Nachhaltigkeit für die Reichen - Entwicklungsstillstand für die Armen?


Hausarbeit, 2008

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Zwei Konzepte und ihre Bedeutung- Entwicklung und Nachhaltigkeit

3. Ökonomische Auswirkungen des Tourismus in Entwicklungsländern

4. Soziokulturelle Auswirkungen des Tourismus in Entwicklungsländern

5. Ökologische Auswirkungen des Tourismus in Entwicklungsländern

6. Beispiele nachhaltiger Reisen in Entwicklungsländern anhand von Projekten des Forum Anders Reisen e.V

7. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Problemstellung

„Alle Naturanlagen eines Geschöpfes sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmäßig auszuwickeln“[1]. Dieses Zitat von Kant spiegelt die Problematik der vorliegenden Arbeit wieder. In einer globalisierten Welt, die von ungemein schnellen Veränderungen beherrscht wird, werden die Weichen für die Zukunft von Staaten und Kontinenten, und somit auch für die darin lebenden Menschen neu gestellt. Existierten im Kalten Krieg lediglich die zwei Großmächte Russland und die Vereinigten Staaten, kommen jetzt neue wie China hinzu. Gerade dieses Land zieht momentan alle Blicke auf sich und zeigt gleichzeitig die Schwierigkeiten eines Landes, das sich einerseits wirtschaftlich stark entwickelt, jedoch die Menschenrechte und umweltpolitische Gesichtspunkte außer Acht lässt. Das Land befindet sich als Schwellenland zwischen den beiden Polen des so genannten Entwicklungslandes und Industrielandes. Die letzteren, bei denen vor allem die Tertiärisierung voranschreitet und Wissen eine zunehmend wichtigere Ressource darstellt, haben sich Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben. Diese scheinbar moderne Sichtweise beinhaltet häufig auch, anderen weniger entwickelten Ländern „vorzuschreiben“ wie sie sich denn entwickeln sollen. Schließen sich die beiden Konzepte Nachhaltigkeit und Entwicklung also aus? Oder anders formuliert: Wenn in den Industrieländern Nachhaltigkeit (z. B. im Tourismus) praktiziert wird, werden dann die Entwicklungsländer in ihrer Entwicklung gehemmt?

2. Zwei Konzepte und ihre Bedeutung- Entwicklung und Nachhaltigkeit

Der Entwicklungsbegriff lässt sich, wie jeder andere Begriff auch, auf verschiedenen Ebenen betrachten. Eine kontextbezogene Betrachtung ist unabdingbar, da bspw. unterschiedliche Bedeutungen zwischen einer wirtschaftlichen und einer biologischen Entwicklung bestehen. Nach Sachs ist Entwicklung sogar ein schwammiger Begriff, der sich nur schwerlich mit Inhalt füllen lässt. Zudem ist es ein normativer Begriff, da er einen zukünftigen zu erreichenden Zustand beschreibt. Insgesamt sind keine monokausalen Erklärungsmodelle in der Lage Entwicklung zu beschreiben, da auch von Kultur zu Kultur ein anderes Verständnis von Entwicklung herrscht.[2] Da der Entwicklungsbegriff selbst kontroverse Diskussionen auslöst und niemals endgültig korrekt definiert werden kann, dient das magische Fünfeck von Nohlen/Nuscheler in dieser Arbeit als Ausgangspunkt zur Erklärung bzw. Operationalisierung von Entwicklung.[3] Die Orientierung erfolgt also an verschiedenen Kriterien, die im weiteren Verlauf der Arbeit diskutiert werden, da sie trotz der Arbeit der beiden Autoren Interpretationsspielräume lassen und starke Interdependenzen zwischen ihnen bestehen:

1) Wachstum: Dieses Kriterium ist eine Bedingung von Entwicklung, zielt es doch darauf ab, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung in den Entwicklungsländern zu befriedigen.[4] Um das zu erreichen muss ein wirtschaftliches Wachstum erfolgen, also eine quantitative Vermehrung von Gütern und Dienstleistungen stattfinden.[5] Voraussetzung für Wachstum ist darüber hinaus die soziale Verträglichkeit, d. h. qualitative Bedingungen wie bspw. die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtsvermehrung durch eine gerechte Umverteilung und die Schaffung von Arbeitsplätzen sind sicherzustellen. Eine weitere Voraussetzung ist die Umweltverträglichkeit, wobei das Wachstum nicht zu lasten der natürlichen Lebensgrundlage gehen darf, da dies langfristig die Entwicklungsfähigkeit vernichtet.[6] Der Wachstumsbegriff enthält demnach die drei Säulen der Nachhaltigkeit.
2) Arbeit: Um diesen Punkt existieren zahlreiche Kontroversen. Er ist dennoch elementar, da ökonomische Effekte (Erhöhung der Kaufkraft) entstehen, gesellschaftliche und politische Wirkungen (Überwindung der Marginalität (Existenz am Rande der Gesellschaft, z.B. Elendsviertel) erzielt, ethische (Arbeit als Eigenwert) und anthropologische Werte (Selbstachtung und Selbstentfaltung) daraus resultieren. Dieser Punkt kann jedoch als weltweites Problem angesehen werden, da die menschliche Arbeitskraft (vor allem gering Qualifizierte) unter den technologiegetriebenen und rentabilitätsorientierten globalen Wettbewerbsbedingungen an Wert verliert.
3) Gleichheit/Gerechtigkeit: Dient als Gegengewicht gegenüber dem Kriterium des Wachstums, da somit Wachstum ohne Entwicklung verhindert werden kann. Dabei spielen nicht nur moralische Beweggründe für Gerechtigkeit, sondern auch wirtschaftliche und politische eine wichtige Rolle. Hohe Unterschiede in den Einkommen der Bevölkerung führen nicht unmittelbar zu höheren Spar- und Investitionsquoten und können zu Kapitalflucht führen.[7] Mit Ungerechtigkeit/Ungleichheit ist daher u.a. die ungleiche Verteilung von Ressourcen (Rohstoffe, Land und Einkommen, öffentliche Güter wie Bildung und Gesundheit) gemeint, da in Entwicklungsländern meist große politische Macht weniger Personen (Eliten) vorherrscht, die die breite Masse der Bevölkerung unterdrücken, so dass eine Entwicklung „von unten“ nicht stattfinden kann. Wirtschaftliche Ungleichheit ist nach Rawls nur dann akzeptabel bzw. auch gerecht, wenn auch Schwächere in der Gesellschaft davon profitieren.[8]
4) Partizipation: Um die bereits erwähnte basisdemokratische „Entwicklung von unten“ zu gewährleisten, wird gefordert, alle Bevölkerungsgruppen, vor allem aber die marginalisierten, an den materiellen und kulturellen Gütern einer Gesellschaft politisch mitwirken und sozial teilhaben zu lassen. Empowerment der von unteren Gesellschaftsschichten ist das Stichwort, um Herrschaftsstrukturen entgegenzuwirken und Marginalität zu verhindern. Dennoch ist Partizipation laut Knoke kein Allheilmittel, zumal die Basis häufig nicht aus Armutsgruppen besteht, so dass Empowerment am eigentlichen Zweck vorbeisteuert. Zudem wird hervorgebracht, dass ein schwacher Staat nicht allein durch Partizipation organisiert und entwickelt werden kann. Vielmehr ist ein demokratischer, steuerungs- und handlungsfähiger Staat gefragt.[9]
5) Unabhängigkeit/Eigenständigkeit: „Jeder Staat hat das souveräne und unveräußerliche Recht, sein Wirtschaftssystem sowie sein politisches, soziales und kulturelles System entsprechend dem Willen seines Volkes ohne Einmischung, Zwang und Drohung von außen zu wählen.“[10] Diese Definition scheint aufgrund der vernetzten Weltwirtschaft, dem Nord-Süd-Gefälle und der in Entwicklungsländern herrschenden Eliten besonders fragwürdig. Selbst in Industrieländern scheint dies nicht ohne Einschränkung zuzutreffen, da u.a. eine zunehmende Abhängigkeit von den ressourcenreichen Staaten der Erde besteht und zukünftig noch stärker zu erwarten ist. Außerdem scheint diese Definition auch in demokratischen Systemen nicht vollständig zuzutreffen, da immer ein Teil der Bevölkerung ihre eigene Lage als zwanghaft ansehen und ihre Interessen nicht vertreten werden. Eine Diskussion über demokratische Systeme erfolgt an dieser Stelle aber nicht. Unabhängigkeit soll in diesem Kontext vor allem darauf abzielen, das sich Staaten selbst- entwickeln (endogen) und nicht von außen (exogen) entwickelt werden. Die Forderung nach Unabhängigkeit setzt daher eine hohe Eigeninitiative der Bevölkerung voraus. Eine sinnvolle Entwicklung sollte zwischen Geberländern wie den Industriestaaten und den Nehmerländern wie den Entwicklungsländern eine geteilte Verantwortung beinhalten, die beide Parteien in die Pflicht nimmt.[11] Nyerere beschrieb dies schon 1976 eindringlich, da die Industrieländer einen ungleichen Tausch betreiben, als wollten sie Entwicklung und damit Konkurrenz auf dem Weltmarkt verhindern.[12]

3. Ökonomische Auswirkungen des Tourismus in Entwicklungsländern

Entscheidend für die Entwicklung eines Landes ist nicht, ob die Wirtschaft wächst, sondern wie sie wächst.[13] Das Problem bei der Betrachtung der ökonomischen Entwicklung eines Landes ist, dass sie meist isoliert von anderen Bereichen betrachtet wird. Nachhaltigkeit will genau dem entgegenwirken, indem ein umfassender Blick auf verschiedene Bereiche gelegt wird und diese miteinander verknüpft werden. Wirtschaftliche Nachhaltigkeit wird meist unterschätzt, wird doch mit Nachhaltigkeit primär Ökologie und Soziales verbunden. Dennoch steht die ökonomische Dimension auf einer Ebene mit den anderen, auch wenn sie des Öfteren als Nebenaspekt angesehen wird.[14]

Der Motor für den globalen ökonomischen Entwicklung ist das Bedürfnis nach Wachstum, d. h. neue Möglichkeiten auszuschöpfen, ebenso wie neue Märkte und Destinationen zu erschließen, kurz gesagt: die Notwendigkeit für nachhaltiges Wachstum und Rentabilität.[15] Das wirtschaftliche Wachstum einer Gesellschaft wächst also mit dem Ziel, der Befriedigung der materiellen Grundbedürfnisse und der Gewährung eines Mindestlebensstandards.[16] Wie in Punkt 2 bereits angedeutet, ist diese Befriedigung schwer zu definieren, da jedes Land andere Standards und jeder Mensch ein anderes Empfinden diesbezüglich hat.

[...]


[1] Kant (1784), S.18.

[2] Vgl. Haskamp (2002), S.20-22.

[3] Vgl. Nohlen/Nuscheler (1993), S. 64-66.

[4] Neben der Ernährung, dem Trinkwasser, der Unterkunft und der Kleidung, die den Kern- bzw. Existenzbedürfnissen zugeordnet werden können und im wesentlichen für alle Menschen gleich sind, existieren noch weitere kulturspezifische Grundbedürfnisse. Um diesem Anliegen gerecht zu werden, hat die u.a. die ILO qualitative Bedürfnisse wie Arbeit, gesunde Umwelt, politische Partizipation und Freiheit für alle Länder bzw. Menschen definiert. In erster Linie soll dadurch erreicht werden, dass sich die Fähigkeiten der Menschen in einem Land zukünftig entfalten (Nuscheler (2005), S. 230-232).

[5] Dazu zählt u.a. der Tourismus als Dienstleistungsbranche.

[6] Vgl. Nuscheler (2005), S. 234-235.

[7] Vgl. Nuscheler (2005), S.239.

[8] Vgl. a.a.O., S. 239

[9] Vgl. a.a.O., S.243.

[10] Vgl. a.a.O., S.244.

[11] Geber- und Nehmerländer können auch gegensätzlich zu dem oben Erläuterten sein, bspw.

werden Entwicklungsländer zu Geberländern, wenn Sie Produkte/Rohstoffe in Industrieländer

exportieren.

[12] Vgl. Nyerere, J. (1976).

[13] Vgl. Krol (1995), S. 90.

[14] Vgl. Mowforth/Munt (1998), S.111.

[15] Vgl. a.a.O., S.25.

[16] Vgl. Vorlaufer (2003), S.12.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Nachhaltigkeit für die Reichen - Entwicklungsstillstand für die Armen?
Hochschule
Universität Lüneburg
Veranstaltung
Internationales Masterfoum
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V115100
ISBN (eBook)
9783640165834
ISBN (Buch)
9783640166206
Dateigröße
417 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachhaltigkeit, Reichen, Entwicklungsstillstand, Armen, Internationales, Masterfoum
Arbeit zitieren
Stefan Ginter (Autor:in), 2008, Nachhaltigkeit für die Reichen - Entwicklungsstillstand für die Armen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115100

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