Der Einfluss der Geschwisterkonstellation auf die mathematische Schulleistung in der Sekundarstufe I


Diplomarbeit, 2007

136 Seiten, Note: Gut


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. GESCHWISTERBEZIEHUNG
2.1. ALLGEMEINES
2.2. HISTORISCHER ABRISS
2.3. DEFINITION BEGRIFF „GESCHWISTER“
2.4. MERKMALE DER GESCHWISTERBEZIEHUNG
2.5. NÄHE UND DISTANZ BZW. RIVALITÄT IN DER GESCHWISTERBEZIEHUNG
2.5.1. Nähe
2.5.2. Rivalität
2.5.3. Auswirkungen auf die Geschwisterbeziehung
2.6. GEMEINSAMKEITEN UND UNTERSCHIEDE BEI GESCHWISTERN
2.7. RESÜMEE

3. GESCHWISTERKONSTELLATIONEN
3.1. FORSCHUNGSANSÄTZE
3.1.1. Traditionelle Geschwisterkonstellationsforschung
3.1.2. Weiterführende Forschung
3.1.3. Aktueller Forschungsstand
3.2. GEBURTSRANGPLATZ IN DER GESCHWISTERREIHE
3.2.2. Situation des ältesten/erstgeborenen Kindes
3.2.3. Situation der zweiten und mittleren Kinder
3.2.4. Situation des jüngsten Kindes
3.3. ALTERSABSTAND DER GESCHWISTER
3.4. ANZAHL DER GESCHWISTER
3.5. GESCHLECHT DER GESCHWISTER UND SEINE BEDEUTUNG
3.6. GESCHLECHTSSPEZIFISCHE BESCHREIBUNGEN
3.6.1 Zwei Brüder – Erstgeborener und Zweitgeborener
3.6.2 Zwei Schwestern – Erstgeborene und Zweitgeborene
3.6.3 Unterschiede in Brüder- und Schwesternbeziehungen
3.6.4 Älterer Bruder und jüngere Schwester
3.6.5 Ältere Schwester und jüngerer Bruder
3.7. RESÜMEE

4. EINZELKINDER
4.1. WANDEL DER FAMILIE
4.2. DEFINITION BEGRIFF „EINZELKIND“
4.3. SITUATION UND MERKMALE DES EINZELKINDES
4.4. VORURTEILE
4.5. CHANCEN UND DEFIZITE
4.6. RESÜMEE

5. SCHULLEISTUNG - ALLGEMEINES
5.1. DEFINITION BEGRIFF „SCHULLEISTUNG“
5.2. FAKTOREN DER SCHULLEISTUNG
5.3. FAMILIE UND SCHULLEISTUNG
5.3.1 Einfluss der Familiengröße auf Schulleistung
5.3.2 Genetische Faktoren
5.3.3 Schichtzugehörigkeit
5.4. GESCHWISTER UND SCHULLEISTUNG
5.4.1 Geschlechtsunterschiede und Schulleistung
5.4.2 Anzahl der Geschwister und Schulleistung
5.4.3 Einfluss der Geschwisterkonstellation auf Schulleistung
5.5. RESÜMEE

6. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG
6.1. BESCHREIBUNG DER MESSINSTRUMENTE
6.2. DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNG

7. BESCHREIBUNG DER STICHPROBE

8. ZIELSETZUNG

9. BILDUNG DER FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN

10. STATISTISCHE AUSWERTUNG
10.1. ALLGEMEINES ZUR AUSWERTUNG
10.2. AUSWERTUNG DER HYPOTHESEN
10.2.1 Auswertung der Hypothese 1
10.2.2 Auswertung der Hypothese 2
10.2.3 Auswertung der Hypothese 3
10.2.4 Auswertung der Hypothese 4
10.2.5 Auswertung der Hypothese 5
10.2.6 Auswertung der Hypothese 6

11. INTERPRETATION ERGEBNISSE UND DISKUSSION
11.1. INTERPRETATION DER ERGEBNISSE
11.2. KRITIK

12. ZUSAMMENFASSUNG

13. LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

1. Einleitung

Schule und die familiäre Lebensumwelt, zu welcher die Geschwister zu zählen sind, spielen eine große Rolle im Leben eines Kindes. Das Hauptziel dieser Arbeit ist es empirisch zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß die Geschwisterkonstellation, in Anlehnung an die Traditionelle Geschwisterkonstellationstheorie nach Alfred ADLER, welche die Auswirkung der Geschwisterposition auf die Persönlichkeitsentwicklung in den Mittelpunkt rückte, die Schulleistung beeinflusst. Für die vorliegende Arbeit sind die Stellung in der Geschwisterreihe und ihr Einfluss auf Schulleistungen in Mathematik relevant. Über Geschwisterbeziehungen und die Geschwisterkonstellation, sowie die Anzahl und das Geschlecht der Geschwister und ihren Einfluss auf die Schulleistung gibt es verschiedene widersprüchliche Studien. Teils kann die Forschungslage als defizitär betrachtet werden, da in den einzelnen Untersuchungen unterschiedliche Variablen zum Einsatz kamen. Durch diese uneinheitliche Forschungslage ergibt sich die Relevanz dieser Untersuchung.

Um eine empirische Untersuchung möglich zu machen, ist eine theoretische Aufarbeitung der Thematik nötig. In Kapitel 2 werden allgemeine Begrifflichkeiten und unterschiedliche Definitionen zum Thema Geschwisterbeziehung sowie ein historischer Abriss dargestellt. Weiters wird auf die Merkmale der Geschwisterbeziehung, welche Nähe und Rivalität zwischen den Geschwistern beinhalten, eingegangen. Ein weiterer Punkt befasst sich mit bedeutsamen Einflüssen auf die Geschwisterbeziehung und mit Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden in der Beziehungsdynamik von Geschwistern. Kapitel 3 widmet sich der Geschwisterkonstellationsforschung und ist unterteilt in die Bereiche Traditionelle Geschwisterkonstellationsforschung, weiterführende Forschungslage und aktueller Forschungsstand. In diesem Kapitel erfolgt auch die Darstellung der unterschiedlichen Geburtsplätze, wie beispielsweise die Situation des ältesten Kindes in einer Familie und die Gegenüberstellung geschlechtsspezifischer Positionen. Zusätzlich werden auch der Altersabstand und die Anzahl der Geschwister angeführt. In einem eigenen nächsten Kapitel 4 wird auf die Situation von Einzelkindern eingegangen und Vorurteile bzw. Chancen und Defizite dieser Position beschrieben. Kapitel 5 nähert sich mit Definitionen dem Begriff Schulleistung. In weiterer Folge werden die Determinanten der Schulleistung kurz angeführt, bevor in einem weiteren Punkt auf Familie und Schulleistung eingegangen wird. Eine Auseinandersetzung erfolgt vor allem mit dem Einfluss von Geschwistern, wobei das Hauptaugenmerk auf der Geschwisteranzahl und der Geschwisterkonstellation liegt. Dazu werden verschiedene Forschungsarbeiten dargestellt.

Im empirischen Teil dieser Arbeit erfolgt in den Kapiteln 6 bis 11 zunächst eine Beschreibung der Messinstrumente, welche bei der Erhebung der Daten zum Einsatz kamen. Weiters wird die Durchführung der Untersuchung, der Fragebogen, die Zielsetzung und die Hypothesenbildung beschrieben. Darauf folgen die Auswertung der Ergebnisse und deren Interpretation. In den letzten Kapiteln werden die Ergebnisse zusammengefasst und durch eine kritische Hinterfragung die Grenzen der Arbeit verdeutlicht. Abschließend sind Ausblicke und Schlussbetrachtungen angeführt.

Anmerkung: Bezeichnungen von Personen wie beispielsweise Schüler, Probanden, etc., entsprechen nicht dem Begriff an sich, sondern sind als Bezeichnungen für Personengruppen zu verstehen. Demzufolge beinhalten diese Zuschreibungen Schülerinnen und Schüler, Probandinnen und Probanden, etc. Die vorliegende Arbeit ist in der neuen Rechtschreibung verfasst worden, Zitate wurden jedoch im Original übernommen.

2. Geschwisterbeziehung

2.1. Allgemeines

Geschwister

„Was anders heißt Geschwister sein als Abels Furcht und Zorn des Kain, als Streit um Liebe, Ding und Raum, als Knöchlein am Machandelbaum, und dennoch, Bruder, heißt es auch, die kleine Bank im Haselstrauch, den Klageton vom Schaukelbrett, das Flüstern nachts von Bett zu Bett, den Trost –

Geschwister werden später fremd, vom eigenen Schicksal eingedämmt, doch niemals stirbt die wilde Kraft der alten Nebenbuhlerschaft, und keine andere vermag so bitteres Wort, so harten Schlag. Und doch, so oft man sich erkennt und bei den alten Namen nennt, auf wächst der Heckenrosenkreis. Du warst von je dabei. Du weißt.“

Marie Luise Kaschnitz (zit. nach: JUNG 2001, S. 1)

Geschwisterlichkeit im Allgemeinen und die Geschwisterbeziehung im Speziellen beinhalten eine lebenslange Verbindung und wirken unausweichlich in das tägliche Leben, auch in jenes im Erwachsenenalter, hinein. Im Laufe der Zeit ändert sich möglicherweise die Intensität der Geschwisterbeziehung, jedoch bleibt es bei einer lebenslangen Prägung durch diese Gemeinschaft. „Ihre Bedeutung für die individuelle Sozialisation und Persönlichkeitsentwicklung – besonders innerhalb der Familie und während der Kindheit- und Jugendjahre – ist evident“ (KASTEN 1993, S. 7). Die gemeinsame Herkunft sowie viele Erlebnisse und Erfahrungen bewirken eine der dauerhaftesten Bindungen im Leben eines Menschen. Maßgeblich für das Finden der eigenen Rolle und den Aufbau der Beziehung zu Personen außerhalb der Familie sind neben Eltern-Kind-Beziehungen die Beziehung zu und vor allem auch die Interaktion zwischen den Geschwistern zu nennen. Dieses Lernfeld ermöglicht es dem Kind, seinen eigenen Stil zu entwickeln und sich seiner sozialen Verantwortung bewusst zu werden (vgl. FRICK 2006, S. 9 – 11). SCHMIDT-DENTER beschreibt Geschwisterbeziehungen als „eigenes soziales Subsystem“ innerhalb einer Familie, durch welches spezifische Erfahrungen und eigene Entwicklungsschritte gesichert sind. Für SCHMIDT-DENTER gehören „die Beziehungen zu den Geschwistern zu den dauerhaftesten und intensivsten sozialen Erfahrungen überhaupt“ (SCHMIDT-DENTER 1993, S. 344).

Eine Geschwisterbeziehung wird meist sehr intensiv erlebt, unabhängig davon, ob sie Elemente der Gleichgültigkeit oder des Desinteresses enthält. LÜSCHER (1997) setzte sich mit dieser emotionalen Bindung auseinander: „Geschwisterbeziehungen reichen in die ersten vorsprachlichen Tage der Kindheit zurück. Sie sind die dauerhaftesten aller Bindungen. Eltern sterben, Freunde verschwinden. Ehen lösen sich auf, aber Geschwister können ihre Verbindung, genau genommen, nicht aus der Welt schaffen; rechtlich nicht und offenbar auch emotional nur sehr schwer“ (LÜSCHER 1997, S. 20). Diese besondere Beziehung steht auch in klarer Abgrenzung zu ausserfamiliären Bindungen wie Freundschaften, Peers oder Liebesbeziehungen (vgl. KASTEN 1993, S. 9).

Im therapeutischen Kontext spielen Geschwister ebenfalls eine wesentliche Rolle, obwohl in der Therapieausbildung Konzepte zum Thema Geschwister kaum bis wenig vorkommen. Versuche, wie beispielsweise ein spezieller Workshop führten zu der Bestätigung, wie sehr Geschwisterbindungen in jedem Leben präsent sind. Es zeigte sich eine starke Wiederbelebung der Beziehung zu den Geschwistern bei den einzelnen Teilnehmern des Workshops (vgl. LEHMKUHL/LEHMKUHL 1995, S. 195).

Neben Nähe und Intimität spielen auch Rivalität und Konflikte eine entscheidende Rolle in der Beziehung zwischen Geschwistern. Auf die ambivalente Haltung und deren Merkmale wird in einem nachfolgenden Kapitel gesondert eingegangen.

2.2. Historischer Abriss

Das Interesse der Öffentlichkeit an Geschwistern lässt sich sowohl früher als auch in der heutigen Zeit nicht leugnen. „Geschwister stellen in unserer Kultur ein Thema dar, das in privaten und öffentlichen Kreisen auf Betroffenheit und Interesse stößt, Gespräche und Kontakte schafft, Erinnerungen weckt und Gefühle mobilisiert. Über die Geschwister oder über das Fehlen von Geschwistern lässt sich austauschen, phantasieren“ (LEY 1995, S. 7).

Eine Bearbeitung des Geschwisterthemas und die Art und Weise, in welcher Geschwister einander verbunden sind, sei es Liebe, Rivalität oder Feindschaft, findet sich in der Mythologie, der Märchenwelt, in literarischen Werken und Biographien über berühmte Geschwister (vgl. PETRI 1994, S. 12). Der Aspekt der Feindschaft und Eifersucht wird im Alten Testament unter anderem durch den Streit der Brüder Kain und Abel dargestellt. Eine Aufbereitung des Geschwisterdramas findet sich in vielen schriftlichen Überlieferungen der antiken Mythologie (vgl. JUNG 2001, S. 22).

In der Märchenwelt nehmen Geschwister ebenfalls einen hohen Stellenwert ein und sind als Metaphern mit engem Realitätsbezug zu verstehen (vgl. LÜSCHER 1997, S. 3). So erörtert Birgit WEINMANN-LUTZ (1995) in einem Artikel die Zuordnung von realen Familienstrukturen anhand des Märchens „Hänsel und Gretel“ (vgl. WEINMANN-LUTZ 1995, S. 191). Älterer Bruder und jüngere Schwester sind lebenslang durch intensive Geschwisterliebe und Solidarität aneinander gebunden und erleiden diese schicksalhafte Beziehung, in die kaum jemand anderer einzudringen vermag, durch eine gestörte und feindselige Eltern-Kind-Beziehung (vgl. SCHMIDT 1985, S. 324). Die Gebrüder Grimm widmen der Geschwisterliebe eine Reihe von Märchen, wie zum Beispiel „Brüderchen und Schwesterchen“, „Die drei Brüder“, „Schneeweißchen und Rosenrot“, um die bekanntesten zu nennen (vgl. PETRI 1996, S. 1078).

2.3. Definition Begriff „Geschwister“

Ein erster neuer Begriff für „Geschwisterlichkeit“ im Sinne einer leiblichen Verwandtschaft bildete sich in der griechischen Sprache. Für Brüder und Schwestern gibt es nur ein und dasselbe Wort, einzig unterscheidbar durch die Endungen für männliche und weibliche Geschwister (vgl. SOHNI 2004, S. 12 f). Der Begriff für „Bruder“ und

„Schwester“ leitet sich folglich vom griechischen „adelphós/adelphi“ ab, was soviel bedeutet wie „demselben Mutterleib entstammend“ (vgl. KANNICHT 2000, S. 59). Bei 11 % der Weltbevölkerung gibt es keine sprachliche Unterscheidung betreffend dem Geschlecht, die Differenzierung erfolgt ausschließlich in „jüngeres“ bzw. „älteres“ Geschwister und weniger als 20 % verwenden die Begriffe „Bruder“ und „Schwester“ hinsichtlich des Verwandtschaftsverhältnisses (vgl. KASTEN 1993, S. 8). In vielen kulturellen Gesellschaften gelten neben der genetisch definierten Geschwisterlichkeit auch andere Kategorisierungen für Geschwisterverhältnisse, z. B. das Anerkennen von Cousins und Cousinen als Geschwister (vgl. SOHNI 2004, S. 13).

KASTEN (1993) definiert die Geschwisterbeziehung wie folgt: „Mit dem Begriff

‚Geschwister’ bezeichnet man in den meisten Kulturen und Sprachgemeinschaften Individuen, die über eine (zumindest) teilweise identische genetische Ausstattung verfügen, weil sie dieselbe Mutter/denselben Vater/dieselben Eltern haben“ (KASTEN 1993, S. 8). Geschwisterbeziehungen sind abzugrenzen von der Beziehung zwischen Eltern und Kind und der Beziehung zwischen den Ehepartnern, obwohl sie wie diese zu den innerfamiliären Beziehungen gehören (ebd., S. 9). Charakteristisch für diese Art der Beziehung ist ihre Dauer, die als eine der längsten betrachtet werden kann und erst mit dem Tod eines Geschwisters endet (vgl. KASTEN 1994, S. 13).

Im europäischen Raum und in den USA haben ca. 80 % aller Menschen Geschwister. Ihre Dauerhaftigkeit sowie das zurückreichen in vorsprachliche Zeiten garantiert neben der Blutsverwandtschaft und einer gemeinsamen Geschichte eine unauflösliche und unauslöschliche Bindung (vgl. KLAGSBRUN 1993, S. 7 f).

2.4. Merkmale der Geschwisterbeziehung

KASTEN (1993) stellte sich die Frage nach Bestimmungsstücken oder grundlegenden Dimensionen der Geschwisterbeziehung. Ein Vergleich des Forschungsstandes ergibt einige übereinstimmende Ergebnisse von Geschwisterforschern der verschiedensten Disziplinen (u.a. Psychologen, Psychoanalytiker, Soziologen, Ethnologen):

- Die Geschwisterbeziehung ist die zeitlich längste Beziehung im Leben.
- Geschwisterbeziehungen bestehen auch nach Trennung der Geschwister oder falls kein Kontakt mehr gepflegt wird.
- In unserer Kultur existieren keine Gesellschaftsregeln, welche Einfluss nehmen auf Ablauf und Gestaltung der Geschwisterbeziehung (im Gegensatz zu Heirat, Taufe, religiöse Rituale, etc.).
- Geschwisterbeziehungen können durch das Aufwachsen im gleichen Heim durch ein Höchstmaß an Intimität gekennzeichnet werden.
- Charakteristisch für die meisten Geschwisterbeziehungen ist eine ambivalente emotionale Haltung, d.h., intensive positive sowie negative Gefühle sind gleichzeitig vorhanden (vgl. KASTEN 2007, S. 3 f).

Eine Rolle spielen auch körperliche Merkmale und ähnliche Charaktereigenschaften zwischen Geschwistern, wenn diese offensichtlich wahrnehmbar sind. Etwaige Gemeinsamkeiten lassen auf dieselbe Abstammung schließen. Allerdings ist der gleiche Stammbaum kein Garant für Übereinstimmungen. So sind nicht selten gravierende Unterschiede in Aussehen und Persönlichkeit der einzelnen Geschwister festzustellen. Verschiedene Charakterzüge und Verhaltensweisen führen zu eigenen Auffassungen und Lebensweisen der Geschwister (vgl. CIERPKA 1999, S. 10 f).

Als Merkmal für die Geschwisterbeziehung ist auch festzuhalten, dass sie als eigenständige Art der Beziehung existiert und nicht zweitrangig neben der Elternbeziehung besteht. Geschwister haben gegenseitige Modellwirkung und verbünden sich nicht selten gegen die Eltern. Ihr offener Umgang untereinander und die viele Zeit, die ihnen miteinander zur Verfügung steht, ermöglicht Geschwisterkindern oftmals mehr Vertrauen und Intimität untereinander zu entwickeln als zu den Eltern (vgl. LÜSCHER 1997, S. 20 f). Die Zugehörigkeit zu einer eigenen Subgruppe bedingt gewisse Vorrechte und

Einschränkungen. Diese gleiche Ebene der Geschwisterbeziehung in Abgrenzung zur ungleichen Beziehung zwischen Eltern und Kind ist demnach horizontal und symmetrisch zu verstehen (vgl. FRICK 2006, S. 125). Zu unterscheiden ist die Geschwisterschaft trotz Nähe von der Freundschaftsbeziehung, welche sich u. a. dadurch kennzeichnet, dass sie von den Beteiligten selbst ausgesucht wird. Geschwister kennen diese Freiheit nicht, es bleibt ihnen keine andere Wahl als dieselben Eltern anzunehmen und in der gleichen Familie zu leben (vgl. KASTEN 1993, S. 37 – 41).

2.5. Nähe und Distanz bzw. Rivalität in der Geschwisterbeziehung Die Ausbildung und Entwicklung von Nähe zwischen Geschwisterkindern auf der einen und Rivalität auf der anderen Seite, sind zentrale Merkmale in der Geschwisterbeziehung und daher wert, einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Die Geschwisterbeziehung wird laut verschiedenen Geschwisterforschern von positiven und negativen Gefühlen bestimmt. Das gleichzeitige Vorhandensein von Gefühlen der Eifersucht, des Neids, der Aggression und Gefühlen der Liebe, der Zuneigung, der Verbundenheit gehört zum Alltag jeder Geschwisterbeziehung (vgl. KASTEN 2007, S. 1).

Ob in einer Geschwisterbeziehung Nähe oder Distanz vorherrschen, wurde von GOLD (1989) ausreichend untersucht und 5 Grundmuster daraus abgeleitet:

1. Intimität: innere psychische Bindung und Austausch der innersten Gefühle und Gedanken im Sinne des besten Freundes/der besten Freundin
2. Kongenialitä t: gute, jedoch nicht beste Freunde mit liebevollem, unterstützendem Umgang
3. Loyalität: familiäre Verantwortung hat Vorrang vor persönlicher Bindung und die Geschwister stehen sich deutlich weniger nahe
4. Gleichgültigkeit: Interesse aneinander und Kontakt ist beschränkt, Distanz ist Charakteristika der Beziehung
5. Feindseligkeit: Wut und Ablehnung als vorherrschende Gefühle, mit offenem oder verdecktem Streit (vgl. FRICK 2006, S. 233 – 235).

Eine weitere Unterteilung in Beziehungstypen wurde von HETHERINGTON (1987) vorgenommen. Folgende vier Typen von Geschwistern lassen sich unterscheiden:

- ambivalente
- verstrickte
- kameradschaftlich-versorgende
- feindselig-entfremdete (vgl. ebd., S. 235).

In diesem Zusammenhang weist FRICK darauf hin, dass die geschwisterlichen Beziehungsmuster individuelle und flexible Merkmale aufweisen können. In vielen Fällen werden auch gemischte Formen beobachtet und eine Veränderung der Beziehungsstruktur im Laufe der Zeit ist durchaus möglich (vgl. ebd.).

2.5.1. Nähe

Unterscheidungsmerkmale durch methodische Messbarmachung für Nähe können an zwei Begrifflichkeiten festgemacht werden:

- Nähe als innerpsychischer Zustand: subjektive Variablen wie z. B. innere Wahrnehmung oder Emotionalität werden aufgezeigt
- Nähe von außen: soziologische, soziodemographische oder physikalische Variablen wie z. B. Familienstand, Kinderanzahl, geographische Distanz der Wohnorte, Kontakthäufigkeit (vgl. KASTEN 2007, S.5).

BANK/KAHN (1989) nennen drei Bedingungen für die Entwicklung einer starken Geschwisterbeziehung:

- Bedürfnis nach persönlicher Identität
- Kontakt und Zuwendung zwischen den Geschwistern
- unzureichender Einfluss der Eltern (vgl. BANK/KAHN 1989, S. 24).

Für PETRI (1994) beginnen die Geschwisterliebe und die damit verbundene Nähe bereits vor der Geburt eines Geschwisters. Herrscht eine positive, freudvolle Stimmung gegenüber dem neuen Kind in der Familie, übernehmen auch die älteren Geschwister diese Haltung. Die Konkurrenz und die Benachteilung durch das jüngere Geschwister werden als gering empfunden (vgl. PETRI 1994, S. 16 f). Die besondere Form der Geschwisterbeziehung, einschließlich ihrer Liebe und Nähe seit frühester Kindheit formuliert PETRI folgendermaßen: „Dieses Spektrum an menschlicher Erfahrung macht jenseits aller theoretischen Begrifflichkeiten deutlich, dass Geschwisterliebe durch keine andere Liebe ersetzbar ist, dass sie eine unverwechselbare Form der Beziehung zwischen zwei oder mehreren Geschwistern darstellt, die von Lebensbeginn an und für das ganze Leben miteinander verbunden sind“ (ebd., S 49). Wie eng eine Beziehung zwischen zwei Geschwistern sein kann, ist exemplarisch an folgendem Fallbeispiel zu erkennen. Eine Frau beschreibt darin ihre Bindung zu ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester und die Entwicklung einer sprachlichen und körperlichen Nähe, „die ich mit niemand anderem habe, haben kann, weil mich nur mit G. eine so weit in die Vergangenheit hineinreichende, einzigartige Beziehung verbindet“ (FRANZEN/PENTH 1992, S. 162) Neben den Eltern sind Geschwister als wichtigste Bezugspersonen eines Menschen zu betrachten, Nähe und kooperatives Verhalten sind neben einer weiteren Reihe an Gefühlen zentrale Faktoren (vgl. FRICK 2006, S. 120).

Eine Sonderform der Nähe mit weniger persönlicher Bindung erfahren Geschwister durch die Haltung der Loyalität, welche an voriger Stelle des Kapitels 2.5 bereits beschrieben wurde. Die Loyalität basiert auf gegenseitiger Verantwortung unter den Geschwistern und zeichnet sich aus durch ein Verpflichtungsgefühl und den Zusammenhalt nach außen. Es besteht eine Akzeptanz gegenüber ihrer Verschiedenartigkeit und ihr gemeinsames Motto lautet „Alle für einen und einer für alle“ (LÜSCHER 1997, S. 24).

2.5.2. Rivalität

Der Begriff „Rivalität“ leitet sich ab vom lateinischen Wort „Rivalis“, was soviel bedeutet wie „Rechte am gleichen Fluss“ (vgl. BANK/KAHN 1989, S. 181).

Die methodische Erfassung für Rivalität erfolgt folgendermaßen:

- Rivalität als innerpsychischer Zustand: Impulse von Neid und Eifersucht
- Rivalität von außen: Beobachtung mit entsprechenden Kategorien, in denen konkrete Verhaltensweisen inventarisiert sind (vgl. KASTEN 2007, S. 9).

Über geschwisterliche Rivalität sind verschiedene Meinungen in Fachkreisen zu finden. Psychoanalytische Ansätze sehen im viel zitierten Entthronungstrauma des erstgeborenen Kindes die Wurzel für die Geschwisterrivalität (vgl. ebd.). Das zweitgeborene Kind entmachtet das erstgeborene und nimmt diesem die Mittelpunktsfunktion im Leben der Eltern. Die Ausbildung von Gefühlen der Eifersucht und Rivalität sind die Folge. Der Zweitgeborene bestimmt, ob und in welchem Maße Konkurrenz ausgelebt wird (vgl. TOMAN 2004, S. 147 f). „Instinktiv wird sich das zweitgeborene Kind noch in sehr jungen Jahren entscheiden, ob es die Herauforderung annimmt und mit dem Erstgeborenen in Konkurrenz tritt oder ob es sich in eine total andere Richtung entwickelt und dem Erstgeborenen bestimmte Bereiche als dessen ureigenstes Terrain überlässt“ (ebd., S. 148). SOHNI spricht von „Nischenspezialisierung“, die durch Unterscheidungsmerkmale zwischen den Geschwistern, jedem Einzelnen einen besonderen Platz bei den Eltern garantieren soll (vgl. SOHNI 2004, S. 39). Von den Eltern wird das intuitiv angenommen, um jedes Kind in seiner Einzigartigkeit zu fördern und um Rivalitäten weitgehend zu vermeiden (vgl. CIERPKA 1999, S. 16).

SCHÜTZE (1989) unterstützt die Theorie der Entmachtung des Erstgeborenen nicht in dieser Art und Weise und sieht keine bedrohte Sphäre des ersten Kindes durch die Geburt eines zweiten. Sie geht davon aus, dass zweitgeborene Kinder noch keine Benachteiligung für erstgeborene Kinder darstellen, solange diese nicht in der Lage sind, sich selbständig fortzubewegen. Sobald zweite Kinder imstande sind sich alleine fortzubewegen, ändert sich die Lage. Das erste Kind verhält sich fortan nicht mehr so positiv gegenüber seinem jüngeren Geschwister, da es sich durch sein Verhalten (d.h. wegnehmen oder zerstören von Spielsachen, Aggressionen) beeinträchtigt fühlt. Gleichzeitig kommt es seitens des jüngeren Kindes zu Störungen der Interaktionen, welche zwischen Eltern und älterem Geschwister ablaufen (vgl. SCHÜTZE 1989, S. 317).

Eine weitere Erkenntnis beruht auf der Tatsache, dass die Geschwisterrivalität etwas Ursprüngliches ist. Geschwister stehen zeitlebens im Wettbewerb miteinander, unabhängig von der Intensität ihrer Verbindung. „Wer Geschwister hat, hat auch Rivalen“ (HAPWORTH/HAPWORTH/HEILMAN 1996, S. 39). Das neue Geschwisterkind dringt in das Leben des anderen ein und löst beim älteren Kind Eifersucht aus, allein durch den Umstand, nicht mehr die alleinige Zuneigung der Eltern beanspruchen zu können (vgl. RUFO 2006, S. 38 f). SULLOWAY (1997) knüpft an die Evolutionstheorie von DARWIN an und versteht die Rivalität zwischen Geschwistern folgendermaßen: „Ein ganz wesentlicher Grund für die Unterschiede zwischen Geschwistern liegt in ihrer Konkurrenz um den Zugang zu den familiären Ressourcen. Der Streit darum, insbesondere um die elterliche Liebe, führt zu Rivalitäten“ (SULLOWAY 1997, S. 14). Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Eltern bezeichnet eine Ebene der Geschwisterrivalität, auf anderer Ebene geht es um die Machtverhältnisse zwischen den Kindern. Ältere Kinder versuchen ihre Vorrangstellung zu verteidigen bzw. zu festigen, indem sie die elterliche Autorität nachahmen und so ihre Macht gegenüber den jüngeren Kindern demonstrieren (vgl. KLAGSBRUN 1993, S. 23). Hier liegt laut ADLER auch die Problematik der jüngeren Kinder, da sie durch die demonstrierte Stärke der älteren Minderwertigkeitsgefühle entwickeln. Für ADLER ist klar, „dass für die älteren Kinder ihre Machtstellung in der Familie selbstverständlich ist, während die jüngeren darum kämpfen müssen“ (ebd., S. 81).

Rivalität ist in unserer Gesellschaft meist negativ besetzt, obwohl Menschen und im speziellen Familienmitglieder beinahe täglich damit konfrontiert werden, wenn sie in irgendeiner Form miteinander in Kontakt treten. „Rivalität ist keineswegs ein ausschließliches Geschwisterthema. Kinder rivalisieren mit ihren Geschwistern, mit ihren Eltern und die Eltern rivalisieren mit ihren Kindern“ (LEY 1995, S. 8). Neben den negativen Ausprägungen der Rivalität, beinhaltet diese jedoch auch positive Aspekte wie Kontakt, Wärme, die Anwesenheit des anderen. Dies zeigt sich im rauferischen Spiel der Kinder. Das Ausleben von Aggressivität in der gemeinsamen Interaktion kennzeichnet ihr Subsystem und grenzt sie von der Beziehung zu den Eltern ab. Durch rivalisierende Verhaltensweisen lernen Geschwister soziale Kompetenzen in Form der Konfliktbewältigung und befriedigen weiters wichtige Bedürfnisse (vgl. BANK/KAHN 1989, S. 181 – 183).

Eine Untersuchung bezogen auf den Erhebungsbereich Rivalität wurde von ROSS/MILGRAM (1982) vorgenommen. Zusammenfassend ergaben sich durch die Auswertungen folgende Ergebnisse:

Einseitige Geschwisterrivalität wurde am häufigsten belegt. Ein Geschwister, welches sich in einem Bereich schwächer als ein Vergleichsgeschwister wahrnimmt, gehört in diese Kategorie. Eine zeitgebundene Qualität ist ebenso möglich wie eine lebenslange Bedeutung. Es können zeitgleich mehrere einseitige rivalisierende Beziehungen von einem Geschwister zu einem anderen oder mehreren Geschwistern gelebt werden. Wesentlich seltener kommt wechselseitige Geschwisterrivalität vor. Zwei Geschwister konkurrieren dann miteinander, wenn jeweils ein Geschwister eine starke oder schwache

Vergleichsdimension (wie beispielsweise Schulerfolg) zu bieten hat. Auch hier gibt es die Aufrechterhaltung von Rivalität zu einem oder zu mehreren Geschwistern. Ebenso selten zu registrieren war die mit dem (weiblichen) Geschlecht verknüpfte Geschwisterrivalität. Diese Rivalität ergibt sich aus der Zurücksetzung einer weiblichen Person durch ihren Bruder. In größeren Familien ist diese Art der Rivalität häufiger anzutreffen und kann lange Jahre anhalten (vgl. KASTEN 1993, S. 135 f).

2.5.3. Auswirkungen auf die Geschwisterbeziehung

Die Gründe für enge und/oder loyale Beziehungen unter Geschwistern auf der einen und für feindselige und/oder gleichgültige Beziehungen auf der anderen Seite sind vielseitig. Als bedeutendste Einflüsse für die Geschwisterbeziehung gelten die folgenden im Anschluss beschriebenen Gründe.

1. Haltung der Eltern: Eine Bedingung mit großer Auswirkung auf die Beziehung, stellen die Verhaltensweisen der Eltern im Sinne der Bevorzugung oder Benachteiligung eines Kindes, dar. Gleichberechtigte Kinder mit individueller Förderung zeichnen sich durch eine engere Bindungsbereitschaft zu ihren Geschwistern aus. Kinder, die Benachteiligungen oder Vergleichen ihrer Eltern ausgesetzt sind, verhalten sich meist distanzierter und bindungsunfähiger ihren Geschwistern gegenüber (vgl. FRICK 2006, S. 243 f). KLAGSBRUN (1993) fand durch Interviews und Fragebogenerhebungen zum Thema Rivalität heraus, dass 84 % der befragten Eltern ein Kind gegenüber den anderen Geschwistern vorziehen (vgl. KLAGSBRUN 1993, S. 24). In vielen Fällen gilt die unbeholfene Vorgangsweise der Eltern als Hauptmerkmal für rivalisierendes Verhalten bei Geschwistern. Durch Missverständnisse sehen die Eltern nicht, in welcher Situation ihre Kinder Lob, Anerkennung, Verständnis, usw. brauchen und provozieren so schwieriges kindliches Verhalten (vgl. FRICK 2006, S. 161). Das Drei-Phasen- Modell nach KREPPNER, PAULSEN und SCHÜTZE (1981) bezieht sich auf die Zeit nach der Geburt eines zweiten Kindes und beschreibt die Aufgabe der Beziehungsregelung der Eltern zwischen den Geschwistern. Diese Regelung passiert in den ersten beiden Phasen bis ca. zum 16. – 17. Lebensmonat des Jüngeren. Eine Abnahme der Konflikte zwischen den Geschwistern erfolgt in der dritten Phase, ungefähr bis zum 2. Lebensjahr des Zweitgeborenen. Durch das verringerte Eingreifen der Eltern kann sich zwischen den Geschwistern eine eigenständige Beziehungsform frei entwickeln (vgl. KASTEN 2007, S. 5). Eine erwähnenswerte Beachtung findet in diesem Zusammenhang die eigene Geschichte der Eltern und die Beziehung zu ihren Geschwistern. Oftmals werden Probleme der Eltern mit ihren Geschwistern nicht befriedigend gelöst und ihre eigenen Kinder befinden sich in einem ähnlichen Stadium (vgl. RUFO 2006, S. 42). Die Einstellung und die Haltung der Eltern ihren Geschwistern gegenüber dienen den Kindern als Vorbildfunktion für ihren eigenen Umgang miteinander (vgl. KLAGSBRUN 1993, S. 24).

Als fördernde Eltern-Maßnahmen für eine günstige Geschwisterbeziehung nennt FRICK (2006) einige Punkte, und zwar:

- Akzeptanz bzw. Bejahung eines gewissen Maßes an Rivalität: rivalisierendes oder eifersüchtiges Erscheinungsbild des Kindes als positives, soziales Lernen ansehen
- Kinder Grenzen aufzeigen und Rückmeldungen für inakzeptables Verhalten geben
- Schaffung eines angenehmen, friedvollen Familienklimas und Ermutigung zur Individualität
- Reflexion der Eltern über eigenes Verhalten in Gemeinschaft (vgl. FRICK, S. 160).

2. Altersunterschied: Neben der Anzahl der Geschwister ist der Altersabstand zwischen ihnen ein tragendes Element für die Entwicklung von Nähe oder Distanz. Bei einem geringen Altersunterschied stehen einerseits häufigere Streitigkeiten an der Tagesordnung, andererseits bestätigt eine Reihe von Untersuchungen eine hohe emotionale Bindung (vgl. BANK/KAHN 1989, S. 33). Aus der Sicht von BANK/KHAN (1989) beeinflussen sowohl Alter als auch Geschlecht die Entwicklung der Beziehung maßgeblich: „Geringer Altersunterschied und Gleichgeschlechtlichkeit fördern den Zugang zu gemeinsamen Lebensereignissen, während Unterschiede in Alter und Geschlecht ihn verringern“ (ebd., S. 15). Die Unterteilung erfolgt bei ihnen in „Geschwister mit niedrigem Zugang“ und solche, mit einem „hohen Zugang“. Bei Geschwistern mit niedrigem Zugang besteht meist ein hoher Altersunterschied von 8 – 10 Jahren. Durch diesen Altersunterschied verbringen sie wenig Zeit miteinander und haben nur wenige Gemeinsamkeiten aufzuweisen. Geschwister mit einem hohen Zugang erleben vieles gemeinsam, wie z. B. den Besuch der gleichen Schule, die gleichen Freunde, sie teilen sich ein gemeinsames Zimmer, etc. (vgl. ebd., S. 14 f). Der geringe Altersunterschied und die damit verbundene Nähe lässt Platz für Rivalität und Aggression und ist in der frühen und mittleren Kindheit vermehrt anzutreffen (vgl. KASTEN 1994, S. 32).

3. Geschlecht: Die Geschwisterrivalität steht oft in hohem Zusammenhang mit dem Geschlecht der Geschwister. Eine intensive, von der traditionellen Geschlechtsrollenerziehung getragene Rivalität, ist bei männlichen Geschwistern zu beobachten, welche altersmäßig nicht weit auseinander liegen. Bedingt durch den Wandel der Geschlechtsrollen, blicken auch weibliche Geschwister in späteren Lebensphasen auf die Privilegien und Bevorzugungen ihrer Brüder zurück und empfinden nicht selten Rivalitätsgefühle (vgl. KASTEN 2007, S. 9 - 11).

4. Tod der Eltern: Im Falle des frühen Todes eines oder beider Elternteile wird die Geschwisterbeziehung erheblich beeinträchtigt. Die Bindung kann entweder durch einen vermehrten Zusammenhalt gestärkt werden oder aber auch negative Gefühle mit sich bringen. Besonders dann ist die Gefahr einer negativen Komponente gegeben, wenn ein älteres Kind die Verantwortung für ein oder mehrere jüngere Geschwister tragen muss und mit dieser Situation überfordert ist (vgl. FRICK 2006, S. 246).

5. Trennung oder Scheidung der Eltern: Trennen sich Eltern, nimmt die Geschwisterbeziehung eine wichtige Stützfunktion ein und ersetzt bis zu einem gewissen Grad die elterliche emotionale Zuneigung. Eine zu lange und intensive Fixierung ausschließlich auf die Geschwister kann für ein Kind die Gefahr beinhalten, ausserfamiliäre Beziehungen nicht in dem Ausmaß oder der Tiefe eingehen zu können, wie es mit den Geschwistern erlebt wird (vgl. ebd.).

6. Leistung: In frühester Kindheit dreht sich die Rivalität unter den Geschwistern vorwiegend um Kontrolle oder Dominanz. Eine leistungsbezogene Rivalität ist im Jugend- und frühen Erwachsenenalter auffällig. Die Konkurrenz um Erfolg im Beruf oder berufliche Anerkennung bestimmt die Rivalität zwischen männlichen Geschwistern in hohem Ausmaß (vgl. KASTEN 2007, S. 10). Die Weichen für diese Rivalität werden früh gestellt und haben Ihren Ursprung in der Gesellschaft. Unser Kulturkreis wird davon bestimmt, schon Kinder nach Leistung und Erfolg zu bewerten und spornt so früh Konkurrenzkampf und Wettbewerb in erheblichem Maße an. Diese Vorgaben der Leistungsgesellschaft spüren Kinder noch vor

Eintritt in den Kindergarten. Bereits im Kleinkindalter werden ihre Lernfortschritte mit jenen anderer Kinder und jenen ihrer Geschwister verglichen (vgl. KASTEN 2007, S. 2 f).

Unabhängig vom emotionalen Zustand der Geschwisterbeziehung kann die Grenze zwischen Nähe und Distanz als fließend betrachtet werden. Im Verlauf der Lebensjahre der Geschwister sind Änderungen in der Beziehung möglich und variieren je nach Altersphase, Entwicklung und emotionaler Befindlichkeit. In der Phase der Pubertät und im Übertritt in das Erwachsenenleben gelten die räumliche Distanz und der Eintritt ins Berufsleben als weitere Einflussfaktoren für die Geschwisterbeziehung (vgl. FRICK 2006, S. 246 f). Auf diese Lebensphase wird in dieser Arbeit nicht näher eingegangen, da sämtliche Aspekte sowohl im theoretischen als auch empirischen Teil vor dem Hintergrund der Geschwister in ihrer Kindheit bzw. Jugend beleuchtet werden.

2.6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Geschwistern

In der Beziehungsdynamik von Geschwistern kommt es zum gleichzeitigen Erleben von Gemeinsamkeit und Verschiedenheit. Dieses Wechselspiel impliziert eine entwicklungsfördernde Entfaltung auf der einen und eine Gefahr des Identitätsverlusts auf der anderen Seite. Besteht die Geschwisterbeziehung überwiegend aus einer Überbetonung der Gemeinsamkeiten, ist die individuelle Persönlichkeit bedroht. Wird jedoch die Verschiedenartigkeit zu sehr gelebt, droht eine Isolierung (vgl. SOHNI 2004, S. 32). Eine eigene Dynamik nimmt die Geschwisterbeziehung in der Adoleszenz an. In dieser Phase zeigen sich die Jugendlichen anfällig für Extreme, d. h., sie haben das Bedürfnis nach Identifikation mit Gleichgesinnten, wollen sich allerdings auch ihre Einzigartigkeit und Abgrenzung sichern. Diese Haltung überträgt sich neben anderen Bereichen auch auf die Beziehung zu den Geschwistern (vgl. ebd., S. 33). Eine Rolle spielt die Identifikation vorwiegend in der Beziehung der jüngeren Geschwister zu den älteren, da die jüngeren Geschwister die älteren kopieren und bewundern (vgl. CIERPKA 1999, S. 22). „Ältere Geschwister haben in dieser Zeit eine zentrale Rolle als Modelle. Sie sind einerseits Vorbild, betätigen sich aber auch aktiv als ‚Lehrer’ für ihre jüngeren Geschwister, z. B. wenn das jüngere Kind sprechen lernt“ (WEINMANN-LUTZ 1995, S. 181). Tendenziell überwiegen positive Erfahrungen in der Familie und Geschwister unterstützen sich (vgl. CIERPKA, S. 18).

Die Auseinandersetzung von WINNICOTT (1990) mit den Unterschieden zwischen Geschwistern, brachte die Erkenntnis, dass jedes Kind eine eigene Auffassung und Sichtweise seiner Familie hat. Die Wahrscheinlichkeit von übereinstimmenden Betrachtungsweisen und Empfindungen ist als gering anzusehen (vgl. WINNICOTT 1990, S. 146). Unterschiedliche Erfahrungen im Bezug auf ihre Beziehung kennen auch Geschwister. Aufgrund ihrer verschiedenen Persönlichkeitsstrukturen kommt es zu unterschiedlichen Wahrnehmungen hinsichtlich positiver Aspekte sowie Macht und Kontrolle (vgl. CIERPKA 1999, S. 25). Neben unterschiedlichem Alter und Geschlecht und einer spezifischen Geburtsreihenfolge sind die subjektiven Erfahrungswerte der Geschwister wesentlich. Bei innerfamiliären Belastungen ist es somit möglich, dass alle Kinder anderes darauf reagieren (vgl. ebd., S. 27). Verhaltensgenetiker entwickelten diesbezüglich in den letzten Jahren neue Theorien und bezeichnen die unterschiedlichen Erfahrungen der einzelnen Familienmitglieder als „Non-shared Environment“. Im Gegensatz dazu umfasst das „Shared Environment“ Erfahrungswerte, welche alle Mitglieder einer Familie gleich erleben (vgl. SOHNI 2004, S. 34).

2.7. Resümee

Geschwister übernehmen im Leben ihrer Brüder und Schwestern eine wichtige Funktion und die Geschwisterbeziehung ist daher als wichtiger Bestandteil im Sozialisierungsprozess von Kindern und Jugendlichen anzusehen. Die Geschwisterbeziehung, mag sie positiv oder negativ gefärbt sein, stellt durch ihre Dauer eine der längsten Bindungen im Laufe eines Lebens dar. Für den Prozess der Selbstfindung und das Erlernen von Interaktionsmustern dienen Geschwisterbeziehungen ebenso als Lernfeld für die Ausbildung der gesellschaftlichen Rolle und der sozialen Verantwortung.

Es hat sich gezeigt, dass die unterschiedlichsten Disziplinen, allen voran Psychologen und Soziologen, Interesse an Geschwistern und der Geschwisterbeziehung zeigen. Jedoch auch im Alltagsinteresse der breiten Öffentlichkeit sind Geschwister und die Geschwisterbeziehung ein Thema, da der überwiegende Teil der Menschen entweder mit eigenen Geschwistern oder mit jenen von Partnern oder Freunden konfrontiert ist.

Begriffliche Klärungen reichen vom Begriff „Geschwisterlichkeit“, welcher sich aus dem Griechischen ableitet, bis hin zur Definition von „Geschwistern“ bzw. der

„Geschwisterbeziehung“. Abgrenzungen können nur schwer vorgenommen werden, da die Definitionen oftmals fließend sind. So werden z. B. die leibliche Verwandtschaft und die gleiche genetische Herkunft in allen Ausführungen als zentrales Merkmal betrachtet. Eine Abgrenzung findet zu anderen Beziehungsformen statt, welche in erheblichem Ausmaß von der Geschwisterbeziehung abweichen und von anderen Charakteristika bestimmt sind. Die Beziehung zu den Eltern findet auf einer anderen Ebene wie die Beziehung der Geschwister zueinander statt, wodurch sich bestimmte Unterscheidungsmerkmale ergeben. Geschwister verbringen oftmals mehr Zeit miteinander als mit den Eltern und übernehmen so eine wichtige gegenseitige Modellfunktion.

Nicht nur Nähe und Vertrautheit bestimmen eine Geschwisterbeziehung sondern auch Distanz und Rivalität. In welchem Ausmaß Nähe und/oder Distanz ausgeprägt sind, hängt davon ab, ob Intimität, Kongenialität, Loyalität, Gleichgültigkeit oder Feindseligkeit in der Geschwisterbeziehung vorherrschen. Die Haltung der Eltern bzw. der Familie gegenüber der Ankunft eines neuen Kindes überträgt sich in hohem Maße auf die Geschwister, sodass der Grundstein für eine liebevolle Haltung oder Konkurrenzdenken bereits früh gelegt wird. Neben der Haltung der Eltern weisen andere Bestimmungsfaktoren Prägungen für Nähe oder Rivalität unter den Geschwistern auf. Altersunterschied und Geschlecht sind mitverantwortlich, in welchem Ausmaß sich Nähe oder Distanz ausbilden. Werden Kinder zudem mit schwierigen Familienschicksalen wie Trennung der Eltern oder Tod eines Familienmitglieds konfrontiert, kann dies zu einer Beeinflussung der Geschwisterbeziehung führen. Eine Rivalität zwischen den Geschwistern ist nur dann negativ besetzt, wenn die Intensität der Beziehung durch äußere Einflüsse beeinträchtigt ist. Ansonsten ist eine Grundrivalität hinsichtlich Leistung und Erfolg nicht bedrohlich sondern wirkt sich motivierend auf die einzelnen Kinder aus.

3. Geschwisterkonstellationen

3.1. Forschungsansätze

Bei den Themen „Geschwister“ und „Geschwisterstudien“ wurden im Verlauf der Forschung Abgrenzungen vorgenommen. Die Unterscheidung betrifft in erster Linie den Zusammenhang zwischen der Geschwisterposition und ihre Auswirkung auf die Entwicklung des Menschen, andererseits liegt der Fokus auf der Bedeutung der Beziehung zwischen den einzelnen Geschwistern (vgl. SCHÜTZE 1989, S. 312).

In der Wissenschaft gilt die Geschwisterbeziehung im Speziellen als vernachlässigte Domäne und wird von den unterschiedlichsten Autoren in der einschlägigen Literatur als benachteiligte Thematik beklagt. Obwohl sich durch die Geburt eines Geschwisters bedeutende Veränderungen in der Familie ergeben, fand die Geschwisterbeziehung in den empirischen Sozial- und Humanwissenschaften jahrzehntelang wenig Beachtung (vgl. KASTEN 1993, S. 7). Ein Randthema stellen Geschwister auch in entwicklungspsychologischen und psychoanalytischen Theorien dar, welche sich der Mutter-Kind-Beziehung verschrieben oder die Mutter-Vater-Kind-Triade in den Mittelpunkt des Interesses stellen (vgl. FRICK 2006, S. 12). Laut WINNICOTT sind Geschwister ausschließlich „Übergangsobjekte“ und leisten gegenseitige Hilfestellung im Loslösungsprozess von der Mutter (vgl. KASTEN 1993, S. 15).

3.1.1. Traditionelle Geschwisterkonstellationsforschung

Als Pionier der Traditionellen Geschwisterkonstellationsforschung ist der Gründer der Individualpsychologie, Alfred ADLER, zu nennen, der seine Thesen unter Einbeziehung des familiären Hintergrundes entwickelte (vgl. HEISTERKAMP 1995, S. 204). ADLER (1933) betonte die Problematik der Bevorzugung eines Geschwisters und den damit verbundenen Nachteil für die anderen Geschwister. „Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich aus der Stellung der Geschwister innerhalb einer Familie“ (ADLER 1933, S. 149). Mit diesem Ansatz stellte er die Position in der Geschwisterreihe und deren Einfluss auf bestimmte Charaktereigenschaften in den Mittelpunkt seiner Forschung (vgl. GEYER 2002, S. 8).

In den verschiedensten nachfolgenden Untersuchungen gibt es Anlehnungen an die Theorie, die den Zusammenhang zwischen Geburtsrangplatz in der Herkunftsfamilie und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, beschreiben (vgl. KASTEN 1994, S. 4). Neben der Wichtigkeit des Geburtsrangplatzes wurden unter anderem Anzahl, Altersabstand und Geschlecht als weitere Variablen in die Untersuchungen miteinbezogen (vgl. BEHAM/WILK 1998, S. 173). „Der Geburtsrangplatz wurde auf diese Weise inhaltlich z. B. in Verbindung gebracht mit Forschungsthemen wie Intelligenz, Neurotizismus, Dominanz, Abhängigkeit, Anpassung, Leistungsverhalten, politische und religiöse Einstellungen, Introversion und Extraversion usw.“ (KASTEN 1994, S. 37).

Bezugnehmend auf diesen Hintergrund wurde von ADLER auch der Begriff des

„Lebensstils“ entwickelt, welcher sich durch den bestimmten Charakter eines Kindes herauskristallisiert (vgl. HOANZL 1997, S. 223). In seinen Theorien über die Stellung in der Geschwisterreihe betonte er das Besondere der Geschwistertypologie: „Eine Situation besonderer Art ist nun in der Stellung gelegen, die ein Kind in der Reihe seiner Geschwister einnimmt. Auch nach diesem Gesichtspunkt können wir die Menschen einteilen und sind, wenn wir über genügend Erfahrung verfügen, imstande zu erkennen, ob jemand ein Erstgeborener, der Einzige, der Jüngste usw. ist“ (ADLER 2000, S. 138).

In der Bedeutung der so genannten „Entthronung“ des erstgeborenen Kindes durch die Geburt eines Geschwisterkindes sieht er die Hauptursache für die Geschwisterrivalität (vgl. SCHMIDT-DENTER 1994, S. 68). Diese Rivalität ist vor allem begründet durch den Kampf um die Aufmerksamkeit der Eltern und dem Gefühl des Zweitgeborenen, es dem Erstgeborenen gleichzutun beziehungsweise diesen in der Entwicklung zu überholen (vgl. LEHMKUHL/LEHMKUHL 1995, S. 200). ADLER (1931) formulierte diese neue Lage folgendermaßen: „Das Erstgeborene erfährt in der Regel eine ganze Menge Zuwendung und Verwöhnung. Es hat sich daran gewöhnt, Mittelpunkt der Familie zu sein. Nur zu oft findet es sich ganz plötzlich, ohne Übergang und Vorbereitung, aus dieser Stellung hinausgeworfen. Ein zweites Kind wurde geboren, und es ist nicht länger das einzige seiner Art. Es muss die Aufmerksamkeit seiner Mutter und seines Vaters jetzt mit einem Nebenbuhler teilen“ (ADLER 1999, S. 118 f). Durch die Situation der

„Entthronung“ erlebt der Älteste Gefühle der Angst und Unsicherheit, nicht mehr gut genug zu sein oder nicht mehr geliebt zu werden. Es wurde davon ausgegangen, dass dieses Angsterleben von nachfolgenden Kindern der Geschwisterreihe nicht mehr erlebt wird, sondern ausschließlich das älteste Kind davon betroffen ist (vgl. KOHNSTAMM 1990, S. 103).

Erstgeborene Kinder sind häufig als Aufpasser für ihre jüngeren Geschwister anzutreffen und repräsentieren nicht selten die Prinzipien der Eltern (vgl. STURZEBECHER 1983, S. 59). Die meisten Eltern erleben die Geburt des zweiten Kindes als vertraut und müssen ihr Leben nicht mehr von Grund auf verändern. Zweitgeborene Kinder sind darauf angewiesen, den besonderen Status des ältesten Geschwisters durch das Finden von eigenen „Nischen“, in welchen sie sich behaupten können, zu relativieren (vgl. HOANZL 1997, S. 224 f).

Im Gegensatz zu Alfred ADLER legt sein Kontrahent Sigmund FREUD das Hauptaugenmerk auf die Gefühle zwischen den einzelnen Familienmitgliedern – zwischen Kindern und Kindern und zwischen Eltern und Kindern – und erachtet die Beziehung des Erstgeborenen zu seinen Eltern als nicht wichtig. FREUD geht von der These aus, erstgeborene Kinder müssen ihre Geschwister hassen, da sie ihre eigene Vormachtsstellung gefährdet sehen (vgl. KRAUS/KRAUS 1991, S. 44 f). Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Geschwisterposition, sowie ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten und Lebensweisen, sind ihre Auseinandersetzungen und letztendlich ihr Bruch nachzuvollziehen (vgl. FRICK 2006, S. 209 f).

FREUD ließ als Erstgeborener von sieben Kindern sein eigenes Erleben in seine Thesen über Geschwisterrivalität einfließen (vgl. LÜSCHER 1997, S. 3). Ebenso wie FREUD hatte ADLER sechs Geschwister, wobei dieser in der Rolle des Zweitgeborenen seinen erstgeborenen Bruder als übermächtig dominant empfand. ADLER war ein kränkliches Kind und spielte schon früh auf der Strasse um seine Schwächlichkeit beim Spiel zu kompensieren. Bei anderen Kindern beliebt und im Allgemeinen sehr aufgeweckt und unbeschwert, konnte er durch diesen sozialen Status sowie gute schulische Leistungen Erfolge verbuchen (vgl. FRICK 2006, S. 219 f).

Für den in seiner Haltung distanzierten, aristokratischen FREUD stellte ADLERs Haltung ein Problem dar, wie an nachfolgendem Zitat deutlich wird: „Fast zehn Jahre arbeiteten sie eng zusammen. Dann aber konnte Freud, der Erstgeborene, in seiner tyrannischen Art nicht länger das unbeschwerte Wesen Adlers ertragen“ (KÖNIG 1974, S. 61). Die schwierige

Beziehung der beiden lässt sich zum Teil aus ihrer eigenen Geschwisterproblematik ableiten, welche sowohl bei FREUD als auch bei ADLER einen zentralen Stellenwert einnahmen (vgl. FRICK 2006, S. 210 ff). Hinsichtlich ihrer Thesen gab es keine Annäherung zwischen den beiden und eine Versöhnung zu Lebzeiten blieb aus: „Freud sprach zwei Stunden lang und lieferte eine verheerende Kritik, durchsetzt mit persönlichen Angriffen auf Adler. Freud war ausgesprochen zornig und verurteilte Adler. Was immer er sage, habe keinen Sinn, was immer gut sei, sei nicht neu, sei absolut schlecht. Er ließ Adler keine Chance für einen Kompromiss“ (HANDLBAUER 1990, S. 148).

3.1.2. Weiterführende Forschung

In späteren Forschungen sind durchaus Anlehnungen an ADLERs Thesen und Weiterführungen seiner Theorieansätze zu finden. DREIKURS war ein Schüler von ADLER und verwies entschieden auf die Bedeutung von Geschwistern und Familienkonstellation und betonte die individuelle Verschiedenheit der Geschwister und die damit einhergehende Konkurrenz, die wiederum zwischen Erfolg und Schwäche der einzelnen Kinder ausgleicht (vgl. DREIKURS 1969, S. 87).

Ab Anfang der 1970-er Jahre lieferten eine Anzahl von Psychologen zusammenfassende Erklärungen und teils verfeinerte oder abgeänderte Erweiterungen von ADLERs Hypothesen (vgl. SULLOWAY 1997, S. 429). SUTTON-SMITH & ROSENBERG (1970) nahmen Bezug darauf, wie die persönliche und intellektuelle Entwicklung eines Kindes durch die Geschwisterposition beeinflusst werden (vgl. KASTEN 1993, S. 11). Für FORER & STILL „ist nicht die Konstellation als solche so wichtig, sondern wichtig sind vielmehr die Erfahrungen mit anderen Familienmitgliedern, die jemand auf Grund der Tatsache macht, dass er das älteste, mittlere, jüngste oder einzige Kind ist“ (FORER/STILL 1982, S. 20). In ihrem Buch „Birth Order“ kritisieren die Schweizer Psychiater ERNST & ANGST (1983) die Forschung dahingehend, dass den strukturellen Merkmalen wie Geburtsrangplatz, Anzahl, Geschlecht und Altersabstand und deren Einfluss auf die individuelle Entwicklung eine zu hohe Bedeutung zukommt (vgl. PAPASTEFANOU 1992, S. 153). Durch die Vernachlässigung von dahinterliegenden Vorgängen und Faktoren wie Persönlichkeit und Ehezufriedenheit der Eltern, Verlust oder

Trennung von Familienmitgliedern, genetische Veranlagung, Schichtzugehörigkeit, etc. ist laut ERNST & ANGST die traditionelle Geschwisterkonstellationsforschung als unzulänglich anzusehen (vgl. GEYER 2002, 9 f).

3.1.3. Aktueller Forschungsstand

Die Unzulänglichkeit der traditionellen Geschwisterforschung kritisiert u. a. auch KASTEN und schließt sich der Meinung von ERNST & ANGST an, welche einen Nachweis über die geringe Validität durch methodische Unzulänglichkeiten erbrachten (vgl. KASTEN 2007, S. 1). „Auf den Punkt gebracht: Es ist nicht die Geschwisterposition an sich - wie unterstellt wird -, die eine Wirkung ausübt, sondern es sind die mit der Geschwisterposition (mehr oder weniger regelmäßig) verbundenen sozialen, ökologischen, ökonomischen, zwischenmenschlichen und individuellen Verhältnisse, welche letztlich bestimmen, was für Persönlichkeitseigenschaften entwickelt werden“ (KASTEN 1994, S. 39).

Der amerikanische Wissenschaftshistoriker Franz J. SULLOWAY (1997) verfasste, unter Berücksichtigung der Lehre von Charles DARWIN, sein Werk „Der Rebell der Familie“ und betont den Einfluss der Geschwisterrivalität sowie der Geburtenfolge auf die Persönlichkeitsentwicklung. Seine Forschungsergebnisse erhielt er durch rund 6.500 Lebensläufe und eine halbe Million Daten aus 20-jähriger Forschung. Seine Erkenntnisse beziehen sich auf die „revolutionäre Persönlichkeit“ eines Menschen, d. h., welcher Typus imstande ist, revolutionäre Theorien und Neuerungen in der Geschichte hervorzubringen (vgl. KINAST-SCHEINER 1999, S. 44). Der Einfluss der Geschwisterposition steht für ihn außer Frage: „Allen Einwänden zum Trotz zeigt die Literatur über die Geburtenfolge konsistente Verhaltenstrends. Eine tiefergehende Analyse führt sogar zu einem noch eindeutigeren Ergebnis: Die Arbeiten bestätigen den Einfluss der Geburtenfolge durchgehend“ (SULLOWAY 1997, S. 94).

FRICK (2006) unterstreicht die Notwendigkeit von Einzelfallstudien, vor allem in der therapeutischen und beraterischen Praxis, nimmt jedoch Abstand von verallgemeinerten Zuschreibungen durch eine bestimmte Geschwisterposition und distanziert sich „von einer blinden Berechnung von Korrelationen zwischen Strukturvariablen“ (FRICK 2006, S. 19 f).

Im Gegensatz dazu erachtet der psychoanalytische Familientherapeut Hans SOHNI Einzelfallergebnisse über Geschwisterkonstellationen als unbrauchbar und sieht die Bedeutung des Kindes in der Familie als entscheidende Komponente für die Geschwisterbeziehung (vgl. SOHNI 2004, S. 31). Weiters betont er, „dass sich ein Kind, ein Jugendlicher, ein Erwachsener in seiner Entwicklung beziehungsweise in seinem Gewordensein wesentlich im Beziehungskontext seiner Geschwister erschließt“ (ebd., S. 97). Auch LEY (2001) weist auf die spezifische Stellung hin, welche ein Kind in der Familienkonstellation einnimmt und schließt daraus auf ein unterschiedliches Erleben der familiären Umgebung. (vgl. LEY 2001, S. 39). Diese Erkenntnis deckt sich größtenteils mit jenen der Psychologen DUNN & PLOMIN (1996). Diese lenkten in ihrer Untersuchung den Fokus auf den Einfluss der Familie und stellten verschiedene Erfahrungen der Geschwister im Bezug auf ihre häusliche Umgebung fest (vgl. DUNN/PLOMIN 1996, S. 57 f).

3.2. Geburtsrangplatz in der Geschwisterreihe

In dieser Arbeit wird vorwiegend auf die Prägung der Persönlichkeitsentwicklung durch die Qualität der Geschwisterbeziehung und die Stellung in der Geschwisterreihe eingegangen. Insbesondere liegt das Hauptaugenmerk auf dem Einfluss der Geschwisterposition auf die Lernleistung.

In Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes lassen sich keine wissenschaftlichen Trennungen in die Einflussfaktoren Umwelt, Anlage und Individuum vornehmen (vgl. FRICK 2006, S. 27 f). Neben vielen anderen Faktoren beeinflusst auch die Geburtsreihenfolge den Menschen in seiner Lebensgeschichte (vgl. HAPWORTH/HAPWORTH/HEILMAN 1996, S. 85). LEMAN (2004) sieht im jeweiligen

Rang in der Geschwisterkonstellation eine Mitwirkung für die Ausbildung der Einzigartigkeit eines Menschen, verweist jedoch ausschließlich auf Tendenzen und lehnt eine allgemeine Gültigkeit ab: „Selbstverständlich ist es nicht möglich, exakte Voraussagen darüber zu machen, wie sich jeder von uns letztendlich entwickelt haben wird. Dazu sind wir doch zu verschieden und komplex“ (LEMAN 2004, S. 37). Folgende Punkte unterstreichen die Einwirkung der Familie und der Geburtenfolge auf die Entwicklung eines Menschen:

- Das Aufwachsen in einer Familie ist eine einzigartige Erfahrung mit einer Reihe von intimen Beziehungen, die es sonst in dieser Form nicht gibt.
- Der Einfluss der Familie auf jeden Menschen ist größer als von jeder anderen Organisation oder Institution.
- Der Einfluss der Familie bleibt auch im späteren Leben erhalten.
- Der Rang eines Menschen in seiner Geburtenfolge übt eine lebenslange Wirkung in seiner Entwicklung aus (vgl. ebd.).

Bevor ein Kind in das Leben eines Paares tritt, ist ihre Verbindung als Einheit einer Zweierbeziehung strukturiert. Die werdenden Eltern befinden sich trotz individueller Persönlichkeiten und einer anderen Geschlechtszugehörigkeit in einem in sich geschlossenen Beziehungssystem. Einerseits bedeutet die Aufnahme eines Dritten in diese Gemeinschaft eine Bereicherung, andererseits wird die Verbindung nicht nur als stärkend sondern auch als störend empfunden. Das Familiensystem erweitert sich mit jedem Kind und ermöglicht so eine Reihe von neuen Konstellationen und bei mehreren Kindern beinhaltet die Einheit der Geschwistergruppe eine Gegengewichtung zu den Eltern (vgl. SCHÜTZE 1989, S. 313 f).

Die Stellung in der Geschwisterreihe ist für jedes Kind eine einzigartige Erfahrung und dient dazu, soziale Kompetenzen auszubilden und zu verfeinern. Dieser Erfahrungswert überträgt sich auf das spätere Leben außerhalb der Familie, wie beispielsweise auf die Partnerwahl, die Erziehung der eigenen Kinder und den Arbeitsplatz. Durch das Annehmen der eigenen Stellung in der Rangordnung entwickelt jedes Geschwisterkind eigene Strategien zur Durchsetzung (vgl. PREKOP 2000, S. 18). „Je nachdem, an welcher Stelle sie geboren sind, lernen sie, sich dem anderen anzupassen, sich gegen ihn zu behaupten, ihn zu erdulden, mit ihm zu teilen, Schläge zu erleiden, aber auch sich zu wehren, gegen ihn oder auch mit ihm gegen gemeinsame Feinde zu kämpfen, sich hinter ihm zu verstecken oder ihn zu vertreten und zu verteidigen, sich mit ihm zu solidarisieren“ (ebd.).

Ein heranwachsendes Kind ist vielen Einflüssen seitens der äußeren Umwelt ausgesetzt, wobei der Einfluss durch unmittelbare Bezugspersonen, wie Eltern und Geschwister am größten ist. Die Familie gilt als Ausgangsbasis für das spätere Leben und ist durch die

Einwirkung in den ersten Jahren prägend für die grundlegende Persönlichkeit des Kindes (vgl. FRICK 2006, S. 28). Das Erleben des Kindes ist neben der häuslichen Erfahrung auch von der Anzahl der Kinder und dem Altersunterschied zwischen den Geschwistern, abhängig (vgl. KOHNSTAMM 1990, S. 99). Die Erfahrungswerte der Kinder durch das Innehaben einer ganz bestimmten Geschwisterposition bewirken verschiedene Entwicklungen der einzelnen Geschwister. „Bei drei Kindern sieht die Familie für die älteste Schwester ganz anders aus als für den jüngeren Bruder. Sie haben unterschiedliche Erlebnisse, und wenn sie dasselbe erleben, erleben sie es auf verschiedene Weise“ (ebd., S. 99). Geschwister verbringen im Regelfall sehr viel Zeit miteinander und stehen in ständiger Interaktion. Bereits für Alfred ADLER beinhaltete diese dauernde und unausweichliche Interaktion die Erfahrungsebene, auf welcher die für sie typischen Lebens- und Beziehungsmuster ausgebildet werden (vgl. HEISTERKAMP 1995, S. 204).

„Mit jeder Geschwisterposition sind spezifische Situationsbedingungen verbunden, die das Kind zwar nicht im kausalen Sinne zu bestimmten Verhaltensweisen determinieren, die jedoch zu wahrscheinlichen oder typischen Stellungnahmen anregen“ (ANSBACHER 1982, S. 339). Unter dem Gesichtspunkt der Identitätssicherung übernehmen Geschwister jeweilige Rollen, die oftmals lebenslang beibehalten werden. So steht Kindern mit vielen Geschwistern meist ein vorgefertigtes Repertoire an Rollen zur Verfügung und dadurch werden Beziehungen zu Familienmitgliedern und Personen außerhalb der Familie mitbeeinflusst (vgl. KLAGSBRUN 1993, S. 44). Wie jemand auf andere Menschen reagiert, wird wesentlich von der Stellung in der Geschwisterreihe bestimmt (vgl. KÖNIG 1974, S. 79).

Die Besonderheit einer bestimmten, individuellen Geschwisterposition ist ein mitbestimmender Faktor für die Entwicklung eines Kindes und die Entwicklung von spezifischen Situationen in einem Familiensystem. Eine Pauschalierung bzw. Generalisierung einer bestimmten Konstellation wird dem Einzelfall nicht gerecht, da in jeder Familie u. a. soziale, ökonomische, kulturelle Einflüsse als weitere wichtige Variablen gelten (vgl. FRICK 2006, S. 30 f). „Die Geschwisterposition stellt immer nur einen Faktor dar und umfasst so nur Teile des komplexen Beziehungsmusters zwischen Geschwistern“ (ebd., S. 31). In diesem Zusammenhang betont FRICK jedoch, dass bestimmte Konstellationen gewisses Verhalten wahrscheinlicher macht. Ältere Kinder nehmen durch einen körperlichen und kognitiven Vorsprung die Rolle des Stärkeren ein. Jüngere Geschwister sehen zu den Ältesten auf und ahmen deren Verhalten nach (vgl. ebd.,

S. 32 f). Die Geschwisterkonstellation wirkt sich folglich auf Autorität und Macht aus und wird von den älteren Kindern gegenüber den jüngeren ausgelebt (vgl. SULLOWAY 1997, S. 14).

Die Geburt eines jeden Kindes verändert maßgeblich das Familiensystem und die Erlebniswelt seiner Geschwister. Jede Konstellation ist verbunden mit Vor- und Nachteilen, Möglichkeiten, Potenzialen, Problemen und Herausforderungen, wodurch keine Geschwisterposition als günstiger bezeichnet werden kann. Das Erleben der Position, eingebettet in die familiären Gegebenheiten, erfolgt von jedem einzelnen Kind individuell (vgl. FRICK 2006, S. 30 – 32).

3.2.2. Situation des ältesten/erstgeborenen Kindes

Jedes erstgeborene Kind ist bis zur Geburt eines Geschwisters in einer einzigartigen Position und durch seinen Status als Einzelkind hat es die herausragendste Stellung in der Familie inne. Jüngere Geschwister werden immer mit dem ältesten verglichen und die Leistungen des Erstgeborenen gelten als Bemessungsgrundlage für die nachkommenden Geschwister (vgl. RUFO 2006, S. 59 f). Ein neues Geschwister fordert das älteste Kind zur Gewöhnung und Umstrukturierung seines bisherigen physischen und psychischen Lebens auf. Diese Anpassung entspricht seiner Alters- und Entwicklungsstufe und hängt von der ihm zur Verfügung stehenden Unterstützung von außen ab (vgl. LEY 1995, S. 95). Das erste Kind befindet sich aufgrund seiner motorischen und geistigen Überlegenheit in einer stärkeren Rolle. Durch Ängste, ob sie von den Eltern weiterhin für „brav“ und „tüchtig“ gehalten werden, sobald ein Geschwister in die Familie kommt, entwickeln älteste Kinder oftmals einen besonderen Ehrgeiz (vgl. KOHNSTAMM 1990, S. 104).

Die Geburt eines Geschwisters ist für jede Familie bedeutsam und besonders für das älteste Kind ein besonderes Ereignis. Die ambivalente Haltung der erstgeborenen Kinder ihren jüngeren Geschwistern gegenüber zeigt sich einerseits in vermehrter Selbständigkeit, andererseits in Rückzugsverhalten (vgl. STÖHR u. a. 2000, S. 41 f). Die vielzitierte

„Entthronung“ (ADLER 1933), in welcher sich das älteste Kind zurückgesetzt fühlt und sich als von den Eltern benachteiligt sieht, stellt für manche Erstgeborene eine Bedrohung dar (vgl. FRICK 2006, S. 39). SCHÜTZE (1986), KREPPNER (1990) und SAVIOZ

(1968) widerlegten in ihren jeweiligen Untersuchungen die These des

Entthronungstraumas und gehen von der Wichtigkeit der elterlichen Haltung im Begegnungsprozess zwischen den Geschwistern aus (vgl. SOHNI 2004, S. 46).

In welchem Ausmaß die Ankunft eines jüngeren Geschwisters erlebt wird, hängt vom Altersabstand der Geschwister und dem Verhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern ab. Ein geringerer Altersunterschied kann ein Verlustgefühl beim älteren Kind auslösen; ein zu großer Altersunterschied kann dem Ältesten die Vorherrschaft und die innige Beziehung zu den Eltern streitig machen (vgl. SORRIG/MARTENSEN-LARSEN 1991,

S. 28). Durch eine gute Beziehung zwischen Eltern und dem ältesten Kind und einer altersangepassten Förderung des Kindes können Probleme um Vorfeld verringert oder ganz vermieden werden (vgl. RUFO 2006, S. 61). Eine positive Geschwisterbeziehung nimmt eine Koalitionshaltung ein, als Gegenpol zur Elternposition. Die Trennung zwischen Eltern- und Kindersystem gewährleistet eine Erleichterung für den Ablösungsprozess der Kinder. In einer Familie mit nur einem Kind gestaltet sich dieser Ablösungsprozess als schwieriger, da die Gefahr besteht, dass ein Elternteil mit dem Kind in Koalition tritt und so den anderen Elternteil ausschließt (vgl. SCHÜTZE 1986, S. 131).

Wie stark eine Beeinflussung durch die Geburt eines Geschwisters im Leben des ältesten Kindes erfolgt, ist laut FRICK (2006) von verschiedenen Faktoren abhängig:

- mangelnde Vorbereitung des Erstgeborenen auf die neue Situation
- Erstgeborener erlebt stärkeren Verlust durch Geburt eines Geschwisters, je privilegierter seine Stellung ist
- kleiner Altersabstand: bei größerem Altersunterschied erfolgte bereits eine Ausbildung seiner Persönlichkeit und eine Festigung seiner Stellung in der Familie
- Haltung der Eltern: eine Beschäftigung der Eltern mit dem ältesten Kind sowie eine positive Eltern-Kind-Beziehung begünstigen eine gute Annäherung zwischen den Geschwistern (vgl. FRICK 2006, S. 41 f).

[...]

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss der Geschwisterkonstellation auf die mathematische Schulleistung in der Sekundarstufe I
Hochschule
Universität Wien
Note
Gut
Autor
Jahr
2007
Seiten
136
Katalognummer
V115381
ISBN (eBook)
9783640173396
ISBN (Buch)
9783640173693
Dateigröße
1533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einfluss, Geschwisterkonstellation, Schulleistung, Sekundarstufe
Arbeit zitieren
Mag. Sandra Holzreiter (Autor:in), 2007, Der Einfluss der Geschwisterkonstellation auf die mathematische Schulleistung in der Sekundarstufe I, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115381

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