Der EU-Beitritt von Bulgarien

Betrachtet aus der Perspektive von Neo-Funktionalismus und Neo-Realismus


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der EU-Beitritt Bulgariens
2.1 Theoretische Fundierung
2.1.1 Neo-Funktionalismus
2.1.2 Neo-Realismus
2.2 Empirie
2.2.1 Historie der EU
2.2.2 Empirische Lage – Betrachtung durch den Neo-Funktionalismus
2.2.3 Empirische Lage – Betrachtung durch den Neo-Realismus
2.3 Zwischenfazit

3 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Thema dieser Arbeit ist der zukünftige Beitritt von Bulgarien zur Europäischen Union, welcher aller Voraussicht nach zum 1.Januar 2007 erfolgen wird. Es soll untersucht werden, in welchem Maße und hinsichtlich welcher Kriterien der Beitritt Bulgariens einen Gewinn für die bisherigen Mitgliedsstaaten und die Organisation der EU bringt. Anhand zweier Theorien der Internationalen Beziehungen soll untersucht werden, aus welchen Gründen und mit welchem Zweck Bulgarien der Europäischen Union beitreten wird.

Worin liegen die Vorteile einer stetigen Erweiterung der EU, was für Nachteile könnte sie mit sich bringen und wo liegen die Herausforderungen? Und ganz konkret: Worin liegt der Sinn der Osterweiterung und was bringt der Beitritt eines Landes wie Bulgarien für die weitere Entwicklung der EU? Diese Fragen sind in einer Zeit, in der die EU zunehmend als einheitlicher Akteur in weltpolitischen Angelegenheiten auftritt, durchaus aktuell und von einiger Bedeutung. Bedeutend deswegen, weil die Zusammensetzung und die Zielsetzung eines Zusammenschlusses wie der EU auch ihre Aufgaben definiert. Die Debatte innerhalb Europas ist groß, inwieweit die EU noch aufnahmefähig für neue Beitrittsländer ist, und worin eigentlich ihre Aufgaben und Ziele liegen. Diese Arbeit will versuchen, einige Fragen zu beantworten und Anhaltspunkte für die Entscheidung zu einem Beitritt Bulgariens zu finden.

Innerhalb der Arbeit sollen zunächst einmal die Grundzüge der Theorie des Neo-Funktionalismus und der Theorie des Neo-Realismus dargestellt werden, anhand derer das Thema zu betrachten sein wird.

Nach der theoretischen Fundierung beginnt dann der empirische Teil der Arbeit.

Es wird zunächst ein kurzer historischer Abriss über die Entstehung und die vorangegangenen Erweiterungen der EU gegeben. Dies soll ermöglichen, genauer auf den geplanten Beitritt Bulgariens eingehen, und schließlich die empirische Lage anhand der zuvor im Theorieteil aufgestellten Hypothesen interpretieren zu können.

Zum Schluss der Arbeit soll ein kurzes Fazit gezogen werden, das einen Ausblick auf weitere mögliche Entwicklungen innerhalb der EU gibt.

2 Der EU-Beitritt Bulgariens

Um den EU-Beitritt Bulgariens wissenschaftlich analysieren zu können, werden zunächst die beiden Theorien vorgestellt, anhand derer in dieser Arbeit argumentiert werden soll.

In der theoretischen Fundierung werden zunächst die Grundzüge des Neo-Funktionalismus dargestellt, anschließend die des Neo-Realismus. Danach folgt die Interpretation der empirischen Lage.

2.1 Theoretische Fundierung

2.1.1 Neo-Funktionalismus

Der Neo-Funktionalismus als Theorie der Internationalen Beziehungen ist mit der Gründung der späteren EU in den 1950/60er Jahren entstanden. Betrachtungsobjekt der neo-funktionalistischen Theorie ist die regionale Integration im Allgemeinen und die Europäische Integration im Besonderen (vgl. Tranholm-Mikkelsen 1991: 2f). Einer der Hauptvertreter des Neo-Funktionalismus ist Ernst Haas. Integration wird innerhalb dieser Theorie als die Aufgabe von nationalen Souveränitätsrechten und deren Transfer auf supranationale Organisationen gesehen. Wichtig ist hier, dass es sich bei Integration immer um einen Prozess handelt, nicht um einen Zustand. Das Resultat von einem Prozess politischer Integration ist eine neue politische Gemeinschaft, die in Punkto Kooperation über die vorherigen gestellt ist (vgl. Tranholm-Mikkelsen 1991: 3). Diese supranationalen Institutionen treffen dann verbindliche Entscheidungen, die von den einzelnen Nationalstaaten umgesetzt werden müssen. Die Erwartungen und das Verhalten der politischen Akteure verändern sich durch den Prozess der Integration. Im Neo-Funktionalismus sind die politischen Akteure die Eliten, die mit der Zeit eine europäische Identität entwickeln.

Die zentrale These des Neo-Funktionalismus besteht in der Annahme des spill-over-Effektes. Dieser Effekt besagt, dass Integration innerhalb eines Sektors eine Art Eigendynamik entwickelt, und in andere Sektoren „überschwappt“. Auf diesem „sachlogischen Überschwappen“ beruht die gesamte Theorie Haas’. Durch die Entstehung von spezifischen, auch wirtschaftlichen, supranationalen Institutionen werden Prozesse in Bewegung gesetzt, die zu weiterer Integration auch in anderen Teilbereichen der Gesellschaft führen können. Zu Beginn der 1960er Jahre nahm man einen Automatismus des spill-over-Effektes an, mittlerweile ist man zu dem Schluss gekommen, dass es lediglich die Möglichkeit eines spill-over-Effektes gibt (Tranholm-Mikkelsen 1991: 9). Jeppe Tranholm-Mikkelsen unterscheidet zwischen drei Arten von spill-over: funktionaler, politischer und kultivierter spill-over. Funktionaler spill-over bezeichnet das Überschwappen von Integration von einem Wirtschaftszweig in einen anderen. Ein Beispiel aus der Entstehungsgeschichte der EU ist hier die Institutionenbildung im Bereich des Wirtschaftssektors Kohle und Stahl (EGKS), was schließlich auch zur Integration im Bereich der Atomenergie (EURATOM) geführt hat. Der politische spill-over-Effekt beruht auf der politischen Struktur der Westeuropäischen Gesellschaften, in denen die Politik von Gruppen bestimmt wird, die untereinander in Konflikt stehen. Als Eliten werden die Anführer der wichtigen politischen Gruppen bezeichnet, die am Entscheidungsfindungsprozess innerhalb der Politik teilhaben. Dies können Parteivertreter, Vertreter der Handelsverbände oder auch Vertreter der Gewerkschaften sein (vgl. Haas 1958: 17). Diese Eliten machen mit der Integration einen Lernprozess durch, und gelangen so zu der Überzeugung, dass ihren Interessen durch supranationale Lösungen besser gedient ist, als durch nationale Lösungen. Sie werden deshalb ihre Erwartungen, ihr Verhalten und eventuell auch ihre Loyalitäten auf die supranationalen Institutionen als neues Zentrum richten (vgl. Tranholm-Mikkelsen 1991: 5). Als kultivierter spill-over wird der Einfluss von zentralen Institutionen betrachtet, die das gemeinsame Interesse verkörpern, und so im Integrationsprozess „vermitteln“ (vgl. Tranholm-Mikkelsen 1991: 4ff).

Es gibt negative und positive Integration, wobei man unter negativer Integration zum Beispiel den Abbau von Handelsbeschränkungen versteht, und unter positiver Integration beispielsweise die Akzeptanz gemeinsamer politischer Inhalte durch mehrere Nationalstaaten. Obwohl positive Integration für den Prozess an sich bedeutsamer ist, so bedeutet doch auch negative Integration einen großen Schritt für die einzelnen Staaten. Durch die Aufgabe von Zollbarrieren geben sie einen Teil ihrer Souveränität auf, und reduzieren ihre Autonomie (vgl. Tranholm-Mikkelsen 1991: 12f).

Bedeutsam für den Neo-Funktionalismus ist die starke Bedeutung transnationaler Netzwerke in der Wirtschaft, die zu supranationaler Institutionenbildung und weiterer internationaler Zusammenarbeit führen können. Der wirtschaftliche Aspekt ist in dieser Theorie sehr wichtig, denn auch in der Empirie, also der Entwicklung der EU, ging die wirtschaftliche Einigung der politischen voraus. Ein wichtiges Ziel in der Theorie ist die Wohlstands-Maximierung. Diese politische Erwartung geht mit der Integration einher und ist mit ein Grund für die Entstehung neuer Institutionen. Durch die verbindlichen Entscheidungen der supranationalen Institutionen werden wirtschaftliche und politische Prozesse vereinheitlicht, und so optimiert. Der Lebensstandard der Arbeiterbevölkerung soll dadurch angehoben werden, ebenso wie das Wohlstandsniveau der Nationalstaaten insgesamt (vgl. Haas 1958: 301f).

Der schrittweise Ausbau europäischer Institutionen im Laufe der Jahre hat die EU schließlich zu einem internationalen Akteur gemacht, der durchaus als solcher von seiner Umwelt wahrgenommen wird. Dies ist eine Folge der gelungenen Europäischen Integration.

Anhand der eben dargestellten Theorie soll im empirischen Teil der Arbeit der EU-Beitritt Bulgariens geprüft werden. Kann der neo-funktionalistische Ansatz den zukünftigen Beitritt erklären? Folgende Hypothese wird als eine Grundlage der späteren Diskussion aufgestellt:

Hypothese 1:

Die EU wird Bulgarien aufnehmen, weil durch den Beitritt das Wohlstandsniveau der Mitgliedsländer und der EU insgesamt weiter gesteigert wird.

Indikatoren, die eine Steigerung des Wohlstandsniveaus der Mitgliedsländer wahrscheinlich machen, sind ein hohes Wirtschaftswachstum und eine junge Bevölkerungsstruktur in Bulgarien, außerdem die bisherigen Handelsbeziehungen des Landes zur EU.

Kritiker werfen dem Neo-Funktionalismus vor, sich zu sehr mit den „low politics“ zu beschäftigen, die Dinge wie Wohlfahrtsstreben behandeln, wohingegen „high politics“ sich mit Themen wie Verteidigung und Außenpolitik beschäftigt. Der nächste Ansatz der hier behandelt wird, setzt sich mit eben diesen „high politics“ auseinander.

2.1.2 Neo-Realismus

Der Neo-Realismus ist eine Theorie der Internationalen Beziehungen, deren Entstehung als Reaktion auf das Scheitern der Entspannungspolitik zwischen den beiden Großmächten USA und SU, sowie den Stopp der Europäischen Integration in den 80er Jahren gesehen werden kann. Sie wirft dem Neo-Funktionalismus vor, die so genannten „high politics“ zu vernachlässigen, und sieht sich selbst als eine Theorie der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Einer der Hauptvertreter ist Kenneth Waltz.

Der Neo-Realismus verweist auf die Schwierigkeiten der internationalen Kooperation und betrachtet die Institutionenbildung, ein wichtiges Element der neo-funktionalistischen Theorie, als problematisch. Zentrale Begriffe innerhalb der Theorie sind Macht und Interesse. Als Akteure werden die Nationalstaaten betrachtet, wobei von deren formaler Gleichheit und einem anarchischen internationalen System ausgegangen wird, in dem die Nationalstaaten die Einheiten darstellen (vgl. Waltz 1979: 88). Anarchie meint hier die Abwesenheit einer übergeordneten Regierung.

Staaten sind durch ihre Interessen gesteuert, wobei die Ausgangsbasis für alle Interessen eines Staates das eigene Überleben ist (vgl. Waltz 1979: 91f). Die einzelnen Staaten sind in ihrem Verhalten und Handeln souverän, was aber nicht bedeuten soll, dass sie frei sind, alles zu tun was sie wollen. Es bedeutet vielmehr, dass ein Staat für sich selbst entscheiden kann, wie er mit seinen innen- und außenpolitischen Problemen umgehen will. Hierin inbegriffen die Entscheidung, ob er eine Bindung mit anderen Staaten eingeht und so seine Freiheit durch Zugeständnisse einschränkt, oder ob er versucht, seine Probleme im Alleingang zu lösen (vgl. Waltz 1979: 95f). Innerhalb der internationalen Politik gibt es ein Selbsthilfesystem. Die Beziehung zwischen den Staaten ist durch Unsicherheit geprägt, und meist von dem Wunsch nach Sicherheit bestimmt. Ein Staat weiß nie, welche Schritte die anderen Staaten als nächstes unternehmen werden, was deren Absichten und Ziele sind, und wie sie versuchen werden diese zu erreichen. Es besteht auf internationalem Raum eine Unsicherheit über die Intentionen der einzelnen Nationalstaaten (vgl. Waltz 1979: 105).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der EU-Beitritt von Bulgarien
Untertitel
Betrachtet aus der Perspektive von Neo-Funktionalismus und Neo-Realismus
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut)
Veranstaltung
Grundkurs: Einführung in die Internationalen Beziehungen
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V114637
ISBN (eBook)
9783640153558
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
EU-Beitritt, Bulgarien, Grundkurs, Einführung, Internationalen, Beziehungen
Arbeit zitieren
Kathrin Aldenhoff (Autor:in), 2006, Der EU-Beitritt von Bulgarien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114637

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