Biologismus in der Anthropologie des 19. Jahrhunderts


Seminararbeit, 2002

29 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


1. EINLEITUNG

1.1. Erkenntnisinteresse

Mit der wissenschaftlichen Kritik von Biologismus kam ich das erste Mal im Rahmen des Wahlfaches „Einführung in die Sozialpsychologie“ von Univ. Prof. Dr. Gerald Steinhardt in Berührung. Dadurch wurde mein Interesse an diesem Thema geweckt und als ich begann, darauf zu achten, entdeckte ich immer häufiger kaum verhohlene biologistische und deterministische Argumentationsweisen in den Medien und im Alltagsdiskurs. Besonders erschreckend erschien mir vor kurzem ein Beitrag in einem Boulevardmagazin im deutschen Privatfernsehen, in dem die Methoden der Physiognomik beschrieben und deren praktische Anwendung zur Beurteilung von Menschen angeregt wurden. Dass derartiges heute noch ernst genommen und so unreflektiert verbreitet wird, machte mich von neuem darauf aufmerksam, wie anfällig unsere Gesellschaft auch heute noch für so gefährliches „Gedankengut“ ist.

In mehreren Seminaren über Wissenschaftssoziologie bei Univ. Prof. Dr. Ulrike Felt wurde auch über die Gefahren der Wissenschaft und ihrer unreflektierten Rezeption gesprochen. Wie gefährlich als Wissenschaft verpackte Vorurteile in Wechselwirkung mit der Politik sein können, zeigt sich an zahllosen Beispielen - von Militär-Technologie bis zu Gesellschaftspolitik. Biologismus in seinen verschiedenen Formen war und ist meiner Meinung nach dafür ein besonders plakatives Beispiel, weil er Wissenschaftlichkeit vorgaukelt, um bestimmte politische und soziale Maßnahmen zu legitimieren.

1.2. Fragestellung und Arbeitsplan

In der vorliegenden Arbeit möchte ich versuchen, die (wissenschaftliche) Entwicklung biologistischer Erklärungsansätze in der Anthropologie des 19. Jahrhunderts nachzuvollziehen und damit die ideologischen Grundlagen dieser Denkweise aufzuzeigen. Dabei möchte ich besonders darauf eingehen, wie die Arbeiten biologistischer Wissenschaftler politisch als Waffen gegen Minderheiten verwendet wurden und so die Gefahren und die immanente Gewalt derartiger Ansätze offen legen. Durch die Bewusstwerdung der Argumentationsstrategien, der falschen Prämissen und verwandter Denkmuster soll die Sensibilität in Bezug auf biologische Determiniertheit geschärft werden und in einigen kurzen Beispielen auf aktuelle Fälle angewendet werden.

Die konkrete Frage, die ich daher in der vorliegenden Arbeit stellen möchte lautet: Wie kann biologistisches Denken politisch als Waffe eingesetzt werden?

2. Begriffsklärungen

2.1. Anthropologie

Die Anthropologie ist die Wissenschaft vom Menschen. Sie beschäftigt sich mit Ursprung, Entwicklung und Natur des Menschen und seiner Kultur. In Europa hat sich die Anthropologie eher in eine physische Richtung im Sinne einer vergleichenden Biologie oder einer paläontologischen Herangehensweise entwickelt. Die soziokulturelle Forschung bildet heute unter dem Titel Ethnologie eine eigene Richtung.

Zur Wissenschaft entwickelte sich die Anthropologie erst im 19. Jahrhundert als Folge des Kontaktes mit den sogenannten „Wilden“ und im Gegensatz dazu dem Aufkommen des Begriffs der „Kultur“.

2.2. Physiognomik

Äußere Merkmale von Menschen werden mit Charaktereigenschaften in Verbindung gebracht. Diese Methode stellte den Versuch dar, Vorurteilen eine wissenschaftliche Erscheinung zu geben. Die Physiognomik kam als Wissenschaft im 18. Jahrhundert auf.

Johann Caspar Lavater beschreibt 1772 die Physiognomik folgendermaßen:

„Physiognomik ist die Wissenschaft, den Charakter (nicht die zufälligen Schicksale) des Menschen im weitläufigsten Verstande aus seinem Aeußerlichen zu erkennen; Physiognomie im weitläufigen Verstande wäre also alles Aeußerliche an dem Körper des Menschen und den Bewegungen desselben, in sofern sich daraus etwas von dem Charakter des Menschen erkennen lässt.“1

2.3. Biologischer Determinismus

Der Biologische Determinismus läuft auf eine Aufstellung einer Rangordnung zwischen Gruppen nach angeborenen Merkmalen hinaus.

„Dieser behauptet, gemeinsame Verhaltensnormen und soziale und ökonomische Unterschiede zwischen Gruppen von Menschen – hauptsächlich zwischen Rassen, Klassen und Geschlechtern – ergäben sich aus ererbten, angeborenen Unterschieden, und die Gesellschaft sei in diesem Sinne ein genaues Spiegelbild der Biologie.“2

„Der biologische Determinismus ist damit eine reduktionistische Erklärung der menschlichen Existenz mit einer Kausalrichtung, die von Genen zu Individuen und von Individuen zur Menschheit verläuft.“3

2.4. Biologismus

Biologistische Erklärungsansätze führen menschliches Handeln und gesellschaftliche Entwicklungen unter Ausblendung aller anderen Aspekte primär auf biologische Kausalitäten zurück. Sie reduzieren den Menschen auf seine Biologie. Das ist letztlich genauso absurd, wie zu sagen, die Chemie wäre der zentrale Aspekt, der unser Handeln bestimmt, weil auch chemische Vorgänge in unserem Körper entscheidend sind. Etwas sehr Komplexes wird so auf willkürlich ausgewählte Einzelaspekte reduziert. Biologismus bedeutet die unreflektierte Übernahme von Naturgesetzen und Beobachtungen aus der Tierwelt auf menschliche Gesellschaften. Damit soll belegt werden, dass der Mensch biologisch determiniert wäre und nichts dagegen tun könne.

Angeborenen Verhaltensweisen sollen dadurch erkannt werden, dass analoge Verhaltensweisen im Tierreich gefunden werden. Doch die Sinnhaftigkeit dieser Vorgangsweise ist höchst zweifelhaft, denn man braucht nicht lange zu suchen, um für nahezu jede mögliche Verhaltensweise ein Tier zu finden, das sich ebenso benimmt. Denn warum soll der Mensch in einem bestimmten Aspekt ausgerechnet einem Wolf gleichen und in einem anderen einem Schaf?

Gesellschaftliche Veränderung kann es nach dieser Logik nur evolutionär, nicht revolutionär oder geschichtlich geben.

2.5. Vulgärdarwinismus oder Sozialdarwinismus

Der Vulgärdarwinismus entstand in den 1870er Jahren, nachdem 1871 Darwins Theorie über die Abstammung des Menschen vom Affen erschien. Die weitestgehend richtigen Theorie Darwins werden dabei auf etwas übertragen, für das sie nicht gemacht wurden.

Der Grundgedanke ist dabei, dass immer mehr Nachkommen erzeugt werden, als tatsächlich überleben können. Es wird in die Evolutionstheorie ein Existenzkampf jedes gegen jeden hineininterpretiert, ein ewiger Krieg, aus dem der jeweils Stärkste als Sieger hervorgeht. Das ist eine grob oberflächliche Betrachtung der Ideen Darwins. Denn die Evolutionstheorie besagt, dass in einem langsamen, kontinuierlichen Prozess der natürlichen Auslese diejenigen genetischen Merkmale, die die beste Anpassung an die jeweiligen Umweltbedingungen bieten, weitervererbt werden.4 Die Auslese spezifischer Merkmale wird im Vulgärdarwinismus also kurzerhand zur Auslese bestimmter Individuen (oder sogar ganzer Nationen) gemacht. Außerdem wird vieles mit diesem Konzept erklärt, das eigentlich soziale Ursachen hat, keine ererbten.

Damit können sowohl „Herrenrassenideologien“ als auch kulturelle und soziale Ungerechtigkeiten legitimiert werden. Schließlich sind die Reichen reich und die Mächtigen mächtig, weil sie sich im natürlichen Kampf ums Dasein diese Stellung ehrlich erstritten haben.

3. Biologismus in der Anthropologie des 19. Jahrhunderts

3.1. 18. Jahrhundert

3.1.1. Gesellschaftliche Voraussetzungen

Um die Wirkung der Naturwissenschaft auf das Rassendenken des 18. und 19. Jahrhunderts beurteilen zu können, muss man zunächst das gesellschaftliche Milieu dieser Zeit betrachten. Die politischen Führer und die Intellektuellen hatten keinen Zweifel an der Richtigkeit einer rassischen Rangordnung, bei der Indianer nach den Weißen und die Schwarzen nach allen anderen kamen. Dabei unterschieden sich die Vertreter der „harten“ und der „weichen“ Linie nicht durch Ihre Meinung über Gleichheit und Ungleichheit voneinander – die Ungleichheit wurde als unzweifelhaft hingenommen – sondern dadurch, dass die Vertreter der „harten“ Linie Institutionen wie die Sklaverei oder die Kolonisation durch diese Ungleichheit gerechtfertigt sahen und die Vertreter der „weichen“ Linie der Ansicht waren, dass das Recht eines Volkes auf Freiheit nicht von seinem Intelligenzzustand abhänge.

Es ist also klar, dass auf dem Boden dieses gesellschaftlichen Konsens auch die Wissenschaft kein revolutionär anderes Konzept verfolgte.

3.1.2. Monogenismus und Polygenismus

Im 18. Jahrhundert wurde eine hierarchische Ordnung von Rassen auf zweierlei Weise gerechtfertigt.

- Monogenismus: Diese „weichere“ Argumentationslinie vertrat die biblische Einheit aller Völker aufgrund des Schöpfungsaktes, also die Lehre von einer einheitlichen Abstammung aller Menschen. Die Menschenrassen seien das Ergebnis einer Degeneration einzelner Gruppen gegenüber dem Zustand der Vollkommenheit im Garten Eden. Diese Degenerationslehre war deshalb so bequem, weil man damals die Heilige Schrift nicht so einfach abtun konnte. Außerdem schien die Fruchtbarkeit aller Menschen untereinander ein eindeutiger Hinweis auf eine einzige Art zu sein.

- Polygenismus: Die Polygenie wird auch als „amerikanische Schule“ der Anthropologie bezeichnet. Diese „härtere“ Argumentationslinie tat die Heilige Schrift als Allegorie ab und war der Ansicht, dass die Menschenrassen als Nachkommen verschiedener „Adams“ gesonderte biologische Arten seien. Da sie also eine völlig andere Lebensform seien, so wurde gefolgert, bräuchten die Schwarzen auch nicht an der Gleichheit der Menschen teil zu haben.

3.2. 19. Jahrhundert – Vor Darwin

3.2.1. Louis Agassiz – Der Theoretiker des Polygenismus

Der große Schweizer Naturforscher Louis Agassiz (1807 – 1873) begründete seinen Ruf in Europa in erster Linie als Erforscher fossiler Fische. In der 40er Jahren des 19. Jahrhunderts wanderte er nach Amerika aus und wertete damit auch die amerikanische naturgeschichtliche Forschung auf. Er wurde Professor in Harvard, wo er das Museum für vergleichende Zoologie begründete und bis zu seinem Tod leitete.

Agassiz wurde der führende Sprecher der Polygenie in Amerika. Er hatte nie Zweifel an der Richtigkeit einer Rangordnung der Rassen, zählte sich jedoch zu den Gegnern der Sklaverei. Er war aber auch ein gläubiger Anhänger des Schöpfungsgedankens und wurde eigentlich zum einzigen bedeutenden wissenschaftlichen Gegner der Evolutionstheorie.

Agassiz entwickelte seine Polygenie im wesentlichen aus zwei Aspekten seiner eigenen Theorie:

1) Bei Untersuchungen der geographischen Verteilung von Tieren und Pflanzen entwickelte er eine Theorie über sogenannte „Zentren der Schöpfung“. Er war der Meinung, dass alle Arten an ihrem jeweiligen Platz geschaffen worden seien und im allgemeinen nicht weit von diesen Zentren abwanderten. Er neigte in Bezug auf die Menschheit dazu, verschiedene gesonderte Arten aufzuzählen, die an ihrem Ursprungsort geschaffen worden seien.

2) Agassiz stützte sich in der Bestimmung verschiedener Arten bisweilen auf winzige anatomische Unterschiede, die nach heutigem Wissen oft nur zufällige Mutationen innerhalb der selben Art waren.

Agassiz bestritt vehement, sich politisch zu engagieren, er berief sich auf rein wissenschaftliche Motive in der Entwicklung seiner Theorie. 5 Trotzdem spricht sich Agassiz für eine getrennte Gesellschaftspolitik für die verschiedenen „Rassen“ aus. Er meint, die Bildung müsse auf die jeweiligen angeborenen Fähigkeiten zugeschnitten werden; Schwarze müssten in „Handarbeit“, Weiße in „Kopfarbeit“ geschult werden. Und obwohl allen die Gleichheit vor dem Gesetz zu gewähren sei, solle man den Schwarzen die soziale Gleichheit versagen, damit die weiße Rasse nicht in Gefahr gerate und geschwächt werde.6 Denn die Schwarzen seien „träge, verspielt, sinnlich, nachahmend, unterwürfig, gutmütig, anpassungsfähig, von schwankendem Gemüt, treu, liebesbedürftig, in allem den anderen Rassen unähnlich, und können nur mit Kindern verglichen werden, die den Körperbau eines Erwachsenen erreicht und eine kindliche Seele bewahrt haben.7

3.2.2. Samuel George Morton – der Empiriker des Polygenismus

Morton, ein Patrizier aus Philadelphia mit doppeltem Arztexamen lieferte die „Fakten“, die der amerikanischen Schule der Polygenie weltweite Achtung eintrugen. Er begann seine Sammlung menschlicher Schädel in den zwanziger Jahren und verfügte bei seinem Tod im Jahre 1851 über mehr als tausend Schädel. Er wollte damit seine Hypothese überprüfen, dass eine hierarchische Ordnung der Rassen objektiv aufgrund der physischen Merkmale des Gehirns aufgestellt werden könne, besonders nach seiner Größe. Er interessierte sich dabei besonders für die amerikanischen Ureinwohner.

Morton war ein glühender Verfechter die Polygenie, nicht nur bei den Menschenrassen. So betrachtete er verschiedene Hunderassen als gesonderte Arten, weil er ihre unterschiedlichen Skelette bereits in ägyptischen Gräbern fand. Diese Gräber enthielten auch Schwarze und Kaukasier. Morton datierte die Strandung der Arche Noah am Berge Ararat auf 4179 Jahre vor seiner Zeit, und die ägyptischen Gräber auf gerade tausend Jahre danach – eindeutig nicht genug Zeit für Noahs Söhne, sich in Rassen auszudifferenzieren. Die menschlichen Rassen müssten daher von Anfang an getrennt gewesen sein.

Morton ging nun daran, eine Rangordnung mit „objektiver“ Begründung aufzustellen. Sein Ruf als Wissenschaftler fußte auf seiner Schädelsammlung und ihrer Rolle bei der Aufstellung einer Rassenhierarchie. Da die Hirnschale eines menschlichen Schädels ein getreues Abbild für das Maß des darunter liegendes Hirns abgibt, ging Morton daran, eine Rangfolge von Rassen nach der Durchschnittsgröße ihres Gehirns aufzustellen.

Morton ging davon aus, er habe einen angeborenen Intelligenzunterschied gemessen.8 Er zog nie eine andere Hypothese für die Unterschiedlichkeit des durchschnittlichen Schädelvolumens in Betracht, obwohl es zahlreiche Erklärungen für solche Messwerte gibt. Die einfachsten Faktoren, die sich unmittelbar auf das Schädelvolumen auswirken sind die Körpergröße9 und die Todesursache10.

Es stellt keine große Überraschung dar, dass auf seiner Skala Weiße ganz oben, Indianer in der Mitte und Schwarze ganz unter angesiedelt waren. Die gegebenen sozialen Verhältnisse schienen also eine getreues Abbild der biologischen Verdienste zu sein. Vertreter des Gleichheitsgedankens standen damit auf sehr dünnem Eis, denn sie stellten sich mit ihren Forderungen gegen die Natur selbst.

Stephen Jay Gould, der Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts die empirischen Untersuchungen vieler Vertreter biologistischer Erklärungsansätze neu aufrollte und dabei teils Täuschungen, teils Schlamperei vorfand, äußert sich über Mortons Arbeiten folgendermaßen:

„Um es kurz und grob zu sagen: Mortons Zusammenfassungen sind ein Mischmasch aus Pfusch und Mogelei, eindeutig vom Interesse an der Bestätigung vorgefasster Überzeugungen motiviert. Dennoch – und das ist der rätselhafte Aspekt des Falls – kann ich keine Anhaltspunkte für bewusste Täuschung finden; hätte Morton bewusst geschummelt, hätte er seine Daten nicht so unbekümmert veröffentlicht. [...] Die Allgegenwart unabsichtlichen Schummelns legt den allgemeinen Schluss nahe, dass die Wissenschaft in einem sozialen Kontext steht.“11 „Dennoch wurde Morton weiterhin als der Objektivierer seiner Zeit gefeiert, als der Mann, der die amerikanische Wissenschaft aus dem Sumpf unbestätigter Mutmaßungen retten werde.“12

Mortons Mogeleien lassen sich im allgemeinen in vier Kategorien einteilen:

- Morton bezog bestimmte Teilstichproben in seine Berechnungen ein oder schloss sie aus, je nachdem, was seinen Vorannahmen entgegenkam. In seinem ersten und bedeutendstem Werk

„Crania Americana“ (1839) schied Morton eigenmächtig bestimmte Extremwerte aus seiner Stichprobe aus, andere nicht. So errechnete er seinen hohen kaukasischen Durchschnitt dadurch, dass er die kleinschädeligen Hindus aus seiner Stichprobe entfernte. Andererseits behielt er die Inka-Peruaner, ebenfalls mir eher kleinen Schädeln, für die Stichprobe der Indianer bei, um den Durchschnitt zu drücken.

- Die Vergleiche zwischen den selben Messungen mit Senfkörnern und Schrotkugeln zeigen, dass, wenn es möglich war, die Ergebnisse in eine bestimmte Richtung zu verzerren, die Weißen am besten und die Schwarzen am schlechtesten abschnitten.
- Morton war überzeugt, dass das Volumen eines Schädels dessen angeborene Intelligenz wiederspiegelte.
- Alle Rechenfehler, Rundungen und Auslassungen wirken sich zu Gunsten des von Morton gewünschten Ergebnisses aus.

3.2.3. Die Haltung der Amerikanischen Schule zur Sklaverei

Trotzdem die Polygenie die Schwarzen als gesonderte Art identifizierte, nahm diese Argumentation nicht den ersten Platz in der Ideologie der Sklavenhaltung in Amerika um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Denn die Polygenie erkannte den biblischen Schöpfungsmythos des Stammvaters Adam als Ursprung aller Menschen nicht an. Für die meisten Südstaatler war das ein zu hoher Preis für die Legitimation der Sklaverei. Denn schließlich bot auch die Bibel eine Reihe von „Argumenten“ für die Beibehaltung der Sklaverei. Beispielsweise sprach man gerne von der Entartung der Schwarzen nach der Verfluchung Hams. Außerdem waren die Schwarzen auch nach der Monogenie nur eine minderwertige Abart der Menschen, also bot auch die „bibelfestere“ Erklärung Grund genug, sie zu versklaven.

Doch auch der Amerikanische Bürgerkrieg und die Veröffentlichung von Darwins „Vom Ursprung der Arten“ im Jahre 1859 standen kurz bevor. Die späteren Argumentationen zur Legitimation von Sklaverei , Kolonialismus und Rassenunterschieden sollten unter dem Banner dieser neuen Wissenschaft entwickelt werden.

[...]


1 Aus: Johann Caspar Lavater: Von der Physiognomik, Leipzig, 1772, aus: Spiegel online, http://projekt.gutenberg.de/lavater/physiogn/physiogn.htm (20. 12. 2002)

2 Aus: Gould, Stephen Jay: Der falsch vermessene Mensch, Frankfurt am Main, Suhrkamp Taschenbuch-Verlag, 1983 (3. Auflage 1999), S. 14

3 Aus: Lewontin, R., Rose, St., Kamin, L.J.: Die Politik des biologischen Determinismus, aus: Die Gene sind es nicht...Biologie, Ideologie und menschliche Natur, München-Weinheim 1988, S. 13

4 „survival of the fittest“ wird meist mit „Überleben der Stärkeren“ übersetzt, heißt aber eigentlich “Überleben der Angepasstesten“ (an die Umwelt).

5 Agassiz: „Wir haben hier nur mit der Frage des Ursprungs der Menschen zu tun; sollen die Politiker, sollen die, die sich berufen fühlen, die menschliche Gesellschaft zu regeln, sehen, was sie mit den Ergebnissen anfangen können...Wir bestreiten jedoch jede Verbindung zu irgendeiner Frage der Politik.“, i n: Gould: Der falsch vermessene Mensch, S. 42

6 Agassiz: „ Die soziale Gleichheit halte ich für undurchführbar für alle Zeit. Sie ist eine naturgegebene Unmöglichkeit, die sich eben aus dem Charakter der Negerrasse ergibt “, in: Gould: Der falsch vermessene Mensch, S. 45

7 In: Gould: Der falsch vermessene Mensch, S. 45

8 Er füllte zur Messung den Hirnschädel mit gesiebten weißen Senfkörnern, schüttete die Samen in einen Messzylinder um und las den Schädelinhalt in Kubikzoll ab. Später ersetzte er die Senfkörner durch Bleischrot, um ein objektiveres Ergebnis zu erzielen, denn die Bleikörner waren gleichmäßiger und ließen sich nicht zusammendrücken.

9 Größere Menschen haben auch größere Köpfe und größere Gehirne – ohne deshalb intelligenter zu sein. Die Körpergröße ist auch der entscheidende Grund, warum die Gehirne von Frauen als kleiner erachtet wurden.

10 Wenn der Tod nach langer Krankheit in hohem Alter eintritt, schrumpft das Gehirn. Bei Tod durch einen Unfall behält es seine Größe.

11 Aus: Gould: Der falsch vermessene Mensch, S. 54

12 Aus: Gould: Der falsch vermessene Mensch, S. 69

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Biologismus in der Anthropologie des 19. Jahrhunderts
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Gewalt in den internationalen Beziehungen
Note
1,00
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V115071
ISBN (eBook)
9783640169153
Dateigröße
670 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
19 Einträge im Literaturverzeichnis, davon 13 Internetquellen.
Schlagworte
Biologismus, Anthropologie, Jahrhunderts, Gewalt, Beziehungen
Arbeit zitieren
Mag. Andrea Schikowitz (Autor:in), 2002, Biologismus in der Anthropologie des 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115071

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Biologismus in der Anthropologie des 19. Jahrhunderts



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden