothese 4

Tabelle 21: Median-Split bei AC und AR

Tabelle 22: Ergebnisse der Regressionsanalyse Hypothese 5

Tabelle 23: Ergebnisse der Regressionsanalyse Hypothese 6

Tabelle 24: Prüfung der Voraussetzungen Hypothese 8

Tabelle 25: Ergebnisse der Regressionsanalyse Hypothese 8

Tabelle 26: Prüfung der Voraussetzungen Hypothese 10

Tabelle 27: Ergebnisse der Regressionsanalyse Hypothese 10

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In den letzten Jahren hat sich die Wahrnehmung von Umweltthemen verändert. Nach dem Abebben einer Welle von ökologisch geprägter Werbung, die Anfang der 1990er Jahre den Markt nahezu überschwemmte, entwickelt sich seit einiger Zeit ein neues Motiv auch für die werbetreibenden Unternehmen – ‚Nachhaltigkeit‘. Nahezu kein Thema würde besser in unsere Zeit passen in der die Begriffe ‚Ressourcenverknappung‘, ‚Klimawandel‘ oder auch ‚Nord-Süd-Gefälle‘ in jedermanns Munde sind. Nachhaltigkeit hat sich, wenn auch (noch) nicht als Begriff, sondern eher in seinen Teilgebieten zu einem dominanten Thema unserer Zeit entwickelt. Da verwundert es auch nicht, dass Unternehmen aus nahezu allen Branchen mittlerweile versuchen in einem der Themenfelder ‚zu punkten‘. Über Werbung für Produkte aus der Region, die mit kurzen Transportwegen Käufer gewinnen sollen, oder biologisch abbaubare Verpackungen, über Fair-Trade Produkte, bis hin zum Betriebssystem (Windows Vista), das helfen soll Energie zu sparen, sind der Phantasie der Anbieter scheinbar keine Grenzen gesetzt.

Auch die Verbraucher können sich mit dem Leitbild der Nachhaltigkeit identifizieren. Die Zustimmung zu nachhaltigen Prinzipien, wie schonender Ressourcenverbrauch, Generationengerechtigkeit oder fairer Handel, hat sich in den Jahren 2002 bis 2004 um sechs Prozentpunkte auf 88% Zustimmungsgrad erhöht (vgl. Internetquelle 1). Der Begriff der Nachhaltigkeit hat es indes noch schwer den Durchbruch in der Werbung zu schaffen. Zu oft wird er in unterschiedlichstem Kontext verwendet. So werben sogar Versicherungsunternehmen mit ‚nachhaltiger Vorsorge‘ und meinen damit natürlich keine der oben angeführten Prinzipien.

Unternehmen, die sich tatsächlich dem kompletten Leitbild der Nachhaltigkeit verschrieben haben, stehen auch deshalb vor einer schweren Aufgabe: Wie können sie ihr unternehmerisches Engagement für Gesellschaft und Umwelt den Verbrauchern vermitteln und dadurch zu monetären Vorteilen gelangen?

2 Zielsetzung

Genau dieses Thema soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Wie sollte eine Werbeanzeige gestaltet sein, damit das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Verbraucher aktiviert wird und jene zu einer möglichst hohen Zahlungsbereitschaft animiert werden? Dabei wird als Grundmodell das Normaktivierungsmodell von Schwartz verwendet, welches in zahlreichen Studien, auch aus der Wirtschaftstheorie, bereits Anwendung gefunden hat. Untersucht werden Werbeanzeigen verschiedenen Inhalts. So könnte der Weg zur Förderung der Zahlungsbereitschaft durch Werbung mit Nachhaltigkeitsthemen in Zukunft über Zertifikate führen, die den Verbrauchern auf den ersten Blick signalisieren, dass bestimmte Produkte den Grundsätzen der Nachhaltigkeit entsprechen. Aber auch aktivierende Claims könnten den Werbeerfolg eines Produkts steigern. Schließlich wäre es möglich, dass, gemäß den Annahmen des Grundmodells, ausschließlich die wahrgenommenen Konsequenzen und die zugeschriebene Verantwortung einer Handlung ausreichen, gewünschtes Verhalten zu beeinflussen. All dies soll in nachfolgender Studie anhand verschiedenen manipulierter Werbeanzeigen evaluiert und Handlungsempfehlungen zur Gestaltung nachhaltiger Anzeigen getroffen werden. Ferner sollen Unterschiede von verschiedenen Produktkategorien ausgemacht werden. Annahmegemäß nehmen bei Verhalten im Nachhaltigkeitskontext, also in einer teils altruistisch motivierten Handlung, soziale Zwänge, die im Modell als soziale Normen konzeptualisiert sind, eine eher untergeordnete Rolle ein, sofern es sich nicht um prestigeträchtige Produkte handelt. Deshalb werden je zwei prestigeträchtige und zwei ‚normale‘ Produkte untersucht und die jeweilige Zahlungsbereitschaft als Messgröße für die Eignung solcher Produkte für nachhaltige Werbung gegenübergestellt.

Neben diesen Erweiterungen des Schwartz’schen Modells soll außerdem ein Modellbaustein untersucht werden, der in vielen bisherigen Studien meist keine Rolle spielte – der Einfluss der individuellen Werte auf die persönlichen Normen. Von ihnen wird erwartet, dass sie einen wesentlichen Faktor für die Entstehung der persönlichen Normen darstellen. Dies soll anhand verschiedener Wertekategorien untersucht werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Ziel dieser Studie ist, den Sinn nachhaltig motivierter Werbung zu evaluieren und konkrete Empfehlungen zur Gestaltung von Werbeanzeigen und Manipulationsformen zu entwerfen.

3 Theoretische Überlegungen

3.1 Nachhaltigkeit

Da diese Arbeit sich mit dem schwer zu fassenden Thema ‚Nachhaltigkeitsmarketing‘ beschäftigt, soll an dieser Stelle zunächst der Begriff der Nachhaltigkeit erläutert und eindeutig definiert werden.

Das Wort Nachhaltigkeit wird in aktuellen Diskussionen und Beiträgen nahezu schon inflationär als Modebegriff gebraucht und dabei fälschlicherweise oft nur als Synonym für Umweltschutz verstanden, was der eigentlichen Bedeutung von Nachhaltigkeit nicht gerecht wird.

In der Literatur finden sich vielfältige Definitionen, die auch teilweise völlig unterschiedliche Aspekte dieses schwer fassbaren Begriffs betonen. Die meisten Erklärungs- und Definitionsversuche sind jedoch auf die Arbeit der Brundtland-Kommission zurückzuführen oder beziehen sich direkt darauf.

Diese, von den Vereinten Nationen eingesetzte Kommission für Umwelt und Entwicklung, formulierte in ihrem als Brundtland-Report bekannt gewordenen Bericht Vorgaben zu Nachhaltigkeit beziehungsweise nachhaltiger Entwicklung, deren Kernsatz häufig in Definitionen von Nachhaltigkeit Verwendung findet.

„Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs” (vgl. Internetquelle 2).

Spätestens seit der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 hat dieses Leitbild der nachhaltigen Entwicklung breite Anerkennung gefunden. Nach diesem Verantwortungsprinzip ist jeder Einzelne, wie auch jedes Unternehmen, für die Konsequenzen seines Handelns verantwortlich und hat die Aspekte Ökologie, Ökonomie und Soziales in Einklang zu bringen (vgl. Belz/Bilharz 2005, S. 3).

Damit wird die Berücksichtigung sozial-ökologischer Aspekte von hergestellten Produkten auch für das Marketing immer interessanter (vgl. Internetquelle 3, S. 5)

Die negativen ökologischen und sozialen externen Effekte, die mit der Herstellung und Verwendung von Produkten auftreten, stellen den Ausgangspunkt für Nachhaltigkeits-Marketing dar (vgl. Belz,Bilharz 2005, S. 6).

Nachhaltigkeits-Marketing ist im Grunde die Weiterentwicklung des traditionellen Öko-Marketings, welches nicht mehr den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht werden kann und damit ausgedient hat. Durch reines Öko-Marketing ist es mittlerweile durch die Vielzahl der angebotenen Produkte und dem dadurch verbundenen Informationsüberfluss (‚Green Overkill‘) schwer Produkte von anderen abzuheben (vgl. Karstens 2005, S. 35).

Verglichen mit dem klassischen Marketing, das den Fokus hauptsächlich auf die Kundenbedürfnisse legt, spielen beim Nachhaltigkeits-Marketing die Faktoren ‚Soziales‘ und ‚Ökologie‘ ebenso eine Rolle.

Den Zusammenhang des Nachhaltigkeits-Marketings mit dem klassischen Marketing und dessen verschiedenen Bezugspunkten soll die folgende Grafik veranschaulichen (vgl. Karstens 2005, S. 25):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aufbau des Nachhaltigkeits-Marketing (vgl. Karstens 2005, S. 25)

Ein Unternehmen, das sich dem Nachhaltigkeits-Marketing verschrieben hat, steht also vor der Herausforderung, individuelle Kundenbedürfnisse zu befriedigen und dabei die Bereiche Umwelt (Ökologie) sowie soziale Anliegen (Soziales) zu berücksichtigen. Für ein solches Unternehmen dürfen damit nicht nur der wirtschaftliche Erfolg seiner Produkte, sondern auch der ökologische und soziale Fortschritt, die mit dem Verkauf einhergehen, von Belang sein (vgl. Belz, Bilharz 2005, S. 5f.).

Zentrale Aufgabe des Nachhaltigkeits-Marketings ist es also Umwelt- und Sozialvorteile zu Wettbewerbsvorteilen zu verbinden. Da diese beiden Komponenten, Umwelt und Soziales, zu den Vertrauenseigenschaften gehören, die nur schwer vor dem Kauf eines Produktes für den Konsumenten nachprüfbar sind, werden Reputation und Signaling für Unternehmen, die für Nachhaltigkeit werben, zu besonders wichtigen Erfolgsfaktoren (vgl. Kirchgeorg 2005, S. 41).

Ziel des Nachhaltigkeits-Marketings ist es zum einen Wettbewerbsvorteile durch den sich seit einigen Jahren sozial-ökologischen vollziehenden Wandel in Gesellschaft und Politik zu generieren. Zum anderen minimieren Unternehmen Reputationsrisiken, indem sie sich bereits frühzeitig der Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung verschreiben (vgl. Belz F.M. 2003, S. 353).

Voraussetzung für ein erfolgreiches Nachhaltigkeits-Marketing sind Produkte, die sowohl in der Herstellung, als auch im Gebrauch dem Prinzip nachhaltiger Entwicklung entsprechen.

Ein Beispiel für ein solches Produkt sind beispielsweise Kaffeebohnen aus biologischem Fair Trade Anbau. Bei diesen Bohnen werden nicht nur soziale (fairer Lohn und Arbeiterschutz), sondern ebenso ökologische Belange (Verzicht des Einsatzes von Pestiziden, Verzicht auf Monokulturen, die dem Ökosystem schaden) berücksichtigt (vgl. Belz 2005, S. 26).

Da sich Nachhaltigkeits-Marketing in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen umsetzen lässt, sollen abschließend die unterschiedlichen Ebenen von Nachhaltigkeits-Marketing gezeigt werden.

Diese werden im Folgenden nach Leitner verkürzt dargestellt:

- Beim normativen Nachhaltigkeits-Marketing formuliert ein Unternehmen lediglich ein Leitbild für Nachhaltigkeitsgrundsätze und -ziele des Unternehmens.
- Beim strategischen beziehungsweise operativen Nachhaltigkeits-Marketing werden diese Grundsätze auch praktisch umgesetzt und eine konkrete Marketingstrategie im Marketing-Mix umgesetzt.
- Am weitesten geht das transformative Nachhaltigkeits-Marketing, bei dem das Unternehmen innerhalb seiner Branche selbst sozial-ökologische Belange aktiv mitgestaltet und so zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt (vgl. Leitner, K. in Belz, Bilharz 2005, S. 162).

3.2 Das Normaktivierungsmodell von Schwartz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Grundmodell (vgl. Gierl 2008, S. 18)

Das Modell dem diese Studie zugrunde liegt, basiert auf dem Normaktivierungsmodell von Schwartz (vgl. Gierl 2002, S. 18). Einen zentralen Ausgangspunkt stellen dabei die moralischen Normen dar, die, falls sie aktiviert werden, das altruistische Verhalten einer Person beeinflussen können. Die Person muss sich dazu in einer moralischen Entscheidungssituation befinden, die Auswirkung auf andere Gesellschaftsmitglieder hat (vgl. Schwartz 1968B, S. 356).

„Normen können als Verhaltensregeln definiert werden, die von den meisten Mitgliedern einer Gruppe akzeptiert werden.“ (Kroeber-Riel, Weinberg 1996, S. 480). Des Weiteren lassen sie sich als „wahrgenommene Verpflichtungen zu einem Verhalten, welches das Wohlergehen anderer Personen fördert“ (Gierl 2002, S. 17) bezeichnen.

Die moralischen Normen werden bei Schwartz in persönliche und soziale Normen differenziert. Während erstere Erwartungen an das eigene Verhalten sind, bedenkt der Entscheider bei letzterem, was er tun sollte und müsste beziehungsweise was andere Personen in dieser Situation von ihm erwarten (vgl. Schwartz 1973, S. 353). Obwohl soziale Normen im Gegensatz zu den persönlichen Normen nicht zwingend die eigene Überzeugung darstellen, besteht dennoch die Möglichkeit, dass die betroffene Person trotzdem (oder gerade deswegen) auf sozial verträgliche Art und Weise handeln wird, da ansonsten Missbilligung (oder Zustimmung) der Gesellschaft droht (beziehungsweise erwartet wird). Sie unterscheiden sich folglich im Grad der Internalisierung, also der Übernahme der Norm auf ein persönliches Level: „persönliche Normen sind verfestigtere Elemente von Einstellungen als soziale Normen“ (Gierl 2002, S. 17). Die Internalisierung variiert demnach den Einfluss der sozialen Normen auf das Verhalten (vgl. Osterhus 1997, S. 18).

Eine moralische Entscheidungssituation liegt dann vor, wenn die Handlung eines Akteurs Auswirkungen auf das Gemeinwohl anderer hat, wenn der Akteur glaubt, er sei verantwortlich für das Resultat seiner Entscheidung und wenn die Handlung aufgrund vorangegangener Bewertung der Konsequenzen für andere Personen vollzogen wurde. Schwartz folgert daraus, dass das Verhalten einer Person in einer moralischen Entscheidungssituation nur beeinflusst werden kann, wenn er die wahrgenommenen Konsequenzen des Verhaltens (awareness of consequences, AC) bedenkt und sich selbst für die Folgen seines Handelns verantwortlich zeigt (ascription of responibility, AR):

“When the conditions are not fulfilled, however, there is no expectation that the person’s moral norms will be activated or, therefore, that they will influence action.” (Schwartz 1968A, S. 233)

Deshalb werden AC und AR als Moderatorvariablen im Normaktivierungsmodell angesehen, welche die Beziehung zwischen persönlichen Normen und Verhalten stärken (vgl. Osterhus 1997, S. 18). Meinungsverschiedenheiten ergeben sich allerdings darüber, ob nur beide Variablen zusammen eine Aktivierung bewirken, oder ob eine bereits ausreicht. Während Osterhus beispielsweise lediglich einen signifikanten Einfluss von AR, nicht aber von AC feststellen konnte (vgl. Osterhus 1997, S. 26), so sieht die mehrheitliche Meinung einen aktivierenden Effekt der persönlichen Normen auf das Verhalten nur dann als signifikant gegeben an, wenn sich der Akteur sowohl der wahrgenommenen Konsequenz, als auch der Verantwortung der Folgen seines Handelns bewusst ist (vgl. z.B. Schwartz 1968B, S. 367; Schwartz 1968A, S. 238 & 240). Da die Zuschreibung von Verantwortung offensichtlich auch von der Konsequenzbewertung abhängt, wird eine positive Korrelation zwischen diesen beiden Variablen unterstellt (vgl. Schwartz 1968A, S. 239; Gierl 2002, S. 17).

3.2.1 Übertragung des Normaktivierungsmodells auf die vorliegende Studie

In dieser Studie soll untersucht werden, ob das Nachhaltigkeitsbewusstsein einen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für nachhaltige Produkte hat.

„Interpretiert man Umweltbewusstsein einer Person (environmental concern) als ihre Einstellung, wie sie sich in ökologisch relevanten Situationen verhalten wird, so ist dieses Konstrukt im Sinne des Normaktivierungsmodells von Schwartz eine moralische Norm“ (Gierl 2002, S. 16). Diese Situation kann z.B. die Kaufentscheidung für oder gegen ein ressourcenschonendes, nachhaltiges Produkt sein. Führt man die Überlegung analog fort, so stellt das Nachhaltigkeitsbewusstsein die für das nachhaltige Handeln relevante persönliche und soziale Norm dar (vgl. Gierl 2002, S. 18). Die moralische Norm sollte dann auf die Verhaltensabsicht, also auf die Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte, wirken. Diese wiederum kann als altruistische Handlung interpretiert werden, da die Bezahlung eines Mehrpreises für ein nachhaltiges Produkt als Nutzen für die Gesellschaft angesehen werden kann (vgl. auch Guagnano et al. 1994, S. 412). Die Komponente der persönlichen Norm nimmt dann Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft, wenn sich die Person der Konsequenzen ihres Handelns für das Gemeinwohl bewusst ist und sie sich auch selbst dafür verantwortlich zeigt.

Darüber hinaus beeinflussen auch Erwartungen des sozialen Umfelds das eigene Verhalten, da manche Handlungen vollzogen werden, auch wenn keine absolute Überzeugung vorhanden ist. Beispielsweise wird von manchen Personen ein nachhaltiges Produkt nur gekauft, weil sie Anerkennung von anderen Gesellschaftsmitgliedern erfahren, und nicht, weil sie das Produkt selbst für sinnvoll halten.

Das Nachhaltigkeitsbewusstsein einer Person sollte sich demnach auf das entsprechende (altruistische) Verhalten auswirken, weshalb das Normaktivierungsmodell als Basismodell auf diese Studie übertragen werden kann.

Allerdings gibt es daran anknüpfend einige weiterführende Aspekte, die für die vorliegende Studie interessant sind und deshalb als zusätzliche Variablen mit aufgenommen werden sollten.

Wichtig wäre es zu wissen, ob die Produktkategorie die Stärke des sozialen Einflusses auf die Verhaltensmotivation determiniert. Anzunehmen ist, dass dieser Zusammenhang bei für jedermann sichtbaren Produkten stärker gilt (z.B. Pkw), als für Produkte, die nicht unmittelbar der Öffentlichkeit zugänglich sind (z.B. Waschmittel) (vgl. Gierl 2002, S. 18). Beispielsweise wäre Strom ein unsichtbares Gut, da im Normalfall nur der Käufer (beziehungsweise seine Familie) weiß, welchen Anbieter er nutzt. Der Einfluss der sozialen Normen auf die Zahlungsbereitschaft fällt somit vermutlich geringer aus als z.B. bei einem Autokauf.

Einen weiteren Modellbaustein stellen die individuellen Wertvorstellungen dar. Einigen Studien zufolge sind nicht die persönlichen Normen der Ausgangspunkt um altruistisches Verhalten zu erklären, sondern die vorherrschenden Werte. Mit anderen Worten bilden sich die persönlichen Normen aus den Werten (vgl. Thogersen 2002, S. 882; vgl. Nordlund, Garvill 2002, S. 750f.). Dabei wurde mehrfach nachgewiesen, dass altruistische Werte einen positiven, egoistische Werte einen negativen Einfluss auf die persönliche Norm des Umwelt- beziehungsweise Nachhaltigkeitsbewusstseins haben (vgl. z.B. Stern 2000, S. 411, vgl. Nordlund, Garvill 2002, S. 745). Für die Zusammenhänge wichtig ist aber, die gesamte Einflusskette zueinander in Beziehung zu bringen, weshalb Wertvorstellungen als Variable mit in das Modell aufgenommen werden.

Nicht genügend Berücksichtigung finden in den Untersuchungen von Schwartz zum Normaktivierungsmodell Faktoren, wodurch die wahrgenommenen Konsequenzen (AC) und die zugeschriebene Verantwortung (AR) in einer Werbeanzeige ausgelöst und verstärkt werden können. Grund hierfür ist, dass Schwartz altruistische Motivationen hauptsächlich mittels Hilfeverhalten untersuchte (vgl. z.B. Schwartz, Clausen 1970, S. 299ff.; vgl. Schwartz 1973, S. 349ff.).

Experimentelle Manipulationen dieser Variablen in Werbeanzeigen lassen sich im Rahmen von Studien nur schwer finden. Einerseits ist anzunehmen und auch schon bestätigt worden (vgl. Satzinger S. 279ff.), dass mithilfe eines Appells im Fließtext diese beiden Faktoren angestoßen werden können. Fraglich ist jedoch, ob diese Aktivierung noch durch andere Faktoren verstärkt werden kann. Aus diesem Grund werden noch die Wirkung eines nachhaltig formulierten Claims und eines Nachhaltigkeitssiegels überprüft. Ein Claim fasst kurz und prägnant die Hauptaussage der Werbeanzeige zusammen und bleibt vermutlich länger im Gedächtnis (vgl. Zielke 1991, S. 84f.). Deshalb ist eine verstärkende Wirkung des Claims zu vermuten.

Ein Zertifikat bündelt ebenso wie ein Claim Schlüsselinformationen (vgl. Katz 2002, S. 199), weshalb eine zusätzliche Verstärkung der Konsequenzwahrnehmung und der Verantwortungsakzeptanz angenommen wird. Darüber hinaus transformiert ein Zertifikat Vertrauenseigenschaften zu Sucheigenschaften, wodurch dem Produkt ein zusätzlicher Wert verliehen wird (vgl. Fotopoulus 2003, S. 1352). Es ist anzunehmen, dass sich dadurch auch die kognitive Einstellung gegenüber dem Produkt ändert, da es möglicherweise als noch geeigneter zur Bedürfnisbefriedigung erachtet wird. Diese verbesserte Einstellung gegenüber dem Produkt sollte sich dann auch in einer erhöhten Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte widerspiegeln.

Die einzelnen Variablen werden nachfolgend sowohl theoretisch, als auch bezüglich ihrer funktionalen Beziehungen zueinander untersucht, woraufhin das Studienmodell abgeleitet werden kann.

3.3 Zielgröße

3.3.1 Verhaltensmotivation - Zahlungsbereitschaft (Willingness To Pay)

Im ökonomischen Kontext beschreibt die Zahlungsbereitschaft (Willingness to pay, WTP) den Preis, den ein Nachfrager für eine bestimmte Quantität und Qualität eines Produkts oder einer Leistung zu zahlen bereit ist beziehungsweise für angemessen hält (vgl. Adler 2003, S. 3). Sie ist Grundvoraussetzung, damit eine Person die Kaufhandlung überhaupt tätigt, wenn auch keine Garantie dafür (vgl. Kalafatis et al. 1999, S. 443). Beispielsweise tendieren manche Personen bei Fragen zur Zahlungsbereitschaft kollektiv relevanter Themen zur Übertreibung, da sie aufgrund von sozialem Druck näher in Richtung der gesellschaftlich erwünschten Antworten Angaben machen werden.

Die Zahlungsbereitschaft kann durch zwei grundlegende Faktoren beeinflusst werden. Bei der Kaufentscheidung eines privaten Gutes wird sie durch das Eigeninteresse des Konsumenten aufgrund von rationalen Überlegungen evaluiert. Im Gegensatz dazu erfolgt bei Beiträgen zu öffentlichen Gütern (also Gütern, bei denen der Konsument keinen direkten Nutzen hat, wie z.B. Artenschutz) die Bewertung anhand von normgeleiteten Gedanken (vgl. Guagnano 2001, S. 425f.). Wie aber sieht es bei der Zahlungsbereitschaft für ein Produkt aus, das nachhaltige Aspekte in den Vordergrund rückt?

„[P]ro-environmental behavior typically involves a trade-off between individual and collective benefit“ (Guagnano 2001, S. 426).

Hier sollten analog zu obiger These sowohl das Eigeninteresse als auch altruistische Überlegungen eine Rolle spielen. Der Grundbetrag für das nicht nachhaltig hergestellte Produkt resultiert demnach aus Eigennutzüberlegungen. Der Mehrbetrag, den ein Konsument für das nachhaltig hergestellte Produkt im Vergleich zum „neutralen“ Produkt zu zahlen bereit ist, lässt sich folglich durch moralische Normen erklären, da die nachhaltige Entwicklung einen Einfluss auf das kollektive Wohlbefinden nimmt. Ergo sollte das Nachhaltigkeitsbewusstsein eines Akteurs auf die Bereitschaft, für nachhaltige Güter mehr zu bezahlen, wirken (vgl. Guagnano 2001, S. 429).

Die nachhaltige Entwicklung stellt somit ein öffentliches Gut dar. Öffentliche Güter sind meist frei für jedermann verfügbar (Nichtausschließbarkeit) und kennzeichnen sich durch Nichtrivalität im Konsum (vgl. Liebe 2007, S. 17). Sie unterscheiden sich ferner im Ausmaß der moralischen Genugtuung für den einen Beitrag leistenden Akteur (vgl. Kahneman, Knetsch 1992, S. 64). Wichtig ist hierbei zu erwähnen, dass der ‚Mehrbetrag‘, den Personen bereit sind für diese moralische Befriedigung zu bezahlen, nicht mit dem tatsächlichen, ökonomischen Mehrwert des Produktes gleichgesetzt werden sollte (vgl. Kahneman, Knetsch 1992, S. 69).

Ob die Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte von der Produktkategorie abhängt, wurde bis heute nicht untersucht und stellt nach mehrheitlicher Meinung einen Ansatzpunkt für zukünftige Forschung dar (vgl. Phang et al. 2006, S. 47; Laroche et al. 2001, S. 516).

3.4 Einflussgrößen

3.4.1 Moralische Normen

Soziale Vorgaben wünschenswerten Verhaltens in bestimmten Situationen geben dem Akteur potenzielle Richtungen für seine Handlung vor. Diese moralischen Normen können ganz (persönliche Normen) oder teilweise internalisiert sein beziehungsweise auch Erwartungen des sozialen Umfelds (soziale Normen) beinhalten (vgl. Schwartz 1970, S. 130).

Das Nachhaltigkeitsbewusstsein kann annahmegemäß als persönliche und soziale Norm betrachtet werden. Dieses Konstrukt wird aktiviert, wenn die Konsequenzen des Handelns wahrgenommen werden und der Akteur sich selbst für das Resultat verantwortlich zeigt. Dies ist eigentlich nur dann uneingeschränkt der Fall, wenn andere Einflussfaktoren möglichst reduziert werden. Hier sind sowohl entgegenwirkende Normen, als auch Eigennutzüberlegungen in Betracht zu ziehen (vgl. Schwartz 1968A, S. 233). Beispielsweise könnte ein Individuum vor der Entscheidung stehen, ein gewöhnliches oder ein nachhaltig hergestelltes Produkt zu erwerben. Dem Kauf von letzterem stehen zwar zusätzliche Kosten gegenüber, aber auch ein nichtmonetärer Zugewinn (individueller Beitrag zur Nachhaltigkeit). Unter normalen Umständen ist anzunehmen, dass die Kosten für das Produkt den Zugewinn übersteigen, da der Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu klein ist, um sie für die Person messbar zu machen (vgl. Nyborg et al. 2003, S. 6). Die persönlichen Kosten wirken demzufolge den Normen entgegen, wodurch sich ein Tradeoff zwischen altruistischem und egoistischem Verhalten ergibt (vgl. Stern et al. 1993, S. 325). Je teurer ein solches nachhaltiges Produkt gegenüber einem normalen Produkt ist, desto weniger sollten moralische Normen eine Rolle spielen. Der Grund liegt in einem höheren Involvement des Konsumenten bezüglich des Preises, da er (je nach Produkt) auch ein gewisses finanzielles Risiko darstellen könnte (vgl. Thogersen 1999, S. 440). Interessant ist nun herauszufinden, welchen Betrag die Personen für ein nachhaltiges Produkt einer bestimmten Kategorie im Vergleich zu einem gewöhnlichen Produkt bezahlen würden.

3.4.1.1 Soziale Normen

Soziale Normen können als Verhaltenserwartungen des Gemeinschaftsgefüges an die handelnde Person definiert werden. Sie stellen Standards dar, mit denen das jeweilige Verhalten einer Person bewertet und damit gebilligt oder missbilligt wird (vgl. Williams 1968, S. 204).

Die Aktivierung sozialer Normen ist nicht notwendigerweise passiver Natur. So werden die angewandten Normen nicht nur durch die Gesellschaft festgelegt. Viel mehr versucht der Handelnde durch Abwägung und Einschätzung der Situation die bevorzugten sozialen Normen herauszufiltern (vgl. Schwartz 1975, S. 123).

Soziale Normen entstehen durch den fortwährenden Kontakt zwischen Menschen in alltäglichen Situationen, woraus sich ein Routine-Verhalten entwickelt (vgl. Sherif 1973, S. 198). Sie sind wichtig, um die soziale Interaktion zu formen und zu fördern. Deshalb werden sie oftmals als Bindemechanismus menschlicher Handlungen angesehen (vgl. Varman 2002, S. 50f.). Die sozialen Normen spielen somit eine entscheidende Rolle für die die Gemeinschaft betreffenden Handlungen.

Allerdings dürfen sie nicht mit Gesellschaftsregeln gleichgesetzt werden. Der Unterschied liegt hier in der Konsequenz, die das Verhalten mit sich bringt:

„To act contrary to a rule may mean one has to bear a bad consequence; but to act contrary to a social norm that is connected to one’s identity may result in one being judged to be a bad person.“ (Gatens 2004, S. 284)

Dem Überschreiten von sozialen Normen stehen folglich höhere persönliche ‚Kosten‘ gegenüber als bei gesellschaftlichen Regeln. Der Grund hierfür ist, dass bei Verhaltensregeln lediglich eine Akzeptanz dieser Regeln vorherrscht beziehungsweise sie als weit verbreitete Annahme angesehen werden, wohingegen soziale Normen auch auf Emotionen und Gefühle, also auf die Personen selbst, tief einwirken (vgl Gatens 2004, S. 284). Die Folge eines Missachtens einer sozialen Norm kann in gesellschaftlicher Missbilligung oder gar im Ausschluss enden. Deshalb ist auch der starke Einfluss sozialer Normen auf bestimmtes Verhalten nicht verwunderlich.

Allerdings haben Kritiker auch Bedenken geäußert, die diesen Einfluss relativieren:

Soziale Normen sind zum einen zu undeutlich und zu abstrakt formuliert um ein spezifisches Verhalten vorherzusagen. Darüber hinaus werden soziale Normen weitestgehend von allen Gesellschaftsmitgliedern akzeptiert, was zur Folge hat, dass das Verhalten mit einer Konstanten zu erklären versucht wird (vgl. Schwartz 1973, S. 350, vgl. Reno 1991, S. 16).

Um dieser Kritik gerecht zu werden, definierte Schwartz die persönlichen Normen, um altruistisches Verhalten zu erklären:

„[…] the feeling of moral (personal) obligation […is] the motivational construct [that] energize[s] altruistic behavior.“ (Schwartz 1977, S. 231)

3.4.1.2 Persönliche Normen

Die persönlichen Normen sind die Erwartungen, die eine Person an sich selbst richtet. Die zentrale Eigenschaft dieser Normen ist die Intensität der moralischen Verpflichtung, die das Individuum verspürt (vgl. Schwartz 1973, S. 353).

Von den sozialen Normen lassen sie sich durch die zu erwartenden Sanktionen unterscheiden. Persönliche Normen sind an die Selbsterwartung gebunden: Während aus dem Handeln nach der eigenen Einstellung ein Gefühl von Stolz, erhöhtem Selbstbewusstsein etc. zu erwarten ist, resultiert aus der Verletzung das Gegenteil (vgl. Joonas 2004, S. 37; vgl. Schwartz 1977, S. 231).

Natürlich gibt es Überschneidungen zwischen sozialen und individuellen persönlichen Normen. Persönliche Normen entstehen zum einen aus den bereits erläuterten sozialen Normen. Sie beziehen sich auf den Grad der eigenen Verantwortung eines Individuums, eine soziale Norm einzuhalten (vgl. Reno 1991, S. 6). Man spricht hier auch von Internalisierung der sozialen Norm (vgl. Gierl 2002, S. 17). Anders ausgedrückt: Während eine Person die soziale Norm lediglich kennt, wird die persönliche Norm als die eigene akzeptiert (vgl. Reno 1991, S. 6):

„[Personal norms] are learned from shared expectations in social interaction, and they are modified in the singular interaction history of each person“ (Schwartz 1973, S. 353).

Zum anderen leiten sich persönliche Normen aus dem allgemeinen Wertesystem ab und konkretisieren sich dabei situationsspezifisch (vgl. Schmitt et al. 1985, S. 1):

„It is generally assumed that personal norms are rooted in values and social norms internalized during primary socialization in childhood […]“ (Thogersen 2002, S. 882).

Damit jedoch die persönlichen Normen überhaupt einen Einfluss auf die entsprechende Verhaltensmotivation haben können, müssen sie im Vorfeld aktiviert worden sein. Dies ist dann der Fall, wenn die handelnde Person sowohl die Konsequenzen ihres Handelns wahrnimmt (Awareness of consequences = AC), als auch sich selbst für die Auswirkung einen gewissen Grad an Verantwortung zuschreibt (Ascription of Responsibility = AR).

3.4.2 Wahrgenommene Konsequenzen

Sobald das Wohl eines oder mehrerer Gesellschaftsmitglieder von der Handlung eines anderen abhängt, befindet sich der Akteur in einer moralischen Entscheidungssituation.

Jedoch kann der moralische Entscheidungsprozess nur stattfinden, wenn sich die Person die Abhängigkeit anderer von ihr selbst vor Augen führt. Dazu muss sie sich zunächst darüber im Klaren sein, dass bestimmte Handlungen Auswirkungen auf das Wohlbefinden anderer herbeiführen können (awareness of consequences) (vgl. Schwartz 1970, S. 128).

Diese Konsequenzüberlegungen können psychologischer oder physischer Art sein, sie können von generell zu speziell variieren und sie sind entweder leicht beobachtbar oder nur aus der Sicht anderer Personen zu erkennen. Personen mit einem hohen Konsequenzbewusstsein sind demnach in der Lage, sich in die Perspektive der möglicherweise Betroffenen zu versetzen (vgl. Schwartz 1968B, S. 357).

Ist sich eine Person nun explizit der Auswirkung ihrer Handlung für andere bewusst, wird ihr Verhalten durch moralische Normen geleitet, selbst wenn ihre Sichtweise nicht zutrifft (vgl. Schwartz 1968B, S. 357). Realisiert dagegen eine Person die Konsequenzen ihrer Handlung für andere nicht, so wird sie sich keiner moralischen Entscheidungssituation gegenüber stehen sehen und demnach ihr Verhalten nicht durch Normen beeinflusst werden.

Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass der Akteur die potentiellen Konsequenzen einer moralischen Entscheidungssituation erkennt, diese Erkenntnis danach aber sofort wieder mit der Begründung, seine Handlung führe doch nicht zu diesen Konsequenzen, ablehnt. Dies liegt vor allem vor, wenn die Person aufgrund einer der moralisch richtigen Handlung entgegenwirkenden Norm Schuldgefühle entwickelt. Diese Emotionen hindern den Akteur daran, die Handlung zu vollziehen oder führen zu einer Neueinschätzung der Situation. In dieser neuen Situation spielen Konsequenzüberlegungen und moralische Normen keine Rolle mehr (vgl. Schwartz 1970, S. 131).

Ob sich eine Person über bestimmte Konsequenzen bewusst ist, hängt von individuellen (z.B. ob die Person eher langfristig oder kurzfristig denkt) und situationsspezifischen Faktoren ab (vgl. Schwartz 1970, S. 128f.).

3.4.3 Zugeschriebene Verantwortung

Nachdem eine Person eine moralische Entscheidung und ihre potentiellen Konsequenzen für andere Gesellschaftsmitglieder erkannt hat, muss sie für sich daraufhin definieren, ob sie selbst für die Handlung und ihr Ausmaß verantwortlich ist. Die zugeschriebene Verantwortung bezieht sich auf die Sichtweise der kausalen Zusammenhänge zwischen Handlungen und deren Resultate beziehungsweise Auswirkungen (vgl. Schwartz 1968A, S. 234).

Möglicherweise schreibt der Akteur sich selbst einen gewissen Grad an Verantwortung zu oder er gibt die Verantwortung ganz ab, wobei das Übernehmen von Verantwortung eine gewisse Kontrolle über die Entscheidung und deren Ausführung impliziert (vgl. Schwartz 1968 A. S. 233).

Ebenso wie eine Ablehnung der Konsequenzen kann auch die Verantwortungszuschreibung verweigert werden. Eine Situation, die eine moralische Entscheidung erfordert, wird als unwichtig definiert beziehungsweise die Verantwortung ‚aktiv‘ abgelehnt, wenn ein schlechtes Gewissen vermieden werden soll, das auftreten würde, falls gegen die Norm verstoßen würde. Daraus resultiert dann für den Akteur eine neue Situation in der moralische Normen keine Rolle mehr spielen (vgl. Schwartz, 1968A, S. 233; vgl. Schwartz 1970, S. 131).

Eine Ablehnung von Verantwortung wäre beispielsweise bei der Ausführung eines Befehls denkbar, wobei der Handelnde die Verantwortung dem Kommandeur zuschreibt oder die getroffene Entscheidung durch provozierende Umstände beziehungsweise das Resultat als Zufallsergebnis begründet.

Ob eine Person sich selbst verantwortlich zeigt, hängt - wie auch bei Wahrnehmung der Konsequenzen - von der Situation einerseits und den individuellen Veranlagungen andererseits ab (vgl. Schwartz 1970, S. 129).

3.4.4 Werte

„A value is a centrally held, enduring belief which guides actions and judgements across specific situations and beyond immediate goals to more ultimate end states of existence” (Rokeach 1968, S. 61).

Werte sind demnach dauerhafte Vorstellungen, die wünschenswerte (End-) Zustände oder Verhaltensweisen bezeichnen. Jede Person verfügt über ein bestimmtes, relativ konstantes Set an Werten (z.B. Ehrlichkeit, Gutmütigkeit etc.), die zum einen dieser Person helfen, andere Objekte, Menschen und Situationen zu bewerten und zum anderen auch als generelles Leitbild für die eigene Lebensweise dienen. Sie betreffen keine spezielle Situation, sondern sind zentrale, andauernde Grundsätze, die nach dem Ermessen einer Person ihrer relativen Wichtigkeit nach geordnet sind (vgl. Dempsey 1999, S. 12). Eine bestimmte Wertvorstellung kann also für eine Person von immenser Bedeutung sein, während sie für eine andere irrelevant ist. Werte stellen folglich dar, was den Menschen in ihrem Leben wichtig erscheint (vgl. Schwartz, Bardi 2003, S. 1208).

Nicht zu verwechseln sind Werte mit der Einstellung der Personen. Während letztere mehrere Überzeugungen bezüglich eines bestimmten Objektes oder einer Situation vereint (Vielzahl an ‚beliefs‘), bezieht sich eine Wertvorstellung lediglich auf eine einzige, sehr spezielle Überzeugung, die über die objekt- beziehungsweise situationsspezifische Ebene hinausgeht. Eine Wertvorstellung ist stärker verinnerlicht, da sie über einen sehr langen Zeitraum (meist von Kindheit an) erworben wurde (vgl. Werder 2002, S: 43f.). Deshalb ist es auch möglich, dass Menschen nach ihren Wertvorstellungen handeln, ohne ständig daran zu denken (vgl. Schwartz, Bardi 2003, S. 1208).

Werte sind durch soziales Lernen erworben, dienen als Standards und manifestieren sich in Vorstellungen über angestrebte, wünschenswerte und für ideal empfundene Lebens- und Verhaltensformen (vgl. Balderjahn 1986, S. 36).

Ob überhaupt, und in welchem Maße verschiedene Wertetypen nachhaltiges Konsumentenverhalten fördern, gilt es in nachfolgender Untersuchung herauszufinden.

„Umweltbewusste Konsumenten werden aufgrund ihrer Wertestruktur ökologische Produktmerkmale eher wahrnehmen und ihnen im Vergleich zu preis- und leistungsbezogenen Kriterien ein höheres Gewicht beimessen, als weniger bewusste Konsumenten.“ (Balderjahn 1986, S. 35)

3.4.5 Produktkategorie

Jedes Produkt einer Produktkategorie besteht aus einer Vielzahl von Eigenschaften, die je nach Konsument mehr oder minder geeignet sind, um die jeweiligen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. Walker 1991, S. 34). Die Kriterien, die bei der Produktbewertung innerhalb der gleichen Kategorie (z.B. Automobil) angestellt werden, sind dabei relativ ähnlich. Beispielsweise werden bei der Bewertung eines Fahrzeugs von BMW die gleichen Merkmale für den potenziellen Käufer eine Rolle spielen wie bei einem Audi. Unterschiede bestehen lediglich in Existenz und Rangfolge dieser Attribute, da die Präferenzen aufgrund der von Person zu Person variierenden Interessen unterschiedlich sind (vgl. Faber et al. 1987, S. 123 &129ff.).

Anhand der Ausprägung dieser Merkmale lassen sich die Produkte charakterisieren und voneinander abgrenzen. Man unterscheidet hierbei objektive Attribute, wie z.B. Farbe, Ausstattung, Marke, etc., die sich unter den gegebenen Umständen von jedem Konsument feststellen lassen. Subjektive Eigenschaften liegen dagegen im Auge des Betrachters, denn Merkmale wie Image, Sportlichkeit, etc. werden individuell verschieden bewertet (vgl. Herker 1993, S. 6).

Doch auch der empfundene soziale Druck, ein bestimmtes Produkt zu erwerben, kann unter die subjektiven Produktmerkmale subsumiert werden und damit auch die Kaufentscheidung beeinflussen (vgl. Gierl 2002, S. 18).

So kann der wahrgenommene Gesellschaftsdruck, vor anderen Personen ‚gut dazustehen‘, ein wichtiges Entscheidungskriterium beim Kauf darstellen (vgl. Herker 1993, S: 27). Manche Personen interessieren sich beispielshalber sehr für Autos und informieren sich deshalb vor einem Kauf umfassend darüber, da für sie ein Fahrzeug auch ein Prestigeobjekt darstellt, das für andere Personen sichtbar ist. Demzufolge ist für diese Person die Auswahl sehr an soziale Aspekte geknüpft.

Der Anreiz für Konsumenten, sich auf sozial verträgliche Art und Weise zu verhalten, ist folglich mit einem daraus resultierenden Prestigegewinn eng verbunden (vgl. z.B. Kroeber-Riel, Weinberg 1996, S. 468). Diese soziale Anerkennung dürfte allerdings nur dann erfolgen, wenn das Verhalten des Konsumenten auch für die Öffentlichkeit beobachtbar ist. Als Beispiel sei hier das Engagement eines Konsumenten in nachhaltiger Stromerzeugung genannt: Dieser könnte einerseits Solarzellen auf dem Dach anbringen oder aber einen nur auf regenerierbare Energien ausgelegten Stromanbieter auswählen. Ersteres Verhalten ist für das soziale Umfeld ohne Aufwand nachzuvollziehen, während letzteres nur für einen kleinen Kreis (Familienangehörige) gilt, wobei beide Aktionen die Umwelt gleichermaßen schonen. Der Einfluss des sozialen Verhaltens sollte deshalb auch mit von der jeweiligen Produktkategorie und dessen Sichtbarkeit für die Öffentlichkeit abhängen (vgl. Gierl 2002. S. 18).

3.4.6 Claims

Claims, auch Abbinder genannt, finden sich in vielen Anzeigen als Stilmittel, das gegenüber dem Fließtext durch gestalterische Elemente (Schriftart, Größe) hervorgehoben wird. Ein Claim fasst oft die zentrale Aussage des Fließtextes zusammen und sorgt damit für eine eingängigere Wahrnehmung der zentralen Werbeaussage. Er ist damit als Merk- oder Sinnspruch zu verstehen, der beim Betrachter der Anzeige haften bleiben soll (vgl. Zielke 1991, S. 84f.). Claims sind demnach schlagwortartige Werbesprüche, die den Hauptaspekt einer Werbeaussage kennzeichnen und dabei die Stimmung und Werte einer definierten Zielgruppe anregen sollen. Da die Definition von Claims derer von Slogans sehr stark ähnelt, werden die beiden Begriffe oftmals synonym verwendet, wobei die Abgrenzung der Begrifflichkeiten nach Görg „Geschmacksache“ ist (vgl. Görg 2005, S. 10).

Zur genaueren Unterscheidung ihrer Funktion können Claims in Kampagnenclaims und Markenclaims eingeteilt werden. Damit kommt entweder die Verwendung im Zuge einer speziellen Werbekampagne (‚Kampagnenclaim‘) oder in Verbindung mit der Marke als Ganzes (Markenclaim) als fester Bestandteil des Markenauftritts zum Ausdruck (ebd. 2005, S. 11).

Claims werden als Positionierungsaussagen in Werbeanzeigen verwendet und sollen herausstellen, wofür das werbende Unternehmen oder sein Produkt steht und was sie auszeichnet, wobei vor allem Markenclaims eine wichtige Orientierungshilfe für den Verbraucher darstellen. Im Speziellen wird somit dem durch die Informationsüberflutung bedingten Verlust von Information entgegengewirkt. Hierfür nötig sind jedoch vor allem prägnante, merkfähige und glaubwürdige Claims (ebd. 2005, S. 15-22). Richtig eingesetzt gelingt es durch einen Claim Kaufanreize zu schaffen und in wenigen Worten zu beschreiben, welchen Nutzen das beworbene Gut stiftet. Die durch einen Claim hervorgerufene Reaktion der Verbraucher hängt davon ab, welche Relevanz das Thema der Botschaft für den Empfänger hat und wie glaubwürdig der Sender der Botschaft für ihn ist (ebd. 2005, S. 20). Wie erfolgreich der Claim letzten Endes ist, wird somit von vielen Faktoren bestimmt. Die wichtigsten stellen Originalität, Merkfähigkeit und das Erzeugen von Aufmerksamkeit dar. Eine gute sprachliche und inhaltliche Machart einer Werbebotschaft reicht bei weitem nicht aus, solange sie nicht als Bestandteil der gesamten Markenkommunikation und damit vom Verbraucher als stimmig wahrgenommen wird (ebd. 2005, S. 98).

Werden Claims dazu verwendet auf die nachhaltigen Eigenschaften der beworbenen Produkte beziehungsweise auf das nachhaltige Verhalten des werbenden Unternehmens hinzuweisen, ist ein sensibler Umgang bei deren Verwendung unabdingbar. Dies haben die Erfahrungen mit umweltbezogenen Claims gezeigt. Die übertriebene Verwendung dieser Claims führt zu Misstrauen und Reaktanzen auf Seiten der Verbraucher (vgl. Polonsky et al. 1998, S. 290).

3.4.7 Zertifikate

Informationsökonomisch betrachtet, lassen sich Produkteigenschaften in drei Kategorien einteilen:

- Sucheigenschaften
- Erfahrungseigenschaften
- Vertrauenseigenschaften (vgl. Becker 2000, S. 158ff.).

Sucheigenschaften können bereits vor oder während des Kaufs eines Produktes durch den Konsumenten herausgefunden werden (z.B. Farbe oder Preis eines Produkts). Erfahrungseigenschaften lassen sich erst nach dem Kauf beziehungsweise beim Gebrauch eines Produkts ermitteln (z.B. Geschmack). Vertrauenseigenschaften sind durch den Konsumenten im Normalfall gar nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand in Erfahrung zu bringen. Darunter fällt z.B. die Art und Weise, wie ein Produkt hergestellt wird.

Sozial-ökologische Produkteigenschaften, also ob ein Produkt in seinen Eigenschaften einem nachhaltigen Produkt entspricht, können jeder der drei Kategorien entsprechen: Ob ein Toilettenpapier tatsächlich aus Recyclingpapier hergestellt wurde, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die graue Farbe erkennen (Sucheigenschaft). Einen sparsamen Benzinverbrauch ermittelt ein Autokäufer spätestens nach dem ersten Besuch bei der Tankstelle (Erfahrungseigenschaft). Nicht überprüfbar für den Konsumenten ist jedoch, ob der Strom aus der Steckdose tatsächlich aus regenerativen Energien gewonnen wurde, oder ob Fair Trade Kaffee auch tatsächlich ‚fairem Handel‘ entstammt (Vertrauenseigenschaft) (vgl. Belz, Ditze 2005, S. 77).

Zertifikate (synonym: Label) sind ein probates Mittel, um dem Konsumenten Vertrauenseigenschaften glaubhaft zu machen. Sie erleichtern ihm die Beurteilung eines Produkts und fassen Schlüsselinformationen zusammen. So stellen sie eine Kurzform nachhaltiger Kennzeichnung dar (vgl. Katz 2002, S. 199).

Nachhaltigkeitslabel belegen, anders als die schon länger bekannten Umwelt- (Bio-, Öko-, Energielabel, wie der ‚Blaue Engel‘) und Soziallabel (wie z.B. das ‚Fair Trade‘ Label), nicht nur einzelne Aspekte bei der Produktherstellung oder -verwendung, sondern gemäß der Definition von Nachhaltigkeit (vgl. Kapitel 3.1) bestimmte ökologische, ökonomische und soziale Eigenschaften eines Produkts „von der Wiege bis zur Barre“ (from cradle to grave) (Pant, Sammer S. 6).

Durch Zertifikate gelingt es Produkte mit demselben Gebrauchszweck durch ihre nachhaltige Kennzeichnung voneinander abzugrenzen. Sie gewinnen bei den Verbrauchern vor allem deshalb an Bedeutung, weil diese, bedingt durch die heutige Informationsüberflutung, immer mehr nach eindeutigen Zeichen und Signalen zur besseren Unterscheidung gleichartiger Produkte verlangen (vgl. Katz 2002, S. 199). Diese vereinfachen ihnen die Informationsbeschaffung und reduzieren die Unsicherheit, das für sie richtige (nachhaltige) Produkt zu kaufen, indem sie die wichtigen Informationen in einem eindeutigen Zeichen bündeln (vgl. Levien 1998, S. 34). Informationsasymmetrien zuungunsten der Konsumenten werden so umgangen und dabei für die zertifizierten Unternehmen oder Produkte neue Positionierungschancen am Markt eröffnet. In diesem Sinn dienen Label den Unternehmen, ähnlich wie eine Marke als Wettbewerbsinstrument, wobei sie meist zur Hervorhebung ethisch relevanter Produktmerkmale verwendet werden (vgl. Pant, Sammer, S. 5).

Die beiden Hauptfunktionen von Zertifikaten sind somit die Informationsfunktion, denn sie informieren die Verbraucher über die intangiblen Produkteigenschaften, und die Wertfunktion – sie verleihen dem Produkt im Idealfall einen zusätzlichen Wert (z.B. Prestigegewinn durch das Fahren eines Drei-Liter-Autos) (vgl. Sammer, Wüstenhagen 2006, S. 186).

Bei all den Vorzügen, die Label bieten, gibt es auch einige Nachteile. Eine Vielzahl an dargebotenen Zertifikaten kann zu Verwirrung und Verunsicherung der Verbraucher führen. Vor allem Öko-Label wurden Ende der 1980er Jahre inflationär häufig verwendet (Katz 2002, S. 200). Deshalb haben es Labeling-Ansätze von einzelnen Unternehmen, aber auch von Unternehmensgruppen in diesem Bereich schwer, Bedeutung zu erlangen. Die Flut unterschiedlicher Label verunsichert dabei die Verbraucher und führt zu Misstrauen gegenüber den werbenden Unternehmen (vgl. Levien 1998, S. 34). Gerade durch die Vielzahl unterschiedlichster Zertifikate tauchen immer wieder Trittbrettfahrer auf, die die Informationsasymmetrie zu ihren Gunsten ausnutzen.

Da auch die Vergabekriterien nicht immer durchsichtig sind und Label nicht immer von unabhängigen Experten vergeben werden, betrachten viele Verbraucher sie oft eher argwöhnisch (vgl. Katz 1990, S. 199f.).

Damit Label wirklich sinnvoll eingesetzt werden können, sollten sie folgende Eigenschaften erfüllen:

Sie sollten Unabhängigkeit, Integrität und Transparenz wahren. Vor allem das zertifizierte Unternehmen sollte nicht in Verbindung mit der Vergabestelle stehen und die Vergabekriterien sollten für jedermann verständlich sein („independence, integrity and transparency“).

Außerdem müssen sie auf den ersten Blick als Label erkennbar und dabei auch in ihrer Aussage klar verständlich sein („crystal clear branding“).

Die Definition von Nachhaltigkeit sollte von der Zertifizierungsstelle so gewählt sein, dass sie auf möglichst viele und im besten Fall auf jedes beliebige Produkt und Produktionssystem anwendbar ist („practical definition of sustainability“).

Ein weiterer wichtiger Meilenstein für ein erfolgreiches Nachhaltigkeits-Label ist der Grad seines wissenschaftlichen Klangs. Dieser beinhaltet vor allem die Kompatibilität des Zertifizierungssystems mit den geltenden gesetzlichen Standards. Falls möglich, sollte ein Zertifikat nicht nur das Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern den gesamten Produktlebenszyklus von der Herstellung über den Gebrauch bis hin zur Entsorgung des Produkts berücksichtigen („scientifically sound“).

Schließlich entscheidet auch die globale Reichweite der Zertifizierungsstandards über den Erfolg eines Labels. Es sollte nicht nur in einem Industriezweig, sondern in allen anwendbar sein („global scope“) (vgl. Harris 2007, S. 51).

Im Laufe der Zeit haben sich unterschiedlichste Formen von Zertifikaten herausgebildet, die im Folgenden, analog zu den unterschiedlichen Formen von Umweltzeichen, vorgestellt werden:

Im einfachsten Fall kann zwischen einer Zertifizierung der kennzeichnenden Institution und damit das nachhaltigkeitsgerechte Verhalten eines Unternehmens, oder der Zertifizierung des Kennzeichnungsgegenstandes und damit die Konformität eines einzelnen Produkts mit den Voraussetzungen der Nachhaltigkeit, unterschieden werden (vgl. Levien 1998, S. 34). Dabei kann bei der Betrachtung eines Produkts entweder eine einzelne Eigenschaft oder der gesamte Produktlebenszyklus beurteilt werden. Bei einem Unternehmen werden analog das gesamte Unternehmen, alternativ auch nur ein einzelner Produktionsstandort, Gegenstand der Zertifizierung.

Die Zertifizierung kann aufgrund von absoluten Kriterien erfolgen. Dabei dürfen festgelegte Grenzwerte bei Produktion, Gebrauch oder Entsorgung des Produkts nicht überschritten werden (z.B. Benzinverbrauch pro 100 km bei einem Auto). Genauso können nur relative Vergabekriterien zur Erteilung eines Labels führen, was dann lediglich eine relative Verbesserung des nachhaltigen Leistungsniveaus belegt. Diese Form wird meist bei einer standortbezogenen Zertifizierung gewählt.

Unterschiede lassen sich auch in der Vergabestelle festmachen. Label werden von staatlichen, nicht staatlichen oder neutralen Gutachtern vergeben. So vergibt z.B. das Umweltbundesamt als staatliche Stelle seit Ende der 1970er Jahre den blauen Umweltengel. Nicht-staatliche Organisationen, wie z.B. der WWF, sollten zugunsten ihrer Glaubwürdigkeit als Zertifizierungsstelle zugelassen sein.

Ebenso ist es möglich ein Label nur für eine zeitlich begrenzte Dauer oder permanent zu vergeben, wobei eine dauerhafte Zertifizierung im Umweltbereich keine Anwendung findet.

Eine letzte Unterscheidungsform von Nachhaltigkeits-Labeln ist die freiwillige oder unfreiwillige Meldung zur Zertifizierung. So nimmt z.B. die nicht-staatliche Stiftung Ökotest ihre Untersuchungen selbstständig und ohne das Einverständnis der Unternehmen, deren Produkte getestet werden, vor. (vgl. Meffert, Kirchgeorg 1995, S. 5ff.).

3.4.8 Einstellung zum Produkt

Die Einstellung (Attitude) ist wohl das komplexeste und bedeutendste Konstrukt in der Konsumentenforschung und deshalb schon häufig in der einschlägigen Literatur untersucht worden.

Eine weit verbreitete Begriffsbestimmung sieht die Einstellung als „[…]erlernte, relativ stabile Bereitschaft einer Person, sich gegenüber dem Einstellungsobjekt konsistent positiv oder negativ zu verhalten“ (Schweiger, Schrattenecker 1992, S. 82; vgl. auch Nieschlag et al. 1997, S. 168).

Während zu Beginn der Forschung die Einstellung noch als eindimensionales Konstrukt zur allgemeinen Bewertung eines Produktes angesehen wurde (vgl. Dubé et al. 2003, S. 259), kam man von dieser Betrachtungsweise jedoch schnell wieder ab. Die bekannteste Meinung beruht heute auf der Drei-Komponenten-Theorie; die subjektive Einstellung gegenüber einem Objekt setzt sich folglich aus drei Elementen zusammen:

- der affektiven,
- kognitiven
- und konativen Komponente (vgl. Petty et al. 2002, S. 752).

Jedoch sind viele Autoren der Ansicht, es ist sinnvoller die Verhaltensabsicht vom objektbezogenen Einstellungsbegriff, also der affektiven und kognitiven Komponente, zu trennen (vgl. z.B. Meffert 1986, S. 152).

Während die affektive Komponente Gefühle und Emotionen beinhaltet, beschreibt die kognitive Komponente die Wahrnehmung des Objekts und die Eigenschaften, die selbigem beigemessen werden (vgl. Dubé et al. 2003, S. 259). Oftmals wurde die affektive Komponente als eindimensionales Konstrukt mit einer positiven beziehungsweise negativen Bewertung eines Produkts gleichgesetzt, ohne dabei die emotionale Dimension (z.B. Wut, Angst, …) zu berücksichtigen, die ihm entgegengebracht wird (vgl. Mano 1997, S. 316). Je nach zu bewertendem Objekt/Produkt kann sogar das emotionale Element die größere Rolle spielen, um das Verhalten einer Person vorherzusagen (vgl. Petty et al. 2002, S. 766).

Des Weiteren wurden anfangs beide Komponenten als Rivalen bei der Einstellungsbildung angesehen; die Präsenz einer Komponente schloss folglich die andere aus. Durch neuere Studien wurde diese Hypothese mittlerweile widerlegt, wonach sowohl die affektive als auch die kognitive Komponente zugleich wirken können (vgl. Kim et al. 1998, S. 149f.).

Die konative Komponente drückt die Verhaltensabsicht aus (vgl. Fishbein, Ajzen 1975, S. 12), wobei diese wiederum von der affektiven und kognitiven Komponente bestimmt wird (vgl. Morris et al. 2002, S. 12). Sie hat offensichtlich eine noch stärkere Vorhersagekraft als die beiden anderen Elemente für das tatsächliche Verhalten und stellt somit nach mehrheitlicher Meinung die zentrale Einflussgröße für das Verhalten dar (vgl. z.B. Chan, Lau 2000, S. 348; Ajzen, Fishbein 1973, S. 46). Diese Verhaltensabsicht und -motivation kann in vorliegender Studie durch die Zahlungsbereitschaft ausgedrückt werden.

Nachfolgend werden nun die affektive und kognitive Komponente der Einstellung genauer betrachtet.

3.4.8.1 Kognitive Komponente

Durch die kognitive Komponente der Einstellung bildet sich aufgrund der Wahrnehmung der Produktattribute die Einschätzung, inwieweit das Produkt zur eigenen Bedürfnisbefriedigung geeignet ist (vgl. Nieschlag et al. 1997, S. 208; vgl. Schweiger, Schrattenecker 1992, S. 109). Dazu muss der Konsument allerdings ein bestimmtes Produktwissen vorweisen können, um die für ihn relevanten Eigenschaften wahrnehmen und auch bewerten zu können. Diese Eigenschaft kann z.B. der Preis sein oder aber die Tatsache, dass das Produkt nachhaltig hergestellt wurde. Unterschiede ergeben sich hierbei allerdings durch die Schwierigkeit der Evaluierung dieser Attribute. Während eine Preisvorgabe recht einfach als ‚zu teuer‘ oder „preiswert“ einzuschätzen ist, kann dies bei der Information „nachhaltig hergestellt“ nicht ohne weitere Kenntnis erfolgen. Der Konsument muss dabei wissen, was nachhaltig bedeutet, welchen Nutzen ein nachhaltig hergestelltes Produkt mit sich bringt und vieles mehr.

Ein Mensch erlebt im Laufe seines Lebens im Hinblick auf die verschiedensten Produkte eine Vielzahl von Eindrücken und Erfahrungen. Diese müssen nicht zwingend bestehen bleiben, sie können auch aufgrund neu erhaltener Informationen variieren. Jedoch kann eine Person wegen dieser Fülle an erlernten und beobachteten Erkenntnissen bei der Einstellungsbildung nicht auf alle zurückgreifen; die Einstellung bildet sich folglich aus den für sie wichtigsten Informationen (vgl. Fishbein, Ajzen 1975, S. 217):

„An attitude represents a person’s general feeling of favorableness or unfavorableness toward some stimulus object. [A]s a person forms beliefs about an object, he automatically and simultaneously acquires an attitude toward that object. Each belief links the object to some attribute; the person’s attitude toward the object is a function of his evaluations of these attributes.” (Fishbein, Ajzen 1975, S. 216).

Dies bedeutet, eine Person assoziiert mit einem bestimmten Produkt gewisse für die Person relevante Attribute beziehungsweise wahrgenommene Eigenschaften (beliefs). Diese werden entweder als positiv oder negativ empfunden, womit die Bewertung folglich ein eindimensionales Konstrukt mit einem positiven und negativen Pol darstellt (vgl. Ostrom 1969, S. 13). Somit können sie als kognitives Element erfasst werden (vgl. Bonfield 1974, S. 380).

Diese Überzeugungen und Annahmen können sich auf mehrere Arten bilden. Zum einen werden sie durch externe Quellen aufgenommen, wie beispielsweise Zeitungen, Radio, TV, etc., man nennt sie auch „informational beliefs“. Durch das Lesen eines bestimmten Artikels können Personen beeinflusst werden und Objekten beziehungsweise Produkten bestimmte Attribute zuweisen.

Zum anderen entstehen die sogenannten „descriptive beliefs“ durch eigene Erfahrung mit dem Untersuchungsgegenstand, z.B. den direkten Gebrauch beziehungsweise den ersten Kontakt mit dem Produkt. Beispielsweise durch die Verpackung oder ein Nachhaltigkeitssiegel könnte der Konsument einen positiven Eindruck vom Produkt erhalten.

Schließlich sind noch die „inference beliefs“ zu erwähnen, die über das direkt Beobachtbare hinausgehen. Hier bildet sich durch eigene Logik und Assoziation eine Meinung gegenüber dem Produkt/Objekt (z.B. ein Mensch, der oft weint wird mit dem Begriff ‚traurig‘ assoziiert) (vgl. Fishbein, Ajzen 1975, S. 132ff.).

Diese Fülle an Eindrücken und Informationen trägt zur Wahrnehmung des Produkts enorm bei und der Konsument entwickelt eine gewisse Überzeugung das Produkt besitze bestimmte Eigenschaften (vgl. Fishbein, Ajzen 1975, S. 12). Hierbei sollte man allerdings unterscheiden, wie stark diese bei den jeweiligen Personen ausgeprägt ist. Angenommen ein Konsument ist sich nicht absolut sicher, ob ein Produkt (Waschmittel) eine bestimmte Eigenschaft (z.B. 100% biologisch abbaubar) besitzt. Seine Einstellung gegenüber dem Produkt wird folglich entweder leicht positiv, leicht negativ oder neutral bleiben. Im Gegensatz dazu ist diese Ausprägung wohl deutlich stärker bei jemandem, der überzeugt ist, dass selbige Eigenschaft vorliegt. Anders formuliert: Die jeweilige Einstellung bildet sich durch die subjektiv wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt die Eigenschaft besitzt (vgl. Fishbein, Ajzen 1975, S. 12). Als Resultat der Einstellungsbildung hat der Konsument eine positive, negative oder neutrale Produktbewertung vorgenommen und kann darauf folgend seine Verhaltensabsichten zum Ausdruck bringen.

3.4.8.2 Affektive Komponente

Die affektive Komponente, also die emotionale Empfindung einer Person, bildet das zweite die Einstellung definierende Merkmal. „Emotionen sind aktuelle Zustände von Personen (z.B. Freude, Traurigkeit, Ärger, Angst), die sich nach Art (Qualität) und Intensität unterscheiden. Emotionen sind in der Regel objektgerichtet“ (Internetquelle 4).

Es gibt unterschiedliche Auffassungen über deren Auswirkung auf die Einstellungsbildung: Während Fishbein & Middlestadt mit ihrer Ansicht, alle Einflüsse auf die Einstellung, abgesehen von den wahrgenommenen Attributen, beruhten auf ungenügenden Messverfahren beziehungsweise Variablen (vgl. Fishbein, Middlestadt 1995, S. 184) eher die Ausnahme bilden, erlangt die affektive Komponente in neueren Untersuchungen teilweise sogar mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung als die kognitive (vgl. Kim et al. 1998, S. 149f.; vgl. Morris et al. 2002, S. 14).

„[It was] found that affect when measured by a visual measure of emotional response dominates over cognition for predicting conative attitude and action“ (Morris et al. 2002, S. 7).

Obwohl es unzählige Arten von Emotionen gibt (Angst, Wut, Trauer, Freude, Glück,…) und sich Individuen durch unterschiedliche Intensitäten der Emotionen bezüglich eines Objektes charakterisieren lassen (vgl. Moore, Harris 1996, S. 38), kann das ganze Spektrum menschlicher Emotionen durch drei unabhängige, bipolare Dimensionen beschrieben werden:

- Pleasure-Displeasure
- degree of arousal (Grad der Erregung)
- Dominance-submissiveness (Dominanz-Unterwürfigkeit).

Durch Variation der verschiedenen Ausprägungen dieser Dimensionen lassen sich alle möglichen Emotionen darstellen (vgl. Morris 1995, S. 63), wobei die Stärke der Emotion wiederum eine unterschiedliche Auswirkung auf die Einstellung zur Folge hat (vgl. Moore, Harris 1996, S. 38). Aufgrund der Bipolarität der Dimensionen lassen sich mehrere Zustände beschreiben: Die „Pleasure-Dimension“ rangiert von extremem Unmut bis hin zur überschwänglichen Freude am anderen Ende. „Arousal“ verläuft von schlafend über relaxed und aufmerksam bis hin zur totalen Aufregung. Schließlich ist die „Dominance-Dimension“ von Machtlosigkeit auf den Einfluss von Ereignissen bis hin zu vollkommener Kontrolle und Einflussnahme ausgeprägt (vgl. Russell, Mehrabian 1977, S. 274)

Das sogenannte PAD-Modell (Pleasure Arousal Dominance) gewinnt bei der Untersuchung der affektiven Einstellungskomponente immer mehr an Bedeutung, allerdings gibt es auch hier zwei Kritikpunkte: Die Bewertung der Emotionen aufgrund von verbalen Statements erfolgt auf kognitivem Weg durch Überlegungen, die der Akteur anstellt. Folglich wird hier eine reine Messung der wirklichen Gefühle und Emotionen etwas verfälscht. Des Weiteren kann bei verbalen Aussagen die exakte Bedeutung von Person zu Person variieren. (vgl. Morris et al. 2002, S. 8). Aus diesem Grund wurde, aufbauend auf dem PAD-Modell, das SAM-Modell (Self-Assessment Manikin) entwickelt, bei dem Figuren (Manikins) die Emotionen nonverbal ausdrücken. Auf dieses Messverfahren wird in Kapitel 4.9.2 noch genauer eingegangen.

3.5 Funktionale Beziehungen

3.5.1 Soziale Normen

Die sozialen Normen nehmen im Modell von Schwartz eine zentrale Rolle ein. Sie wirken zum einen direkt auf die entsprechende Verhaltensintention und zum anderen auf die persönlichen Normen.

Der direkte Einfluss der sozialen Normen auf die Verhaltensabsicht kann anhand der Theorie des überlegten Handelns (Theory of Reasoned Action, vgl. Ajzen, Fishbein 1981, S. 279ff.) und der Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior, vgl. Ajzen 1991, S. 179ff.) begründet werden.

Davon ausgehend wird die Verhaltensabsicht neben den persönlichen Faktoren auch von der sozialen Erwünschtheit des Handelns direkt beeinflusst:

„[…]it refers to the individual’s perception of the behaviors expected of him by relevant or significant others, called social normative beliefs.[…] These normative beliefs are in turn multiplied by the individual’s motivation to comply with the norms“ (Ajzen, Fishbein 1970, S. 467).

Allerdings sehen Ajzen und Fishbein diese Motivationsvariable nicht als entscheidend, eher sogar als hinderlich für die Vorhersagekraft des Verhaltens an, weshalb sie in ihrer Studie auch vernachlässigt wird (vgl. Ajzen, Fishbein 1970, S. 468, vgl. Ajzen 1991, S. 196). Die social normative beliefs können demzufolge definitionsgemäß mit den sozialen Normen im Modell von Schwartz in Einklang gebracht werden.

Soziale Normen sind dann aktiviert, wenn der Akteur aufgrund des gesellschaftlichen Drucks ein bestimmtes Verhalten ergreift oder ergreifen will (vgl. Gierl 2002, S. 17), das Verhalten also beobachtbar ist. Demnach ist von einem positiven Einfluss der sozialen Normen auf das Verhalten auszugehen, wenn der handelnden Person entweder soziale Missbilligung oder Anerkennung widerfahren kann (vgl. Gierl 2002, S. 17, vgl. Herker 1993, S. 28).

Die individuell empfundene Wichtigkeit der sozialen Normen hängt annahmegemäß auch von der erwarteten Verhaltensabsicht ab (vgl. Ajzen, Fishbein 1981, S. 279). Dies bedeutet, dass in manchen Situationen oder bei manchen Produkten persönliche Faktoren (wie persönliche Normen) eine größere Rolle bei der Bildung der Verhaltensintention spielen können als soziale Normen und umgekehrt (vgl. Ajzen 1991, S. 188f.)

Jedoch stieß die Theorie, mit Normen entsprechendes Verhalten vorherzusagen, auf weitläufige Kritik:

„If it [a behavior predicted from the norm] occurs, the norm is said to have had an effect. If it does not occur, the situation is said to fall outside the range of the norm. […] The danger with normative analysis is that norms can be invented post hoc to explain almost anything“ (Krebs 1970, S. 294f.).

Deshalb sind viele Kritiker der Ansicht, Normen seien zwar geeignet Verhalten post hoc zu erklären, nicht aber, um Verhalten vorherzusagen (vgl. Reno 1991, S. 4).

Der Grund für den Einfluss der sozialen Normen auf die persönlichen Normen liegt darin, dass sie als „Quelle“ der persönlichen Normen angesehen werden (vgl. Osterhus 1997, S. 18). Viele Erwartungen der Gesellschaft an die handelnde Person werden über einen längeren Zeitraum als eigene Normvorstellung adaptiert. Man spricht hier auch von der Internalisierung der sozialen Norm (vgl. Gierl 2002, S. 17; vgl. Osterhus 1997, S. 18).

3.5.2 Persönliche Normen

Die persönlichen Normen sind im Modell von Schwartz die treibende Kraft um spezifisches (altruistisches) Verhalten vorherzusagen (vgl. Schwartz 1977, S. 231). Da die erhöhte Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte einen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft darstellt, kann diese Verhaltensabsicht durchaus als altruistische Handlung gesehen und die persönlichen Normen als Erklärungsvariable betrachtet werden (vgl. auch Guagnano et al. 1994, S. 412).

Sie stellt im vorliegenden Modell das Nachhaltigkeitsbewusstsein dar, also die Einstellung einer Person, wie sie sich in einer bestimmten, den Nachhaltigkeitsaspekt betreffenden Situation verhalten wird (vgl. Gierl 2002, S. 16).

Sind bei einem Konsumenten solche persönlichen Normen nicht verankert, so wird er sich in einer relevanten Situation auch nicht davon leiten lassen. Ein Kunde, dem die Umwelt und Natur gleichgültig sind, sucht bei der Auswahl eines Produkts nicht nach umweltschonenden und nachhaltigen Produktmerkmalen beziehungsweise er wird auch nicht bereit sein für solche Produktattribute mehr zu bezahlen.

Doch selbst wenn die entsprechenden persönlichen Normen vorhanden sind, ist nicht zwangsläufig eine davon abgeleitete Handlung garantiert:

„A norm which is not activated is unlikely to have any significant impact on behavior regardless of its content or of how strongly the person holds it“ (Schwartz 1968B, S. 355).

Demzufolge stellen die wahrgenommenen Konsequenzen und die Zuschreibung von Verantwortung notwendige Bedingungen für eine Aktivierung der persönlichen Normen und ihren Einfluss auf das Verhalten in spezifischen Situationen dar (vgl. Schwartz 1968A, S. 240).

3.5.3 Wahrgenommene Konsequenzen und zugeschriebene Verantwortung

Die Aktivierung der an sich selbst gestellten Erwartungen und Pflichten erfolgt dann, wenn der Konsument sich den Konsequenzen seines Handelns bewusst ist (awareness of consequences = AC) und sich für die daraus resultierenden Folgen verantwortlich zeigt (ascription of responsibility = AR). Dadurch fühlt sich der Akteur moralisch verpflichtet, nach seinen Normen zu handeln und damit einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlergehen zu leisten.

Dies liegt beispielsweise dann vor, wenn jemand aus innerer Überzeugung heraus (persönliche Norm) einen „grünen“, aber teureren Stromanbieter auswählt, weil er weiß, dass er bei entgegengesetzter Handlung die Umwelt nachhaltig beeinträchtigen würde (AC) und er selbst dafür verantwortlich wäre (AR).

Dementsprechend findet eine Aktivierung der persönlichen Normen nur statt, wenn beide Faktoren zusammenwirken (vgl. Schwartz 1968A, S. 234, S. 238). Darüber hinaus ist anzunehmen, dass beide Variablen nur wirken können, wenn der Handelnde die Möglichkeit zu einer eigenständigen Ablehnung beziehungsweise Ignorierung der Konsequenzen oder der Verantwortung hat, ohne der Aussicht einer Bestrafung durch andere ausgesetzt zu sein (vgl. Schwartz 1968A, S. 240).

Das theoretische Konstrukt der moralischen Entscheidungsfindung geht ferner davon aus, dass bei diesen beiden Komponenten eine Wechselwirkung vorliegt. Dies wiederum bewirkt eine überproportionale Zunahme der Korrelation zwischen den persönlichen Normen und Verhaltensmotivation, wenn AC und AR ansteigen (vgl. Schwartz 1968A, S. 238, Schwartz 1968B, S. 363).

3.5.4 Werte

Im Normaktivierungsmodell von Schwartz werden die allgemeinen Wertvorstellungen als eigener Einflussfaktor auf altruistisches Verhalten meist außen vor gelassen. Überhaupt wurden in den meisten Untersuchungen lediglich Einflussgrößen eines bestimmten Abstraktionsgrades (z.B. Einfluss von Werten oder Normen oder Einstellungen) auf umweltbewusstes beziehungsweise nachhaltiges Konsumentenverhalten erforscht. Nordlund und Garvill (Nordlund, Garvill 2002, S. 742f.) entwickelten darauf Bezug nehmend ein Modell, das eine Erweiterung und Konkretisierung des Schwartz’schen Normaktivierungsmodells darstellt. Hierbei wurden jeweils die unterschiedlichen Einflussgrößen miteinander in Verbindung gebracht, genauer gesagt, erfolgte eine hierarchische Anordnung von abstrakten zu speziellen Einflussgrößen auf umweltbewusstes Verhalten. Konkret konnte nachgewiesen werden, dass die persönlichen Normen auf die Beziehung zwischen dem allgemeinen Wertesystem und dem umweltbewussten Verhalten mediierend wirken (vgl. Nordlund, Garvill 2002, S. 750f.):

„The personal norm, experienced as a moral obligation to act to protect whatever is threatened, is derived from the individual’s relevant general […] values. Thus, we expected the individual’s general […] value orientations to influence the personal norm“ (Nordlund, Garvill, 2002, S. 745).

Diese These konnten die Autoren nachfolgend auch signifikant bestätigen.

Schwartz definierte zehn weit gefasste, transkulturelle Werte (Macht, Leistung, Hedonismus, Stimulation, Selbstbestimmung, Universalismus, Humanismus, Tradition, Konformität und Sicherheit/Ordnung), die die gesamte Bandbreite kultureller, motivationsspezifischer Wertvorstellungen abdecken (vgl. z.B. Schwartz, Bardi 2003, S. 1208). Dieses Werteinventar konnte in zwei bipolare Extreme zusammengefasst werden: Eigennutz vs. Wohl der Gesellschaft (Self-Enhancement vs. Self-Transcendence) und Offenheit für Veränderungen vs. Bewahrung des derzeitigen Zustandes (Openness to Change vs. Conservation) (vgl. Werder 2002, S. 45).

Die Ergebnisse mehrerer Studien bezeichnen altruistische Werte (self-transcendent values) als Antriebskraft, um auf das Umweltbewusstsein (persönliche Norm) zu wirken, während egoistische Werte (self-enhancement values) negativ mit umweltrelevanten Normen assoziiert werden (vgl. z.B. Stern 2000, S. 411, vgl. Nordlund, Garvill 2002, S. 745).

[...]

Ende der Leseprobe aus 141 Seiten

Details

Titel
Die Werbewirkung von Nachhaltigkeitsmarketing und Sustainability-Zertifikaten
Untertitel
Eine empirische Studie
Hochschule
Universität Augsburg  (Marketing Lehrstuhl)
Veranstaltung
Diplomarbeit
Note
1,3
Autoren
Jahr
2008
Seiten
141
Katalognummer
V115467
ISBN (eBook)
9783640194599
ISBN (Buch)
9783640194674
Dateigröße
4347 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werbewirkung, Nachhaltigkeitsmarketing, Sustainability-Zertifikaten, Diplomarbeit
Arbeit zitieren
André Steiner (Autor:in)Matthias Strobel (Autor:in), 2008, Die Werbewirkung von Nachhaltigkeitsmarketing und Sustainability-Zertifikaten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115467

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