Die Schuldfrage in Max Frischs "Andorra" und Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entwicklung der Helden
2.1 Andri
2.2 Beckmann

3. Schuldzuweisungen
3.1 Präsentationsformen
3.2 Die andorranische Strategie
3.3 „Wir“ und „Sie“ oder der „Allround-Enttäuschte“

4. Die Schuld der Helden
4.1 Andri
4.2 Beckmann

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die literarische Verarbeitung der Schuldfrage wurde ab 1945 in der Nachkriegsliteratur häufig mit Gesellschaftskritik verbunden. Konkret fragte man nun nach den Schuldigen am und im Dritten Reich (vgl. Homann, URL).

Max Frisch zeigt an seinem Modell „Andorra“, wie eine solche Kollektivschuld möglich werden kann. Die Hauptfigur Andri wird auf Grund ihrer vermeintlich jüdischen Herkunft zum Sündenbock eines ganzen Staates.

Auch Wolfgang Borchert thematisiert in dem Drama „Draußen vor der Tür“ die Schuldfrage. Hier ist es der tragische Held Beckmann, der als Kriegsheimkehrer daran zu zerbrechen scheint.

In der vorliegenden Arbeit wird besonderes Augenmerk auf den Verlauf des Schicksals der Helden gelegt. Es soll aufgeklärt werden, ob die Schuld - wie es auf den ersten Blick scheint - allein der Gesellschaft zuzuweisen ist, oder ob die Helden in gewissem Maße eine Mitschuld an ihrem Untergang tragen.

Zunächst soll in Kapitel 2 die Entwicklung der Helden beschrieben werden, um festzustellen, welche äußeren Einflüsse ihre Identität, entsprechend ihr Verhalten, beeinflussen. Unter dem folgenden dritten Kapitel werden die Schuldzuweisungen, wie sie in den Dramen auftauchen, näher betrachtet. Kapitel 4 erörtert unter Berücksichtigung der vorhergehenden Kapitel die Frage nach der Schuld der Helden selbst. Abschließend werden Schuldzuweisungen, -abweisungen und –zugeständnisse in Bezug gebracht, gegeneinander abgewogen und auf ihre Relevanz für das Schicksal der Helden geprüft.

2. Die Entwicklung der Helden

2.1 Andri

Vorweg sei anzumerken, dass Frisch den Protagonisten des Dramas als „Durchschnittsmenschen“ konzipiert hat, der sich in seinem gesamten Wesen nicht von anderen Andorranern seines Alters abhebt oder unterscheidet (vgl. Meurer, S. 43). Seine Isolation ergibt sich vielmehr aus der von Vorurteilen bedingten Ausgrenzung durch die andorranische Gesellschaft. Meurer spricht vom „Fixierungsprozeß Andris“ (Meurer, S. 75).

Im ersten Bild, der Exposition, begegnet Andri dem Soldaten Peider und dem Tischler, deren Verhalten die feindliche Stimmung der Andorraner gegen Andri repräsentiert. Entgegen aller Vorurteile zeigt Andri anfangs, dass er nicht anders sein will, indem er zum Beispiel am Fußballspiel teilnehmen möchte (30). Auch die ihm nachgesagte Geldgier bestätigt er nicht, da er stetig sein Trinkgeld ins Orchestrion wirft (8, 12, 72, 96, 101). Die Andorraner unterstellen ihm Geilheit und Gemütslosigkeit, obwohl sich seine Liebe zu Barblin eher in Innigkeit und Keuschheit äußert. Ebenso wenig ist er ehrgeizig - zumal man dies überhaupt als negative Eigenschaft bezeichnen mag - er möchte nur gern ein schlichtes Handwerk lernen. (vgl. Eckart, 58)

Meurer bezeichnet Andris Werdegang als eine Passion in acht Stationen, die sich nicht ganz mit den szenischen „Bildern“ decken (vgl. Meurer, S. 44).

Wie schon erwähnt, trifft Andri auf den Soldaten Peider und erfährt Demütigungen Der Geselle entpuppt sich als falscher Freund, er leugnet einen Fehler auf Andris Kosten. Andri erfährt Ungerechtigkeit von Seiten des Tischlers, der ihm eine Berufsänderung erpresst und mit dem Vorurteil des geschäftstüchtigen Juden behaftet. Andris Vater obsagt ihm die Hand seiner Tochter. Diese Stelle ist entscheidend für die Entwicklung des Helden. Er erfährt scheinbaren Verrat auch innerhalb der Familie. Allein Barblin bleibt ihm, mit der er auszuwandern plant.

Andri sieht Peider aus Barblins Kammer treten. Hiermit vollendet sich seine Isolation, seine letzte menschliche Bindung ist zerstört.

Der isolierte Protagonist nimmt das „Bildnis“ des Juden als persönliche Identität an. Als ihm der Pater im neunten Bild die Wahrheit über seine Herkunft verrät, lehnt er ab.

Wie aufgezeigt, fallen im Verlauf des Dramas Änderungen an Andris Verhalten auf, die im Zusammenhang mit den Vorurteilen gegen ihn stehen. So scheinen seine Empfindlichkeit und das Grübeln tatsächlich erst durch die pausenlose Verfolgung seiner Person zu entstehen. Er selbst spricht von Angst (27, 34, 99), die auch durch die Ungewissheit über seine eigene Person entsteht. Wie ihn die Meinung der anderen fortlaufend beeinflusst, zeigt folgendes Beispiel: Obwohl er Geld wenig schätzte, beginnt er zu sparen und sein Geld zu zählen (52, 53). Er möchte damit aus dem verhassten Andorra auswandern. Hier bestätigt er den Andorranern zugleich ihr Bild vom geldgierigen und wurzellosen Juden. (vgl. Meurer, S.43ff)

Andri kann den Anschuldigungen nicht mehr trotzen und nimmt schließlich die Rolle des Juden an, „ich hab`s angenommen“ (86), äußert er gegenüber dem Pater. Dieser hatte ihn zuvor erlösen wollen (84), und ihn über seine eigentliche Herkunft aufgeklärt. Diese Nachricht nimmt Andri nicht ernst. Mit Annahme der Rolle „akzeptiert [er] den Irrtum und das Fehlverhalten anderer – und damit die tragischen Folgen dieses Fehlverhaltens für sein eigenes Schicksal“ (Knapp, S. 19). Frisch bezeichnet dieses Bild als die wichtigste Szene des Stückes, Knapp schreibt vom internen Wendepunkt, an dem „sein Schicksal als Märtyrer und kollektiver Sündenbock […] aus eigenem Entschluss [besiegelt ist]“ (Knapp, S. 22).

Nach langer Selbstanalyse kommt Andri zu der Folgerung: „[…] plötzlich bist du so, wie sie sagen. Das ist das Böse.“ (vgl. Pfützner, S. 29).

Zum Ende des Dramas hin wird der Held mutiger. Er prügelt sich mit dem Soldaten Peider, nimmt mutig sein Schicksal an (90f) und tritt mutig seinen Häschern entgegen (102) (vgl. Eckart, S. 59).

Es wird deutlich, dass die Entwicklung des Helden abhängig ist von dem Bildnis, welches die Andorraner von ihm, dem „Juden“, haben. Dass sie „durch ihr `Bildnis` Andris Selbstverwirklichung [verhindern]“ (Eckart, S. 61), schreibt Eckart zu Recht. Offen bleibt die Frage, ob oder inwiefern Andri eine Mitschuld an seinem Schicksal trägt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Schuldfrage in Max Frischs "Andorra" und Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür"
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Veranstaltung
Deutsche Dramen nach 1945
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V115143
ISBN (eBook)
9783640165889
ISBN (Buch)
9783640166237
Dateigröße
423 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schuldfrage, Frischs, Andorra, Wolfgang, Borcherts, Draußen, Deutsche, Dramen
Arbeit zitieren
Irena Kröber (Autor:in), 2007, Die Schuldfrage in Max Frischs "Andorra" und Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115143

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Schuldfrage in Max Frischs "Andorra" und Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden