Die NATO in der Transformation

Befindet sich das Bündnis in der Krise?


Magisterarbeit, 2007

136 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Einführung in die Thematik und Problemstellung
1.2. Zielsetzung, Arbeitsthesen und Forschungsfragen
1.3. Methodik und Untersuchungsaufbau
1.4. Stand der Forschung

2. Theoretische Verortung der Thematik
2.1. Zur Methodik einer theoretischen Multiperspektive
2.2. Die NATO als Sicherheitsinstitution in den internationalen Beziehungen – Grundbegriffe und theoretische Grundannahmen
2.3. Realistische und institutionalistische Annahmen zur NATO nach dem
Ende der Bipolarität
2.4. Theoretische Indizien einer Krise und ihre Kriterien

3. Beispiele früherer Krisensituationen innerhalb der NATO und ihre Bewältigung
3.1. Das Krisenjahr 1956
3.2. Der Bericht der „ Drei Weisen
3.3. Die NATO-Krise 1966/67
3.4. Der Harmel-Bericht über zukünftige Aufgaben der Allianz
3.5. Erkenntnisse aus den Krisenbeispielen

4. Der politische Transformationsprozess der NATO in der Krise?
4.1. Die Ausgangssituation für eine Transformation
4.1.1. Definition der NATO-Transformation
4.1.2. Problemfaktoren in der Transformation der NATO
4.2. Mitgliedsstaatliche Grundlinien zum Transformationsprozesses
4.2.1. Die „transatlantische“ Linie
4.2.2. Die „französische“ Linie
4.2.3. Die „osteuropäische“ Linie
4.2.4. Die „deutsch-italienische“ Linie
4.3. Der Transformationsprozess im Spannungsfeld der transatlantischen Beziehungen
4.3.1. Auswirkungen der Post-9/11-Phase auf die NATO
4.3.2. Ein sicherheitspolitischer Riss mit Konsequenzen für die NATO?
4.4. Das schwierige Verhältnis der NATO zur EU und ESVP
4.5. Inhaltliche Problemfelder in der politischen Transformation der NATO
4.5.1. Die Kontroverse um eine neue NATO-Strategie
4.5.2. Gründe für eine verhinderte Strategiedebatte
4.5.3. Der Rüstungssektor als Konfliktfeld der NATO-Transformation
4.5.4. Streitpunkt mangelndes „ Burden Sharing
4.5.5. Fähigkeitslücken als Transformationsproblem
4.5.6. NRF – Lackmustest für die Transformation und Zukunft der NATO
4.5.7. Die Reform der internen Strukturen der NATO
4.6. Fehlt der NATO eine Konsultationskultur?
4.6.1. Indizien einer Konsultationskrise
4.6.2. Droht der Konsultationspraxis eine dauerhafte Marginalisierung?
4.7. Die Afghanistan-Operation: Ausdruck einer politisch-strategischen Krise
4.7.1. Der politische Streit um eine mangelnde Bündnissolidarität und Einsatzfragen
4.7.2. Politische und operative Differenzen um eine zivil-militärische
Strategie

5. Schlussbetrachtung und Ausblick

II. Literatur- und Quellenverzeichnis

III. Anlagen
Anlage 1: Der Nordatlantikvertrag

I. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Einführung in die Thematik und Problemstellung

(...) The Cold War comes to a complete end. NATO and the Warsaw Pact then dissolve; they may persist on paper, but each ceases to function as an alliance”,[1] lautete John J. Mearsheimers sicherheitspolitische Prognose des Jahres 1990 im Einklang des Ausrufs eines Endes der Geschichte durch Francis Fukuyama.[2] 17 Jahre später hat weder die Geschichte geendet, noch die NATO[3], wie der Warschauer Pakt, Einzug in die Geschichtsbücher erhalten. Vielmehr befindet sich die NATO im Wandel zu einem globalen Sicherheitsakteur in einem völlig geänderten und globalen Sicherheitsumfeld. Eindrucksvollstes Beispiel dafür ist das militärische Engagement der NATO in Afghanistan. Damit hat sich das Aufgabengebiet von einem reinen Verteidigungsbündnis hin zur Erfüllung von weltweiten Friedens- und Stabilisierungsoperationen entscheidend gewandelt. Jedoch ist es im nachfolgenden schwierig, ein Bild von der NATO zu zeichnen, ohne auf Widersprüche zu stoßen. Ihre im Nordatlantikvertrag vorgesehene Grundbestimmung, Verteidigung gegen eine akute militärische Bedrohung zu leisten,[4] ist obsolet geworden. Trotzdem hat die Verteidigungsorganisation einen großen Teil ihrer bisherigen Strukturen beibehalten. Sie hat sich durch den Beitritt weiterer Staaten Ost- und Südosteuropas auf 26 Mitglieder erweitert und unterliegt verschiedenen Forderungen, „ eine Allianz mit globalen Partnern zu werden “.[5] Trotz unzureichender Mittel und veralteter Strukturen war die NATO in der Lage, im ehemaligen Jugoslawien und Afghanistan Operationen zur Stabilitäts- und Friedenskonsolidierung durchzuführen.[6]

Damit übernimmt das Bündnis weltweit immer anspruchsvollere Aufgaben, befindet sich aber gleichzeitig in einer grundlegenden Transformation ihrer Strukturen und Streitkräfte, um auf globale Sicherheitsherausforderungen zu reagieren. Allerdings lässt die NATO eine klare Zielsetzung in ihrer politisch-strategischen Zweckbestimmung vermissen, sodass sich der Wandel des Bündnisses bisher nur auf fähigkeitsbezogene Bereiche beschränkte.[7] Erschwerend ist hier nicht nur, dass die NATO ein freiwilliges Bündnis ist,[8] was bedeutet, dass ihre Erneuerung keine ausgemachte Sache ist. Sie weist intern vor allem ein hohes Maß an Dissonanzen ihrer Mitglieder auf, die sich mit dem Ende des Kalten Krieges in offenen Renationalisierungstendenzen äußern und das für die NATO essentielle Konsens- und Konsultationsprinzip marginalisieren.[9]

Diese Tatsache erhält eine besondere Relevanz, die durch das transatlantische Zerwürfnis infolge des Irak-Krieges[10] im Jahr 2003 die NATO in eine langfristige bis heute nachhallende Krise gestürzt hat. Die Dissonanzen zwischen den Mitgliedern haben dazu geführt, dass Unklarheit darüber herrscht, mit welchen Zielen, Zwecken und Mitteln die NATO zukünftig agieren soll. Auch die neue EU-Dynamik beim Ausbau der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) führt zu anhaltenden Irritationen im Bündnis und lässt Befürchtungen einer Konkurrenz zur NATO aufkommen.[11] Betrachtet man zudem die Streitigkeiten um Engagement und Beteiligungen in relevanten Transformationsfeldern des Bündnisses, wie der Aufstellung der NATO Response Force (NRF) und den zögerlichen Beschlüssen des letzten NATO-Gipfels in Riga,[12] scheinen Unstimmigkeiten in der Transformation der NATO aufgetreten zu sein. Diese kommen ebenso in der Afghanistan-Operation der Allianz zum tragen, wo die NATO massiv unter einem Erfolgsdruck steht, gleichzeitig aber das zögerliche Engagement einiger ihrer Mitglieder zu anhaltenden Differenzen führt. Bei einem Scheitern der NATO-Mission in Afghanistan hingegen droht dem Bündnis besonders nach US-Sicht das Ende, da es seine Glaubwürdigkeit und den Rückhalt seiner Mitglieder verliert.[13] Diese vorrangigen Probleme geben Anlass zur Untersuchung, inwieweit die in der Transformation befindliche NATO mit Konfliktfeldern konfrontiert ist. Sie führen zu der Annahme, dass sich das Bündnis angesichts der momentanen Entwicklung in einer Krise[14] befindet.

1.2. Zielsetzung, Arbeitsthesen und Forschungsfragen

Die vorliegende Arbeit untersucht den momentanen Zustand der in der Transformation befindlichen NATO. Der Transformationsprozess des Bündnisses spielt sich zum einen auf einer politisch-strategischen und zum anderen auf einer strategisch-operativen Ebene ab, die alle militärischen Faktoren betrifft. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung gilt hierbei den relevanten Bereichen des politischen Transformationsprozesses. Hierbei soll jedoch nicht vorrangig untersucht werden, auf welchem Stand die fähigkeitsbezogene Transformation vorangeschritten ist, sondern inwiefern diese von politischen Faktoren beeinflusst wird und zu welchen Ergebnissen diese führen.

Die Voraussetzung für den Transformationsprozess der NATO stellt die politische Ebene dar. Sie ist gleichermaßen der Motor für die fähigkeitsbezogene Transformation auf der operativ-strategischen bzw. militärischen Ebene und für den weiteren Erfolg der NATO richtungsweisend. In diesem Kontext wird schwerpunktmäßig darauf abgezielt, die spezifische Leistung der für die Transformation politischen Felder zu ermitteln. Gemessen werden können diese am Verhalten und Engagement der NATO-Mitglieder, aber vor allem an den transatlantischen Beziehungen, die ein Höchstmaß an Bedeutung für das Bündnis besitzen. Der Einfluss dieser Faktoren wiederum führt zur Untersuchung, inwieweit sich diese in einzelnen Feldern der Transformation niederschlagen und politische Dissonanzen verursachen um so den Transformationsprozess möglicherweise zu obstruieren.

Ziel einer theoretischen und empirischen Betrachtung ist es herauszufinden, ob die in der Transformation befindliche NATO einer Krise unterliegt. Die spezifische Forschungsfrage dieser Arbeit lautet daher:

Ist die in der Transformation befindliche Allianz in der Krise?

Der Untersuchung liegt dabei die Annahme zugrunde, dass strategische und politische Problemfaktoren die Ursache für eine Krise der Allianz und ihre Transformation darstellen. Aus dieser Hypothese leiten sich folgende Forschungsfragen für die Arbeit ab:

1) Wie erklären theoretische Annahmen der Internationalen Beziehungen die Entwicklung der sich transformierenden Nordatlantischen Allianz?
2) Bekräftigen die Entwicklungen in verschiedenen Feldern der Transformation eine Krise des Bündnisses?
3) Obstruieren die Dissonanzen innerhalb und Faktoren außerhalb der NATO den weiteren Transformationsprozess und die Operationsfähigkeit des Bündnisses?
4) Welchen Einfluss haben die transatlantischen Beziehungen und die Dynamik der EU und ihrer ESVP auf den Transformationsprozess der NATO?
5) Entsprechen die Krisen des Bündnisses im Kalten Krieg heutigen internen Konfliktmustern der NATO und was wird zu deren Beilegung getan?

Insgesamt bilden diese Leitfragen somit den Gesamtrahmen für die Untersuchung, ob sich die in der Transformation befindliche NATO in einer Krise befindet.

1.3. Methodik und Untersuchungsaufbau

Die vorliegende Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Um einem Grundverständnis in der Begründung sicherheitspolitischer und interessenbezogener Prozesse in Sicherheitsinstitutionen wie der NATO gerecht zu werden, erfolgt in Kapitel Zwei die Rekonstruktion von Grundannahmen zweier Theoriestränge der Internationalen Beziehungen. Diese beruhen auf (neo)-realistischen und institutionalistischen Annahmen und werden zusammengefasst in den Bezug der NATO gesetzt. Hierbei beziehen sie sich zugleich im theoretischen Kontext auf die Fragestellung der Arbeit und versuchen aus dieser Sicht erste Antworten zu bilden. Aus diesen Erkenntnissen wird zum Ende des zweiten Kapitels ein für den empirischen Teil unterstützendes Annahmeraster gebildet. Es soll die empirische Untersuchung der Kapitel Drei und Vier aus theoretischer Sicht begleiten und so mit zu den Ergebnissen der Fragestellung beitragen. Dem theoretischen Teil folgt im dritten Kapitel ein historischer Exkurs. Dieser erläutert frühere Krisensituationen des Bündnisses zu Zeiten des Ost-West-Konflikts und betrachtet gleichermaßen die vorgenommenen Versuche zur Beilegung dieser Krisen. Auch soll das Kapitel dazu beitragen, eine Relation zu den aktuell vorherrschenden allianzinternen Dissonanzen und Rückschlüsse auf den heutigen Zustand der NATO herzustellen. Schließlich erfolgt im vierten Kapitel eine empirisch-analytische Untersuchung der in der Transformation befindlichen NATO unter besonderer Beachtung des Zeitraums von Mai 2006 bis Mitte März 2007.

Dazu wurden im Vorfeld der Gesamtuntersuchung aus Literatur, Medien und Gesprächen für die Transformation der NATO entscheidende Politikfelder ermittelt, die zudem Konfliktpunkte unter den Mitgliedern des Bündnisses verursacht haben. Die ausgewählten Konfliktfelder des Transformationsprozesses unterliegen dabei den Entscheidungs- und Handlungseinflüssen ihrer Mitglieder, denen in der Analyse eine wesentliche Bedeutung zukommt. Hierfür wird zuerst der Begriff der Transformation und die damit verbundene Dimension für die NATO ermittelt. Dem schließt sich die Darstellung der unterschiedlichen Grundhaltung vier mitgliedsstaatlicher Gruppen zur Transformation der NATO als erste Problemanalyse an. Welche Auswirkungen die transatlantischen Beziehungen und das Verhältnis zwischen EU und NATO auf die Transformation des Bündnisses haben, erfolgt im nächsten Schritt. Die in diesen Punkten gewonnenen Erkenntnisse leiten über in die Betrachtung der inhaltlich wichtigsten Problemfelder des Transformationsprozesses der NATO. Im Anschluss findet eine Untersuchung der vorherrschenden Konsultationspraxis innerhalb des Bündnisses statt. Der letzte Punkt des Hauptteils bildet die Analyse der zur Zeit wichtigsten Operation der NATO in Afghanistan. Hierbei soll festgestellt werden, inwieweit die vorher analysierten Problemfelder Einfluss auf die Durchführung dieser Operation haben. Im abschließenden Teil werden die Ergebnisse anhand der Forschungsfragen und Annahme gemessen und einer Bewertung unterzogen. Sie sollen eine Antwort darauf geben, ob die in der Transformation befindliche NATO einer Krise unterliegt.

Für die Entstehung dieser Arbeit wurden drei methodische Schwerpunkte gesetzt. Die Bereiche der theoretischen und historischen Betrachtung beruhen erstens überwiegend auf einschlägiger politikwissenschaftlicher und historischer Primär- und Sekundärliteratur. Der empirische Teil der Untersuchung basiert zweitens auf der Verwendung von Primär- und Sekundärliteratur, offiziellen Dokumenten und Reden, Periodika und Medien, wie Tageszeitungen und Wochenzeitschriften, die den Sektor der Außen-, Sicherheits-, und Verteidigungspolitik umfassen. Ferner fanden mit dieser Thematik befasste Veröffentlichungen in Internetpräsenzen entsprechender Institutionen, Forschungsinstitute und Medien ihre Berücksichtigung.

Da der Bereich der Sicherheitspolitik in hohem Maße durch Eliten gesteuert wird, ist drittens zur Ermittlung der aktuellen Interessenlagen innerhalb und außerhalb der NATO auf das Instrument qualitativer Experteninterviews[15] sowie auf Hintergrundgespräche zurückgegriffen worden. Diese Befragungen wurden im Zeitraum vom 10. Mai 2006 bis 28. Februar 2007 als offene Leitfadeninterviews[16] in einer Länge von ca. 60 Minuten durchgeführt. Hierbei wurden verschiedene Expertengruppen gebildet, die in einer Auswahl anhand verschiedener Blickwinkel ein möglich differenziertes Bild zur Thematik geben sollten. Unterteilt wurden diese Gruppen in vier Bereiche. Im politischen und militärischen Zentrum der NATO sind zwei Mitarbeiter aus dem Internationalen Stab (IS) des Hauptquartiers, die im direkten Umfeld des NATO-Generalsekretärs tätig sind, interviewt worden. Ebenso fanden Interviews mit einem Vertreter aus dem Arbeitsumfeld des Obersten Alliierten Befehlshabers Europa (SACEUR) im Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte Europa (SHAPE) statt. Dienst- und geheimhaltungsrechtliche Gründe der NATO verbieten es jedoch, Funktionen und Namen der Gesprächspartner zu veröffentlichen, sodass ihre Aussagen in anonymisierter Form wiedergegeben werden müssen.

Als Vertreter nationaler Regierungen, bzw. Außenministerien fanden Interviews mit Group Captain Frank M. Simpson, britischer Luftwaffen- und Marineattaché an der britischen Botschaft in Berlin, sowie Colonel Joao Manuel Trindade Coelho de Sousa Teles, Verteidigungsattaché an der Botschaft der Republik Portugal in Berlin, statt.

Ferner wurden jeweils ein mit sicherheitspolitischen Fragen befasster Vertreter des Auswärtigen Amtes sowie des Bundesministeriums der Verteidigung befragt. Die Namen wie auch die Funktion der deutschen Beamten und Soldaten können ebenfalls aus dienstrechtlichen Gründen nicht genannt werden und wurden daher für die Arbeit anonymisiert.

Der militärische Bereich wurde erfasst durch Befragungen von General a. D. Dr. Klaus Reinhardt, der verschiedene NATO-Spitzenverwendungen innehatte. Ebenso fanden Interviews mit einem militärischen Vertreter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO, einem aktiven deutschen Bundeswehr-General, dem Kommandeur eines deutschen NATO-Response Force Bataillons (NRF) sowie einem Teilnehmer der NRF-Einsatzübung „Steadfast Jaguar 06“ auf den Kapverden, statt. Auch hier erlauben es dienstrechtliche Gründe nicht, dass Name und Funktion genannt werden. Ihre Stellungnahmen sind für die Arbeit anonymisiert worden.

Aus dem wissenschaftlichen Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik erfolgten Interviews mit Frau Professor Helga Haftendorn, Arbeitsstelle Transnationale Beziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft in Berlin, Herrn Dr. Reinhard C. Meier-Walser, Leiter der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS), Herrn Dr. Karl-Heinz Kamp, Sicherheitsexperte der Konrad-Adenauer Stiftung (KAS) sowie Herrn Dr. John Kriendler. Letzterer arbeitet als Professor am George Marshall Center (GMC) in Garmisch-Partenkirchen.

Des weiteren wurden verschiedene Hintergrundgespräche in allen vier Bereichen geführt. Hervorzuheben sind davon vier Gespräche mit jeweils einem Vertreter des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees der EU (PSK), einer Abgeordneten aus dem Ausschuss Sicherheit und Verteidigung (SEDE) des Europaparlaments, einem in der ISAF-Mission in Afghanistan eingesetzten zivilen NATO-Mitarbeiter sowie eines ehemaligen NATO-Mitarbeiters und jetzigen Dozenten für militärische Strategiefragen am GMC. Zuletzt verfügt der Verfasser dieser Arbeit durch seinen Einsatz in zwei NATO-Operationen auf dem Westbalkan in den Jahren 2003 und 2005 besonders im strategisch-operativen Bereich über persönliche Erfahrungen, die ebenfalls in die Analyse mit eingeflossen sind.

Der verwendete Interviewleitfaden umfasste 15 Fragen und gliederte sich in drei Themenkomplexe, die im Vorfeld durch eine Auswertung von bestehender Fachliteratur und sonstiger Quellen als für die Fragestellung[17] besonders relevant erachtet wurden. Der erste Fragenkomplex bezog sich auf den politischen Transformationsprozess, in dem zuerst momentaner Stand (Frage 1) und zu thematisierende Problemfelder, die diesen Prozess obstruieren könnten (Frage 2), erörtert wurden. Dem folgte eine spezifische Abfrage der Problemfelder. Sie zielten auf die Bereiche einer aktuellen inhaltlichen und strategischen Zielsetzung der NATO (Frage 3), auf den Zustand der transatlantischen Beziehungen (Frage 4) und einem möglichen Trend zu einer aus „ coalition of the willing “ bestehenden zukünftigen NATO (Frage 5) ab. Es schloss sich die Thematisierung zukünftiger Erweiterungen und globaler Partnerschaften des Bündnisses (Frage 6) sowie die Frage nach Erwartungen und abschließender Bewertungen zum Rigaer NATO-Gipfel (Frage 7) an. Ferner wurde geprüft, wie aus momentaner Sicht das Verhältnis zwischen NATO und ESVP zu bewerten ist (Frage 8) und wo die einzelnen nationalstaatlichen Positionen innerhalb der NATO auszumachen sind (Frage 9).

Die Fragen im zweiten Themenkomplex umfassten die politisch bedingten Felder der militärischen Transformation. Hier wurden der momentane Stand bisheriger Entwicklungen und deren Problemfelder (Frage 10) sowie das einzelne Engagement der Mitglieder zur Überwindung der Fähigkeitslücken (Frage 11) angesprochen. Darauf wurden explizite Fragen nach der Entwicklung der NATO Response Force und deren Streitpunkten (Frage 12) sowie zu möglichen konträren Rüstungsinteressen (Frage 13) gestellt.

Den Abschluss bildete der dritte Fragenblock, der sich mit einer Evaluation des Afghanistan-Einsatzes (Frage 14) und den vorhandenen politisch-strategischen und operativen Problemen (Frage 15) auseinandersetzte. Ziel der transkribierten und anschließend autorisierten Interviewauswertung[18] war es, weitreichende Einsichten in die aktuellen internen Prozesse und Konfliktfelder der NATO zu erhalten und zu überprüfen, inwieweit diese auf den Transformationsprozess obstruktiv wirken. Die Aussagen wurden zum einen zur Belegung bisheriger aus der Literatur gewonnener Erkenntnisse verglichen und zum anderen als ergänzende Komponente in die vorliegende Analyse der jeweiligen Themenfelder aufgenommen.

1.4. Stand der Forschung

Sicherheitspolitik ist gerade in der heutigen Zeit ein Themengebiet, in dem stetig neue Entwicklungen und Bewertungen erfolgen. Seit Jahrzehnten steht die NATO sicherheitspolitisch im Fokus der Forschung. Besonders die Stellung der NATO während des Ost-West-Konfliktes hat eine Vielzahl von Forschungsarbeiten und ausgiebiger Literatur hervorgebracht. Mit dem Ende des Kalten Krieges bezogen sich Forschungsarbeiten auf die zukünftige Ausrichtung des Bündnisses und seine Eigenschaft als Stabilitätsexporteur für die jungen Demokratien Osteuropas in den neunziger Jahren und später auf die ersten Einsätze der NATO im Rahmen der Sicherungs- und Stabilisierungsmissionen auf dem Balkan ab Mitte der neunziger Jahre.[19] Diese erste Phase der Transformation wurde genauso ausgiebig beleuchtet, wie einhellig die institutionalistische Prognose eines Weiterbestehens der NATO bejaht wurde. Die aufstrebende ESVP der Europäischen Union und deren Konkurrenz zur transatlantischen Sicherheitspolitik hat sich in den letzten Jahren als zusätzlich stark frequentiertes Forschungsfeld herausgestellt.[20] Nach den Terrorangriffen von New York im Jahr 2001 beschäftigte die Forschung vor allem die Positionierung des NATO-Bündnisses in einer zunehmenden globalen terroristischen Bedrohungslage. Besonderes Interesse galt den verstärkten Transformationsanstrengungen nach dem NATO-Gipfel in Prag 2002 und der zweiten NATO-Osterweiterung.[21]

Doch spätestens seit der Irak-Krise 2003 fokussierten sich die Untersuchungen auf den signifikanten Bruch in den transatlantischen Beziehungen und die außenpolitische Ausrichtung der USA, meist verbunden mit der erneuten Frage eines Zerfalls der NATO und einer zunehmenden euro-atlantischen Rivalität. Weitestgehend schwächer erforscht sind jedoch die Entwicklungen des Bündnisses in seinem Transformationsprozess nach dem Krisenjahr 2003.[22] Eine Lücke in der Forschung besteht in der aktuellen Momentaufnahme des Zustandes der NATO und ihres Transformationsprozesses, der nach wie vor nicht abgeschlossen ist und Problembereichen unterliegt. Dieser ist bisher nur von wenigen Publikationen, wie durch Meier-Walser und Riecke berücksichtigt worden.[23] Es gibt der Arbeit den Anlass, dieses Themengebiet weiter zu beleuchten. Ferner fehlt der Forschung bezüglich der NATO seit längerem eine Neuauflage des Untersuchungsrasters „tradierter Theorien“ der internationalen Beziehungen. Sie zur Unterstützung der Analyse heranzuziehen erzeugt Spannung und verspricht den momentanen Entwicklungen innerhalb der NATO aktualisierte Begründungen zu liefern.

Die somit gewonnenen Ergebnisse sollen letztendlich Rückschlüsse auf die momentanen Spannungsfelder im Transformationsprozess der NATO liefern und damit eine Forschungslücke zu den aktuellen Entwicklungen des Bündnisses schließen.

2. Theoretische Verortung der Thematik

Die Internationalen Beziehungen bilden ein äußerst komplexes Interaktionsmuster, dessen Strukturen nicht immer offen zu Tage treten “.[24] Heute, nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, sind sie in ihrer Dimension weitreichender als zuvor. Sie zeichnen sich mehr denn je durch eine Vielfalt von Akteuren, Prozessen und Strukturen aus, die innerstaatliche und internationale Politik und ihre Institutionen gleichermaßen beeinflussen.[25] Erforderlich sind Erklärungsansätze, die jene Handlungs- und Entscheidungsprozesse in der Internationalen Politik plausibel erscheinen lassen. Popper hat in diesem Zusammenhang den oft zitierten Ausspruch entwickelt, dass die Theorie das Netz sei, um die Welt einzufangen, sie zu rationalisieren und zu erklären.[26] Theorien dienen nach Kindermann dem Zweck, eine Flut unkoordinierter Fakten in klar überschaubare Strukturen und Wirkungszusammenhänge internationaler Politik zu transformieren[27] und einem hoffnungslosen Unterfangen auf der Suche nach Erklärungen in der „Kristallkugel“ entgegenzutreten, worauf Haftendorn hinweist. Sie betont aber auch, dass Theorien vielmehr – wenn auch unvollkommene – Erklärungsansätze internationaler Wirklichkeit darstellen.[28]

Nach einer von vielen Akteuren der internationalen Beziehungen und Wissenschaftlern propagierten „Dekade des Friedens“ in den 1990er Jahren, steht die internationale Staatengemeinschaft spätestens seit den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001 vor Herausforderungen ungeahnter Dimension. Die aktuellen Entwicklungen und das Handeln von Staaten und ihrer Repräsentanten lassen seit 1989 „totgesagte“ Theorien der internationalen Beziehungen in einem neuen Licht erscheinen. Auch gehören in diesem Zusammenhang neorealistische und institutionalistische Prognosen, die einerseits den Niedergang der NATO, andererseits die Stärkung des Bündnisses prognostiziert haben, erneut auf den Prüfstand. Die neue Lage in der Welt stellt in diesem Sinne eine noch größere Herausforderung für die etablierten Theorien dar, die komplexe internationale Realität in einen Rahmen zu setzen. Dabei sollte es für ihre theoretischen Denkschulen nicht abwegig sein, Theoriemuster den neuen Entwicklungen anzupassen und Sachverhalte gleichermaßen neu zu interpretieren. In diesem Zusammenhang ist sowohl Weidenfeld zu begegnen, der neue Wege zur Beschreibung internationaler Realität einfordert,[29] als auch Mearsheimer der schreibt: „ (...) we need new theories to comprehend the world around us “.[30]

Für die folgende Analyse bietet sich eine Kombination aus beiden Forderungen mittels eines theorieoffeneren, multiperspektivischen Weges an. Dieser versucht, tradierte Theorien entgegen bisheriger Separationen wirkungsvoll zu verknüpfen und sie im Lichte der neuen Entwicklungen ergänzend zu sehen. Als Arbeitsgrundlage dienen die theoretischen Annahmen der realistischen und institutionalistischen Denkschule. Die Erklärungsfaktoren beider Richtungen entsprechen am ehesten den Gründen für die Entstehung einer Sicherheitsinstitution und den zugrunde liegenden Kooperationsparadigmen, Gewinnerwartungen und Handlungsmustern ihrer Akteure.

Wie eingangs dargestellt, können Theorien nur unvollkommene Erklärungssätze internationaler Wirklichkeit bieten. Somit ist für die Analyse des Arbeitsthemas maßgebend, dass nach Max Weber „Begriffe und Urteile, nicht die empirische Wirklichkeit sind, auch sie nicht abbilden, aber sie in gültiger Weise denkend ordnen lassen“.[31] Demnach soll der theoretische Teil dieser Arbeit als Grundlage für ein erstes Verständnis internationaler Handlungsprozesse und -muster in den folgenden Abschnitten dienen.

Im ersten Schritt werden zur Einführung in die Institution der NATO Grundlagen der Form und Funktion von Sicherheitsinstitutionen skizziert. Anschließend werden realistische und institutionalistische Sichtweisen[32] zum nordatlantischen Verteidigungsbündnis thematisiert. Damit soll dem empirischen Teil der Arbeit in seiner Analyse eine erste Erklärungsgrundlage ermöglicht werden. Am Ende des theoretischen Einführungskapitels steht ein Extrakt aus den gewonnenen theoretischen Erkenntnissen, das ein unterstützendes Untersuchungsraster darstellen soll, um Indizien einer möglichen Existenzkrise zu verorten.

2.1. Zur Methodik einer theoretischen Multiperspektive

Eine Vielzahl von Handlungs- und Entscheidungsmustern in den Internationalen Beziehungen weist darauf hin, dass sich Staaten bzw. deren Repräsentanten eher im Ausnahme- denn im Regelfall „theoriekonform“ verhalten.[33] Bezogen auf den Untersuchungsgegenstand, deren Out-put sowie den historischen Verlauf in hoch institutionalisierten Organisationen wie der NATO, können diese einer bestimmten Theorierichtung oftmals nicht zugeordnet werden.[34] Entgegen rein realistischer und institutionalistischer Annahmen wagt die Arbeit anhand eines theorieoffeneren Rahmens die für die Arbeitsthematik wichtigsten Theorien der internationalen Beziehungen weitestgehend integrativ anzuwenden, anstatt sie von einander zu separieren.[35] Damit soll verhindert werden, lediglich theoriekonforme Einzelaspekte herauszustellen, aber einer Gesamtbetrachtung anhand einer theoretischen Hilfestellung nicht gerecht werden zu können.[36]

Die Übernahme einer bestimmten theoretischen Ausgangsposition führt in Anlehnung an Hilz zur Gefahr, dass im Vorfeld Elemente der anderen wesentlichen Theorierichtung ausgeblendet werden und so die dem Arbeitstitel vorstehende Analyse einer Krise der NATO in ihrem Ergebnis nur ein reduziertes Bild entstehen lässt. Eine Verknüpfung realistischer und institutionalistischer Ansätze im analytischen Vorgehen lässt im folgenden ein besser verständliches Gesamtbild entstehen.

Der Autor ist sich durchaus bewusst, die Wahl eines nicht eng theoriegebundenen Ansatzes und gar die Integration zweier verschiedener Denkschulen[37] für Verfechter der Theorien der Internationalen Beziehungen Provokationen hervorrufen. Vielmehr kann dieses Vorgehen ein willkommener Anlass sein, über die Grenzen der Theorieschulen hinweg neue Diskussionen und Forschungsmuster zu lancieren. Um eine theorieoffenere Untersuchung führen zu können, ist es so erforderlich, eine theoretische Multiperspektive einzunehmen. Diese bietet in der Wahl der Theorien der realistischen und institutionalistischen Schule zur Untersuchung der NATO als Sicherheitsinstitution einen interessanten Ansatz. So kann man nach Siedschlag die Entstehungsphase von Kooperation in der euro-atlantischen Welt durch eine institutionalistische und auch realistische Optik betrachten. Gemeinsame Werteideen und Gewinnerwartungen bestimmen diese Entwicklungsphase. Zur Wahrung und Weiterentwicklung des Integrationsstandes sowie des Bestehens in unerwarteten Problem- und Konfliktsituationen sieht er die Anwendung einer neorealistischen Perspektive für angemessen. Dem entgegnet Haftendorn, dass der Beginn von Kooperationen aus einer realistischen Perspektive erfolgt und durch eine sich entwickelnde Kooperationserleichterung durch die Berechenbarkeit von Staaten kooperative, also institutionelle Verhaltensmuster, an die Stelle konfligierender treten. Diese Perspektiven werden im nächsten Schritt nach einer Einführung in Grundbegrifflichkeiten von Sicherheitsinstitutionen sowie (neo)-realistischer und institutionalistischer Annahmen in der Überprüfung der sich transformierenden NATO im integrativen Sinne Beachtung finden. Beide im folgenden anzuwendenden Theorien sollen im ersten Schritt untersuchen, welchen Problemfaktoren die NATO aus der theoretischen Perspektive nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ausgesetzt war. Im zweiten Schritt sollen die daraus gewonnenen Erkenntnisse überprüfen, ob sich das Bündnis in einer Krise befindet und für die Untersuchung des empirischen Teils ein begleitendes Analyseraster bilden.

2.2. Die NATO als Sicherheitsinstitution in den internationalen Beziehungen – Grundbegriffe und theoretische Grundannahmen

Sicherheitsinstitutionen, wie die NATO oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), sind Institutionen, die im Problemfeld Sicherheit Wirkungen entfalten.[38] Walt spezifiziert dabei Allianzen wie die NATO als „ formal or informal commitment for security cooperation between two or more states.”[39]

Zur Einrichtung internationaler Institutionen greifen staatliche Akteure auf kulturelle Muster zurück, um im Rahmen der Institution gültige Normen und Regeln festzulegen,[40] sodass Institutionen in hoher Intensität die Identitäten ihrer stützenden Akteure widerspiegeln.[41] Im internationalen Rahmen repräsentieren Institutionen so in einem wesentlichen Bestandteil den sozialen Kontext, in dem Politik stattfindet. Sie schränken Handlungsoptionen der Akteure ein und formen teilweise die Interessen, die Kognition und auch die Innenpolitik der Staaten. Dabei wird wesentlich versucht, das Verhalten ihrer Mitglieder durch entsprechende Verhaltens- und Verfahrensregeln im Sinne von kooperativen Verhaltensweisen zu beeinflussen, sodass trotz konkurrierender Interessen eine zwischenstaatliche Zusammenarbeit ermöglicht wird.[42] Für die zusammenarbeitenden Staaten gewährt in diesem Fall die NATO gegenüber einer militärischen Bedrohung Sicherheit für zwei oder mehrere Akteure im Sinne des Schutzes territorialer Integrität, politischer Souveränität und wirtschaftlicher Wohlfahrt.[43]

Staaten sind aus neorealistischer Sicht[44] die wichtigsten Akteure in den internationalen Beziehungen. Sie wollen ihr Eigeninteresse gegenüber anderen konkurrierenden Staaten anhand einer rationalen Nutzenmaximierung in einer quasi normfreien Umwelt durchsetzen. Allianzen dieser Art dienen somit Staaten vor allem erstens dem Zweck, die Machtpositionen bzw. Bedrohung eines Konkurrenten durch die Bildung einer Gegenmacht[45] auszubalancieren („ balancing “) und ihre eigenen Ziele und Interessen durch die Gewinnung eines Bündnispartners auf Zeit durchzusetzen.[46] Zweitens soll die Einbindung anderer Staaten in die Sicherheitszusammenarbeit die Mitgliedschaft dieser Staaten in anderen Allianzen verhindern („ bandwagoning “).[47]

Institutionalisten gehen ebenfalls von einem rationalen Handeln der Staaten gegenüber Machtpotentialen und Bedrohungen aus. Sie vertreten aber die Annahme, dass auch bei problematischen Handlungsinterdependenzen[48] unter bestimmten Bedingungen Kooperationen erfolgen können. Voraussetzung dafür sind Informationen über das Verhalten der Gegenseite, die durch die Einschätzung der Interessen und Präferenzen Staaten berechenbarer machen und Kooperation erleichtern.[49] So ist die NATO aus institutionalistischer Perspektive ein Geflecht von Regeln, mit denen die Mitgliedsstaaten im Rahmen festgelegter Konsultationsmechanismen einen Informationsaustausch untereinander betreiben, Kooperationsprobleme[50] untereinander lösen oder reduzieren.[51] Diese Regelungen sollen ferner die Sicherheit der Mitgliedsländer untereinander gewährleisten, aber auch die Verminderung des Risikos mit einschließen, dass einzelne Mitgliedsstaaten durch unilaterale Handlungen das Bündnis in Konflikte verwickeln.[52] Jedoch wird diese regelbasierte Kooperation durch neorealistische Annahmen in Institutionen wie der NATO erschwert.[53]

Zwischenstaatliche Zusammenarbeit im internationalen System muss im Rahmen der neorealistischen Kooperationstheorie stets instabil bleiben und kann auch durch internationale Institutionen nicht festgeschrieben werden. Staaten müssen immer damit rechnen, dass andere Staaten aus der gemeinsamen Kooperation ausscheren, um Trittbrettfahrergewinne einzustreichen. Zum anderen wollen Staaten verhindern, dass andere Staaten relativ mehr Gewinne aus der Kooperation ziehen, als sie selbst, da sich ansonsten die Machtverhältnisse zu ihren Ungunsten verschieben.[54] Im Grundsatz kooperieren Staaten nur dauerhaft, wenn eine militärische Bedrohung besteht und sie zur Abwendung einer äußeren Gefahr zur Kooperation gezwungen werden.[55] Neben dem Aspekt der Machtverteilung erleichtert darüber hinaus die Übernahme einer anerkannten Führungsmacht[56] die Entstehung von Sicherheitsinstitutionen sowie deren Existenz.

In der Gesamtsicht bleibt für miteinander kooperierende Staaten die Anarchie das bestimmende Strukturmerkmal ihrer Beziehungen. Ihr Handlungsmotiv wird durch Eigennutz, letztlich zur Abwehr einer äußeren Bedrohung dominiert, deren sicherheitspolitische Kooperation sich bei einer Änderung der Machtverhältnisse ändert oder auflöst.[57] Wie diese Motive und theoretischen Annahmen Auswirkungen auf die Situation des Bündnisses nach dem Ende des Ost-West-Konflikts haben, gilt es im nächsten Punkt zu untersuchen.

2.3. Realistische und institutionalistische Annahmen zur NATO nach dem Ende der Bipolarität

Mit dem Ende des Kalten Krieges prognostizierten die Neorealisten Walt, Mearsheimer und Waltz aus der Erkenntnis des Wegfalls der bisherigen Bedrohungsperzeption dem nordatlantischen Bündnis einen „ langsamen aber stetigen Bedeutungsschwund “.[58] Dies hieße, dass institutioneller Kooperationszweck als auch bisheriges Initiativinteresse der amerikanischen Führungsmacht an dem nordatlantischen Militärbündnis in ihrer Bedeutung[59] zurückgehen und internationale Bündnisse ambivalenter und weniger dauerhaft sein werden.[60] Institutionalisten wie Keoheane und Nye vertreten eine Gegenansicht. Sie erwarteten nach dem Ende des Kalten Krieges ein Anwachsen der Kooperation,[61] wobei ein bereits institutionalisiertes Umfeld neue Kooperationen erleichtert und sich ferner einfacher an neue Aufgaben und Gegebenheiten anpassen kann und so die Anarchie zwischen Staaten überwindet.

Realisten bewerten die Abhängigkeit, in die die Staaten durch die Kooperation mit anderen geraten, grundsätzlich negativ.[62] Deren Auffassung ist es, dass Staaten ihre Autonomie als einen Wert an sich betrachten, was aus institutionalistischer Sicht infolge bisheriger Kooperationsmuster verneint wird. Die Waltzsche Annahme führt dazu, dass mit der reduzierten Bedrohung und einem Wandel der Aufgabenstellung die Konflikte innerhalb des Militärbündnisses zunehmen und die Bündniskohäsion abnimmt,[63] da Staaten ihren Autonomiewert mitsamt ihrer vitalen Interessen wieder in den Vordergrund rücken. Machtpolitische Kalküle, sowie allgemeine Kosten-Nutzen Analysen der Nationalstaaten haben demnach wieder einen höheren Stellenwert, auch im Hinblick einer potentiell mutierenden Gegnerschaft bisheriger Bündnismitglieder.[64] Sicherheitsvorteile einer Bündnismitgliedschaft werden geringer geschätzt als der Verlust der Autonomie, die mit einer Mitgliedschaft im Bündnis einhergeht.[65] Das zieht nach Risse-Kappen nationalstaatliche Alleingänge mit sich, die sich insofern äußern, „ (...) when it [superpowers] comes to vital security interests, alliance leader are expected to resort to unilateral decisions without paying much attention to the interests of their client states”.[66] Nach institutionalistischer Auffassung gefährdet das die auf dem Konsensprinzip basierende “Allianz-Kohäsion” zur Begrenzung von Machtpolitik.[67]

Das forciert grundlegende allianzinterne Probleme kollektiven Handelns[68], die sich in institutionalistisch basierten Kooperationsproblemen äußern.

Sie haben durch den Wandel der internationalen Rahmenbedingungen an Aktualität gewonnen und sind durch beide Theorieannahmen beeinflusst. Nach Theiler stellen sie für das Bündnis die Gefahr einer Kooperationskrise dar. Sie bestehen, wenn ein Staat seinen Bündnisverpflichtungen nicht nachkommt und so das Beistandsversprechen bricht, (abandonment)[69], dem Risiko, unfreiwillig in einen Konflikt verwickelt zu werden (entrapment)[70] oder anhand eines Trittbrettfahrerverhaltens (free riding)[71] ohne eigene Beitragsleistung von der institutionalisierten Zusammenarbeit zu profitieren.[72]

Durch die veränderten internationalen Rahmenbedingungen sehen sich Staaten in ihrer wachsenden Autonomiebestrebung zudem in folgender Motivationslage: Je geringer die langfristigen Nutzenerwartungen für einen Staat ausfallen, desto eher besteht die Neigung, Kooperationsvereinbarungen zu brechen (defection), um kurzfristige Gewinne auf Kosten seiner Kooperationspartner zu erzielen.[73] Ein in den Vordergrund tretendes Kooperationsproblem motiviert Staaten ferner zu einer Verringerung des Informationsflusses innerhalb einer Institution durch eine veränderte Beurteilung der Handlungen einzelner Allianzmitglieder in ihren Fähigkeiten. Veränderungen im Informationsaustausch belasten so die vorher festgelegten Konsultationsmechanismen und erhöhen die Gefahr einer Kooperationskrise.[74]

Strukturänderungen im internationalen System können aus institutionalistischer Sicht dazu führen, dass eine Institution dann letztendlich funktionslos wird, wenn die zu bearbeitenden Kooperationsprobleme obsolet und nicht neue verwandte Probleme der Kooperation der Institution zur Bearbeitung zugewiesen werden.[75] Bei eigenem Budget und Personal kann es vorkommen, dass ein Eigeninteresse seitens der internen Akteure besteht, ihrer Organisation neue Funktionen zuzuordnen. Wenn dieses Eigeninteresse lediglich in der Aufrechterhaltung der Organisation trotz Wegfalls bisheriger Aufgaben bei gleich bleibenden Kosten besteht, wird diese selbst zu einem Kooperationsproblem,[76] was anhand des Reformversuches der NATO-Führungsstrukturen in Kapitel 4.5.7. näher untersucht werden soll.

Wesentlich für den Institutionalismus ist, dass auch nach dem Wegfall der Bedrohungsperzeption „alter Art“ die NATO den Mitgliedsstaaten im kollektiven Rahmen Schutz und Sicherheit gegenüber einer diffusen Bedrohung leistet und damit weiterhin einen Kooperationsgewinn herausstellt.[77] Damit gibt die Theorie eine Antwort auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen der westlichen Welt gerade im Hinblick auf die terroristische Bedrohung. Sie bezieht sich aber nicht darauf, in welcher Intensität diese Sicherheitsgewährleistung ausgeübt wird. Vielmehr äußert sich der Realismus im Zeitalter einer neuen, nicht mit dem Kalten Krieg vergleichbaren asymmetrischen Bedrohungslage, die eine entsprechende Begründung zur Allianzbildung oder Beibehaltung ihres Status Quo erschwert.

Dies zeigt folgende Entwicklung: Die Transnationalisierung zentraler Sicherheitsbedrohungen hat zwar ansatzweise zu einer Supranationalisierung des Regierens in internationalen Sicherheitsorganisationen beigetragen und folgt damit einem institutionalistischen Grundgedanken. Doch in der Bereitstellung dafür notwendiger Ressourcen besteht eine geringe Bereitschaft der Akteure. Staaten zögern, ihre Streitkräfte bedingungslos an internationale Sicherheitsorganisationen abzutreten. Diese Ressourcen als Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols bleiben als Machtmittel auch in der postnationalen Konstellation beim Staat national gebunden.[78] Aus realistischer Sicht wird hier die Machtpolitik der Staaten deutlich. Sie schlägt sich nieder in dem Streben nach Autonomie und Einfluss. Staaten wollen autonom sein, um nicht daran gehindert zu werden, ihre Machtmittel so einzusetzen, wie es ihnen zur Sicherung ihrer Existenz und ihres Wohlergehens notwendig erscheint.[79]

Daraus sind drei Tendenzen zu beobachten, die eine Regression zurück zu nationalen Konstellationen aufweisen. Entspricht erstens ein politisches oder militärisches Engagement in seinem Ziel einer vergleichsweise geringen Erfolgsbilanz,[80] wie es aufgrund der Lageentwicklung der momentanen NATO-Mission in Afghanistan zu unterstellen ist, wird das Interesse zur Bereitstellung von Ressourcen verantwortlicher Mitgliedsstaaten weiterhin zögerlich bleiben. Damit verbunden ist zweitens die Selektivität nationalstaatlicher Interventionen und Mittelbereitstellungen, die einerseits in der Beurteilung der Legitimität eines Eingreifens abhängt und andererseits die Stimmung der national konstituierten Öffentlichkeit sowie die Interessen einflussreicher Staaten berücksichtigen muss. Drittens beeinflusst die Regressionstendenz eines erneut aufkeimenden eigenmächtigen Interventionismus der Großmächte ohne UN-Legitimation[81] auch das institutionalistische Gefüge des Nordatlantischen Bündnisses, wie es beispielsweise das unilaterale Vorgehen der USA im dritten Golf-Krieg gezeigt hat.[82]

In dieser Hinsicht wird die institutionalistische Sichtweise, dass staatliche Akteure in der Lage sind, den Zustand zwischenstaatlicher Anarchie im Rahmen einer Verteidigungsgemeinschaft zu überwinden, aus realistischer Perspektive deutlich in Frage gestellt.

Es ist festzuhalten, dass beide Theorien dazu beitragen, grundlegende Handlungsparadigma außer- und innerhalb von Sicherheitsinstitutionen wie der NATO zu erläutern. Die realistische Betrachtungsweise unterstützt vor allem die Erklärung nationalstaatlichen Verhaltens im Rahmen der Kooperation und Bedrohungslage. Die institutionalistische Perspektive erläutert hingegen eher die internen Prozesse zur Gewährleistung der externen Funktion von Sicherheitsinstitutionen. Beide theoretischen Zugänge weisen darüber hinaus auf Krisenfaktoren hin, die die Kohärenz jeweiliger Institutionen obstruieren können. Diese Faktoren werden im folgenden Abschnitt als unterstützendes Analyseraster für den empirischen Teil zusammengefasst.

2.4. Theoretische Indizien einer Krise und ihre Kriterien

Krisen weisen sich dadurch aus, dass sie in einer schwierigen Situation oder Zeitphase den Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellen und bei einer Nichtabwendung Individuen, Institutionen oder Staaten in ihrer Existenz bedrohen. Indizien einer Krise werden aus wirtschaftlicher Perspektive bereits in der Vorlaufphase („prodromal situation“) erfasst. Darin sind bereits die Kriterien einer Krise erfüllt, wenn ihre Entwicklung zu einer Zuspitzung führt, die nicht mehr oder nur schwer steuerbar ist, zu einem Vertrauensverlust von Entscheidungsträgern beiträgt und die reguläre Geschäfts- und Organisationstätigkeit beeinträchtigt.[83] Politische Krisen können als historische Momente definiert werden, in denen es zu signifikanten Differenzen zwischen den nationalen Identitäten der Staaten innerhalb der NATO kommt.[84] Solche Krisenmomente basieren auf einer Ursache, die anhand vorheriger theoretischer Erkenntnisse im jetzigen Schritt als Kriterien einer Krise erfasst werden können.

Die bisherigen theoretischen Erkenntnisse suggerieren, dass machtpolitische Annahmen des Realismus eine nach wie vor hohe Relevanz besitzen. Konflikte in Institutionen, aber auch außerhalb dieser, können infolge der Dominanz nationaler Interessen auftreten. Das zentrale Kernproblem ist somit: Nach realistischer Auffassung ist eine Kooperation zwischen nutzenmaximierenden und konkurrierenden Staaten stets instabil und darüber hinaus nur bei einer expliziten Bedrohungswahrnehmung möglich, in welcher Kooperation aufgrund einer Abhängigkeit ohnehin negativ bewertet wird.[85] Der Bedrohungsverlust nach dem Zusammenbruch der sowjetischen Hegemonie ist zwar nach einem Jahrzehnt u.a. durch den internationalen Terrorismus und einer neuen Gefahr von Massenvernichtungswaffen ersetzt worden. Das neue Bedrohungsparadigma hat auch thematischen Eingang in die NATO gefunden.[86] Daase bezeichnet diese Arten von Bedrohungen aber als Risiken, die im Gegensatz zur kalkulierbaren Bedrohung während des Ost-West-Konfliktes, heutzutage indirekt, unintendiert und ungewiss sind.[87] Das hat eine gewisse Diffusität des neuen Bedrohungsbildes zur Folge,[88] dessen ausgehende Gefahr von jedem Staat unterschiedlich perzepiert wird.[89] In der Frage der unterschiedlichen Perzeption von Risiken bzw. Bedrohungen durch die Allianzmitglieder liegt ein weiteres Kernproblem für die NATO. Viele Risiken in der internationalen Politik basieren zum einen auf Fehlentscheidungen, welche ihrerseits auf Fehlwahrnehmungen rückführbar sind.[90] Ausschlaggebend für ein Sicherheitsbündnis sind aber Daase und Feske zur Folge eine „internationale Risikokommunikation“, in der Verbündete sich diskursiv über Art und Ausmaß der Gefahr sowie angemessener Reaktionen auseinandersetzen.[91]

Hier steht die Bündniskohärenz im Fokus, die spätestens seit dem 11. September 2001 in eine Schieflage geraten ist. Das Problem des internationalen Terrorismus wird von den Vereinigten Staaten als weitaus gravierender wahrgenommen, als es auf der europäischen Seite der Fall ist. In Form einer hegemonialen Risikokommunikation versucht die USA Einfluss auf den sicherheitspolitischen Diskurs der europäischen NATO-Mitglieder zu nehmen. Hegemonial erscheint diese Kommunikation in der Interaktion zur Analyse, Bewertung und dem Management von Risiken, wenn ein Akteur, wie beispielsweise die USA, aufgrund seiner Machtressourcen den Kommunikationsprozess zur Durchsetzung eigener Interessen dominiert.[92] Diese Art der Kommunikation hat auf beiden Seiten des Atlantischen Bündnisses zu einer schwerwiegenden Dissonanz geführt, da die NATO als eigentliche sicherheitspolitische Kommunikationsplattform im US-dominierten „Krieg gegen den Terrorismus“ marginalisiert worden ist.[93]

Demnach hat die Allianz an Bedeutung eingebüßt, was Folgen für ihre weitere Entwicklung hat. Nimmt zudem die Hegemonialmacht nur noch einen geringen Kooperationsgewinn durch ihre Mitgliedschaft in der Allianz wahr, neigt sie zu einem Rückzug aus dieser oder bildet neue Allianzen. Die weitere Bündniskohäsion wird dadurch unterminiert, womit das Fehlen der Führungsmacht auch einen „ negativen spill-over Effekt “ auf das Engagement der verbliebenen Bündnismitglieder auslösen kann. Der Rückzug der Führungsmacht macht die gleichzeitige Garantie des Schutzversprechens obsolet und führt dann bei den im Bündnis verbliebenen Staaten, einem Selbsthilfe- und Überlebensprinzip folgend, zu einem Bruch von Kooperationsvereinbarungen.

Durch eine unterschiedlich wahrgenommene Bedrohung der Mitgliedsstaaten und der damit verbundenen Fragmentierung der Allianz, intensivieren sich aus institutionalistischer Sicht bereits bekannte wesentliche Kooperationsprobleme[94] und gefährden die Bündniskohäsion.

Negative Auswirkungen auf die Bündniskohäsion lassen sich bereits im Vorfeld feststellen. Ein wichtiges Indiz einer Beeinträchtigung der Bündniskohäsion liegt vor, wenn nationalstaatliche Interessen zentrifugale Wirkungen entfalten, die sich durch eine Verringerung oder Einstellung des Informationsflusses innerhalb der Institution äußern. Übertragen auf die NATO bedeutet dies, dass die innerhalb des Bündnisses festgelegten Konsultationsmechanismen nicht mehr oder nicht wesentlich frequentiert werden. Sie bilden aber in der NATO das Kernelement institutioneller Verregelung und werden bei einem veränderten Verhalten der Staaten in der Handhabung des Informationsflusses obstruiert.

Für die Sicherheitsinstitution selber stellt sich aus dem Bedeutungsverlust der klassischen Bedrohungslage und der nicht gleichwertigen Besetzung neuer Bedrohungsfelder die Frage, inwieweit sie ihrem einstigen Zweck noch für die Zukunft dienlich ist. Eine Beibehaltung alter Strukturen im Einklang mit tradierten Bedrohungsmustern und der Versuch, diese unmodifiziert auf neue Herausforderungen zu übertragen, lässt die Institution selbst zu einem Kooperationsproblem werden.

Die Annahme, dass nationale Interessen die NATO dominieren, birgt Folgen für den institutionalistischen Ansatz. Entgegen der institutionalistischen Annahme führen demnach feste Kooperationsordnungen mit klaren Rollen- und Statuszuweisungen keineswegs zu stabilen Beziehungen und zu Konfliktregelungen. Vielmehr kann dies auch Fundamentalopposition, Protest- und Blockadeverhalten motivieren. Infolge der nach 1990 entstandenen sicherheitspolitischen Komplexität entstehen zusammenfassend aus realistischer Sicht dichte Problemverknüpfungen (issue linkages), die im institutionalistischen Sektor eine Kooperation bisheriger Art gefährden. In diesem Fall liegt die Vermutung nahe, ob bei einem Anwachsen weiterer institutioneller Gremien[95] innerhalb der NATO solche issue linkages nicht folgendes Problem verstärken: Kommt es in einem Bereich zum Interessenkonflikt oder zur Dominanz nationaler Eigeninteressen, dann werden vielfältige Problemverknüpfungen immer weitere Konfliktanlässe schaffen und die Kooperation auch in den Bereichen hemmen, in denen alle Staaten weiterhin ein Interesse an ihr haben.[96]

Zusammenfassend suggeriert die theoretische Perspektive somit, dass die Situation der NATO nach dem Ende des Kalten Krieges deutliche Indizien einer Krise aufweist. Aus den gewonnenen Erkenntnissen dominiert in der Folgebetrachtung die Annahme, dass mit dem Wegfall der massiven militärischen Bedrohung des Ost-West-Konflikts und einem Zuwachs aktueller asymmetrischer Bedrohungen ein realistisch bedingtes Paradigma in den verschiedenen Ebenen der NATO und ihres Transformationsprozesses die weitere Kohärenz des Bündnisses beeinflusst. Den Mitgliedern der transatlantischen Wertegemeinschaft ist dabei die Tendenz zu unterstellen, dass sie ihre Interessen ohne allzu große Rücksichtnahme auf die Partner verfolgen. Diese Entwicklung lässt ferner die Vermutung zu, dass aus institutionalistischer Sicht Kooperationsprobleme innerhalb der Allianz zunehmen.

In der Zusammenführung beider Theorieerkenntnisse im Verhältnis zur Interessenpolitik der Mitglieder sind Kriterien gebildet worden, die in der Annahme einer Krise des NATO-Transformationsprozesses folgende Untersuchung von Prozessen, Entwicklungen, mitgliedsstaatlichen Handlungs- und Verhaltensmustern operativ begleiten sollen. Der Kriterienkatalog geht in seiner Umsetzung davon aus, dass die in ihm aufgeführten Punkte die nordatlantische Verteidigungsallianz in ihrem Transformationsprozess obstruieren und ferner in einer Gesamtsicht die Bündniskohäsion gefährden. Für die NATO in ihrem Interesse als Sicherheitsinstitution muss jedoch maßgeblich sein, dass sie ihre Aufgabe der Abschreckung und Verteidigung nur dann glaubhaft gewährleisten kann, wenn ihre innere Kohärenz hoch ist. Dies setzt ebenso voraus, dass die Verteidigungsallianz über differenzierte Entscheidungsverfahren verfügt, die seiner internen Machtstruktur ebenso wie der Risikoverteilung Rechnung tragen,[97] sowie in geeigneter Form der neuen Bedrohungslage mit geeigneten Mitteln entsprechen können.

[...]


[1] John J. Mearsheimer. Instability in Europe After the Cold War, in: International Security, Summer 1990 (Vol. 15) No. 1/1990, S. 5. (Hervorhebung durch den Autor).

[2] Francis Fukuyama. Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?, München, 1992, S. 3 ff.

[3] Die Begriffe NATO, Bündnis und Allianz werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[4] Siehe Anlage 1: Der Nordatlantikvertrag, Artikel 5, S. 133.

[5] Ivo Daalder.; James Goldgier. Global NATO, in: Foreign Affairs Vol. 85, No. 5/2006, S. 110.

[6] Helga Haftendorn. Das Atlantische Bündnis als Transmissionsriemen atlantischer Politik, in: APUZ 38-39/2005 a), S. 9.

[7] Henning Riecke. Transformation ohne Konsens? Eine Einführung, in: Henning Riecke (Hrsg.). Die Transformation der NATO. Die Zukunft der euro-atlantischen Sicherheitskooperation, Baden-Baden, 2007, S. 9.

[8] Günther Hauser. Die NATO. Die Grundlage des euro-atlantischen Sicherheitsverbundes, in: Erich Hochleitner (Hrsg.). Das europäische Sicherheitssystem zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Wien, 2000, S. 292.

[9] Klaus Wiesmann. Die vielleicht letzte Chance der NATO. Die Umsetzungen der Prager Gipfelentscheidungen, in: SWP-Studie S 21, Berlin, 2003, S. 5.

[10] Werner Weidenfeld. Rivalität der Partner. Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen. Die Chance eines Neubeginns, Gütersloh, 2006, S. 135.

[11] Johannes Varwick. NATO und EU. Partnerschaft oder Konkurrenz?, in: Henning Riecke (Hrsg.). Die Transformation der NATO. Die Zukunft der euro-atlantischen Sicherheitskooperation, Baden-Baden, 2007,S. 158.

[12] Der NATO-Gipfel in Riga fand vom 28.-29. November 2006 statt. Weitere Informationen und Ergebnisse über das Gipfeltreffen sind dokumentiert unter:

http://www.nato.int/docu/comm/2006/0611-riga/index.htm.

[13] So etwa der ehemalige US-Sicherheitsberater Brent Scowcroft in einem Interview mit Reymer Klüver und Christian Wernicke, in: Süddeutsche Zeitung, 19. Februar 2007, S. 7.

[14] Vgl. zum Thema Krisendefinition Punkt 2.4.; Pierre Lelouche. Welchen Weg nimmt die NATO?, in: NATO-Review, Nr. 4/2006. Dokumentiert unter: http://www.nato.int/docu/review/2006/issue4/german/art4.html. Vgl. auch: Helga Haftendorn. Das Atlantische Bündnis in der Anpassungskrise, in: SWP-Studie S5, Berlin, 2005 b); Johannes Varwick, Die transatlantischen Sicherheitsbeziehungen und das Verhältnis zwischen NATO und EU, in: Johannes Varwick (Hrsg.). Die Beziehungen zwischen NATO und EU, Partnerschaft, Konkurrenz, Rivalität?, Opladen, 2005, S. 15-25; Matthias Dembinski. Eine Zukunft für die NATO?, in: HSFK-Standpunkte 6/2005, Frankfurt/Main, 2005, S.2ff.

[15] „Als Experte wird angesprochen, wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Kontrolle oder Problemlösung oder wer über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt“, so Michael Meuser.; Ulrike Nagel. Experteninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion, in: Detlef Garz.; Klaus Greimer (Hrsg.). Qualitativ-empirische Sozialforschung. Konzepte, Methoden, Analysen, Opladen, 1991, S. 443.

[16] Zur Methodik offener Leitfadeninterviews: Vgl. Horst O. Mayer. Interview und schriftliche Befragung. Entwicklung, Durchführung, Auswertung, München, 2002.

[17] Die Reihenfolge der Fragen wurde dem Verlauf des Gesprächs angepasst und ist hier zur besseren Erläuterung thematisch gegliedert.

[18] Um neue Erkenntnisse zu erhalten und den Forschungsprozess weiter offen zu halten, wurden bei Bedarf spontane Nach- und Ergänzungsfragen gestellt.

[19] Erich Hochleitner (Hrsg.). Das europäische Sicherheitssystem zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Wien, 2000.; Martin Dahinden.; Andreas Wagner. Die NATO 50 Jahre nach ihrer Gründung – eine Allianz im Wandel, in: Center for Security Studies (Hrsg.). Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspolitik 1999, Zürich, 1999, S. 35 ff.

[20] So beispielsweise: Frances G. Burwell. Transatlantic Transformation. Building a NATO-EU Security Archictecture, Washington D.C, 2006.; Bernhard May.; May-Britt Stummbaum (Hrsg.). NATO versus EU. Security strategies for Europe, Berlin, 2005; Johannes Varwick. Die Beziehungen zwischen NATO und EU. Partnerschaft, Konkurrenz, Rivalität?, Opladen, 2005; Klaus Naumann. Streitkräfte des 21. Jahrhunderts. Die NATO und die Optionen der EU, in: Internationale Politik 59/1, S. 51-66.

[21] Vgl. Helga Haftendorn. Eine neue NATO?, in: SWP-Aktuell A 16, Berlin, 2004.; Klaus Wiesmann. Die vielleicht letzte Chance der NATO. Die Umsetzungen der Prager Gipfelentscheidungen, in: SWP-Studie S 21, Berlin, 2003.; Reinhard C. Meier-Walser (Hrsg.). Die Zukunft der NATO. Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen 34, München, 2002.

[22] Vgl. Matthias Dembinski. Eine Zukunft für die NATO?, in: HSFK-Standpunkte 6/2005, Frankfurt/Main, 2005. Helga Haftendorn. Das Atlantische Bündnis in der Anpassungskrise, in: SWP-Studie, S5, Berlin, 2005.; Hans Binnendijk.; Stuart Johnson. Transforming for Stabilization and Reconstruction Operations, Washington D.C, 2004.; Johannes Varwick (Hrsg.). Die Beziehungen zwischen NATO und EU, Partnerschaft, Konkurrenz, Rivalität?, Opladen, 2005.

[23] Reinhard C. Meier-Walser (Hrsg.). Die Transformation der NATO. Zukunftsrelevanz, Entwicklungsperspektiven und Reformstrategien, Akademie für Politik und Zeitgeschehen, Argumente und Materialien zum Zeitgeschehen Nr. 34, München, 2004. Henning Riecke (Hrsg.). Die Transformation der NATO. Die Zukunft der euro-atlantischen Sicherheitskooperation, Baden-Baden, 2007.

[24] Helga Haftendorn (Hrsg.). Theorie der Internationalen Politik. Gegenstand und Methode der Internationalen Beziehungen, Hamburg, 1975, S. 9.

[25] Bernhard Zangl.; Michael Zürn. Frieden und Krieg. Sicherheit in der nationalen und postnationalen Konstellation, Frankfurt/Main, 2003, S. 153.

[26] Karl R. Popper. Logik der Forschung, Tübingen, 1976, S. 31.

[27] Gottfried-Karl Kindermann. Internationale Politik in Theorie Analyse und Praxis, in: Gottfried-Karl Kindermann (Hrsg.). Grundelemente der Weltpolitik, München, 1991 a), S. 61.

[28] Helga Haftendorn. Die Sehnsucht nach der Kristallkugel. Über Leistungsfähigkeit und Versagen der Theorie der Internationalen Politik, in: Internationale Politik 08/1996, S. 3 ff.

[29] Werner Weidenfeld. Abschied von Metternich, in: Internationale Politik 12/1999, S. 1 f.

[30] John J. Mearsheimer. The Tragedy of Great Power Politics, New York, 2001, S. 360.

[31] Max Weber. Die „Objektivität“ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Max Weber. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. (Hrsg. von Johannes Winkelmann, 2. Auflage), Tübingen, 1951, S. 146 ff.

[32] Vgl. Alexander Siedschlag. Einführung – Internationale Politik als skeptische Gegenwartwissenschaft und die Münchener Schule des Neorealismus, in: Alexander Siedschlag (Hrsg.). Realistische Perspektiven internationaler Politik, Opladen, 2001, S. 32. Vgl. Helga Haftendorn. Sicherheitsinstitutionen in den internationalen Beziehungen. Eine Einführung, in: Helga Haftendorn.; Otto Keck (Hrsg.). Kooperation jenseits von Hegemonie und Bedrohung, Baden-Baden, 1997, S. 14.

[33] Wolfram Hilz. Europas verhindertes Führungstrio, Paderborn, 2005, S. 28.

Hilz weist in seiner Habilitation darauf hin, dass die grundlegendste Kritik an Theorien zum außenpolitischen Handeln und zu den internationalen Beziehungen gilt deren Behauptung eines regelmäßigen Verhaltens sozialer Akteure. Ohne diese Grundannahme bestimmter Regelmäßigkeiten im Verhalten der Beteiligten wäre eine Theorie der internationalen Beziehungen auch gar nicht denkbar. Andererseits ist anhand unzähliger Einzelbeispiele konträren Verhaltens leicht nachweisbar, dass Staaten bzw. deren Repräsentanten weder zwangsläufig rationale Nutzenmaximierer noch von den innenpolitischen Mehrheitsmeinungen determinierte Agenten sein müssen. Ein entscheidender Faktor scheint nicht zuletzt in der Bedeutung des Faktors Individuum und in der Singularität politischer Entscheidungen zu liegen.

[34] Erhard Forndran. Die Vereinigten Staaten und Europa. Erfahrungen und Perspektiven transatlantischer Beziehungen seit dem Ersten Weltkrieg, Baden-Baden, 1991, S. 303.

[35] So beschreitet beispielsweise die Münchener Schule des Neorealismus in der Teildisziplin der internationalen Beziehungen mit einer Konstellationsanalyse einen Weg, der verschiedene theoretische Erklärungsmuster im gewissen Maße integriert um Analyseergebnisse zu optimieren. Die Konstellationsanalyse untersucht die Außen- und internationale Politik anhand des Ausschnittes sozialer und politischer Beziehungsstrukturen. Damit liefert sie einen Bezugsrahmen, mittels dessen Konzepten und Hypothesen nicht nur aus dem Neorealismus, sondern auch aus der Politikfeldforschung der politischen Soziologie, der Konfliktforschung und der Entscheidungstheorie sowie aus dem Neoinstitutionalismus systematisch auf Probleme und Konfliktpotenziale in den Beziehungen zwischen Staaten bezogen werden können. Vgl. Reinhard C. Meier-Walser. Die wissenschaftliche Analyse Internationaler Politik, in: Akademie für Politik und Zeitgeschehen, Aktuelle Analysen Nr. 35, München, 2004, S. 14.; Gottfried-Karl Kindermann. Zur Methodik der Internationalen Konstellationsanalyse, in: Gottfried-Karl Kindermann (Hrsg.). Grundelemente der Weltpolitik, München, 1991 b), S. 106.; Siedschlag 2001, S. 40.

[36] Dieser Ansatz soll der heutigen Komplexität von internationalen Beziehungen gerecht werden. Vgl. Gunther Hellmann. Für eine problemorientierte Grundlagenforschung. Kritik und Perspektiven der Disziplin „Internationale Beziehungen“ in Deutschland, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, 1. Jg. (1994 ) 1, S. 84.; Vgl. auch Weidenfeld. 1999, S. 1.

[37] Der Autor ist sich in seiner theoretischen Multiperspektive zudem bewusst, dass beide rationalen Theorieansätze auf unterschiedlichen Menschenbildern und Handlungsmotiven basieren, deren positivistische und idealistische Grundstrukturen aus neo-institutionalistischer Sicht einem pessimistischen, ängstlichen und dominanten Menschenbild und Handlungsmotiv des Neorealismus entgegenstehen.

[38] Haftendorn 1997, S. 11.

[39] Stephan M. Walt. Why Alliances Endure or Collapse, in: Survival, Nr. 1/1997, S. 157.

[40] Sascha Thamm. Institutionelle Reaktion der NATO auf die Krisen des Bündnisses. Von der Gründung bis zum NATO-Doppelbeschluss, Osnabrück, 2002, S. 33.

[41] Judith Goldstein.; Robert Keohane. Ideas and Foreign Policy. An analytical framework, in: Judith Goldstein.; Robert Keohane (Hrsg.). Ideas and Foreign Policy. Beliefs, Institutions and political Change, London, 1993, S. 20.

[42] Thomas Risse-Kappen. Cooperation among Democracies. The European influence on U.S. Foreign Policy, Princeton, 1995, S. 33.

[43] Olaf Theiler. Der Wandel der NATO nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes, in: Helga Haftendorn.; Otto Keck (Hrsg.). Kooperation jenseits von Hegemonie und Bedrohung, Baden-Baden, 1997, S. 103.

[44] Die Realistische Schule lässt sich in zwei Stränge aufteilen. Die Grundlage bildet der vor allem von Hans J. Morgenthau vertretene klassische Realismus mit seinem Hauptwerk: Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik, Gütersloh, 1963. Darauf basierend entstand der auch als struktureller Realismus bezeichnete Neorealismus, der federführend von Kenneth N. Waltz in seinem Hauptwerk: Kenneth Waltz. Theory of International Politics, New York, 1979, entwickelt wurde. Der Unterschied beider Stränge liegt darin, dass nach Morgenthaus Annahme, Macht und Interesse das Verhalten der Staaten prägen. Vgl. Hans J. Morgenthau. Politics among Nations. The Struggle for Power and Peace, New York, 1973, S. 18 ff. Waltz sieht in der anarchischen Welt des internationalen Systems und den Machtpotentialen seiner Einheiten die wesentlichen Bedingungsfaktoren internationaler Politik. Vgl. Waltz 1979, S. 91 f.; sowie Meier-Walser 2004, S. 8-14 und Haftendorn 1997, S. 12.

[45] Die Machtverteilung unter den Akteuren ist im Neorealismus die wichtigste Variable zur Erklärung des Entstehungszeitpunktes und des institutionellen Designs.

[46] Stephen M. Walt. Alliance Formation and the Balance of World Power, in: International Security 9 (4) 1985, S. 3 ff.

[47] Walt 1997, S 157 ff.

[48] Otto Keck. Der neue Institutionalismus in der Theorie der internationalen Politik, in: Politische Vierteljahresschrift, Bd. 32 (1991), Nr. 4., S. 637.

[49] Haftendorn 1997, S. 14.

[50] Keck formuliert „ Kooperationsprobleme als Situationen, in denen ohne die Koordinierung des Handelns der beteiligten Akteure ein Zustand perpetuiert wird, der für alle oder mindestens einen der Beteiligten suboptimal ist, oder in denen ein Zustand herbeigeführt wird, in dem sich alle oder mindestens einer der Beteiligten gegenüber dem Status Quo verschlechtern und sich keiner verbessert. “ Neben dem Begriff Kooperationsproblem werden in der Literatur auch die Begriffe „ Probleme kollektiven Handelns “, „ problematische Handlungsinterdependenzen “ oder „ problematische soziale Situationen “ verwendet. Vgl. Otto Keck. Der Beitrag rationaler Theorieansätze zur Analyse von Sicherheitsinstitutionen, in: Helga Haftendorn.; Otto Keck (Hrsg.). Kooperation jenseits von Hegemonie und Bedrohung, Baden-Baden, 1997 a), S. 38. u. S. 43 f..

[51] Otto Keck. Sicherheitsinstitutionen im Wandel des internationalen Systems, in: Helga Haftendorn.; Otto Keck (Hrsg.). Kooperation jenseits von Hegemonie und Bedrohung, Baden-Baden, 1997, S. 257.

Keck 1997 b), S. 257.; Hauser 2000, S. 292.

[52] Theiler 1997, S. 108.

[53] Hasenclever, Andreas/Mayer, Peter/Rittberger, Volker, Interests, Power, Knowledge: The Study of

International Regimes, Mershon International Studies Review, 1996, Nr. 40, S. 196.

[54] Walt 1985, S. 3 ff.; Zangl; Zürn 2003, S. 47.

[55] John H. Herz. Weltpolitik im Atomzeitalter, Stuttgart, 1961, S. 131 ff.; Haftendorn 1997, S. 12.; Thamm 2002, S. 41.

[56] Wie am Beispiel der von den Vereinigten Staaten von Amerika forcierten Gründung der NATO ist hier aus realistischer Sicht auszumachen, dass eine Führungsmacht insofern bei einer Initiative maßgebend ist, als das sie über die Mittel verfügt, einen großen Teil der Kosten trägt und Instrumente zum Handeln dieser Institution zur Verfügung stellt. Aus institutionalistischer Sicht können Sicherheitsinstitutionen auch bei einer Relativierung der Macht- und Einflussmöglichkeiten der Führungsmacht fortbestehen. Vgl.Haftendorn 1997, S. 17.

[57] Keck 1997 b), S. 257.

[58] Mearsheimer 1990, S. 14. und S. 56. Vgl. auch: Stephen M. Walt. The Origns of Alliances, London, 1990, S. 44.

[59] Laut Walt seien ohne klare Bedrohung weder europäische Politiker noch amerikanische Steuerzahler bereit, die US-Militärpräsenz in Europa zu akzeptieren. Vgl. Fouzieh Melanie Alamir. Erklärungswert von Theorien internationaler Beziehungen. Sicherheitspolitische Perspektiven dargestellt am Beispiel des NATO-Wandels, in: Streitkräfteamt der Bundeswehr (Hrsg.). Reader für Sicherheitspolitik, Bonn, 2003, S. 77.

[60] Ibdid.

[61] Robert O. Keohane.; Joseph S. Nye. Introduction. The End of the Cold War in Europe, in: Robert O. Keohane.; Joseph S. Nye.; Stanley Hoffmann (eds.). After the Cold War. Institutions and State Strategies in Europe 1989-1991, Cambridge/Mass., 1993, S. 5 ff.

[62] Waltz schreibt dazu: „ A state (...) worries lest it becomes dependent on others through cooperative endeavors and exchanges of goods and services… States are heavily dependent, or closely interdependent, worry about securing that which they depend on… Like other organizations, states seek to control what they depend on or to lessen the extent of their dependency.” Vgl. Waltz, 1979, S. 106.

[63] Keck 1997 b), S. 262.

[64] Risse-Kappen 1995, S. 16.

[65] Keck 1997 b), S. 258.

[66] Risse-Kappen 1995, S. 16.

[67] Keck 1997 b), S. 265.

[68] Vgl. Anmerkung 50. Vgl. auch zu den Problemen kollektiven Handelns in der internationalen Politik: Arthur A. Stein. Coordination and Collaboration. Regimes in an Anarchic World, in: International Organization, Bd. 36 (1982), Nr. 2, S. 115-140.

[69] Zum Beispiel liegt die Gefahr darin, dass Staaten, die sich nicht im gewünschten Maße an NATO-Kriseneinsätzen beteiligen oder durch oftmalige unilaterale Vorgehensweisen auffallen, dann auch im Falle eines militärischen Angriffes unter dem Vorwurf des Trittbrettfahrerverhaltens oder einer möglichen Verwicklung, die Bündnissolidarität verweigert werden könnte.

[70] Gerade durch unilaterale Vorgehensweisen von Allianzmitgliedern, besteht ein Risiko, dass sich dies auch auf unbeteiligte Staaten und ihre Ressourcen auswirkt, da die jeweiligen nationalen Interessen nicht mehr in Einklang zu bringen sind. Im Rahmen der NATO gefährdet ein entrapment durch betroffene Mitglieder zudem die Kohäsion des Bündnisses.

[71] Der Vorwurf des Trittbrettfahrerverhaltens resultiert in einer Sicherheitsorganisation u.a. aus einer militärischen und finanziellen Nichtbeteiligung an den Aufgaben des Bündnisses bei gleichzeitiger Nutznießung seiner Vorteile.

[72] Theiler 1997, S. 110.

[73] Rainer Baumann.; Volker Rittberger.; Wolfgang Wagner. Macht und Machtpolitik.

Neorealistische Außenpolitiktheorie und Prognosen für die deutsche Außenpolitik nach der

Wiedervereinigung, in: Zeitschrift für Internationale Beziehungen, Jg. 6, Nr. 2, 1999, S. 256 ff.

[74] Theiler 1997, S. 111.

[75] Keck 1997 b), S. 255.

[76] Ibdid, S. 256.

[77] Ibdid, S. 260.

[78] Zangl;, Zürn 2003, S. 271.

[79] Baumann; Rittberger; Wagner 1999, S. 245 ff.

[80] Zangl;, Zürn 2003, S. 273.

[81] Ibdid, S. 274 f.

[82] Thomas Risse. Es gibt keine Alternative! USA und EU müssen ihre Beziehungen neu justieren, in: Internationale Politik 06/2003, S. 9-18.

[83] Steve Fink. Crisis Management. Planning for the Inevitable, New York, 1986, S.15.

[84] Thamm 2002, S. 60.

[85] Vgl. Anmerkung 62.

[86] „(…) Terrorism, increasingly global in scope and lethal in results, and the spread of weapons of mass destruction are likely to be the principal threats to the Alliance over the next 10 to 15 years”. Vgl. Comprehensive Political Guidance. Beschlossen auf dem NATO-Gipfel in Riga am 29. November 2006, Ziffer 2. (Hrsg. von NATO-Public Diplomacy Division), Brüssel, 2006.

[87] Christopher Daase. Internationale Risikopolitik, in: Christopher Daase.; Susanne Feske.; Ingo Peters (Hrsg.). Internationale Risikopolitik. Der Umgang mit neuen Gefahren in den internationalen Beziehungen, Baden-Baden, 2002 a), S. 15.

[88] So heißt es im Strategischen Konzept der NATO von 1999: „Die Entwicklungen der letzten Jahre waren im allgemeinen positiv, aber Unsicherheiten und Risiken, die sich zu akuten Krisen entwickeln können, bleiben bestehen. „ (...)Die Sicherheit des Bündnisses bleibt einem breiten Spektrum militärischer und nichtmilitärischer Risiken unterworfen, die aus vielen Richtungen kommen und oft schwer vorherzusagen sind. Zu diesen Risiken gehören Ungewissheit und Instabilität im und um den euro-atlantischen Raum sowie die mögliche Entstehung regionaler Krisen an der Peripherie des Bündnisses, die sich rasch entwickeln könnten. “ Vgl. NATO. Strategische Konzept von 1999, Ziffer 12 und 20. Beschlossen am 24. April 1999. Dokumentiert unter: http://www.nato.int/germany/docu/p99-065d.htm.

[89] Daase 2002 a), S. 27.; Peter Mayer.; Volker Rittberger.; Fariborz Zelli. Risse im Westen? Betrachtungen zum transatlantischen Verhältnis heute, in: Tübinger Arbeitspapiere zur Internationalen Politik und Friedensforschung Nr. 40, 2003, S. 15; Vgl. auch Risse 2003, S. 9 ff.

[90] Daase 2002 a), S. 19.

[91] Christopher Daase.; Susanne Fenske. Proliferation: Bedrohungsperzeption, Risikokommunikation und Theater Missile Defense in Nordostasien, in: Christopher Daase.; Susanne Feske.; Ingo Peters (Hrsg.). Internationale Risikopolitik. Der Umgang mit neuen Gefahren in den internationalen Beziehungen, Baden-Baden, 2002 b), S. 39.

[92] Ibdid.

[93] Hans J. Giessmann. Europäische Sicherheitspolitik am Scheideweg, in: Sicherheit und Frieden 2/2004, S. 70.

[94] Vgl. Kapitel 2.3., S. 24.

[95] Die Strukturveränderungen der internationalen Politik haben zur Gründung weiterer NATO-Gremien wie dem Euro-Atlantischen Kooperationsrat (EAPC), der NATO-Russland-Rat, Mediteran Dialoge (MD)der Partnerschaft für den Frieden (PfP) geführt.

[96] Siedschlag 2001, S. 60 f.

[97] Haftendorn 1997, S. 20.

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Die NATO in der Transformation
Untertitel
Befindet sich das Bündnis in der Krise?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaften)
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
136
Katalognummer
V115215
ISBN (eBook)
9783640161140
ISBN (Buch)
9783640161270
Dateigröße
983 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NATO, Transformation
Arbeit zitieren
Oliver Rolofs (Autor:in), 2007, Die NATO in der Transformation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115215

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