Das Serienformat "Big Brother". Gefährliches Menschenexperiment oder harmlose Geldmaschine?


Seminararbeit, 2001

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Vorwort

2 Was ist „Big Brother“ überhaupt?
2.1 Das Konzept
2.2 Die Spielregeln
2.3 Die Kandidaten
2.4 Die Macher
2.4.1 Endemol Entertainment
2.4.2 RTL 2

3 Die Medienhysterie
3.1 Die Historie des Reality-TV
3.2 Die Menschenrechtsdebatte
3.3 Die totale Kontrolle à la Orwell

4 Das große Geschäft mit den Kandidaten
4.1 Authentizität oder Inszenierung?
4.2 Der Goldesel Zlatko
4.3 Die Knebelverträge Endemols

5 Der Fankult
5.1 Theorien des Erfolgs
5.2 Voyeurismus
5.3 Promotion

6 Fazit und Ausblick
6.1 Geldmaschine Big Brother
6.2 Was kommt nach Big Brother & Co?

7 Literaturverzeichnis

1 Vorwort

Selten war ein Start eines neuen Fernsehformates so umstritten wie der von „Big Brother“. Ausschweifende Phantasien, Ängste und eine tiefgehende moralische Entrüstung wurden von Journalisten, Psychologen, Vertretern der Kirche und der Landesmedienanstalten artikuliert und so eine regel­rechte Medienhysterie entfacht. Die Produzenten von „Big Brother“ heizten die Stimmung dabei insofern an, als dass sie eine nicht enden wollende Flut von Spekulationen über mögliche Drogenexzesse, Orgien und Gewalt publizierten. Den Zuschauern wurde die Erfahrung von etwas außerordentlich Skandalösem und Exzessiven in Aussicht gestellt und Schlagwörter wie Menschenexperiment oder Menschenzoo kursierten in sämtlichen bundesdeutschen Gazetten.

Als die Reality-Soap „Big Brother“ am 1. März 2000 um 20.15 Uhr auf RTL2 dann tatsächlich das erste Mal über die Mattscheibe flimmerte, waren die Erwartungen der Zuschauer erwartungsgemäß hoch. Was dann aber wirklich zu sehen war, war verglichen mit den Prophezeiungen für die meisten wohl eher enttäuschend. Die mediale Inszenierung eines 100-tägigen WG-Lebens war banal, langweilig und äußerst unspektakulär.

Ich widme diese Hausarbeit all denjenigen, die wie ich -angestachelt durch die mediale Hysterie- in „Big Brother“ zunächst ein gefährliches Menschenexperiment vermuteten und in zahlreichen Diskussionen, zu Protest und Boykott aufriefen –so lange bis ich durch die intensive Beschäftigung der Thematik bemerkte, worum es bei diesem Phänomen in Wirklichkeit geht. Diesen „Sinneswandel“ möchte ich in dieser Hausarbeit skizzieren und belegen und meinen Erkenntnisgewinn all denjenigen zugänglich machen, die dem gleichen „trojanischen Pferd“ aufgesessen sind.

2 Was ist „Big Brother“ überhaupt?

2.1 Das Konzept

Zehn Menschen ziehen gemeinsam in eine Wohngemeinschaft und geben damit freiwillig für 100 Tage jegliches Privatleben auf. Vierundzwanzig Stunden täglich werden sie von 28 Kameras beobachtet, jedes Wort und jede Handlung werden aufgezeichnet und um 20.15 Uhr von RTL2 einem Millionenpublikum in einem Zusammenschnitt präsentiert. Wer die 100 Tage Überwachung durchhält ohne aufzugeben oder vom Fernsehpublikum aus dem Haus gewählt zu werden, erhält das Preisgeld von 250.000 Mark.[1]

2.2 Die Spielregeln

Die zehn Bewohner haben sich vor dem Start von „Big Brother“ niemals zuvor getroffen. Jeder Kandidat muss sich vor dem Einzug in das „Big Brother“- Haus intensiven psychologischen und allgemeinmedizinischen Tests unterziehen. Diese sollen die überdurchschnittliche Ausprägung der seelischen Stabilität, des Durchsetzungsvermögens, der emotionalen Intelligenz und der Gruppenfähigkeit der zukünftigen Bewohnern gewährleisten. Mediziner und Psychologen stehen während des Projektes ständig bereit. In der dritten Staffel wurde diese Regel dahingehend modifiziert, dass nun ein Paar, das sich bereits seit längerem kennt mit in die Wohngemeinschaft einzieht.

Die Gruppe ist von der Außenwelt hermetisch abgeriegelt. Kameras, technisches Personal, Redaktion und Betreuer sind für die Gruppe nicht zu sehen oder zu hören. Das Team kommuniziert nur per Lautsprecher mit der Gruppe. Massenmedien wie Fernsehen, Radio oder Zeitung stehen ihr nicht zur Verfügung. Ab der dritten Staffel kommuniziert das „Big Brother“- Team nur noch per E-mail oder mit einer elektronisch veränderten Stimme mit den Bewohnern.

Das Prinzip "Back to the Basics" gilt als Lebensstil bei „Big Brother“. Die Bewohner müssen während der 100 Tage vollständig auf Luxus und Komfort verzichten. Jeder Teilnehmer darf nur einen Diplomatenkoffer voll persönlicher Habe mitbringen. Holz zum Heizen muss selbst gehackt werden, Brot von Hand gebacken und Gemüse im Garten des Containers gezogen und geerntet werden. Für alle weiteren Waren steht der Gruppe ein - geringes -Budget zur Verfügung, über das sie gemeinsam entscheiden muss. Das Budget kann erhöht werden, indem die Gruppe die Tages- und Wochenaufgaben erfolgreich löst. Die Kameras sind ständige Beobachter der Aktivitäten im „Big Brother“- Haus. Alles wird von ihnen registriert und die Bewohner werden selbst auf der Toilette beobachtet. Diese intimen Bilder werden jedoch nicht veröffentlicht, sondern dienen lediglich der Sicherheit.

Die Bewohner müssen täglich einen persönlichen Bericht abgeben. Dies geschieht im sogenannten Sprechzimmer, in dem sie unbeobachtet und unbelauscht von den Mitbewohnern über ihre individuellen Erfahrungen, Gefühle und Konflikte reden.

Alle zwei Wochen muss ein Bewohner die Gruppe verlassen Die Gruppe spricht dafür je zwei Nominierungen aus. Jeder Teilnehmer nennt im Sprechzimmer zwei Mitbewohner, die gehen sollen. Jene beiden Bewohner, die von ihren Mitbewohnern in der betreffenden Runde am häufigsten genannt wurden, sind nominiert. Wer tatsächlich gehen muss, entscheiden die Zuschauer. In der dritten Staffel wurde das Nominierungsverfahren dahingehend modifiziert, dass fortan die Nominierungen gewichtet werden müssen: Einer der nominierten Bewohner erhält zwei Punkte, der andere einen. Die beiden Kandidaten mit den meisten Punkten - plus Publikumspunkte - sind nominiert. Wer dann tatsächlich gehen muss, entscheiden die Zuschauer von RTL und RTL II und die Fans aus dem Internet bis zum Samstag der folgenden Woche per TED und via Internetvoting.

Jeder Bewohner darf zu jedem Zeitpunkt aus freien Stücken den „Big Brother“- Container verlassen. Mit dem Austritt ist das Spiel jedoch unwiderruflich beendet. Nur wer von Anfang an bis zum 100-sten Tag ausharrt, hat die Chance auf den Hauptpreis von 250.000 Mark. In der dritten Staffel wird jeder Bewohner der durch Zuschauer-Abwahl nach Nominierung den Container verlässt, zusätzlich mit einem Geldgeschenk belohnt. Der erste erhält einen Bonus von DM 2.000 und die folgenden erhalten jeweils 2.000 DM mehr als ihre Vorgänger.[2]

2.3 Die Kandidaten

Obwohl die Gewinnchancen beim „Big Brother“ Spiel eher gering sind, bewarben sich nichtsdestotrotz Tausende als Teilnehmer für die erste Staffel. Die Freiwilligen waren bereit, ihre Privatsphäre für 100 Tage im „TV-Knast“ aufzugeben. Nach einer einzigen Kandidaten-Such-Show im Dezember 1999 stritten sich 20 000 Bewerber um die zehn Betten im „Big Brother“- Container.[3]

Bei der Auswahl der Kandidaten wurde stark darauf geachtet, dass diese ein möglichst breites gesellschaftliches Spektrum abdecken, so dass es viele Identifikationsmöglichkeiten für die Zuschauer gibt. Es ging der Produktionsfirma Endemol nicht darum, Menschen mit Starqualitäten für den Container zu gewinnen. Es genügte, wenn die Probanden sich als kommunikativ erwiesen: ,,Sie sollen schon viel erlebt haben und sich ordentlich ausdrücken können. Schließlich müssen sie die Zuschauer 100 Tage unterhalten. Ein unsympathischer Langweiler hat keine Chancen.", sagt Rainer Laux, verantwortlicher Produzent der Produktionsfirma Endemol.[4]

Lutz Ellrich, Privatdozent für Soziologie und Kulturanthropologie in Frankfurt/Oder hat beobachtet, dass man bei der Auswahl der Frauen weniger auf klassische Schönheitsindikatoren als auf ausgeprägte Charaktereigenschaften geachtet habe, bei den Männern hingegen auf modellierte Muskelpartien, die sich makellos ins Fernsehbild setzen ließen. Die Tatsache, dass propere Männerkörper inzwischen profitable Werbeträger hergeben, wurde offenbar als Kriterium herangezogen , das die Spreu vom Weizen scheiden durfte.“[5]

Eine heterogene Mischung der einzelnen Teilnehmer soll das Streitpotenzial der Gruppe steigern. Nichtraucher treffen auf Raucher, Singles auf Verliebte und Familienväter und Arbeitslose auf gutbetuchte Porschebesitzer. Endemol und RTL2 versprechen sich durch diese „explosive Mischung“ eine spannende Show mit hohen Einschaltquoten.

Der Kölner Diplom-Psychologe Ulrich M. Schmitz betreibt bei „Big Brother“ die „Eignungsdiagnostik“ der Teilnehmer. „Der Albtraumkandidat“, sagt er, „das wäre jemand, der in Stresssituationen innerlich zusammenbricht, einer, dessen Emotionen sich in Krisensituationen unkontrolliert entladen. Handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen den Bewohnern – das darf nicht passieren.“ Noch schlimmer wäre da nur das schlimmste Verbrechen des Fernsehens: den Zuschauer zu langweilen. Deshalb, weiß Schmitz, „muss die Gruppe auch Spannungen erzeugen, Konflikte austragen, damit sie lebendig wirkt.“[6]

2.4 Die Macher

2.4.1 Endemol Entertainment

Die Produktionsfirma der Fernsehshow ,,Big Brother“ heißt Endemol Entertainment. Das Unternehmen wurde 1994 in den Niederlanden gegründet und erschloss binnen kürzester Zeit 17 Länder, einschließlich des gesamten europäischen Marktes, der USA, Argentinien, Südafrika sowie Australien. Letztes Jahr übernahm der Telekommunikationskonzern Telefónica Europas größte Fernseh-Produktionsfirma Endemol für 5,3 Milliarden Dollar.

Das Unternehmen Endemol zählt allein in Holland 2000 Mitarbeiter, produziert 13.000 Stunden Fernseh-Unterhaltung im Jahr und machte damit im vergangenen Jahr einen Umsatz von 520 Millionen Euro. Die deutsche Endemol- Tochtergesellschaft produziert mit 250 Angestellten jährlich 640 Programmstunden und macht weitere 185 Millionen Mark Jahresumsatz. Der Mediengigant produzierte über 400 verschiedene Formate. Darunter Größen wie ,,Traumhochzeit", „Nur die Liebe zählt“, ,,Die 100 000 Mark Show" und natürlich „Big Brother“.[7]

2.4.2 RTL 2

RTL 2 ist bekannt für seinen hohen Anteil an sogenanntem „Trash-TV“-Sendungen. Das diese Fernsehformate Quoten bei der Kernzielgruppe der 14-29Jährigen bringen, belegt der kontinuierliche Anstieg der Marktanteile in diesem Zuschauersegment.

Mit einem Marktanteil von 8,9 Prozent (1999: 6,1 Prozent) in der Zielgruppe der 14 - 49-jährigen Zuschauer und mit einem Marktanteil von 13,9 Prozent (1999: 7,5 Prozent) bei den 14 - 29-Jährigen bestätigt sich der Erfolgskurs von RTL II. In der Kernzielgruppe 14-29 ist RTL II der einzige Sender mit steigenden Marktanteilen (10,3 Prozent). Damit positionierte sich RTL II deutlich vor seinen Mitbewerbern der 2. TV Generation. Der Ausbau des Senders mit Event- und Reality-Formaten wird konsequent umgesetzt.[8]

Der Dokumentarfilmer Thomas Schadt, Lehrender an der Filmakademie Ludwigsburg sieht den Erfolg Big Brothers auf RTL2 so: „ Für mich gehört ,,Big Brother" auch zur Geschichte des Senders RTL 2. Was haben die im Programm? Reality TV, schlechte Doku-Soaps, Sexfilme. Der Sender ist seinem Format treu geblieben, nur hat er es geschafft, eine andere Wirkung zu erzielen."[9] Und zwar eine Wirkung, die Quoten bringt. Während RTL2 erst 1997 noch Verluste von 60 Millionen DM hinnehmen musste, stieg der Gewinn des Senders bis Mai 2000 auf über 55 Millionen DM. Im Monat Mai setzte sich RTL2 mit 19,4 Prozent Marktanteil bei den 14 bis 49-Jährigen in der Hauptfernsehzeit zwischen 20.00 und 23.00 Uhr an die Spitze aller Sender.[10]

[...]


[1] http://www.bigbrother-haus.de

[2] http://www.bigbrother-haus.de/regeln

[3] http://www.big-brother-kandidaten.de/

[4] http://www.stern.de/magazin/kultur/2000/03/bigbro-2.html

[5] Vgl. L.Ellrich, Das Gute, das Böse, der Sex: Zur Beobachtung des Begehrens im Container, in: F. Balke u.a.(Hrsg.), Big Brother. Beobachtungen, Bielefeld, 2000, S. 113

[6] http://www.bild.de/service/specials/1999/bigbrother/body.html

[7] http://www.endemol.com

[8] http://www.rtl2.de

[9] - Vgl. M. Hanfeld, Der Mensch ist ein gar wunderliches Marketingprodukt, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 16.05.2000

[10] www.rtl2.de/facts/unternehmen/htm

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Das Serienformat "Big Brother". Gefährliches Menschenexperiment oder harmlose Geldmaschine?
Hochschule
Universität der Künste Berlin
Veranstaltung
Unterhaltung im Umbruch-Facetten gegenwärtiger Fernsehkultur
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
29
Katalognummer
V115395
ISBN (eBook)
9783640169665
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brother, Unterhaltung, Umbruch-Facetten, Fernsehkultur
Arbeit zitieren
Diplom-Kommunikationswirtin Julia Schroeter (Autor:in), 2001, Das Serienformat "Big Brother". Gefährliches Menschenexperiment oder harmlose Geldmaschine?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115395

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