Orient und Okzident

Islam und Christentum in Goethes "West-Östlichem Divan"


Seminararbeit, 2007

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entstehung

3. Allgemeines zum Orient und Okzident

4. Goethes Orientauffassung im WöD
4.1 Goethe und Hafis
4.2 Die Verbindung durch die Religion
4.3 Auswirkung der Bibel auf Goethes Orientverständnis

5. Die Auslebung der Liebe im Buch Suleika
5.1 Autobiographischer Hintergrund
5.2 Goethes Verständnis der orientalischen Liebe in seinen Gedichten

6. Kontrast zwischen Realität und Dichtung
6.1 Pietro della Valles Sonderstellung

7. Das West-östliche im Divan

8. Goethes Kritik am Islam

9. Fazit

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit dem langsamen Verschwinden der christlichen Ideale um das 17. Jahrhundert entstand in Deutschland ein Klima, welches die Auseinandersetzung mit dem Islam ermöglichte. Am bekanntesten ist sicherlich Goethes West-östlicher Divan. In diesem Buch erweist der Autor dem muslimischen Dichter Hafis seine Ehrerbietung und stellt ihn auf die gleiche Stufe mit den zeitgenössischen Europäern. Goethe, als bedeutendster deutscher Dichter, öffnete vielen Menschen in Deutschland die Tür zum Islam.

Heinrich Heine sagte über den West-östlichen Divan Goethes: „Die Verse des Divan sind so leicht, so ätherisch, daß man sich wundert, wie dergleichen in deutschen Sprache möglich war.“[1] Liegt es daran, dass der Divan nach dem Vorbild eines orietalischen Dichters geschaffen wurde oder am Genie Goethe selbst? Die Frage lässt sich jedoch eher schwierig beantworten. Viel wichtiger ist es, den Divan als ein interkulturelles Erlebnis zu betrachten. Diese Gedichtssammlung, die an eine Art Reisebericht erinnert, soll dem Leser die orientalische Welt näher bringen. Die Gedichte enthalten eine Fülle von Äußerungen über das Wesen des Dichters. Man kann den Divan als eine Autobiographie sehen, denn der Dichter beschreibt in den Gedichten Gefühle und Erlebnisse der Berührung mit einer fremden Kultur.

Schon durch die Flucht nach Italien haben wir gesehen, zu welchen schrifstellerischen Erguss das Erleben des Neuen führen kann. Die Orientreise Goethes, die er im hohen Alter vornahm, führte zu einer erneuten Welle dichterischen Schaffens. Diese zweite Flucht sollte ihn verjüngen und ihm ein neues Bild der Welt und der Menschlichkeit geben. Da diese imaginäre Reise mit einer wirklichen Fahrt in seine Heimat verbunden war beduetete sie eine tatsächliche geistige Rückkehr in seine Jugendzeit. Die Verbindung von West und Ost ist entstanden. Die Motive von Trennung und Vereinigung, Alter und Jugend, Geschichte und Gegenwart spielen im gesamten Divan eine Rolle und sind mit einander verwoben. Doch das Nebeneinander von Altersweisheit und Liebestorheit, von Weltlichem und Religiösem irritiert immer wieder.

In der nachfolgenden Hausarbeit möchte ich zunächst kurz die Etnstehung des Divans erläutern, bevor ich zu den orientalischen Erlebnissen komme. Hier soll aufgezeigt werden wie der Dichter die neue Kultur erlebt, welche Einflüsse ihn schon vor Antritt der Reise geprägt haben und wie er das Neue in seinem Werk verarbeitet. Zum Schluss möchte ich noch die Kritik, die der Dichter über die orientalische Kultur ausübt, darlegen.

2. Entstehung

„Divan“ heißt Versmmlung und in Hinblick auf Goethes West-östlichen Divan handelt es sich um thematisch lockerverbundene Gedichte. Diese Sammlung der, vorallem 1814 und 1815 entstandenen Gedichte gehört zum Spätwerk Goethes.

Im Jahre 1814 beschäftigt sich Goethe mit der Dichtung des Persers Mahomed Schemseddin, die er aus der Übersetzung von Hammer als den ‚Divan Hafis’ kannte. Goethe erkannte in diesem Dichter aus dem 14. Jahrhundert zwar einen großen aber ihm auch ebenbürtigen Menschen und konnte nicht anders, als mit ihm in einen Wettstreit zu treten, wie er selbst in dem Gedicht Unbegrenzt, das als das Gedicht der Begegnung gilt, an Hafis schreibt:

Und mag die ganze Welt versinken!

Hafis, mit dir, mit dir allein

Will ich wetteifern! Lust und Pein

Sei uns den Zwillingen gemein![2]

Doch nicht nur die Dichtung Hafis führte zu dieser Inspiration. Goethe interessierte sich Zeit seines Lebens immer wieder für die Kulturen des Orients und beschäftigte sich immer viel mit der orientalischen Literatur. Um diese in ihrem ganzen Sinne zu verstehen, las er auch Reisebeschreibungen des 17. Jahrhunderts von della Valle, Olearius, Tavernier und Chardin.[3]

Um den West-östlichen Divan, der tatsächlich deutsch-orientalisch bedeuten soll, zum Leben zu erwecken, musste es nicht nur zu einer imaginären, sondern auch zu einer wirklichen Reise kommen.[4] In den Jahren 1814 und 1815 reiste Goethe in seine Heimat im Rhein-Main-Gebiet. Während er körperlich von Osten nach Westen, aus Weimar nach Frankfurt, Wiesbaden und Heidelberg reiste, war er mit seinen Gedanken von Westen nach Osten in den Orient gereist, wo er sich Szenen von Karawanen und Oasen[5] vor das Auge rief. Auf dieser Fahrt in die Vergangenheit, beflügelte ihn das Gefühl der Jugend, das er im Gedicht Im Gegenwärtigen Vergangenes noch einmal mit 65 Jahren erlebt.[6]

Auf dieser Reise durchlebte Goethe seine höchste Produktivität und verfasste von Mai 1814 bis Mai 1815 100 Gedichte, die jedoch nur den Anfang des Divans darstellen sollen.

Einen weiteren Teil der Sammlung ergeben die Gedichte von Hatem und Suleika. Als Goethe in Frankfurt mit Jakob von Willemer und seiner Frau Marianne zusammentraf, erglühte eine Liebelei zwischen dem Dichter und der jungen Frau, die in diesen Gedichten ihren Ausdruck fand.[7]

Nach der Abreise aus Frankfurt im Herbst 1815 nahm Goethe die Einteilung des Divans in Bücher vor, der West-östliche Divan ist geboren und erscheint im August 1819. Schon 1815 schreibt Goethe in einem Brief folgendes: „Jedes einzelne Glied nämlich ist so durchdrungen von dem Sinn des Ganzen, so innig orientalisch, bezieht sich auf Sitten Gebräuche, Religion und muß von einem vorhergehenden Gedicht erst exponiert sein, wenn es auf Einbildungskraft oder Gefühl wirken soll. Ich habe selbst noch nicht gewußt, welches wunderliche Ganze ich daraus vorbereitet.“[8]

Doch auch wenn Hafis’ Gedichte hier am wichtigsten erscheinen, wurde das Interesse Goethes am Orient nicht nur durch diesen geweckt. Schon früh setzte sich Goethe mit der arabischen Kultur auseinander.

Zunächst muss man Goethes Verhältnis zu 1001 Nacht erwähnen. Das Werk, das er schon in seiner Kindheit durch seine Mutter und Großmutter kennenlernte und das zur bekanntesten Weltliteratur gezählt wird, hatte eine große Wirkung auf den Dichter und so wird die Hauptfigur Scheherazade für viele Motive, Personen und Handlungen in den goethischen Werken zum Vorbild.[9] Vor allem eignete sich Goethe bei vielen Werken die Erzählweise der Scheherazade an und präsentierte sie nicht auf einmal dem Publikum, so erschien zum Beispiel auch die Italien Reise in zeitlich weit auseinander liegenden Abschnitten.

Die Preisgedichte oder Moallakats, die im Tempel zu Mekka geschrieben wurden, wirkten auch auf die Dichtung des West-östlichen Divans ein.[10] Goethe charakterisierte die Moallakat in den Noten und Abhandlungen auf folgende Weise:

Bei einem östlichen Volke, den Arabern, finden wir herrliche Schätze an den >>Moallakat<<. Es sind Preisgesänge, die aus dichterischen Kämpfen siegreich hervorgingen,…Der Wert dieser trefflichen Gedichte, an Zahl sieben, wird noch dadurch erhöht, daß die größte Mannigfalltigkeit in ihnen herrscht.[11]

Die Würdigung der Moallakat zeigt Goethes Bewunderung dieser Gedichte. Er sah in ihnen ein Zeichen von hohem Intellekt und meisterhafte Kunstleistungen, die ihm für seine eigene Dichtung enorme Anregung gaben.[12]

3. Allgemeines zum Orient und Okzident

Im West-östlichen Divan schreibt Goethe:

Wer sich selbst und andre kennt

Wird auch hier erkennen:

Orient und Okzident

Sind nicht mehr zu trennen.[13]

Doch wie soll man das deuten? Hier möchte ich kurz aufzeigen wie es zu einer gegenseitigen Verständigung zwischen dem Osten und dem Westen kam.

Das erste Problem, das sich stellt, ist die Frage nach den Grenzen, also wo der Osten endet und der Westen beginnt. Setzt man sich ein bißchen mit der Geschichte auseinander, erkennt man schnell dass es nicht von Anfang an einen Westen und einen Osten gab. Viel mehr wurden diese zwei Kulturen im Laufe der Zeit durch Kriege und herrschaftssüchtige Führer von einander getrennt. So kann man auch nicht sagen, dass das Christentum eine westliche und der Islam eine östliche Religion ist. Viel mehr hat das Christentum genauso wie der Islam seine Ursprünge im Osten.[14] Doch haben sich die beiden Teile der Welt mit der Zeit auch unterschiedlich entwickelt und so steht man vor dem Problem der anderen Kultur und wie man mit dieser umgehen soll. Trotz jener Grenzkämpfe und untergehender Reiche wurde die Verbindung zum Osten durch den andauernden Handel aufrechterhalten. Durch Orientreisende wurde schließlich die Kultur im Osten den Menschen im Westen nahe gebracht. Man lernte die Sprache, die Kleidung, die Religion und die sozialen Gegebenheiten kennen und im Laufe vieler Jahrhunderte entstand eine Verbindung von West und Ost.

Heute können wir sagen, dass der Osten genau so zu unserem Dasein gehört wie der Westen in dem wir leben. Durch Reisen lernen wir die Kulturen persönlich kennen, und was aber viel wichtiger ist, wir können diese Kultur auch in unserem Land erleben. Einige traditionelle Gebräuche finden wir inzwischen auch im westlichen Europa. Wie zum Beispiel die orientalische Küche den schönen Brauch Körper, Geist und Seele im Hammam zu reinigen und zu entspannen. So kann man sich wie im Gedicht Goethes nicht mehr vorstellen, den Orient und Okzident getrennt zu sehen.

4. Goethes Orientauffassung im West-östlichen Divan

4.1 Goethe und Hafis

Wie schon oben erwähnt, spielt das Werk des Hafis eine besondere Rolle in der Entstehung des West-östlichen Divan. Goethes Zusammenkunft mit Hafis ist persönlicher Art und wurde zum Auslöser für die „Hegire“, wie Goethe seinen geistigen Aufbruch in den Orient nennt.[15] Dieses entscheidende Ereignis beschreibt Goethe in den Tages- und Jahresheften von 1815: „… und ich mußte mich dagegen produktiv verhalten, weil ich sonst vor der mächtigen Erscheinung nicht hätte bestehen können.“[16]

Es gib kein anderes Werk Goethes, in dem er einen Dichter persönlich anredet wie den Hafis im West-östlichen Divan. In jedem Buch des Divan wird er genannt, das Buch Hafis sei, wie er im Morgenblatt selbst sagt, der Charakterisierung, Schätzung, Verehrung dieses außerordentlichen Mannes gewidmet.[17] Im Buch Hafis heißt es im Gedicht Unbegrenzt:

[...]


[1] Zur Geschichte der schönen Literatur in Deutschland, I

[2] Johann Wolfgang Goethe: West-östlicher Divan, Noten und Abhandlungen zu besserm Verständnis des West-östlichen Divans, dtv-Verlag, München 1961, S. 19

[3] Vgl. Ebd. S 219ff, 232, 233

[4] Vgl.Ebd. S. 257

[5] Ebd.

[6] Vgl. Ebd. S. 12

[7] Vgl. West-östlicher Divan, S. 260ff

[8] Christian Wurm: Zu Goethes West-östlichem Divan. In: Studien zum West-östlichen Divan Goethes, Edgar Lohner (hgg.), Darmstadt 1971, S.21

[9] Vgl. Katharina Mommsen: Goethe und die arabische Welt, Frankfurt/Main 1988, S. 19

[10] Vgl. Ebd. S. 62

[11] West-östlicher Divan, S. 124

[12] Vgl. Katharina Mommsen, S. 65f

[13] West-östlicher Divan, S. 110

[14] Georges Fradier: Orient und Okzident. Wege zu gegenseitiger Verständigung, Düsseldorf 1962, S. 14

[15] Gisela Henckman: Der Divan als Antwort. In: ders. Gespräch und Geselligkeit in Goethes >> West-östlichem Divan<<, Stuttgart 1975, S. 125

[16] Ebd. S 126

[17] Ebd. S.129

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Orient und Okzident
Untertitel
Islam und Christentum in Goethes "West-Östlichem Divan"
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Institut für Literaturwissenschaft / Mediävistik)
Veranstaltung
Arabisch-Islamische Kulturen in deutschen und europäischen Texten
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V115251
ISBN (eBook)
9783640166701
ISBN (Buch)
9783640166770
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Orient, Okzident, Arabisch-Islamische, Kulturen, Texten, Goethes West-östlicher Divan
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Anna Sliwa (Autor:in), 2007, Orient und Okzident, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115251

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