Die kommunale Bewegung, untersucht am Beispiel Santiago de Compostela (1117)


Seminararbeit, 2007

26 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Teil
1.1. Die Kommune: Begriff und zeitlich-räumliche Abgrenzung
1.1.1 Motive der kommunalen Bewegung
1.1.2. Typologie
1.2. Einflussfaktoren zur Bildung der Kommunen
1.3. Historische Bedeutung der Kommune
1.4. Zusammenfassung

II. Teil
2.1. Der Aufruhr in Santiago de Compostela
2.2. Quelle zur Erkenntnis des Aufruhrs
2.3. Konstituierte Santiago sich als Kommune?
2.4. Die Gründe des compostelanischen Aufruhrs
2.5. Die Gewalt des Aufruhrs
2.6. Ergebnis des Aufruhrs
2.7. Zuasammenfassung

III. Literaturverzeichnis
3.1. Kommunale Bewegung
3.2. Compostelaniche Aufruhr

IV. Anhang

Einleitung

Im 11. Jahrhundert neigten die stärksten, herrschaftlichen oder feudalen, Mächte dazu, den städtischen Gemeinden Gebührenfreiheiten und seltene politische Rechte zu bewilligen. Trotzdem wurde versucht, diese politischen Rechte durch gewaltsame und revolutionäre Aktionen zu erlangen. Als die bürgerliche Bevölkerung (Kaufleute, Handwerker und Händler) feststellte, dass zugebilligte Privilegien sehr gering waren, kam es zu Spannungssituationen. Diese Zusammenstöße zwischen den Bürgern und den Herren nahmen gelegentlich die Form von Revolten an. Sie waren der erste kommunale Aufruhr oder die Bildung von Kommunen. Früher betrachteten die Wissenschaftler das als den charakteristischen Weg zur kommunalen Selbständigkeit[1], oder man betonte die Ähnlichkeiten zwischen den revolutionären Kämpfen der mittelalterlichen Bürger und dem Dritten Stand in der Französischen Revolution[2]. Heute ist bewiesen, dass es ganz wenige Revolten gab[3], dennoch ist ihre qualtitative Wichtigkeit groß.

In den nächsten Seiten werde ich versuchen, einen Überblick über dieses komplizierte und zugleich wichtige Thema zu geben. Dafür teile ich den ersten Teil der Hausarbeit in drei Punkte auf. Im ersten Punkt gehe ich über die folgenden Inhalte ein: 1.was ist eine Kommune, 2. ihre zeitliche und räumliche Abgrenzung und 3. ihre verschiedenen Typologien. Im zweiten Punkt stelle ich die verschiedenen Einflussfaktoren zur Bildung der Kommunen vor. Diese sind: Gildetheorie, Gottesfriedenstheorie, Investiturstreit und der wirtschaftliche Aufschwung. Schließlich, im dritten Punkt spreche ich über die historische Bedeutung der Kommune.

Im zweiten Teil der Hausarbeit beschäftige ich mich mit dem Beispiel eines spanischen Aufruhrs in Santiago de Compostela. Dabei möchte ich weniger auf den Aufruhr im Allgemeinen, sondern mehr auf einige konkrete Aspekte eingehen. Dazu möchte ich die Ereignisse kurz zusammenfassen, um die einzelnen Aspekte verständlicher zu machen.

I. Teil

1.1. Die Kommune: Begriff und zeitlich-räumliche Abgrenzung

Es handelt sich um die Aufstände, die von den Kaufleuten (Bürgerschaft) aus den florierenden Städten geleitet wurden. Die blühende Entwicklung der Städte war auf die Wiederbelebung des Handels, der Münze und der landwirtschaftlichen Revolution des 11. Jahrhunderts zurückzuführen. Diese Faktoren trieben das Bürgertum an, sich von der Kontrolle, die die adlige Herrschaften (geistlich oder weltlich) über sie ausübte, zu befreien.

Der geographische Raum, in dem der Bruch im Sinne der subversiven Kommunenbildung stattfand, war ein konkretes Gebiet und existierte kurzzeitig von 1070 bis Mitte des 13. Jahrhunderts. Diese kommunale Bewegung im Norden beschränkte sich auf einige französische und deutsche Städte im Gebiet zwischen Loire und Rhein. Im Süden waren nur die rasch vernichteten Kommunen von Poitiers im Jahre 1138 und von Santiago de Compostela 1116/17 bedeutsam.

Ein anderes wichtiges Gebiet war Oberitalien, wo sich die ersten Kommunen bildeten (Mailand und Cremona im elften Jahrhundert). Die meisten oberitalianiaschen Kommunen bildeten aber, um ihre Rechte und Freiheit zu erlangen, im Gegensatz zu den oben erwähnten keine subversiven Gruppen aus.

1.1.1 Motive der kommunalen Bewegung

Die bürgerlichen Städte fanden die Privilegien, die von der herrschaftlichen Macht bewilligt wurden unzureichend. Wie Schulz[4] zeigt, ist es notwendig darauf hinzuweisen, dass am Anfang der Entwicklung des kommunalen Prozesses sich die Bevölkerung noch in herrschaftlicher Bindung und Abhängigkeit befunden hat.

Bezüglich der gesellschaftlichen Herkunft der Führer der kommunalen Bewegung bildete sich am Anfang in relativ vielen Städten des Prozesses eine ritterlich-aristokratische Führungsschicht. Sie stand von vornherein in Verbindung mit der Stadt und der Finanzpolitik. Die kommunale Bewegung erlangte erst Stabilität, als sie vom mittleren Bürgertum, den Handwerkern und von den Gewerbetreibenden, getragen wurde.

Knut Schulz[5] geht davon aus, dass die coniuratio, die Schwurgemeinschaft, die typische Form des bürgerlichen Versuches sei, individuelle Freiheitsrechte mit Hilfe der Stadtgemeinde und der politischen Selbstbestimmung bis zur Einführung der Ratsverfassung (durch die Kommune) zu erlangen. Er bietet auch eine Beschreibung des Verbandes der Kommune. Sie beruhte auf einer gegenseitigen Eidesleistung unter den Einwohnern eines bestimmten Ortes, bei der die Einwohner alle das gleiche Ziel hatten, nämlich die Sicherung des Friedens und des Rechts. Die coniuratio hatte häufig den Sinn der conspiratio, der Verschwörung und Rebellion.

1.1.2. Typologie

- Typ 1: Die Verschwörung gegen den Klerus und für den Adel.

Der Ablauf war oft gleich: Die Bürger erhoben sich gegen den Klerus. Sie organisierten sich in einer Kommune und suchten den Schutz des Kaisers, um ihre Ziele zu erreichen. Wie ich später aufzeigen werde, wurde in diesem Zusammenhang der Investiturstreite auch für die Bürger sehr wichtig. Es gibt viele Beispiele dafür: Worms (1073), Köln (1074 und 1112), Cambrai (1076 und 1102), Lüttich (1119) und Utrecht (1129). Alle diese Fälle hatten eine starke Abhängigkeit von den Ergebnissen des Investiturstreites.

- Typ 2: Die Verschwörung gegen den Adel und mit Unterstützung der kirchlichen Herren.

Das Beispiel war in Le Mans 1070. Dort fand der Kampf gegen den Herzog der Normandie statt. Die Bürger von Le Mans konstituierten sich als eine Kommune. Sie hatten dafür die Unterstützung des Bischofs und eines großen Teils des Klerus[6]. Dieser Typ der Kommune ist in Verbindung mit der Gottesfriedentheorie, die in dem nächsten Punkt angesprochen wird, zu erklären.

- Typ 3: Die Verschwörung gegen Klerus und Adel.

Dieses war bei der Kommune von Santiago de Compostela der Fall, in dem die Königin Urraca und der Bischof Gelmirez sich gegen die verschworenen Bürger verbanden. Diesen Fall werde ich im zweiten Teil der Hausarbeit behandeln.

- Typ 4: Friedliche Kommunen (Der Fall Italien).

Wie Bordone zeigt[7], erfolgte der Übergang von der Bischofsherrschaft zum kommunalen Stadtregiment spontan, friedlich und allmählich, ohne Eingriffe eines Machthabers oder Herrschers.

1.2. Einflussfaktoren zur Bildung der Kommunen

Da die Kommunen auf verschiedenen gegebenheiten und Voraussetzungen berühten, handelt es sich um ein vielschichtiges Thema. Betrachten wir die einzelnen Theorien.

1. Gildetheorie. Die persönliche Freiheit und die städtische Handelsaktivität der Kaufleute stellen eine direkte Verbindung zwischen den früheren Kaufmannsgilden und den selbständigen Stadtgemeinden her. Diese Theorie wurde von H. Pirenne und H. Planitz vertreten[8]. Susan Reynolds setzt diese Theorie fort[9]. Sie bezeichnet die kommunale Bewegung des Hochmittelalters als eine kontinuierliche Fortenwickung der älteren gemeindlichen Formen. Sie meint, dass der Ursprung der Stadtgemeinde sich von bestimmten Institutionen herleite, entweder von der Gilde, der Kommune, dem Konsulat oder den Formen feudaler Herrschaft.

Gegen diese Theorie wenden sich einige Historiker, u. a. W. Schlesinger, E. Ennen und K. Kroeschell. Sie zeigen drei Punkte gegen die Gildetheorie auf[10]:

a) Der Zweck des Fernhandels, durch den spezielle Gruppierungen von Kaufleuten gebildet wurden, hatte einen indirekten Einfluss auf den ortsbezogenen Gemeinde- bildungsprozess.
b) Die Einflussnahme der Kaufmannsgilden auf den Stadtwerdungsprozess ist nur in der nordwesteuropäischen Stadtregion nachgewiesen.
c) Mit der Gildetheorie rückt das zentrale Problem der Erlangung persönlicher Freiheitsrechte der Stadtbewohner nicht ausreichend in das Blickfeld.

Wie ich oben versuchte zu zeigen, haben einige deutsche Historiker, vor allem Ennen[11], die mögliche Rolle der Gilden des 10. und 11. Jahrhunderts in den Kommunen in Frage gestellt. Edith Ennen bewiest, dass das Handelsrecht, so das ius fori, ein lokales Recht, das in den Handelskolonien und an Orten mit ständigem Warenaustauschen galt. Damit wäre das Kommunalrecht das Erbe des Handelsrechts und der Handelsprivilegien gewesen.

Man kann sagen, dass die Gilde zur friedlichen Einsetzung der Kommunen in vielen Orten, vor allem in den flämischen Städten[12], beigetragen hat. Die Gilde ist der Rahmen der Geschäfte der Einwohner, der Nährboden für die Solidarität und der Urheber der Menschengruppen in den Städten. In der Gilde ist dies durch einen Eid zusammengehalten. Sie handelten gewöhnlich gemeinsam und regelten auch ihren Angelegenheiten gemeinsam.

2. Gottesfriedenstheorie. Diese Theorie erklärt die kommunale Bewegung in Verbindung mit älteren Rechtsformen und historischen Vorbildern. Die Anwendung der pax Dei bedeutet eine gesellschaftliche Mobilisierung, die Aktionsformen wie: Versammlungen und Schwöre für die Friedensverteidigung durchführt. Außerdem, wie Edith Ennen zeigt[13], konnte der Gottesfrieden Einfluss auf das gesamte bürgerliche Strafrecht haben. Die Versamlungen hatten aber auch alle das Ziel, Frieden zu stiften. Der wichtigste Vertreter dieser Ansicht ist Albert Vermeesch[14]. Seine Theorie bezieht sich auf eine terminologische Untersuchung des Begriffes communia; und besagt, dass communia eine Beziehung zwischen dem Gottesfrieden und der Kommune hat, sofern diese beiden eine Schwurverteidigung bedeuten[15]. Er zeigt, dass die frühen von Bischof und Klerus angeführten Kommunen Friedensvereinigungen waren und auf der Ebene des Bistums eine Selbsthilfe gegen die Adelsfehden darstellten. Diese Theorie betont, dass die kommune Bewegung weder gegen die bischöflichen Stadtherren noch gegen die Kirche gerichtet war. Die Kommune von Le Mans im Jahr 1070 beweist diese These[16]. Im Unterschied zu Deutschland, wo sich der Gottesfrieden nicht zu stark und so früh entwickelte[17], tauchten im 11. Jahrhundert in Frankreich zahlreiche diözesanen und städtischen verschworenen Vereine auf, wie Chedeville aufzeigt[18]. Einige von ihnen sind aus der swäche Situation des Adels entstanden, wie der des Erzbischofs von Rouen im Jahr 1096. Im Gegensatz wurden andere verschwurene Vereine zum Machtinstrument, das u.a. vom Grafen von Flandern oder vom König von Frankreich anfangs des 12. Jahrhunderts genutzt wurden, um gegen ihre aufständischen Vasallen zu kämpfen. In den kompliziertesten Fällen haben sie dazu verholfen, die Ordnung und den Frieden wiederherzustellen, wie es die um im Jahre 1000 gegründeten Institutionen schon getan hatten.

Aber die zahlreichen Beispiele für die gegen Bischof und Kirche gerichteten Erhebungen sind ein Beweis dafür, dass diese These mit einer gewissen Skepsis angenommen werden muss[19].

3) Der Investiturstreit. Dieser Streit konnte in den ersten Entwicklungsschritten der Kommunen entscheidend sein, denn die Einwohner der Städte konnten einfach unabhängig von der episkopal-städtischen Anwesenheit werden, auf friedlichem Wege, wie in Italien, oder durch Gewalt, wie am Rheim. Da das Bürgertum ein politischer Stützpunkt und ein attraktiver Alliierter für die Gegner des Papsttums war, bekam es dafür einige Zugeständnisse, mit denen es die Erweiterung seiner Rechte erreichte.

Aber neben dieser Kollaboration zwischen Bürgern und Herren gab es, wie Knut Schulz zeigt, im Laufe des Investiturstreites eine „Öffentlichkeit“[20], als die Bürger anfingen, die Situation in Frage zu stellen. Diese „Öffentlichkeit“ brachte folgendes hervor: a) die herrschaftliche Befehlsstrukutur erlitt Einbußen; b) die Stimmung der Bürger sollte getestet werden und c) in Versammlungen musste diskutiert werden. Es begann auch eine Diskussion in der Stadt über die Herrschaftslegitimation: Wer eigentlich hatte das Recht zur Wahl der bischöflichen Stadtherren? Wer bewilligte diese Kompetenzen? Das deutlichste Beispiel dafür finden wir in Brügge und Gent 1127-28, wo die Bürger versuchten, in die Wahl und Erhebung eines neuen Grafen einzugreifen[21].

[...]


[1] PIRENNE, H, Les villes et les institutions urbaines, Paris 1939

[2] PETIT- DUTAILLIS, C, Les communes françaises: caractères et évolution des origines au XVIIIe siècle, Paris 1970.

[3] CHÉDEVILLE, A., De la cité a la ville. 1000-1150. In Histoire de la France urbaine, Paris 1980. S. 166-67.

[4] SCHULZ, K., ,, Denn sie lieben die Freiheit so sehr..." Kommunale Aufstände des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter. 2. Aufl., Darmstadt 1995. S. 16.

[5] Ebd. S. 5-6.

[6] DEETERS; J., Die Kölner Coniuratio 1112, in: Köln, das Reich und Europa. Abhandlungen über weiträumige Verflechtungen der Stadt Köln in Politick, Recht und Wirtschaft im Mittelalter, Köln 1971, S. 138.

[7] BORDONE, R., La societa cittadina del regno d´Italia. Formazione e sviluppo delle caraterristiche urbane nei secoli XI e XII, Torino 1987. S. 449-479.

[8] PLANITZ, H., Kaufmannnsgilde und städtische Eidgenossenschaft in niederfränkischen Städten im 11. und 12. Jahrhundert, ZRG GA 60 (1940), S. 115.

[9] REYNOLDS S., Kingdoms and communities in Western Europe: 900-1300, Oxford, NY 1997, S. 155.

[10] SCHULZ, K.(1995) S. 12-13.

[11] ENNEN, E., Die europäische Stadt des Mittelalters. 4. Aufl., Göttingen 1987. S. 111

[12] CHÉDEVILLE, A. (1980), S. 171.

[13] ENNEN, E. (1987), S. 113.

[14] VERMEESCH, A., Essai sur les origines et la signification de la commune dans le Nord de la France: XIe et XIIe siècles, Heule 1966.

[15] DEETERS, J. (1971), S. 136-137.

[16] Der Kampf fand gegen den Herzog der Normandie statt. Die Bürger von Le Mans konstituierten sich als eine Kommune. Sie hatten dafür die Unterstützung des Bischofs und eines großen Teils des Adels. DEETERS, (1971) S. 138.

[17] Im deutschen Reich gab es im 11. Jahrhundert nur zwei Fälle von Gottesfrieden, einen in Lüttich 1082 und den anderen in Köln 1083. Vgl. DEETERS, J. (1971), S. 140.

[18] CHÉDEVILLE, A. (1980), S. 172-173.

[19] SCHULZ, K. (1995). S. 13.

[20] Ebd. S. 15.

[21] Ebd. S. 18.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die kommunale Bewegung, untersucht am Beispiel Santiago de Compostela (1117)
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Feudale Herrschaft-bürgerliche Freiheit
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
26
Katalognummer
V114653
ISBN (eBook)
9783640165711
ISBN (Buch)
9783640166107
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bewegung, Beispiel, Santiago, Compostela, Feudale, Herrschaft-bürgerliche, Freiheit
Arbeit zitieren
Manuel Talavan (Autor:in), 2007, Die kommunale Bewegung, untersucht am Beispiel Santiago de Compostela (1117), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114653

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die kommunale Bewegung, untersucht am Beispiel Santiago de Compostela (1117)



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden