"Kleine, unspektakuläre Zellen" - vom Rasieren haariger Objekte

Eine qualitative Analyse des Feldes der Stammzellforschung


Diplomarbeit, 2006

152 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG
1.1 DANKSAGUNGEN
1.2 GESCHLECHTERSENSIBLE SCHREIBWEISE
1.3 ERKENNTNISINTERESSE UND FRAGESTELLUNG

2 KONZEPTUELLE UND THEORETISCHE RAHMEN
2.1 VERWISSENSCHAFTLICHUNG DER GESELLSCHAFT UND VERGESELLSCHAFTUNG DER WISSENSCHAFT
2.2 ÜBER STAMMZELLFORSCHUNG
2.2.1 Was sind Stammzellen?
Embryonale Stammzellen
Somatische Stammzellen
2.2.2 Wofür werden Stammzellen eingesetzt?
Einsatz in der Forschung
Krebstherapie
Regeneration von Gewebe
Herzinfarkttherapie
Tumorbehandlung
2.2.3 Gesetzliche Regelungen
Europäische Union
Österreich
2.2.4 Zusammenfassende Überlegungen
2.3 THEORETISCHE PERSPEKTIVE
2.3.1 Pierre Bourdieu – das wissenschaftliche Feld
Feld
Kapital
Habitus
Autonomie eines Feldes
Hierarchisierungsprinzipien
Die Besondere Bedeutung von sozialem Kapital im medizinischen Feld
2.3.2 Bruno Latour – Haarige Objekte
Das Höhlengleichnis – Spaltung von Gesellschaft und Natur
„Die“ Wissenschaft
„Die“ Natur
Haarige Objekte
Tatsachen und Werte
Eine neue Gewaltenteilung
Menschliche und nicht-menschliche Akteure
2.3.3 Zusammenfassende Überlegungen
2.4 EIN KOORDINATENSYSTEM FÜR DAS FELD DER STAMMZELLFORSCHUNG
2.4.1 Naturbegriff
Gegenüberstellung von Natur und Gesellschaft
Naturschutz
Natur im Labor
Kybernetisches Naturbild
DNA – Die einzig wahre Natur
Zusammenfassende Überlegungen
2.4.2 Menschenbild
Der Mensch als „animal rationale“
Biologischer Determinismus
Der Mensch ist frei
Menschenbild in der Gentechnik-Ära
Zusammenfassende Überlegungen
2.4.3 Risikobegriff
Wissensabhängigkeit von Modernisierungsrisiken
Soziale Anerkennung von Risiken
Umgang „der Öffentlichkeit“ mit Risiken
Vergesellschaftung der Natur
Subpolitik der Medizin
Zusammenfassende Überlegungen
2.4.4 Wissenschaftliches Selbstverständnis
Definitionen von Wissenschaft
Grundlagenforschung und angewandte Forschung
Wissenschaft und Öffentlichkeit
Hierarchien
Implizite Normen
Objektivität
Originalität und Innovation
Wissenschaftliche Praxis
Zusammenfassende Überlegungen

3 EINE QUALITATIVE ANALYSE DES FELDES DER STAMMZELLFORSCHUNG 99
3.1 METHODISCHE HERANGEHENSWEISE
3.1.1 Überlegungen zu qualitativen Methoden
3.1.2 Vorbereitung auf die Interviews
3.1.3 Der Leitfaden
3.1.4 Auswahl der Befragten
3.1.5 Feldzugang
3.1.6 Interviewführung
3.1.7 Auswertung mittels Systemanalyse
3.2 MECHANISMEN UND VORSTELLUNGEN IM FELD DER STAMMZELLFORSCHUNG
3.2.1 „Switching“ zwischen multiplen Menschenbildern
3.2.2 Der Körper als „Black Box“
3.2.3 Ignorieren kritischer Aspekte
3.2.4 Verteidigung der Autonomie
3.2.5 Forscherdrang und Fortschritt
3.2.6 Wahrnehmung der Öffentlichkeit und „Aufklärung“
3.2.7 Bilder von der Stammzelle als Objekt

4 RESUMÉE – LASST DEN STAMMZELLEN IHRE HAARE!

LEITFADEN

LITERATUR

1 Einleitung

1.1 Danksagungen

Mein besonderer Danke gilt meinen Freunden Doris Hämmerle, Petra Tallafuss, Andreas Rachlinger, Bernhard und Sabine Rathmayr, Anna Kantner und Christian Wetzlmair, die mir in ihrer Freizeit unentgeltlich bei der Auswertung der Interviews geholfen haben. Meinem Freund Christian danke ich darüber hinaus, dass er während der Zeit meiner Diplomarbeit für mich da war und mir immer geduldig zugehört hat. Ich danke auch meinen Eltern für ihre Unterstützung während meiner gesamten Ausbildung.

1.2 Geschlechtersensible Schreibweise

Es gibt gute Argumente für und auch gegen eine geschlechtersensible Schreibweise. Dafür spricht, dass Frauen nicht unsichtbar gemacht, sondern mitgedacht und explizit benannt werden sollen. Das meiner Meinung nach wichtigste Gegenargument ist, dass auch das Anhängen der weiblichen Endung nur eine Zwischenlösung ist, da es die Unterscheidung zwischen Frauen und Männern wieder in den Vordergrund rückt. Die beste Lösung wäre aus meiner Sicht, eine geschlechtsneutrale Form zu verwenden, wie beispielsweise

„Studierende“ statt „StudentInnen“ zu schreiben. Das ist aber leider nur bei wenigen Worten möglich und daher muss ich mich mit einer Kompromisslösung zufrieden geben. Da ich es trotz der Nachteile wichtig finde, Frauen sprachlich sichtbar zu machen, werde ich in meiner Diplomarbeit jene Schreibweise verwenden, in der die weibliche Endung mit großem „I“ angefügt wird. Dabei werde ich versuchen, den Lesefluss nicht unnötig zu stören.

1.3 Erkenntnisinteresse und Fragestellung

Um die Perspektive, aus der ich an meine Fragestellung herangehe, nachvollziehbar zu machen, werde ich meinen fachlichen Hintergrund kurz darstellen. Ich studiere seit dem WS 2000 Soziologie (geisteswissenschaftlicher Zweig) und Politikwissenschaft. Dabei habe ich am Institut für Wissenschaftsforschung einige Lehrveranstaltungen absolviert. Ausgehend von der Beschäftigung mit Biologismus hat sich ein starkes Interesse für biomedizinische Themen herausgebildet. Daher wollte ich mich auch in meiner

Diplomarbeit aus wissenssoziologischer Sichtweise mit Biotechnologie beschäftigen. Als Soziologin wollte ich dafür einen Bereich finden, der auch in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion relevant ist. Meine Entscheidung für die Stammzellforschung gründet auf persönlichem Interesse und der subjektiven Wahrnehmung, dass dieses Thema in den Medien und auch in der politischen Diskussion sehr präsent ist.

Beim Einlesen in das Thema der Stammzellforschung ist mir aufgefallen, dass selbst das Basiswissen über die Stammzelle und ihre genaue Funktionsweise sehr unsicher ist. Was sie im Körper genau auslöst, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Diese Wahrnehmung hat mein Interesse auf die Stammzelle als Objekt gelenkt. In Anlehnung an Bruno Latour sind solche wissenschaftlichen Objekte weder reine Naturobjekte, die unabhängig von menschlicher Einflussnahme bestehen, noch reine Konstrukte, die erst durch menschliche Konstruktionsarbeit entstanden sind und ohne diese nicht existieren würden. Sie entstehen in ihrer konkreten Form vielmehr durch das Zusammentreffen und die Kommunikation von Menschen und „Naturobjekten“, sie haben eine Geschichte. Sie sind laufender Veränderung unterworfen und wirken auch verändernd auf die sie umgebende Welt ein. Insofern sind sie eben keine starren Objekte mehr, sondern Nicht- menschliche Akteure oder Aktanten. Sie haben durch die Übersetzungsleistung des wissenschaftlichen Instrumentariums die Fähigkeit zu sprechen und durch ihre Wirkung auf die politische und soziale Welt die Fähigkeit zu handeln. In diesem Sinne entfalten sie eine politische Wirkung. Das macht sie zu „haarigen Objekten“ im Sinne Bruno Latours. Diese definieren sich dadurch, dass die Art und Weise ihrer „Produktion“, ihre Wechselwirkungen mit der sie umgebenden Welt und vor allem die Folgen, die sie nach sich ziehen, sichtbar sind und zu ihnen gehören. Wie sie „entstehen“, wie die Verhandlung aussieht, die sie in unsere gemeinsame Welt aufnimmt, bestimmt mit, wie sie auf diese Welt zurückwirken. Die Perspektive Latours scheint mit geeignet, die Bedeutung der Stammzelle als Objekt zu analysieren.

Die verschiedenen Bereiche, die sich mit diesem Objekt beschäftigen, sind sehr heterogen, bei vordergründiger Betrachtung haben sie wenig miteinander zu tun. Indem ich versuche, die strukturellen Gemeinsamkeiten dieser Bereiche herauszuarbeiten, möchte ich den verbindenden Einfluss des Objektes Stammzelle erfassen. Die Strukturen des Feldes der Stammzellforschung möchte ich mit den Begrifflichkeiten und Herangehensweisen von Pierre Bourdieu sichtbar machen. Sein Konzept mit den zentralen Begriffen Feld, Kapital und Habitus erscheint mir geeignet, um Strukturen, Handlungsweisen und Wechselwirkungen verschiedener AkteurInnen (dazu zähle ich nach Latour auch das Objekt Stammzelle) und Eigendynamiken und Mechanismen, die im Feld wirksam sind, zu analysieren.

Wegen des Zusammentreffens und der Durchmischung von Natur, Gesellschaft und Wissenschaft im Objekt Stammzelle und der Wirkungen und Folgen die es auslöst, habe ich die Analysekategorien Naturbegriff, Menschenbild, Risikobegriff und wissenschaftliches Selbstverständnis entwickelt. Ich denke, diese Kategorien sind geeignet, um gewissermaßen ein Koordinatensystem aufzuspannen, in dem das Feld der Stammzellforschung eingeordnet werden kann.

Ich habe mich mit naturwissenschaftlicher Einführungsliteratur zum Thema Stammzellforschung beschäftigt und (vor allem im Internet) zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und der Forschungslandschaft in Österreich recherchiert. Außerdem habe ich mir einen Überblick über die Medienberichterstattung verschafft, weil ich einen Einblick in den Umgang der Politik mit dem Thema bekommen wollte. Dann habe ich Interviews mit drei StammzellforscherInnen aus sehr unterschiedlichen Teilbereichen des Feldes geführt, um über die Innenperspektive die Strukturen und Prozesse des Feldes zu erfassen. Die Interviews habe ich mittels Systemanalyse nach Froschauer/Lueger ausgewertet, diese Methode ist geeignet, um auch latente Sinnstrukturen zu erfassen.

Mein Erkenntnisinteresse ist es also, implizite Strukturen und Mechanismen, die im Feld der Stammzellforschung wirksam sind, sichtbar zu machen. Ich möchte herausarbeiten, wie sich diese Strukturen in der konkreten Alltagswahrnehmung und im Handeln der Befragten ausdrücken. Ich möchte in diesem Zusammenhang auch der Frage nachgehen, wie diese Strukturen mit dem Objekt Stammzelle zusammenhängen und ob es sich dabei wirklich, wie ich a priori annehme, um ein „haariges Objekt“ nach Latour handelt und welche Bedeutungen das hätte.

Ich habe die klassische Teilung des Textes in Theorieteil und empirischen Teil gewählt, weil ich zuerst die Grundlagen darstellen möchte, aus denen ich meine Perspektive entwickle. Dann werde ich auf die Methoden eingehen, mit denen ich meiner Fragestellung nachgehen möchte. Abschließen werde ich die Arbeit mit der Darstellung der Ergebnisse meiner Analyse.

2 Konzeptuelle und theoretische Rahmen

In diesem Kapitel werde ich jene theoretischen Grundlagen vorstellen, die meine Herangehensweise an die Themen Stammzellforschung und Stammzelle als Objekt prägen.

Zuerst werde ich für meine Fragestellung relevante Grundsätze der Wissenschaftssoziologie zusammenfassen, die ja den groben analytischen Rahmen meiner Diplomarbeit bilden.

Im nächsten Teil fasse ich kurz die wissenschaftlichen Grundlagen der Stammzellforschung zusammen. Ich erhebe dabei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und Detailgetreue, was schon aufgrund der raschen Entwicklung und der Komplexität auf diesem Sektor kaum möglich ist. Aber ich bin sicher, dass die Informationen ihrer Tendenz nach genügen, um eine soziologische Analyse des Feldes vorzunehmen. Denn es geht mir in diesem Kapitel ja nicht um eine Aufarbeitung der wissenschaftlichen Details der Stammzellforschung, sondern darum, einen kurzen Überblick über die grundsätzlichen Ziele und Vorgangsweisen der Forschung zu geben. Außerdem soll eine Grundlage für das Verständnis der wissenschaftlichen Inhalte der Interviews sowie ein erstes Ausloten der Strukturen des Feldes und „seines“ Objektes geschaffen werden.

Dann werde ich jene beiden theoretischen Ansätze vorstellen, an denen sich einerseits meine Fragestellung und andererseits meine Perspektive auf das Feld entwickelt hat. Bourdieus Konzept des sozialen Feldes ermöglicht mir, die Strukturen dieses Feldes, die Stellung der Akteure darin und die Kräfte, die darin wirken, zu erfassen. Latour soll mir helfen, tiefer in das Feld einzutauchen und vor allem die Akteursstellung des Objektes Stammzelle herauszuarbeiten. Mit Latours Begriffsinstrumentarium lässt sich auch die subtile gegenseitige Instrumentalisierung von Wissenschaft und Politik sowie der Ausweg daraus zeigen. Dabei stellt Latour die Konzepte Natur und Gesellschaft in Frage.

Im darauf folgenden Kapitel gehe ich einzeln auf die Analysekategorien Naturbegriff, Menschenbild, wissenschaftliches Selbstverständnis und Risikobegriff ein, die einerseits meine Fragestellung vertiefen sollen und andererseits meinen Blick lenken, da sie auch die Grundlage für die Entwicklung meines Leitfadens für die Interviews darstellen.

2.1 Verwissenschaftlichung der Gesellschaft und Vergesellschaftung der Wissenschaft

In diesem Kapitel werde ich kurz auf Grundannahmen der Wissenschaftssoziologie eingehen, die für die Verortung meines Themas in diesem Bereich wichtig sind.

Die Wissenschaft ist ein einflussreicher Teilbereich moderner Gesellschaften, sie durchdringt heute beinahe jeden Aspekt unseres Lebens. Diese „Verwissenschaftlichung“ der Gesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass die Prinzipien und Methoden wissenschaftlichen Wissenserwerbes zunehmend in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen übernommen werden. Die Methode des Erkenntnisgewinns mittels Aufstellung von Hypothesen, deren systematische Überprüfung zu Falsifikation oder (vorläufiger) Verifikation führt, wird auch in der Wirtschaft, der Politik und den Medien angewendet. Außerdem dienen in öffentlichen und politischen Kontroversen WissenschaftlerInnen als Gewährsleute für das Gewicht und den Wahrheitsgehalt der getätigten Aussagen. Will man diese „Faktizität“ entkräften, geht das nur durch die Aufbietung von GegenexpertInnen.

Dadurch stellt sich die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion von Wissenschaft. Diese wird in der Öffentlichkeit zunehmend auch kritisch wahrgenommen und gerät immer mehr unter Legitimationsdruck. Diese „Vergesellschaftung“ der Wissenschaft meint die zunehmend enger werdende Kopplung und das teilweise Verschwimmen von Grenzen zwischen dem Wissenschaftssystem und den anderen Teilsystemen der Gesellschaft.

„Wissenschaftsfremde“ Kriterien wie die Sicherstellung von Ressourcen oder die Erzeugung von Legitimation durch Öffentlichkeitsarbeit gewinnen auch innerhalb der Wissenschaft an Bedeutung.

Die Verwissenschaftlichung der Gesellschaft und die Vergesellschaftung der Wissenschaft bedingen einander gegenseitig. Das macht sich auch in den Aussagen der interviewten StammzellforscherInnen bemerkbar, sie spüren vor allem den Legitimationsdruck, sind sich aber auch ihres Einflusses auf Politik und Gesellschaft bewusst. Zu verstehen, wie Wissenschaft arbeitet, welchen Einflüssen sie ausgesetzt ist und welche Auswirkungen sie nach sich zieht, wird immer wichtiger. Eine Reihe von Disziplinen haben die Wissenschaft selbst zu ihrem Untersuchungsgegenstand gemacht. Hier sind vor allem Wissenschaftsgeschichte1, Wissenschaftstheorie2, Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsforschung zu nennen.

Im Zentrum des Interesses der Wissenschaftsforschung stehen eine Vielzahl verschiedener sozialer Phänomene im Zusammenhang mit Wissenschaft und deren Einbettung in die Gesellschaft, die Gegenstand systematischer wissenschaftlicher Analyse wird. Um ihre Forschung auf eine breite, sozialwissenschaftlich fundierte Basis zu stellen, bedient sie sich eines interdisziplinären Zugangs. Sie strebt auch besonders an, „verwendbares“ Wissen zu produzieren.

„Es ist ihr ein besonders Anliegen, Wissen bereitzustellen, das zu einem besseren Verständnis von Wissenschaft in der Öffentlichkeit beiträgt, wissenschaftspolitische Entscheidungsprozesse anleitet oder zur Selbstreflexion [Hervorhebung von den AutorInnen selbst] einzelner Fachgebiete animiert.“3

Es können drei hauptsächliche Untersuchungsbereiche der Wissenschaftsforschung ausgemacht werden. Erstens die Frage nach den Wechselwirkungen von Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft, zweitens die Beschäftigung mit den gesellschaftlichen und kulturellen Bedingtheiten und Spezifika wissenschaftlicher Forschung und drittens die Analyse der sozialen Konstruktion wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Die beiden letzten Punkte sind auch für meine Diplomarbeit von Bedeutung und fallen mit den Interessensbereichen der Wissenschaftssoziologie zusammen. Die Wissenschaftssoziologie wendet sich den Praktiken der Wissenserzeugung zu. Sie beschäftigt sich vor allem mit der sozialen Organisation von Wissenschaft und mit der sozialen Konstruktion von wissenschaftlichem Wissen.

2.2 Über Stammzellforschung

Ich werde im folgenden einen kurzen Überblick über den Bereich der humanen Stammzellforschung geben. Ich werde darstellen, was Stammzellen sind, wofür sie in der Medizin eingesetzt werden und welche Anwendungsmöglichkeiten sich daraus möglicherweise in der Zukunft noch ergeben könnten. Außerdem werde ich die wichtigsten gesetzlichen Regelungen zur Stammzellforschung zusammenfassen. Dabei werde ich mich vor allem auf adulte oder somatische Stammzellen konzentrieren.

2.2.1 Was sind Stammzellen?

„Die Frage, was eine (somatische) Stammzelle genuin auszeichnet, ist bislang nicht geklärt. [...] Danach ist eine Stammzelle i.d.R. durch vier Kriterien charakterisiert:

1. Die Fähigkeit zur langfristigen Proliferation und Selbsterneuerung (self- renewal) 2. Die Tochterzellen sind in der Lage, sich in mehreren Zelltypen zu differenzieren 3. Die Möglichkeit, in Ruhephasen (G0-Phase, keine mitotische

Teilung) einzutreten 4. Die Fähigkeit, verletztes (und evtl. auch unverletztes) Gewebe zu erneuern.“4

In der Stellungnahme der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der Europäischen Kommission vom 14. November 2000 werden Stammzellen folgendermaßen definiert:

„Stammzellen sind teilungsfähige Zellen, die entweder identische Zellen oder Zellen eines oder mehrerer bestimmter differenzierter Typen bilden können. Stammzellen sind noch nicht vollständig differenziert und können somit ein oder mehrere Gewebe bilden“5

Stammzellen sind also ursprüngliche, noch nicht spezialisierte Zellen mit zwei besonderen Fähigkeiten: Sie können sich einerseits endlos teilen und neue Stammzellen bilden, andererseits können sie sich spezialisieren. Das heißt, sie können zu den verschiedenen Zelltypen (zum Beispiel Herz-, Muskel- oder Leberzellen) ausreifen und so die unterschiedlichsten Gewebe und Organe bilden. Sie sind also nicht dafür da, selbst eine bestimmte Funktion auszuführen, sie entwickeln sich nur zu den dafür zuständigen Zelltypen, den Somazellen (Körperzellen).

Je nach Differenzierungspotential werden drei Arten von Stammzellen unterschieden, progenitorische, multipotente und pluripotente Stammzellen. Progenitorische Stammzellen bilden nur einen einzigen Zelltyp. Multipotente Stammzellen können verschiedene Zelltypen, die zu einem Organ oder Gewebe gehören, bilden. Ein Beispiel dafür wären Hautstammzellen, die sich zu Epidermiszellen, Schweißdrüsen und Haarfollikeln entwickeln können. Pluripotente Stammzellen können sämtliche Zelltypen bilden.

Embryonale Stammzellen

Eine befruchtete Eizelle entwickelt sich durch Zellteilung innerhalb von vier Tagen zu einem Embryo von etwa 0,15 Millimeter Größe. Stammzellen aus sehr frühen Stadien des Embryos sind in ihrer Funktion noch in keiner Weise festgelegt. Aus ihnen kann praktisch jeder der rund 200 verschiedenen Zelltypen und somit jedes Gewebe des menschlichen Körpers hervorgehen, sie sind pluripotent.

Embryonale Stammzellen können zum Beispiel aus abgetriebenen Föten oder „überzähligen“ Embryonen aus Invitrofertilisation (IVF) „gewonnen“ werden. Eine andere Möglichkeit ist die Gewinnung durch therapeutisches Klonen. Der Begriff Klonen bezeichnet allgemein die künstliche Herstellung einer genetisch identischen Kopie eines Lebewesens durch Fortpflanzungstechnik. Beim therapeutischen Klonen werden aus den Körperzellen von Patienten Embryonen geklont, aus denen sich nach wenigen Tagen Embryonale Stammzellen gewinnen lassen. Dabei werden diese Embryonen zerstört. Wissenschaftler hoffen, aus diesen Stammzellen Gewebe für eine Transplantation erzeugen zu können, das vom Patienten nicht abgestoßen wird.6

Somatische Stammzellen7

„Das Wissen über die so genannten somatischen Stammzellen (griech. soma = Körper) hat sich seit dem Ende der 1990er Jahre rapid gewandelt und erweitert. Insbesondere die Untersuchungen zu Differenzierungs- und Transdifferenzierungsleistung somatischer Stammzellen haben bisher etablierte Konzepte revolutioniert.“8

Bis jetzt kennt man im menschlichen Körper über zwanzig verschiedene somatische Stammzelltypen. Man findet sie im Knochenmark, im Blut und in verschiedenen Organen wie zum Beispiel Knochen, Knorpel, Haut und Darm. Sie sind nicht mehr so flexibel wie embryonale Stammzellen, sondern entwickeln sich zu den Zelltypen „ihres“ jeweiligen Organs, in dem sie bereits vorspezialisiert wurden. Man bezeichnet sie als multipotent. Allerdings wurde in verschiedenen Versuchen gezeigt, dass die Differenzierungskapazität der meisten somatischen Stammzellen anscheinend erheblich höher ist, als ursprünglich angenommen.9

Bei der Transplantation von Erwachsenen-Stammzellen besteht ein gewisses Risiko, dass die Zellen Viren enthalten, die vom Spender auf den Empfänger übertragen werden können. Außerdem besteht die Möglichkeit einer Abstoßungsreaktion. Adulte Stammzellen können manchmal auch vom Patienten selber entnommen, behandelt und wieder zurück transplantiert werden. Das ist ein unbestreitbarer Vorteil, da es keine Abstoßungsreaktionen gibt.

Als relativ neue und vielseitige Quelle verschiedener Stammzellen gilt Nabelschnurblut. Diese Zellen sind zwar schon geringfügig geprägt, entsprechen aber noch am ehesten den embryonalen Stammzellen. Sie können das gesamte blutbildende System des Menschen neu aufbauen. Aber auch Stammzellen für Leber-, Knorpel-, Muskel-, Herzmuskel- und andere Gewebe wurden darin gefunden. Wenn diese Zellen in die jeweiligen Organe gelangen, können sie die entsprechenden Gewebe bilden. Stammzellen aus Nabelschnurblut sind flexibler als Erwachsenen-Stammzellen, sind noch frei von möglicherweise krankmachenden Viren und sind für die Immunabwehr des Empfängers nicht so leicht als fremd zu erkennen.

Das Blut aus der Nabelschnur kann nach der Geburt – unter Einhaltung bestimmter Regeln ohne Beeinträchtigung des Geburtsvorganges und ohne Risiko für Mutter und Kind – gewonnen werden. Nabelschnurblut wird mitunter auch bei Abtreibungen oder Frühgeburten entnommen. Mit dem Einverständnis der Eltern kann es anonym einer Blutbank zur Verfügung gestellt werden. Mittlerweile gibt es auch die Möglichkeit, das Nabelschnurblut als „Vorsorge“ für bestimmte spätere Krankheiten individuell von privaten Firmen lagern zu lassen. Diese Vorgangsweise wird jedoch von MedizinerInnen heftig kritisiert.10

2.2.2 Wofür werden Stammzellen eingesetzt?

Bereits seit über zwanzig Jahren werden in vitro Forschungen mit embryonalen Stammzellen der Maus durchgeführt. Ergebnisse aus Forschungen an somatischen Mäuse- Stammzellen deuten darauf hin, dass diese eine größere Wandlungsfähigkeit aufweisen, als bisher angenommen.

Menschliche Blutstammzellen werden routinemäßig Leukämiekranken oder Personen mit aplastischer Anämie infolge einer Chemotherapie transplantiert, damit die Produktion der Blutzellen aufgenommen werden kann.

Ende der siebziger Jahre wurde erstmals ein Kind nach in-vitro-Fertilisation geboren. Nun war es also möglich, menschliche Embryonen im Reagenzglas zu erzeugen und so die menschliche Embryogenese nach der Fertilisation zu erforschen. Seit 1998 besteht die Möglichkeit, embryonale und fetale pluripotente Stammzellen des Menschen zu gewinnen und zu kultivieren.

1999 ergab die Forschung an erwachsenen Stammzellen, dass ihre Plastizität weitaus höher ist, als bislang angenommen. Ein wichtiges Ziel der Forschung ist es seit dem, die Entwicklung von menschlichen Stammzellen mittels „Wachstumsfaktoren“ zu steuern.

Ich werde nun einige Einsatzgebiete für somatische Stammzellen aufzeigen. Dabei wird deutlich, wie vielfältig und heterogen dieser Bereich ist.

Einsatz in der Forschung

Es lassen sich durch die Kultivierung menschlicher Stammzellen Erkenntnisse über Grundlagen der Entwicklungsbiologie gewinnen, die sich nicht unmittelbar am menschlichen Embryo oder am Tiermodell untersuchen lassen.

Mithilfe von Stammzellen kann man transgene Tiermodelle menschlicher Krankheiten herstellen, indem in embryonale Stammzellen von Mäusen mutierte menschliche Gene eingebracht werden.

„Ein großer Teil der Forschungsarbeiten an ES-Zellen von Mäusen ist auf die Schaffung transgener Tiere gerichtet, die insbesondere als Krankheitsmodelle zur Erforschung humangenetischer Störungen dienen.“11

Es können spezifische differenzierte Zelllinien kultiviert werden, die zur Verwendung in pharmakologischen Studien und toxikologischen Versuchen dienen. Potentielle Medikamente können also durch die Reaktionen von Populationen bestimmter Zellen in ihrer Nützlichkeit für die Anwendung in der Humanmedizin eingeschätzt werden.

Krebstherapie

Der Haupteinsatzbereich für Stammzellen ist in der Medizin sicherlich die Knochenmarktransplantation bei der Therapie von Leukämie und anderen bösartigen Erkrankungen des blutbildenden Organs. Sie ist seit langem Standardbehandlung.

Das Knochenmark ist ungefähr ab dem vierten Embryonalmonat das wichtigste blutbildende Organ des Menschen. Es füllt beim Neugeborenen die Hohlräume aller Knochen, beim Erwachsenen kommt es nur noch in manchen Knochen vor. Es enthält hämatopoietische Stammzellen, Blutbildungszellen, die sämtliche Zellen des Blutes neu bilden. Diese wurden früher durch Knochenmarksspenden gewonnen. Mittlerweile wurden sie fast völlig durch die für den Spender risikoärmere und einfachere Methode der peripheren Blutstammzellspende abgelöst. Durch medikamentöse Stimulation kann das Knochenmark zur vermehrten Produktion angeregt werden, in einem Kreislauf werden die Stammzellen dem Blut abgeführt. So können ohne schwerwiegenden Eingriff Blutstammzellen gewonnen werden.

Regeneration von Gewebe

Ein Ziel der Forschung ist es, bei verletzten, erkrankten oder vorzeitig abgenützten Geweben oder Organen Stammzellen zu transplantieren. Geschädigte Organe, zum Beispiel auch durch Verbrennungen geschädigte Haut, sollen durch außerhalb des Körpers gezüchtete, passende Zellen repariert oder ersetzt werden.12 Derzeit ist aber noch unklar, welche Faktoren Stammzellen dazu veranlassen, sich in eine bestimmte Richtung zu spezialisieren.

Doch diese Methoden sind nicht unumstritten. Man weiß noch sehr wenig über das Entwicklungsverhalten von Stammzellen. Diese können das Wachstum von Tumoren anregen.

„Werden Stammzellen vor einer Transplantation längere Zeit im Labor gezüchtet, können sie im Körper des Empfängers Tumoren bilden. Das gilt nicht nur wie bisher angenommen für embryonale, sondern auch für adulte Stammzellen, schreibt das Bild der Wissenschaft [Hervorhebung von den Autoren selbst]. 13

Stammzelltherapien bei der Behandlung von Rückenmarksverletzungen können unkontrolliertes Wachstum von Schmerzfasern auslösen. Dies ergab eine Studie14, welche der am Karolinska Institut in Stockholm (Schweden) arbeitende Österreicher Christoph Hofstetter am 13.02.2005 veröffentlichte.

„Die Mechanismen, auf welche Weise transplantierte Stammzellen die Heilung der Verletzungen verbessern, sind dagegen wenig erforscht. Auch mögliche Nebenwirkungen von Transplantationen sind laut dem Forscher unzureichend bekannt. " Trotzdem werden schon heute in Ländern wie China und Russland, unter unkontrollierten Bedingungen, verschiedene Zelltransplantate am Menschen erprobt", bemängelte der Wissenschaftler.“15

Aber es gibt auch Erfolge. Ärzte am Wiener AKH haben die weltweit erste Stammzellentherapie gegen Raucherbein entwickelt. Mit Hilfe von körpereigenen Stammzellen wird die Durchblutung des Beines wiederhergestellt, das Gewebe erholt sich und die Patienten können ihr Bein behalten. Vom Erfolg der Studie waren die Mediziner selbst überrascht. Neun der zwölf getesteten Patienten konnten ihr Bein behalten, bereits nach wenigen Wochen hatten sie keine Schmerzen mehr. Nach drei bis vier Monaten waren die Geschwüre an den Beinen verschwunden und die Patienten konnten wieder gehen.

„Was in dem kranken Bein vor sich geht, nachdem die Stammzellen injiziert wurden, wissen die Mediziner selbst nicht genau. "Es ist eine wunderbare Sache", so der Stammzellspezialist Markus Dettke vom AKH in Wien. "Wir wissen nicht genau wie und warum, aber es funktioniert. Die Stammzellen werden zu einer Art Vorläufer von Gefäßen. Wir nehmen an, dass in dem kranken Bein Botenstoffe gebildet werden, welche die Stammzellen dazu anregen, sich festzukrallen und zu neuen Gefäßen auszudifferenzieren."“16

Herzinfarkttherapie

Unabhängig von ihrem Potenzial können sich aus Stammzellen, die in das Herz eingebracht werden, entsprechend den vom umliegenden Gewebe ausgehenden Signalen nur entweder Herzmuskel-Zellen oder neue Gefäße entwickeln. Für die Therapie wird Knochenmark aus dem Beckenkamm des Herzinfarkt-Patienten entnommen. Dann werden die Stammzellen gereinigt und per Katheter in die Infarkt-Arterie am Herzen injiziert.

Die erhoffte Bildung von Herzmuskel-Zellen konnte nicht bestätigt werden.17 Was genau aus den zugeführten Stammzellen wird, ist noch unklar.

„Die Bedeutung der Therapie durch Stammzellen nach Herzinfarkten ist unter Mediziner umstritten. US-Forscher sehen in einer aktuellen Studie keine Anzeichen dafür, dass sie sich zu den gewünschten Muskelzellen entwickeln können. Macht nichts, kontern nun heimische Fachleute: Für Patienten gebe es dennoch entscheidende Vorteile.“18

Laut Alfred Kocher19 von der Universitätsklinik für Chirurgie am AKH Wien gehe es einer Reihe von Patienten, die nach Herzinfarkten mit Stammzellen behandelt wurden, deutlich besser. Entscheidend dafür sei die Bildung neuer Blutgefäße gewesen.

„Für die Patienten ändere sich dadurch "nicht besonders viel". Jene Patientin, die Ende 2001 als erste am AKH Wien mit einer Stammzelltherapie behandelt worden war, gehe es nach wie vor gut - allerdings sei nur eine sehr "moderate Verbesserung" ihres Gesundheitszustandes zu notieren. Sechs von acht am Institut für Kardiologie des AKH mit der Stammzelltherapie behandelten Patienten gehe es hingegen "signifikant besser", so Kocher.“20

Tumorbehandlung

Eine Stammzelltherapie könnte in einigen Jahren die Chancen von Patienten mit inoperablen Hirntumoren drastisch verbessern. Blut bildende Stammzellen sollen dabei Wirksubstanzen zu den Tumoren bringen.

„Künftige Therapien müssten dem ausgeprägten Bewegungsdrang der Glioblastom-Zellen Rechnung tragen, betont der Tübinger Wissenschaftler Wolfgang Wick. Die Zellen wandern aus ihrem Ursprungsherd entlang von Adern oder Nervenbahnen in andere Hirnregionen. Mehrere Studien haben nun gezeigt, dass sich embryonale Stammzellen, aber auch so genannte adulte Stammzellen aus dem Knochenmark ähnlich verhalten. Wick spricht von "auffälligen Parallelen".“21

Der Wissenschafter will nun testen, ob sich die Stammzellen mit bestimmten Substanzen beladen lassen, die den Krebs zerstören. Allerdings ist es bis zu einer Therapie noch ein weiter Weg. Mit Versuchen am Menschen ist frühestens in einigen Jahren zu rechnen.

2.2.3 Gesetzliche Regelungen

Europäische Union

Weder auf der Ebene der Vereinten Nationen (UNO / UNESCO) noch auf gesamteuropäischer Ebene (Europarat / Europäische Union) existieren direkte Regelungen zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen. Jedoch gibt es auf beiden Ebenen einschlägige Stellungnahmen sowie Regulierungsbemühungen in Bezug auf die Anwendung von Klontechniken im Humanbereich, die mittelbar auch für die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen relevant sind. Auf der Ebene der Europäischen Union sind ferner die im Zusammenhang mit dem Sechsten Forschungsrahmenprogramm stehenden Regelungen in Bezug auf eine gemeinschaftliche Förderung der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen von Bedeutung.22

Zur Wahrung der „Ethischen Grundprinzipien“ in der Forschung wurden auf europäischer Ebene mehrere Regelungen getroffen. Darunter fallen zum Beispiel das am 12. Jänner 1998 in Paris unterzeichnete Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen und die allgemeine Erklärung der UNESCO über das menschliche Genom und die Menschenrechte. Ebenso die einschlägigen Resolutionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Protokoll von Amsterdam über den Tierschutz sowie geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften und ethische Leitlinien der Länder, in denen die Forschungstätigkeiten durchgeführt werden.

Mit der Biomedizin-Konvention23 hat der Europarat seit 1997 eine Verordnung, welche in Art. 18 die Zeugung von menschlichen Embryonen für Forschungszwecke ausdrücklich verbietet.

Artikel 18

(1) Die Rechtsordnung hat einen angemessenen Schutz des Embryos zu gewährleisten, sofern sie Forschung an Embryonen in vitro zuläßt.
(2) Die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken ist verboten.

Das Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen verbietet in Artikel 1 (1) "jede Intervention, die darauf abzielt, ein menschliches Lebewesen ('human being') zu erzeugen, das mit einem anderen lebenden oder toten menschlichen Lebewesen genetisch identisch ist".

Ob dabei ein durch therapeutisches Klonen entstandener Embryo als „human being“ zu fassen ist, ist aber umstritten. Daher enthält diese Regelung keinen eindeutigen Hinweis darauf, wie das therapeutische Klonen zu handhaben ist.

Unter Berücksichtigung der obigen Einschränkungen sind die Staaten frei, Gesetze zu erlassen, die den Schutzbereich gegenüber der Bioethik-Konvention ausweiten. Somit wird den Unterzeichnerstaaten neben verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der Konvention sehr viel Spielraum gelassen. Die Bioethik-Konvention wurde denn auch von verschiedenen Seiten kritisiert und aus diesem Grund von der Bundesrepublik Deutschland und von Österreich bislang nicht unterzeichnet und ratifiziert. Kritisiert wird vor allem die Verwendung unklarer und nicht definierter Begriffe, die „Schlupflöcher“ öffnen könnten. In den Staaten Dänemark, Griechenland, San Marino, Slowakei, Slowenien und Spanien ist das Abkommen bereits wirksam. Es wurde von insgesamt 22 Ländern unterzeichnet.

Prinzipiell tendieren die internationalen Regelungen dazu, „heikle“ Fragen den einzelnen Staaten zu überlassen. Lediglich über das Verbot des reproduktiven Klonens herrscht Einigkeit.

Übersicht gesetzlicher Regelungen zur Stammzellenforschung in Europa: Stand 21.06.2005:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Großbritannien, Belgien und Schweden reichen die Rechte zur Stammzellenforschung am weitesten, diese Länder erlauben therapeutisches Klonen. WissenschaftlerInnen dürfen dort Embryonen rein zu Forschungszwecken herstellen. In den Niederlanden, Dänemark, Finnland, Spanien, Griechenland und Frankreich dürfen Stammzellen aus Embryonen gewonnen werden, die bei einer künstlichen Befruchtung übrig geblieben sind. In Estland, Ungarn, Lettland und Slowenien gibt es bisher keine speziellen Gesetze zur Forschung an embryonalen Stammzellen. Diese vier EU-Länder lassen aber einzelne Forschungsprojekte mit überzähligen Embryonen aus künstlichen Befruchtungsverfahren zu. Deutschland und Italien haben Regelungen getroffen, die Stammzellenforschung nur sehr begrenzt erlaubt. So darf nur an speziellen, importierten Stammzellen geforscht werden. Im Fall von Deutschland müssen diese Stammzellen vor Januar 2002 gewonnen worden sein. In Österreich, Litauen und Polen verbieten Gesetze die Forschung mit embryonalen Stammzellen.

Österreich

In Österreich wird der Bereich Klonen und Stammzellenforschung durch das Fortpflanzungsmedizingesetz von 1992 geregelt. § 9 schließt die Herstellung von Embryonen „zu anderen Zwecken als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft“ aus. Zuwiderhandeln wird als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafen oder Ersatzfreiheitsstrafen geahndet.

§ 9. (1) Entwicklungsfähige Zellen dürfen nicht für andere Zwecke als für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden. Sie dürfen nur insoweit untersucht und behandelt werden, als dies nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung zur Herbeiführung einer

Schwangerschaft erforderlich ist. Gleiches gilt für Samen oder Eizellen, die für medizinisch unterstützte Fortpflanzungen verwendet werden sollen.

Diese Bestimmung wird so ausgelegt, dass sowohl die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen als auch die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen und Stammzell-Linien verboten ist. Diese Auslegung wird insofern kritisiert, als Regelungslücken in Bezug auf embryonale Stammzellforschung in Österreich vorhanden sind. Es gibt keine Bestimmung über den Umgang mit embryonalen Stammzellen, die in zulässiger Weise, also zum Beispiel außerhalb Österreichs, hergestellt wurden. Der Begriff „entwicklungsfähige Zellen“ bezieht sich außerdem lediglich auf totipotente24 Zellen, nicht aber auf pluripotente embryonale Stammzellen. Die österreichische Rechtslage enthält auch keine Importbeschränkungen für pluripotente embryonale Stammzellen. In Bezug auf diese Fragen besteht also rechtspolitischer Klärungsbedarf.

2.2.4 Zusammenfassende Überlegungen

An dieser Zusammenfassung der wissenschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der Stammzellforschung sieht man einerseits, wie stark das Feld ausdifferenziert ist, wie viele Forschungsziele und Anwendungsmöglichkeiten es gibt und wie rasch die Forschung voranschreitet. Andererseits wird auch deutlich, wie wenig gesichert und festgeschrieben das dabei produzierte Wissen ist. Der Erkenntnisstand entwickelt sich nicht nur ständig weiter, es werden auch frühere Erkenntnisse immer wieder verworfen oder revidiert. Das hat auch Auswirkungen auf die politische Normierung mittels Rechtssprechung. Die vielfältigen ethischen und sozialen Implikationen, die sich an das Thema knüpfen, machen eine Regelung schwierig. Darum ist das Thema Stammzellforschung auch eines, das in immer mehr Ländern an nationale Ethikkommissionen weitergereicht wird. Diese fällen zwar keine Entscheidungen, verleihen aber durch ihre Expertise politischen Entscheiden eine starke Legitimität.

2.3 Theoretische Perspektive

Im folgenden Kapitel werde ich jene Ansätze vorstellen, an denen sich meine wissenschaftssoziologische Sichtweise orientiert. Diese Ansätze bilden auch die Grundlage für jene Kategorien, mit deren Hilfe ich die Struktur des Feldes der Stammzellforschung herausarbeiten möchte.

Ich werde Pierre Bourdieus Konzept des wissenschaftliches Feldes verwenden, um den Bereich der Stammzellforschung, die Stellung der Akteure darin und sein Außenverhältnis zu beschreiben. In diesem Ansatz werden aber die „Objekte“ als materielle und handelnde Entitäten kaum berücksichtigt. Darum ziehe ich auch Bruno Latours theoretische Perspektive heran. Der Frage, inwieweit der Stammzelle als Objekt politische Bedeutung innewohnt, sowie die Bedeutung der Stammzelle als Aktant, werde ich anhand Latours Analysen über Assoziationen menschlicher und nicht-menschlicher Akteure herausarbeiten.

2.3.1 Pierre Bourdieu – das wissenschaftliche Feld

Der französische Soziologe Pierre Bourdieu analysiert das Wissenschaftssystem25 als einen von vielen relativ autonomen Teilbereichen der Gesellschaft.

„Das wissenschaftliche Feld ist eine soziale Welt, und als solche stellt sie Anforderungen, übt sie Zwänge aus, die allerdings einigermaßen unabhängig sind von den Zwängen der sie umgebenden sozialen Welt.“26

Diese Sichtweise soll mir helfen, die Strukturen des Feldes der Stammzellforschung zu erfassen. Das Feld stellt ein Subsystem der sozialen Welt dar, das sich wiederum weiter ausdifferenziert. Es gibt latente Normen, eine eigene Feld-Logik und natürlich „Torwächter“, die die Grenzen zu anderen Feldern bewachen. Ich werde im folgenden die wichtigsten Grundbegriffe – Feld, Kapital und Habitus - beschreiben. Danach werde ich auf die spezifischen Merkmale des wissenschaftlichen Feldes eingehen, wobei ich den Schwerpunkt auf den Bereich der Medizin legen werde. Das soll mir helfen, das Feld der Stammzellforschung in Wien zu verstehen.

Feld

Die verschieden Teilbereiche einer Gesellschaft, wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Kunst, die durch eine relative Autonomie gekennzeichnet sind, werden von Bourdieu als Kraftfelder beschrieben, die nebeneinander bestehen und sich gegenseitig beeinflussen, stören und überschneiden können.27 Jedes dieser Felder hat eine bestimmte Struktur, die veränderlich ist und sich aus der ständigen Wechselwirkung der darin agierenden Akteure ergibt.28 Diese Wechselwirkungen können verschiedene Formen annehmen, von Aushandlungsprozessen bis zu Kämpfen.

Im wissenschaftlichen Feld ist also auch jede „rein wissenschaftliche“ Entscheidung, wie die Wahl eines Forschungsthemas oder die Verwendung bestimmter Materialien, schon eine quasi politische Strategie, die darauf abzielt, die eigene Stellung im wissenschaftlichen Feld zu verbessern. Diese Strategien müssen aber nicht immer bewusst sein. Auch bei meinen Befragten konnte ich feststellen, dass sie (bewusst oder unbewusst) bestimmte Karriere-Strategien anwenden, um ihre Stellung im Feld zu verbessern. Manchmal wurde das sogar expliziert formuliert. Die Chancen eines einzelnen Akteurs, die Kräfte eines Feldes nach seinen Wünschen nutzen zu können, hängen davon ab, über welches Kapital er verfügt. Allerdings ist es beinahe unmöglich, ein Feld oder seine Struktur zu manipulieren.29

Kapital

Innerhalb der Felder sind bestimmte Kapitalformen wirksam, welche die Kräfteverhältnisse der einzelnen Akteure bestimmen. Die Struktur der Verteilung des Kapitals legt die Struktur des jeweiligen Feldes fest. Bourdieu unterscheidet ökonomisches, soziales und symbolisches Kapital. Diese können bis zu einem gewissen Grad untereinander getauscht werden, allerdings nicht immer zu den gleichen „Wechselkursen“. Zum Beispiel ist in manchen Bereichen des wissenschaftlichen Feldes soziales Kapital mehr wert als symbolisches oder umgekehrt. Darauf werde ich später noch genauer eingehen.

Das wissenschaftliche Kapital ist eine besondere Form symbolischen Kapitals und beruht auf Anerkennung, die von der wissenschaftlichen Community gewährt wird. Es legt fest, welche Forschungsgegenstände gerade von Bedeutung sind oder was als überholt gilt.30

„Dieses Kapital ganz besonderer Art beruht nicht zuletzt auf der Anerkennung einer sachlichen Befähigung, der Erkenntnisse, die sie hervorbringt, aber auch einer durch sie verliehenen Autorität, die dazu beiträgt, nicht nur die Regeln des Spieles festzulegen, sondern auch die Regelmäßigkeiten des Spiels, die Gesetze etwa, nach denen die Spielgewinne verteilt werden, Gesetze, die bestimmen, welche Forschungsgegenstände von Bedeutung sind, die darüber entscheiden, ob etwas als außergewöhnlich oder überholt gilt.“31

Habitus

Der Habitus ist die unbewusste Art, wie wir uns in den verschiedenen Feldern bewegen. Er wird implizit, durch Sozialisation, vermittelt und bezeichnet gewissermaßen das Gespür, das wir für gewisse Situationen haben.32 Der fachspezifische Habitus eines wissenschaftlichen Feldes wird durch wissenschaftliche Praxis unbewusst eingeübt. Er richtet sich nach bestimmten Regeln, die allerdings implizit sind. Sie fallen nur auf, wenn jemand dagegen verstößt, was dann gefühlsmäßig als „unpassend“ oder „fehl am Platz“ wahrgenommen wird.33 Diesen fachspezifischen Habitus – im Falle der vorliegenden Arbeit mittels Systemanalyse narrativer Interviews - explizit zu machen hilft auch dabei, die Regeln aufzudecken, die das Verhalten im Feld bestimmen. Sie zeigen, was dort überhaupt möglich ist, was als Handlungsoption in Frage kommt. Davon hängt es zum Beispiel ab, welche Forschungsfragen als relevant angesehen werden, wie die WissenschaftlerInnen mit anderen gesellschaftlichen Akteuren wie den Medien, der Politik oder der Öffentlichkeit umgehen oder wie sie sich PatientInnen gegenüber verhalten. Autonomie eines Feldes Bourdieu sieht als Hinweis auf die Autonomie eines Feldes seine Brechungsstärke. Das ist die Fähigkeit eines Feldes, äußere Zwänge oder Anforderungen zu brechen, also in eine dem Feld spezifische Form zu bringen.34 Umgekehrt ist ein Feld um so weniger autonom, je direkter dort äußere Fragestellungen, zum Beispiel politische, zum Ausdruck kommen und ernst genommen werden.35

„Je autonomer umgekehrt ein Feld ist, je näher also an einem reinen und vollständigen Wettbewerb, desto eher ist dort die Zensur eine rein wissenschaftliche, die rein gesellschaftliche Eingriffe (amtliche Verfügungen, sanktionierte Karrieren usw.) ausschließt. Soziale Zwänge nehmen hier immer mehr die Form logischer Zwänge an und umgekehrt: um sich Geltung zu verschaffen, muss man Gründe geltend machen, um den Sieg davonzutragen, müssen Beweise und Gegenbeweise triumphieren.“36

Die Frage nach der Autonomie eines wissenschaftlichen Feldes wird angesichts der Entwicklungen in Richtung einer „Vergesellschaftung der Wissenschaft“ immer wichtiger. WissenschaftlerInnen, insbesondere im universitären Bereich, kommen zunehmend in die Lage, rechtfertigen zu müssen, wofür sie das Geld einsetzen, das sie von der öffentlichen Hand beziehen und welchen Nutzen wer von den Ergebnissen der Forschung zu erwarten hat. Das empfinden auch die StammzellforscherInnen, die ich befragt habe, sehr stark.

Hierarchisierungsprinzipien

Das universitäre Feld ist nach zwei gegensätzlichen Hierarchisierungsprinzipien organisiert. Auf der einen Seite steht die soziale Hierarchie entsprechend ererbtem Kapital und aktuellem Besitz von politischem und ökonomischem Kapital. Auf der anderen die kulturelle Hierarchie, die sich nach wissenschaftlichem Kapital beziehungsweise intellektueller Prominenz richtet.

Dieser Gegensatz ist den Strukturen des universitären Feldes eingelagert, das somit zum Ort wird, and dem zwei konkurrierende Legitimationsprinzipien aufeinanderprallen. Auf der einen Seite ein genuin „weltliches“ und politisches Prinzip, das sich in der Stellung innerhalb wissenschaftlicher Institutionen zeigt.37 Seine TrägerInnen verfügen über Macht über Produktionsmittel und Reproduktionsmittel. Sie haben also Einfluss auf Verträge, Gelder und Karrieren. Dieses Prinzip setzt sich um so vollständiger durch, je höher man sich auf der eigentlich „weltlichen“ Hierarchie bewegt, die aufsteigend von den naturwissenschaftlichen Fakultäten zu Jura und Medizin führt.

Auf der anderen Seite steht ein auf der Autonomie der wissenschaftlichen und intellektuellen Ordnung begründetes Prinzip, das sich umgekehrt von Jura oder Medizin bis zu den Naturwissenschaften immer nachdrücklicher geltend macht. Dieses persönliche 37 „eine institutionelle und institutionalisierte Macht, die verknüpft ist mit der Besetzung herausgehobener Stellen in wissenschaftlichen Institutionen, mit der Leitung von Forschungseinrichtungen und Abteilungen, der Mitgliedschaft in Kommissionen, mit Gutachtertätigkeiten“, aus: Bourdieu, 1998, S. 31

Prestige38 ist in allen Feldern ähnlich beschaffen, es ist das eigentliche wissenschaftliche Kapital und gründet sich auf die Anerkennung durch die Fachgemeinschaft. Das führt zu vollkommen unterschiedlichen Lebensstilen. Auch haben gleiche Begriffe oft unterschiedliche Bedeutungen. „Forschung“ oder „Wissenschaft“ werden im Rahmen unterschiedlicher Fakultäten unterschiedlich verstanden. Im Feld der Stammzellforschung, das dem Bereich der Medizin zuzuordnen ist, herrscht das wissenschaftliche Kapital vor. Selbst Positionen in der „weltlichen“ Hierarchie müssen durch wissenschaftliches Kapital gerechtfertigt werden, um anerkannt zu werden.

Wie im Feld der Macht und der Universität insgesamt, herrscht hier nicht ein einzelnes Prinzip uneingeschränkt; vielmehr besteht eine auf Wettbewerb begründete Koexistenz mehrerer relativ unabhängiger Hierarchisierungsprinzipien. Die verschiedenen Machtformen stehen in Konkurrenz zueinander und ergänzen sich gleichzeitig.

„Alles deutet darauf hin, dass jeder (oder fast jeder) bei dieser Gewaltenteilung auf seine Kosten kommt“39 Bourdieu sieht den Gegensatz zwischen den beiden Fakultäten, in denen jeweils die wissenschaftlichen beziehungsweise die sozialen Kompetenzen vorherrschen, auch in der Medizin widergespiegelt. Hier verfügen die BiologInnen, die im Bereich der Grundlagenmedizin arbeiten, über das „reine“ wissenschaftliche Kapital und die KlinikerInnen, die sich mit dem Einzelfall beschäftigen, über soziales und politisches Kapital.40 Auch diese Beobachtung habe ich im Rahmen meiner Interviews bestätigt sehen können.

„Die von Michel Foucault aufgewiesene Genealogie der Klinik rückt diese doppelte, fachliche wie soziale Dimension der medizinischen Kompetenz klar ins Licht; sie beschreibt die fortschreitende Einführung der sozialen Notwendigkeit, mit der die gesellschaftliche Bedeutung der Medizinprofessoren begründet wird [...] Die Medizin ist eine praktische Wissenschaft, deren Wahrheit und Erfolge die ganze Nation interessieren“41

Die Klinik wird also zum Berührungspunkt zwischen der Heilkunst und der Ordnung des bürgerlichen Lebens. Indem die Medizin sich aus ihrer sozialen Notwendigkeit legitimiert, ist sie auch sozialen Forderungen ausgesetzt.

Die Besondere Bedeutung von sozialem Kapital im medizinischen Feld „Als verantwortungsvoller und respektheischender Angehöriger der Elite, eingebunden in eine untrennbar fachliche und soziale Rolle, die ein ganzes Bündel von administrativen und politischen Verantwortlichkeiten beinhaltet, verdankt der Medizinprofessor seinen Erfolg häufig ebenso sehr seinem Bildungs- wie seinem Sozialkapital“42

Soziales Kapital hat für verschiedene Disziplinen unterschiedliche Bedeutungen. Zum Beispiel ist es in der Medizin von immanenter Bedeutung, einen „Gönner“ oder eine

„Gönnerin“ zu haben, die gewissermaßen als BeschützerInnen für die StudentInnen fungieren. Eine erfolgreiche Universitätskarriere verläuft zunächst über die Wahl eines mächtigen und einflussreichen Ordinarius, der nicht unbedingt der berühmteste oder fachlich kompetenteste sein muss. Dabei sind vielfach verbindende soziale Eigenschaften wichtiger als verbindende fachliche Interessen.43 Auch meine Befragten haben hervorgehoben, dass sie zu Beginn ihrer Karriere aktiv nach Vorbildern gesucht haben. Dabei war es ihnen wichtiger, sich an deren persönlichen Lebensstil orientieren zu können, als fachliches von ihnen zu lernen, wie ich später noch beschreiben werde.

„Dieser [der Medizin – Anmerkung von mir] obliegt neben der praktischen Umsetzung der Wissenschaft auch die Durchsetzung einer Ordnung, der ärztlichen

Standesordnung, das heißt gleichermaßen einer Moral, einer Lebensweise und eines Lebensmodells“44

Die Gruppe verlangt von ihren Mitgliedern nicht nur eine gewisse fachliche Kompetenz, sondern auch „Corpsgeist“, die Identifikation mit der Gruppe und einen gewissen Habitus, einen bestimmten Lebensstil. Das fällt natürlich denjenigen wesentlich leichter, die in eine solche Gruppe „hineingeboren“ wurden. So gibt es tatsächlich „Juristenfamilien“ oder „Medizinerdynastien“. Die Vorteile ergeben sich nicht nur aus den Beziehungen, sondern auch aufgrund des Habitus. Am augenfälligsten ist das bei MedizinerInnen, es geht nicht nur um die Beurteilung fachlicher Kompetenzen, sondern um die Beurteilung eines Menschen, eines Individuums. Außerdem ergibt sich aus dem Namen, den schon der Vater45 der ebenfalls Arzt war, getragen hat, symbolisches Kapital. Wie ein Markenname bürgt er gewissermaßen für seinen Träger. Der Berufsvererbung kommt in den unterschiedlichen Fakultäten unterschiedliches Gewicht zu.

2.3.2 Bruno Latour – Haarige Objekte

Ich möchte versuchen, das Feld der Stammzellforschung aus Latours Perspektive wahrzunehmen und dadurch das Zusammenwirken eines möglichst breiten Spektrums an Akteuren, menschlicher und nicht-menschlicher, sehen zu können. Denn nur wenn ich auch die Stammzelle als gleichberechtigt handelnd akzeptiere, kann ich die komplexen Wechselwirkungen zwischen Stammzellen, StammzellforscherInnen und Feld erfassen. Außerdem kann Latour zeigen, welche fatalen Folgen eine Zweiteilung der Welt in Politik und Wissenschaft, in Gesellschaft und Natur, in Laien und ExpertInnen haben kann. Denn bei den StammzellforscherInnen, mit denen ich gesprochen habe, scheint diese Sichtweise der Welt tief verankert zu sein. Latour zeigt auch einen Lösungsweg aus diesem Dilemma auf.46

Im „Parlament der Dinge“ beschäftigt sich Latour damit, wie die politische Ökologie einzuordnen ist. Die Ausgangsfrage lautet: „Was tun mit der politischen Ökologie?“ Die scheinbaren „Krisen der Natur“, mit denen sie sich befasst, sieht er als „Krisen der Objektivität“. Um diese zu überwinden, wäre es notwendig, das gesamte öffentliche Leben, das durch eine starre Trennung von Natur und Gesellschaft gekennzeichnet ist, neu zu organisieren. Als eine solche „Krise der Objektivität“ können meiner Meinung nach auch all die Schwierigkeiten zusammengefasst werden, die aus den Zuordnungsschwierigkeiten und ethischen Kontroversen der Stammzellforschung erwachsen. Im Zuge dessen setzt sich Latour mit problematischen Konzepten, wie „die Natur“ oder „die Wissenschaft“, auseinander. Er plädiert für ihre Auflösung und die anschließende langsame, geordnete Zusammensetzung einer neuen gemeinsamen Welt, in der menschliche und nicht-menschliche Wesen gleichberechtigt ihren Platz zugewiesen bekommen.

Im folgenden werde ich versuchen, Latours grundsätzliche Konzepte und Überlegungen wiederzugeben.

Das Höhlengleichnis – Spaltung von Gesellschaft und Natur Latour versteht Platons Höhlengleichnis als Sinnbild des heutigen westlichen Verständnisses von der Trennung der Welt in Gesellschaft und Politik auf der einen Seite, und Natur und Wissenschaft auf der anderen. Die Politik „verwaltet“ die Gesellschaft und die Wissenschaft klärt uns über die Natur auf. Auf diesem Höhlenmythos gründet eine Verfassung, die das öffentliche Leben in zwei Kammern organisiert. Die erste ist jener von Platon entworfene dunkle Saal, in dem die Unwissenden angekettet sind. Diese haben, da sie Menschen sind, die Fähigkeit zu sprechen, sind jedoch mit keinerlei Macht ausgestattet. Die zweite Kammer befindet sich draußen, es ist eine Welt, die nicht aus Menschen, sondern aus nicht-menschlichen Entitäten besteht. Diese „wirklichen Gegenstände“ können nicht sprechen, haben aber die Macht zu definieren, was existiert. Lediglich die „ExpertInnen“ können zwischen beiden Kammern übersetzen, sie nehmen für sich in Anspruch, für die „wirkliche Welt“ sprechen und so die Diskussionen der Menschen autoritär beenden zu können. Sie haben also per Definition die Fähigkeit, die stumme Welt zum Sprechen zu bringen, ohne jegliche Diskussion über die Wahrheit zu verfügen, und sollten doch Debatten aufkommen, diese durch eine unbestreitbare Autorität zu beenden, die sich von den Dingen selbst herleitet.

Aus der politischen Frage nach der Gewaltenteilung zwischen zwei Kammern wird so eine Angelegenheit der Unterscheidung zwischen einer rein epistemologischen Fragestellung über die Natur der Ideen und der Außenwelt und über die Grenzen unserer Erkenntnis auf der einen Seite, und einer rein politischen und soziologischen Fragestellung über die Natur der sozialen Welt auf der anderen. Also entweder die Realität der Außenwelt oder die Hölle des Sozialen. Eine solche Falle funktioniert nur unter der Bedingung, dass niemand gleichzeitig die Idee der Wissenschaft und die Vorstellung der Gesellschaft überprüft, dass niemand gleichzeitig Epistemologie und Soziologie in Frage stellt. Anders gesagt, es darf keine Soziologie der Wissenschaften geben. Denn die Falle schnappt zu, wenn man sich zwischen den beiden entscheidet. Verweigert man diese Wahl jedoch und schafft es, Natur- Dinge und Soziales zusammen zu denken, sie in einer gemeinsamen geschichtlichen Entwicklung zu sehen, ist ein Ausweg möglich.

"Wie könnte eine Demokratie aussehen, die nicht unter der ständigen Drohung einer Rettung durch die Wissenschaft lebt? Wie würde das öffentliche Leben derer aussehen, die sich weigerten, die Höhle überhaupt zu betreten? Welche Form nähmen die Wissenschaften an, wenn sie von der Verpflichtung befreit wären, „der“ Wissenschaft politisch dienstbar zu sein? Welche Eigenschaften besäße die Natur, wenn sich mit ihr die politische Diskussion nicht mehr außer Kraft setzen ließe? Diese Fragen können wir uns vornehmen, sobald wir endlich massenhaft aus der Höhle herausgetreten sind“47

„Die“ Wissenschaft

Latour trennt „die“ Wissenschaft im Singular von den Wissenschaften im Plural. Im Englischen drückt sich das durch die Unterscheidung zwischen „science“ und „research“ aus, ersteres ist eine Institution, zweiteres eine Tätigkeit. „Die Wissenschaft“ als Institution ist eine Gewalt im Zweikammern-System, das die Welt zwischen Wissenschaft und Politik aufteilt. Die Wissenschaften hingegen beschreibt Latour als Know-How, als eine spezifische Perspektive oder Herangehensweise, die helfen soll, die gemeinsame Welt besser verstehen zu lernen. Als Merkmal „der“ Wissenschaft kritisiert er, dass sie sich in ihren Aussagen auf „die“ Natur beruft. Dadurch wird jede (politische) Diskussion verhindert, weil die „unbestreitbaren Tatsachen“ keine verschiedenen Meinungen zulassen. Die Wissenschaften hingegen stellen diesen Anspruch einer einzigen widerspruchslosen Natur gar nicht, sie beschäftigen sich mit vielfältigen AkteurInnen.

[...] dass „die“ Wissenschaft mit „der“ Natur – im Singular - gemeinsame Sache macht, die Wissenschaften dagegen eine solche Vereinigung in einer Natur überhaupt nicht verlangen. [...] werden wir nämlich „die“ Wissenschaft definieren als Politisierung der Wissenschaften durch die Epistemologie: Durch den jederzeit drohenden Rückgriff auf eine unbestreitbare Natur wird das gewöhnliche politische Leben zur Ohnmacht verurteilt. [Hervorhebung vom Autor selbst] 48 Wie können sich nun die Wissenschaften, nachdem sie von „der“ Wissenschaft befreit sind, am gemeinsamen öffentlichen Leben im Kollektiv beteiligen? Dafür ist es zunächst notwendig, dass die Wissenschaften nicht mehr als eine Gewalt in einem Zwei-Kammern- System gesehen werden, sondern als Know-how, mit dessen Hilfe eine gemeinsame Welt aufgebaut und bereichert werden kann. Die sehr heterogenen menschlichen und nicht- menschlichen Wesen können mithilfe der Wissenschaften in einer homogenen Hierarchie angeordnet werden.

Außerdem können die Wissenschaften mithilfe ihrer Instrumentarien und des Laboratoriums kaum sichtbare Phänomene sehr früh registrieren. Sie können also tatsächlich dazu beitragen, den nicht-menschlichen Wesen eine jeweils angemessene Stimme zu geben. Jede Disziplin lässt sich also als Alphabetisierung stummer Entitäten definieren.

„Die Weißkittel sind nicht derart geistesgestört, zu glauben, dass die Elementarteilchen, die Fossilien, die Ökonomien, die schwarzen Löcher ganz alleine vor sich hin plappern, ohne Vermittler, ohne Untersuchung und ohne Instrumente, kurz, ohne einen Stimmapparat von einer phantastischen Komplexität. [...] Wir sagen also, dass die Weißkittel Stimmapparate erfunden haben, durch die sich die nicht-menschlichen Wesen an den Diskussionen der Menschen beteiligen

[...]


1 Die Wissenschaftsgeschichte hat die Beschreibung des Ablaufs der historischen Entwicklung der verschiedenen Wissenschaften durch die Darstellung von Einzelpersönlichkeiten zum Ziel.

2 Das Interesse der Wissenschaftstheorie galt lange Zeit der logischen und erkenntnistheoretischen Begründung des wissenschaftlichen Wissens, seiner Struktur, den kognitiven Inhalten einzelner Wissenschaften und ihrer weltanschaulichen Bedeutung sowie der Methodologie der Forschung und der Rekonstruktion wissenschaftlicher Theorien. In den letzten Jahren werden vermehrt auch historische Komponenten mit einbezogen.

3 Aus: Felt et al., 1995, S. 20

4 Aus: Badura-Lotter, 2005, S. 90

5 Aus: Stellungnahme der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der Europäischen Kommission, 2000, in: Bockenheimer-Lucius (Hg.), 2002, S. 124

6 Trotzdem enthalten mittels Nukleustransfer geklonte Stammzellen Mitochondrien der Spendereizellen. Die Mitochondrien machen ungefähr 1% der menschlichen Erbsubstanz aus. Geklonte Stammzellen würden somit doch noch fremde Erbsubstanz enthalten und weisen deshalb nicht jene Übereinstimmung auf, die den vom Patienten entnommenen somatischen Stammzellen eigen sind.

7 Die gebräuchlichere Bezeichnung „adulte Stammzellen“ bezieht sich eigentlich nur auf Stammzellen, die dem erwachsenen Organismus entstammen. Es gibt aber auch in Neugeborenen oder Embryos somatische Stammzellen, also solche, die schon weiter ausdifferenziert sind. Darum werde ich im folgenden als somatische Stammzellen solche bezeichnen, die nicht mehr pluripotent sind.

8 Aus: Badura-Lotter, 2005, S. 89

9 Bei der Transdifferenzierung/Dedifferenzierung wird in die Somazelle Plasma einer Eizelle, einer embryonalen Stammzelle oder von Zellen eines Embryos eingespritzt. Damit soll eine "Verjüngung" der ursprünglichen Somazelle erreicht werden. Damit ergäbe sich eine neue Quelle für die Produktion von menschlichen Stammzelllinien. Andere Forscher suchen nach Wirkstoffen, mit denen eine Umwandlung von Somazellen in Stammzellen erreicht werden könnte. Forscher aus Kalifornien sind unlängst fündig geworden. Ein Molekül namens Reversine verwandelte Muskelzellen von Mäusen in Stammzellen. Dabei ging die für Muskelzellen typische Charakteristik weitgehend verloren. Die Forscher produzierten anschließend aus den Stammzellen mit entsprechenden Wachstumsfaktoren Fettzellen und Knochenzellen mit ihren typisch Eigenschaften.

10 Vgl. Einfrieren von Nabelschnurblut – notwendig oder überflüssig?, 2002

11 Aus: Stellungnahme der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der Europäischen Kommission, 2000, in: Bockenheimer-Lucius (Hg.), 2002, S. 126

12 „Colman [Alan Colman, einer der „Väter“ von Dolly, Anmerkung von mir] : "Stammzellen entfalten offenbar einen therapeutischen Effekt durch die Reparatur von Gewebe, indem sie an den Ort von Schäden wandern und dort (körpereigene) Erholungsmechanismen in Gang setzen." Möglicherweise komme es weniger auf "Reparaturmaterial" als auf den dadurch ausgelösten Stimulus an.“, a us: Diabetes- Stammzelltherapie der „Dolly“-Kloner, in: ORF.on Wissenschaft, http://science.orf.at/science/news/42145 (15.02.2005)

13 Aus: Riskante Stammzellen, Der Standard, 23./24.04.2005

14 Vgl.: Hofstetter et al., in: Nature Neuroscience, 13.02.2005

15 Aus: ORF.on Wissenschaft, 14.02.2005

16 Aus: Von Mersi, in: ORF.on Wissenschaft, 12.03.2004

17 Im Magazin "Nature" veröffentlichte Studien kamen zu weiteren ernüchternden Resultaten. Es wurde mittels Tierversuchen getestet, ob Blut bildende Stammzellen aus adultem Knochenmark im Herz von Mäusen tatsächlich zu neuen Herzmuskelzellen werden. Laut Leora Balsam von der Stanford Universität und Charles Murry von der Universität von Washington in Seattle übernahmen die aus adultem Knochenmark gewonnenen hämatopoetischen Stammzellen im infarktgeschädigten Herz lebender Mäuse nicht die erhofften Funktionen. Das Team um Balsam fand bei einigen Mäusen anschließend einige leicht verbesserte Herzfunktionen. Diese seien aber wohl eher auf die Entstehung neuer Blutgefäße im Herz zurückzuführen als, wie erhofft, auf neues Herzmuskelgewebe. Vgl.: Balsam, Murry, 02.03.2005

18 Aus: Wieselberg, ORF.on (15.02.2005)

19 Kocher hatte Ende 2001 die Technik erstmals am AKH Wien an einer Patientin angewandt und schon zuvor eine entsprechende Studie in "Nature Medicine" veröffentlicht. Vgl.: Kocher, in: Nature Medicine, Bd. 7, April 2001, S. 430

20 Aus: Wieselberg, ORF.on (15.02.2005)

21 Aus: ORF.on Wissenschaft, http://science.orf.at/science/news/94638 (15.02.2005)

22 Im Rahmen des von 2001 bis 2006 dauernden Rahmenprogrammes sollte aus EU-Geldern auch Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen gefördert werden, die in mehreren EU-Mitgliedsstaaten verboten ist. Bei der Abstimmung über das Programm stimmte Österreich aus diesem Grund als einziges Land dagegen. Daraufhin wurde die Diskussion wieder aufgenommen und man einigte sich auf ein Moratorium bis Ende 2003, bis dahin sollten keine Forschungsanträge finanziert werden, die sich mit der Forschung an menschlichen Embryonen oder embryonalen Stammzellen beschäftigen. Es kam zu keiner neuerlichen Abstimmung, darum endete das Moratorium Ende 2003. Allerdings wurden zusätzliche Regelungen getroffen und bestimmte Forschungen wurden komplett von der Forschungsförderung ausgenommen. Aktuell wird über das 7. Rahmenprogramm verhandelt, es soll noch im Sommer 2006 beschlossen werden. Dabei ist wieder die Förderung an humanen embryonalen Stammzellen Thema.

23 Biomedizin-Konvention - Convention on Human Rights and Biomedicine (4.4.1997), Zusatzprotokoll (12.1.1998): Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin.

24 Totipotente Stammzellen sind frühe Embryonalzellen, die sich noch zu einem eigenständigen Embryo entwickeln können. Embryonale Stammzell-Linien sind darum nicht mehr totipotent sondern nur mehr pluripotent, weil bei ihrer Gewinnung diese Fähigkeit verloren geht.

25 Bourdieu bezieht sich vor allem auf das französische Hochschulsystem, das die beschriebenen Merkmale in besonders ausgeprägter Form aufweist. Trotzdem gehe ich davon aus, dass die Grundprinzipien, zumindest als Idealtypen, auch in Österreich zu finden sind.

26 Aus: Bourdieu, 1998, S. 19

27 [...] den ich literarisches, juristisches oder wissenschaftliches Feld nenne, ein Universum, das all jene Akteure und Institutionen umfasst, die Kunst, Literatur oder Wissenschaft erzeugen und verbreiten. Dieses Universum ist eine soziale Welt wie andere auch, gehorcht aber mehr oder weniger spezifischen sozialen Gesetzen.“, aus: Bourdieu, 1998, S. 18

28 „Ein Feld richtet sich keineswegs nach Zufall aus. Nichts ist dort gleichzeitig im selben Maße möglich oder unmöglich.“, aus: Bourdieu, 1998, S. 24

29 „Eine Ausnahme machen hier nur jene ganz seltenen Fälle, in denen eine revolutionäre Entdeckung die Grundlagen der bestehenden wissenschaftlichen Ordnung selbst in Frage stellt, ein Wissenschaftler die Maßgaben der Kapitalverteilung als solche und sogar die Spielregeln selbst neu festlegen kann.“, aus: Bourdieu, 1998, S. 22

30 [...] legen im Wissenschaftsbetrieb die herrschenden Forscher oder Forschungen zu jedem Augenblick eine Gesamtheit der bedeutenden Gegenstände fest, der Fragen, denen sie ihre Anstrengungen widmen, und deren Verfolgung sich schließlich „bezahlt“ macht.“, aus: Bourdieu, 1998, S. 21f.

31 Aus: Bourdieu, 1998, S. 23f.

32 „Zu den gesellschaftlichen Vorteilen derer, die in ein Feld hineingeboren werden, gehört eben jener Umstand, dass sie wie durch eine Art eingeflösste Wissenschaft die inneren Gesetze des Feldes beherrschen, seine ungeschriebenen Gesetzte“, aus: Bourdieu, 1998, S. 24

33 „Diejenigen, die fernab des Feldes, dem sie angehören, ihre Einstellungen erworben haben, andere, als sie das Feld erfordert, laufen deshalb Gefahr, immer verspätet, fehl am Platz, am falschen Platz zu sein, sich unwohl in ihrer Haut zu fühlen, gegen die Schwerkraft, gegen die Zeit anrennen zu müssen, mit all den Folgen, die sich wohl lebhaft ausmalen lassen.“, aus: Bourdieu, 1998, S. 25

34 „Tatsächlich kommen äußere Zwänge, welcher Art auch immer, nur durch die Vermittlung des Feldes zum Tragen, sind vermittelt durch die Logik des Feldes. [...] Wie wird eine äußere Erscheinung, eine Katastrophe, eine allgemeine Notlage [...] , der Rinderwahn, was auch immer, in ein gegebenes Feld übersetzt?“, aus: Bourdieu, 1998, S. 19

35 „eine der größten Schwierigkeiten, denen die Sozialwissenschaften in ihrem Kampf um Autonomie begegnen, ist die Tatsache, dass sich weniger fachkundige Leute dort immer wieder im Namen heteronomer Belange einmischen können, ohne schlagartig disqualifiziert zu werden.“, aus: Bourdieu, 1998, S. 19

36 Aus: Bourdieu, 1998, S. 28

37 „eine institutionelle und institutionalisierte Macht, die verknüpft ist mit der Besetzung herausgehobener Stellen in wissenschaftlichen Institutionen, mit der Leitung von Forschungseinrichtungen und Abteilungen, der Mitgliedschaft in Kommissionen, mit Gutachtertätigkeiten“, aus: Bourdieu, 1998, S. 31

38 „Das „reine“ wissenschaftliche Kapital hat, weil es nur schwach objektiviert ist, etwas Flüchtiges und Unbestimmtes, immer etwas Charismatisches [...] ; gerade deshalb ist in der Praxis außerordentlich schwer zu übertragen“, aus: Bourdieu, 1998, S. 32

39 Aus: Bourdieu, 1998, S. 36

40 „so lässt sich doch die komplexe und mehrdimensionale Opposition zwischen den Klinikern und den Biologen der medizinischen Fakultät [...] als ein Gegensatz beschreiben zwischen der erfahrungsgeleiteten Kunst [...] und der Wissenschaft [Hervorhebung vom Autor selbst] , die sich zur Begründung einer Diagnostik nicht mit äußeren Zeichen begnügen, sondern allgemeine Ursachen erfassen will.“, a us : Bourdieu, 1988, S. 117f.

41 Aus : Bourdieu, 1988, S. 122f.

42 Aus : Bourdieu, 1988, S. 113

43 „Darüber hinaus jedoch ist die Wahl eines einflussreichen „Chefs“ nirgendwo ausschlaggebender als in der Medizinerkarriere, wo der Professor eindeutiger als anderswo zunächst einmal einen Beschützer darstellt, bevor er Lehrer ist“, aus : Bourdieu, 1988, S. 110

44 Aus : Bourdieu, 1988, S. 103

45 Bourdieu spricht hier vom Vater, darum habe ich das übernommen. Es bleibt zu befürchten, dass die geschlechtersensible Schreibweise, die ich verwende, hier reine Formsache ist, weil es sich wahrscheinlich in den meisten Fällen tatsächlich nur um Männer handelt.

46 Vgl.: Latour, 2001

47 Aus: Latour, 2001, S. 31

48 Aus: Latour, 2001, S. 22

Ende der Leseprobe aus 152 Seiten

Details

Titel
"Kleine, unspektakuläre Zellen" - vom Rasieren haariger Objekte
Untertitel
Eine qualitative Analyse des Feldes der Stammzellforschung
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Wissenschaftsforschung)
Veranstaltung
Diplomarbeit
Note
1,00
Autor
Jahr
2006
Seiten
152
Katalognummer
V115009
ISBN (eBook)
9783640153886
ISBN (Buch)
9783640155491
Dateigröße
918 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diplomarbeit mit sehr gut benotet, Studium mit Auszeichnung abgeschlossen
Schlagworte
Kleine, Zellen, Rasieren, Objekte, Diplomarbeit
Arbeit zitieren
Mag. Andrea Schikowitz (Autor:in), 2006, "Kleine, unspektakuläre Zellen" - vom Rasieren haariger Objekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115009

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