Sportschulen im Vergleich. Eine empirische Studie zur Selbstwahrnehmung jugendlicher Sportschüler


Examensarbeit, 2008

167 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Verbundsysteme von Schule und Leistungssport
2.1 Kooperationsmodelle von Schule und Sport
2.1.1 Sportinternate
2.1.2 Sportbetonte Schulen
2.1.3 Partnerschulen des Leistungssports
2.1.4 Sportgymnasien
2.2 Sportschulmodelle in der ehemaligen DDR
2.2.1 Die Kinderund Jugendsportschule (KJS)
2.2.2 Zur Vergleichbarkeit von KJS mit ihren Nachfolgern

3. Konzipierung der Studie
3.1 Methodische Vorgehensweise
3.1.1 Qualitative Forschung
3.1.2 Auswahl der Einrichtungen
3.1.3 Auswahl der Interviewpartner
3.1.4 Interview
3.1.4.1 Formen des Interviews
3.1.4.2 Durchführung des Interviews
3.1.5 Leitfaden
3.1.6 Transkription
3.1.7 Auswertungsverfahren
3.2 Vorstellung der besuchten Einrichtungen
3.2.1 Sportbetonte Schule 1
3.2.2 Sportbetonte Schule 2
3.2.3 Fußballinternat
3.2.4 Sportgymnasium

4. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
4.1 Der Zugang zum Leistungssport
4.1.1 Forschungsstand und eigene Vermutungen
4.1.2 Zugang zum Sport
4.1.3 Der Weg zum Internat
4.1.4 Die Rolle der Eltern
4.1.5 Ergebnisse
4.2 Wahrnehmung der Mehrfachbelastung von Schule und Sport und des damit zusammenhängenden Lebensstils
4.2.1 Forschungsstand und eigene Vermutungen
4.2.2 Der Tagesablauf
4.2.3 Selbsteinschätzung schulischer Leistungen
4.2.4 Freizeit
4.2.5 Ergebnisse
4.3 Wahrnehmung der Unterstützung von Seiten der Schulen
4.3.1 Forschungsstand und eigene Vermutungen
4.3.2 Zufriedenheit der Fördermaßnahmen an den Schulen und der Unterstützung der Lehrer
4.3.3 Ergebnisse
4.4 Wahrnehmung der „öffentlichen Meinung“
4.4.1 Forschungsstand und eigene Vermutungen
4.4.2 Ansichten „normaler“ Schüler
4.4.3 Der Freundeskreis
4.4.4 Ergebnisse
4.5 Wahrnehmung der eigenen Zukunft
4.5.1 Forschungsstand und eigene Vermutungen
4.5.2 Zukunftspläne
4.5.3 Vorstellung eines Lebens ohne Sport
4.5.4 Ergebnisse

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

Elektronische Quellen

7. Anhang
Anlage 1: Interview 1
Anlage 2: Interview 2
Anlage 3: Interview 3
Anlage 4: Interview 4
Anlage 5: Interview 5
Anlage 6: Interview 6
Anlage 7: Interview 7
Anlage 8: Interview 8
Anlage 9: Interview 9

1. Einleitung

Jeden Tag träumen Tausende deutscher Jugendlicher den Traum, erfolgreich Sport zu treiben. Medienpräsente Vorbilder wie der Fußballer Michael Ballack, Turner Fabian Hambüchen, Biathletin Magdalena Neuner oder Basketball-Star Dirk Nowitzki lassen Kinder davon träumen, so berühmt zu werden wie ihre Idole. Auch ich hatte als Kind diesen Traum. Als ich zehn Jahre alt war, hieß mein Vorbild Boris Becker und mein erklärtes Ziel war der Gewinn des Wimbledon-Turniers. Mit zunehmendem Alter und abnehmender Motivation dieses Ziel zu verfolgen, geriet diese Vision jedoch mehr und mehr in den Hintergrund. Ich erkannte bald, dass ich meine Energie lieber in meine Freizeit investieren wollte, als jeden Tag eineinhalb Stunden lang auf dem Tennisplatz zu trainieren. Zudem blieben die erhofften Erfolge aus und so entschied ich mich dafür, mir meine Freizeit so einteilen zu können wie ich es wollte und dagegen, all meine freie Zeit in den Sport zu stecken. Zudem nahmen schulische Belange ab der gymnasialen Oberstufe einen nicht unerheblichen Teil des Tages ein und somit verschwand der Gedanke des Leistungssports gänzlich aus meinem Kopf. Anders verlief die Sportkarriere meines Bruders. Er verließ nach der elften Klasse das Gymnasium, um professionell Eishockey zu spielen. Bereits während seines letzten Schuljahres hatte sich abgezeichnet, dass die Schulleitung nicht bereit war, seine Sportkarriere zu fördern, was zunächst zu sehr vielen versäumten Unterrichtsstunden und schließlich zum Weggang meines Bruders von der Schule führte. Er entschied sich dafür, das Gymnasium zu verlassen, um sich voll und ganz auf den Sport konzentrieren zu können. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass seine Entscheidung von vielen Lehrern mit Kopfschütteln quittiert und belächelt wurde. Eine Vereinbarung von Schule und Leistungssport war also unmöglich.

Das ist fast 15 Jahre her. Mittlerweile hört man immer häufiger den Begriff des Sportinternats. Es wird versucht, Schule und Leistungssport miteinander zu verbinden. Kindern und Jugendlichen soll die Chance gegeben werden, ihr Abitur machen zu können und sich gleichzeitig auf ihre sportliche Laufbahn zu konzentrieren. Dabei gibt es verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten, die in dieser Arbeit vorgestellt werden sollen. Da ich wie erwähnt in gewisser Weise hinsichtlich der Beziehung von Schule und Sport vorbelastet bin, hat mich nicht nur die Frage beschäftigt, wie eine Verknüpfung der beiden Karrieren aussehen kann, sondern auch, wie sich die Schü- ler[1] in diesem Verbund von Schule und Sport selbst wahrnehmen. Denken sie, dass sie anders sind als Schüler an „normalen“ Schulen? Wie bewerten sie die Doppelbelastung von Schule und Training? Wie sehen sie ihre Zukunft? Inwieweit sehen sie sich von der Schule auch sportlich unterstützt? Werden sie – ähnlich wie mein Bruder – von ihrem Umfeld an ihrem Vorhaben gehindert oder belächelt? In einem der für diese Studie durchgeführten Interviews machte ein Sportler die folgende Bemerkung:

„Das ist halt schon ein anderes Leben als das, das meine Freunde zuhause zum Beispiel führen.“ (Interviewpartner (IP) 6, S. 155, Z. 42f.)

Was ist das aber für ein Leben, das Jungen und Mädchen eines Sportinternats führen? Wie unterscheidet es sich vom Leben anderer Schüler an anderen Schulen? Und wie empfinden sie ihr eigenes Leben? Diese Fragen stellen sich für mich als Außenstehenden. Ihnen soll im vierten Kapitel im Rahmen der empirischen Studie nachgegangen werden.

Die vorliegende Arbeit wurde – abgesehen von Einleitung und Schlussteil – in drei Kapitel unterteilt. So dient Kapitel 2 der Einordnung der Studie in den Hintergrund der aktuellen Situation von Sportschulen in Deutschland. Es gilt, die existierenden Modelle vorzustellen und zu vergleichen. Dabei muss der Begriff der Sportschule zunächst ausdifferenziert werden, da er sehr leicht zu Missverständnissen führen kann. Betrachtet werden in der Studie Verbundsysteme von Schule und Sport, die zudem mit einem Internat kooperieren. Auch der Begriff des Sportinternats ist hier irreführend, da unter dem Begriff des Internats zumeist lediglich eine Einrichtung zu verstehen ist, in dem die Schüler beherbergt werden, die die Schulen der Verbundsysteme besuchen und nicht im unmittelbaren Einzugsgebiets dieser Schulen wohnen. In den weiteren Ausführungen soll deswegen von Verbundsystemen bzw. Kooperationsmodellen von Schule und Sport die Rede sein. Diese umfassen dabei mehrere Modelle. In der Arbeit sollen die Modelle der sportbetonten Schule, der Partnerschule des Leistungssports, des Sportgymnasiums und der ursprünglichen Form des Sportinternats vorgestellt und – soweit dies möglich ist – miteinander verglichen werden. Vor dem Hintergrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse soll eine Einbettung der in Punkt 4 dargestellten Ergebnisse in den entsprechenden Kontext ermöglicht werden.

Dabei soll auch auf das Schulmodell der Kinderund Jugendsportschulen (KJS) eingegangen werden, wie es bis 1989 in der ehemaligen DDR existierte. Dieses Modell der Verknüpfung von Schule und Leistungssport wird erläutert, um erste Entwicklungen in diesem Bereich aufzuzeigen. Auch bleibt zu klären, inwiefern sich heutige Konzepte an dem der KJS orientieren und mit ihm verglichen werden können.

Das dritte Kapitel der Arbeit beschäftigt sich mit der methodischen Vorgehensweise der Studie. Dabei soll aufgezeigt werden, wie die Studie konzipiert, vorbereitet und durchgeführt wurde. So wird im Besonderen auf die Interviewtechnik und den Interviewleitfaden eingegangen, um den Planungsprozess der Studie zu verdeutlichen. Durch die Vorstellung der besuchten Einrichtungen soll garantiert werden, dass dem Leser die Rahmenbedingungen der Studie und somit der Hintergrund der Schüleraussagen nahe gebracht werden.

Das vierte Kapitel der vorliegenden Arbeit verfolgt das Ziel, Aussagen von Schülern in Hinsicht auf ihre Selbstwahrnehmung vor dem Hintergrund eines Lebens zwischen Schule und Leistungssport zu analysieren. So habe ich neun Schüler interviewt, die unterschiedliche Verbundsysteme von Bildung und Leistungssport besuchen und sie hinsichtlich ihres Lebens in diesen Systemen befragt. In der Analyse der Ergebnisse wird zunächst auf den Zugang der Schüler zum Leistungssport eingegangen. Dabei wird die Fragestellung verfolgt, wie die interviewten Schüler zum Sport aber auch zum Leistungssport und damit an das Internat gekommen sind und wie sich dieser Weg für sie gestaltet hat. Zu klären sind dabei zum einen intrinsische und extrinsische Motivationsstrukturen der Jugendlichen in Bezug auf den Sport, den sie ausü- ben. Zu vermuten ist, dass sie dem Sport eine große Bedeutung zusprechen. Wie äußert sich aber diese Bedeutung in ihrem Lebenslauf und in ihre Entscheidung für das Verbundsystem? Zum anderen gilt es zu erforschen, wie die Leistungssportler selbst die Entscheidung für das Internat bewerten. Fiel ihnen die Entscheidung leicht? Mit dieser Frage ist die Rolle der Eltern eng verknüpft. Aus diesem Grund wird auch die Haltung der Eltern aus Sicht der Schüler zu untersuchen sein.

Außer Frage steht, dass die Schüler an Verbundsystemen von Schule und Sport eine doppelte Belastung auf sich nehmen. Wie diese wahrgenommen und bewältigt wird, ist Teil eines weiteren Forschungsgegenstandes. Eng damit verbunden ist der Lebensstil, den die Jugendlichen führen. Inwiefern sind sie sich aber dessen bewusst, dass sie vielleicht auf gewisse Dinge verzichten müssen und wie gehen sie damit um? Gibt es Dinge, die sie in ihrem Leben vermissen? Fühlen sie sich teilweise überfordert? Zudem sollen die Aussagen der Interviewten in Bezug auf die Wahrnehmung der Meinung anderer über ihren Lebensstil analysiert werden. Was denken die Sportler über das Bild, das sie nach außen hin abgeben? Werden sie als anders wahrgenommen?

Im dritten Analysepunkt wird die Wahrnehmung der Jugendlichen hinsichtlich der schulischen und sportlichen Förderung beleuchtet. Dabei soll auf die Fördermöglichkeiten der Schulen eingegangen werden und darauf, wie diese Förderung von den Sportlern angenommen wird. Legen die Sportler eventuell mehr Wert auf die schulische Unterstützung oder auf die eigene sportliche Entwicklung? Auch die Bedeutung der Lehrkräfte an den Schulen der Verbundsysteme muss in diesem Zusammenhang diskutiert werden. Sie stellen einen wichtigen Faktor im schulischen Alltag der Leistungssportler dar. Von ihnen wird Akzeptanz gegenüber den sportlichen Tätigkeiten der Schüler und deren Förderung erwartet.

In einem letzten Punkt soll die Zukunftsplanung der Jugendlichen in den Mittelpunkt rücken. Dabei spielt die Selbsteinschätzung deswegen eine wichtige Rolle, da die Interviewten eine für sie realistische Prognose für ihre Zukunft aufstellen sollen. Zudem wurden die Befragten mit der Frage konfrontiert, ob sie sich ein Leben ohne den Sport vorstellen können. So soll aufgezeigt werden, inwiefern die Leistungssportler eine Perspektive für ein anderes Leben haben und inwieweit der Sport ihr Leben bestimmt.

Die Herangehensweise bei der Interpretation der vorliegenden, transkribierten Interviews soll so erfolgen, dass der aktuelle Forschungsstand sowie Vermutungen meinerseits mit den Aussagen der interviewten Personen verglichen werden sollen. Ziel ist es dabei, herauszufinden, ob sich die Ergebnisse mit den Vorlagen decken oder ob Divergenzen auftreten.

Es soll noch einmal erläutert werden, dass in der Ergebnisanalyse die Selbstwahrnehmung der Befragten im Vordergrund steht. Die qualitative Form dieser Studie soll dabei garantieren, dass es nicht um quantitative Messungen geht, die Pauschalisierungen und Generalisierungen zulassen, sondern dass die subjektiven Wahrnehmungen der interviewten Schüler aufgezeigt werden sollen. Ziel ist es, herauszuarbeiten, wie die Jugendlichen ihr eigenes Leben in einem Verbundsystem von schulischer Ausbildung und leistungssportlicher Entwicklung wahrnehmen und meistern.

2. Verbundsysteme von Schule und Leistungssport

An dieser Stelle soll ein Überblick über in Deutschland bestehende Modelle von Verbundsystemen zwischen Bildung und Spitzensport erfolgen. Dabei wird auf vier verschiedene Modelle eingegangen, die zunächst vorgestellt und daraufhin verglichen werden sollen. Zudem wird das Konzept der Kinderund Jugendsportschule (KJS) erläutert, wie es bis 1989 in der ehemaligen DDR bestand. Des Weiteren soll überprüft werden, ob die heutigen Modelle mit dem der KJS vergleichbar sind und inwiefern es sich dabei um Nachfolge-Institutionen handelt.

2.1 Kooperationsmodelle von Schule und Sport

Als Kooperationsmodelle von Schule und (Leistungs-)Sport werden Verbundsysteme verschiedener Einrichtungen bezeichnet, die „die Bewältigung der Doppelbelastung durch Schule und Spitzensport“ als zentrale Aufgabe ansehen (vgl. Cachay, 2005, S. 291). Diese Verbundsysteme sollen demnach sowohl die Entwicklung sportlicher Höchstleistungen als auch die Sicherung der schulischen Laufbahn durch eine

„strukturelle Kopplung von Schule und Leistungssport“ sicherstellen (vgl. ebd.). Dabei hebt Cachay die „Funktionalität der Schule“ hervor, die dadurch entsteht, dass für die Leistungssportler die schulischen Strukturen zugunsten des Leistungssports in der Form verändert werden müssen, „dass die schulische Seite nichts verliert, die sportliche Seite aber viel gewinnt“ (vgl. ebd.). Auch Teubert, Borggrefe, Cachay und Thiel greifen diese „Funktionalisierung der Schule aus Sicht des Spitzensports“ auf. Danach ist die leistungssportliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen von den Rahmenbedingungen in der Schule abhängig. Eine Kooperation von Schule und Leistungssport ist also nur dann möglich, wenn in der Schule Bedingungen geschaffen werden, die es erlauben, gleichzeitig schulische und sportliche Anforderungen zu bewältigen (vgl. Teubert; Borggrefe; Cachay & Thiel, 2006, S. 31).

Die Bestandteile eines Verbundsystems von Schule und Leistungssport sind in Abb. 1 dargestellt. Dabei sind den einzelnen Einrichtungen auch Zuständigkeitsbereiche zugeordnet. So entfällt auf (1) die Internate die Aufgabe der individuellen Förderung und Versorgung. An den Internaten finden bspw. Nachhilfeunterricht oder Hausaufgabenbetreuung statt. Zudem ist das Internat insofern nicht aus dem Verbundsystem wegzudenken, als dass es die Schüler oft in unmittelbarer Umgebung von Schule und Sportstätten beherbergt und ihnen somit lange Anreisewege erspart. Neben diesem Zeitfaktor spielt aber auch die auf den Sport zugeschnittene Verpflegung im Internat eine wichtige Rolle. Bei den Internaten kann zudem zwischen Teilund Vollinternaten unterschieden werden. Schüler, deren Elternhäuser nicht in der unmittelbaren Nähe der Schulen und Trainingsstätten liegen, sind normalerweise aus dem bereits genannten Grund der Zeiteinsparung in Vollinternaten untergebracht, da sie dort auch übernachten können und eine ganztägige Verpflegung gewährleistet wird. Währenddessen dienen Teilinternate, an denen lediglich eine Tagesbetreuung (ohne Übernachtung) vorgesehen ist, der sinnvollen Überbrückung von Wartezeiten zwischen Schuloder Trainingseinheiten (vgl. Teubert et al., 2006, S. 32ff.). Hinsichtlich der „(zeit)ökonomischen Organisationsstruktur“, die ein Verbundsystem durch die Einbindung eines Internates aufweist, sprechen Beckmann, Elbe, Szymanski und Ehrlenspiel zudem von der Möglichkeit, der Freizeit und somit der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen mehr Raum zu geben (vgl. Beckmann; Elbe; Szymanski & Ehrlenspiel, 2006, S. 9). Auch Mühlberg hebt die Gewichtung des Internats in einem Verbundsystem hervor. So spricht er den Aspekt der im Leben der Sportschüler „oft knapp bemessenen Freizeit“ an, die die Sportler im Internat häufig selbst gestalten können (vgl. Mühlberg, 1996, S. 34). Die (2) Schule übernimmt die Aufgabe der Unterrichtung, wobei – wie bereits weiter oben erwähnt – die Organisation der schulischen Aufgaben unter der Berücksichtigung der Verknüpfung leistungssportlicher Entwicklungsmaßnahmen eine zentrale Aufgabe der Schule ist. Demgegenüber tragen (3) Sportfachverbände und Sportvereine die Verantwortung für die sportfachliche und sportbezogene Betreuung. Hierunter fallen nicht nur Training und sportliche Ausund Weiterbildung, sondern bspw. auch die medizinische Versorgung (vgl. ebd. S. 38).

Ein zentraler Punkt in Verbundsystemen ist die ständige und intensive Kooperation der einzelnen Bestandteile des Systems. Die Ansprechpartner der von mir besuchten Schulen und Internate, die ich im Rahmen der Studie interviewt habe, hoben einstimmig hervor, dass sich der zuständige Sportkoordinator der Schule, die Internatsleitung und die Trainer der Fachverbände bzw. der Sportvereine ständig über die Entwicklung der Schüler und über eventuell bestehende Problematiken austauschen müssten, so dass ein optimales Zusammenspiel innerhalb des Verbundsystems gewährleistet werden könne.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Verbundsystem von Schule und Leistungssport

Laut einer Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 3. November 2000 entwickelten sich bis Ende des Jahres 1999 144 Kooperationsprojekte. Dabei handelte es sich um 41 Projekte „Sportbetonte Schule“ nd um 103 Projekte „Partnerschule des Leistungssports“, die beide in Punkt 2.1 vorgestellt werden sollen. Insgesamt waren 235 Schulen, 522 für die leistungssportliche Betreuung zuständige Leistungsstützpunkte und 99 Internate (46 Vollnd 53 Teilinternate) in diese Kooperationsprojekte einbezogen. Nach Angaben der KMK wurden 6.312 Kadersportler in den Projekten gefördert. Dabei handelte es sich um 745 Bundeskadersportler und 5.567 Landeskadersportler[2] (vgl. Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik, Kommission Sport [KMK], 2000, S. 7f.). Die KMK, die di „Sicherstellung der bestmöglichen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in sportlicher und schulischer wie auch sozialer und persönlicher Hinsicht“ als zentrale Zielsetzung von Verbundsystemen von Schule und Leistungssport sieht, zeigt neun für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Kooperationsmodelle bedeutende Merkmale auf, die an dieser Stelle in verkürzter Form zusammengefasst werden sollen:

1. Sportliche, sportmedizinische und schulische Aufnahmekriterien
2. Eine räumliche Bündelung von Sport, Schule und Wohn-/Betreuungsbereich
3. Die Koordination der schulischen und sportlichen Anforderungen
4. Mehrmaliges tägliches Training
5. Eine flexible Regelung der Schullaufbahn
6. Sportklassen, Sportkurse bzw. Sportzüge als Sportprofile
7. Den Einsatz hoch qualifizierter Trainer
8. Eine wissenschaftliche Betreuung der Athleten in Form einer trainingswissenschaftlichen und sportmedizinisch-physiologischen Leistungsdiagnostik
9. Regionale Koordinationsgremien der Verbundsysteme (vgl. ebd. S. 15f.)

Schulen, die Bestandteil eines Verbundsystems von Schule und Leistungssport sind, können vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) mit dem Prädikat „Eliteschule des Sports“ ausgezeichnet werden, womit eine finanzielle Unterstützung zusammenhängt. Beantragt eine Schule dieses Prädikat, wird die Einrichtung vom „Arbeitskreis Eliteschulen des Sports“ des DOSB hinsichtlich mehrerer Qualitätskriterien untersucht (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund, 2008, Abs. 2). Zu diesen Kriterien gehören:

1. Die Attraktivität der (potenziellen) Eliteschule des Sports
2. Effiziente Bedingungen für die sportliche Ausbildung
3. Regionale und überregionale Wirkungsmöglichkeiten
4. Koordination und Management der Zeitbudgets
5. Sportliche und bildungsbezogene Erfolge der Absolventen (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund, 2003, S. 2-4).

Der Status einer Eliteschule des Sports wird für vier Jahre vergeben. Im Rhythmus der Austragung der Olympischen Spiele erfolgt alle vier Jahre eine Überprüfung der Schulen bezüglich der Erfüllung aller Qualitätskriterien. Danach wird vom Arbeitskreis „Eliteschulen des Sports“ entschieden, ob der Status erneuert oder aberkannt wird. Derzeit existieren in Deutschland 38 Eliteschulen des Sports. (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund, 2008, Abs. 2).

Im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgt eine genaue Beschreibung von verschiedenen in Deutschland existierenden Verbundsystemen, die sich als die erfolgreichsten Modelle herauskristallisiert haben (vgl. KMK, 2000, S. 13). Dabei soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Einrichtung des Sportinternats, wie sie in 2.1.1 erläutert wird, partiell von dem Muster der Verbundsysteme abweicht. Zwar bestehen heute zumeist Verbindungen von Sportinternaten zu Schuleinrichtungen, jedoch gilt das Sportinternat in seiner ursprünglichen Form als schulexterne Einrichtung, die von außen auf schulische Förderung zurückgreift (vgl. Brettschneider; Drenkow; Heim & Hummel, 1993, S. 379). Die weiteren Einrichtungen, die in Punkt 2.1.1 vorgestellt werden, sind dagegen interne Bestandteile von Verbundsystemen, in denen Sport, Schule und Internat eng miteinander kooperieren.

2.1.1 Sportinternate

Sportinternate sind – wie schon erwähnt – diejenigen Einrichtungen, die sich teilweise von den anderen in Punkt 2.1 vorgestellten Institutionen unterscheiden. Ende der 80er Jahre gab es in der Bundesrepublik Deutschland 18 selbstständige, schulexterne Sportinternate, die etwa 500 Leistungssportler beherbergten und förderten. Bei den Internaten handelt es sich um „funktionale Zweckeinrichtungen des Sports“ (vgl. Brettschneider; Klimek, 1998, S. 24). Das bedeutet, dass die Einrichtung Sportinternat zwar Verbindungen zu Schulen aufweist, jedoch nicht als „staatlich kontrollierte Bildungseinrichtung gilt“ (vgl. ebd.). Oft liegen also Kooperationen mit Schulen vor. Als Hauptaufgabe sehen Sportinternate für sich, den jugendlichen Sportlern eine optimale Entwicklung im Leistungssport dadurch zu ermöglichen, indem Training, Lernen und Wohnen an einem Ort konzentriert werden kann (vgl. ebd.). Zumeist stehen die Internate unter privater oder kommunaler Trägerschaft. Das einem Fußballverein angegliederte Internat, das in Punkt 3.2.3 vorgestellt wird, obliegt bspw. der Trägerschaft des Vereins. Häufig besteht zudem eine Kooperation zum örtlichen Olympiastützpunkt (OSP)[3] oder zu Leistungszentren. Als prominentes Beispiel sei an dieser Stelle das Fechtinternat in Bonn angeführt, das an das Bundesleistungszentrum für Fechten und den Olympiastützpunkt Rheinland angebunden ist (vgl. Sportinternat Bonn, 2008, Abs. 2).

Nach Brettschneider und Klimek lag bei der sportlichen Talentförderung in der Bundesrepublik der 80er Jahre das Augenmerk eindeutig auf den Sportinternaten, während eine innerschulische sportliche Förderung – wie sie an den Beispielen der folgenden drei Einrichtungen beschrieben wird – noch nicht gab. Als möglicher Grund dafür wird das Ausbleiben der Zusammenarbeit von Schulen und Sport in dieser Zeit genannt, wobei dafür wahrscheinlich sowohl die Seite der Schulen als auch die des Sports die Verantwortung trugen (vgl. Brettschneider; Klimek, 1998, S. 24). Daraus kann gefolgert werden, dass sich – zum Teil bis heute – Schulen und Sportinternate bei der Angelegenheit der Talentförderung im Sport gegenseitig im Weg standen (vgl. ebd. S. 24f.).

In der heutigen Zeit sind Internate jedoch oft Bestandteil eines Verbundsystems von Schule und Leistungssport und somit wichtiges Bindeglied zwischen Schule und Sport[4]. Eine Variante, in der es sich um ein Sportinternat unter privater Trägerschaft handelt, ist eher die Ausnahme (vgl. Lux, 2008, S.1).

Im Folgenden wird häufig von Sportinternaten als den Schulen angegliederten Internaten gesprochen. Dabei soll verdeutlicht werden, dass das Internat heute eine zentrale Rolle im Verbundsystem von Schule und Leistungssport darstellt und heutzutage die intensive Zusammenarbeit von Internat und Schule auf der einen und Sportfachverband oder Sportverein auf der anderen Seite unverzichtbar ist.

2.1.2 Sportbetonte Schulen

Das Modell der Sportbetonten Schule liegt einem Versuchsprojekt an drei ehemaligen Kinderund Jugendsportschulen in Berlin aus dem Jahr 1991 zugrunde. Nach der deutschen Wiedervereinigung musste die Schulform der KJS grundlegend geändert werden, da sie nicht mehr mit den im Westteil Deutschlands bestehenden schulrechtlichen Bestimmungen vereinbar war (vgl. Ledig; Wojciechowski, 2003, S. 383). Die drei betroffenen Schulen in Berlin wurden demnach zu sportbetonten Schulen umstrukturiert. Inwieweit die neue Schulform der der früheren KJS ähnelte und inwieweit das Konzept umgeändert wurde, soll in Punkt 2.2.2 weiter ausgeführt werden. An dieser Stelle möchte ich stattdessen auf die Struktur der sportbetonten Schule und vor allem auf die Gewährleistung von Fördermöglichkeiten im Rahmen eines Verbundsystems von Schule und Leistungssport eingehen.

Grundsätzlich können sich die Schulen hinsichtlich Schultyp und Profilsportarten, in denen die Schüler gefördert werden, unterscheiden. Bereits die Versuchsschulen in Berlin taten dies. So nahmen an dem Projekt in Berlin zwei Gesamtschulen und ein Gymnasium mit jeweils unterschiedlichen Profilsportarten teil (vgl. ebd. S. 385). Eine Gemeinsamkeit der sportbetonten Schulen zeigt sich dagegen in dem Konzept der Sportklassen, das eine gezielte Förderung der Leistungssport treibenden Schüler garantieren soll. Dabei kann wiederrum zwischen reinen Sportartenklassen (die bspw. nur Schwimmer umfassen), reinen Sportlerklassen (die nur aus Sportlern, die allerdings eventuell aus verschiedenen Sportarten kommen, bestehen) und heterogenen Klassen (Klassen mit Sportlern und Nichtsportlern) unterschieden werden (vgl. Brettschneider; Klimek, 1998, S. 31). Durch die Einführung von Sportklassen soll garantiert werden, dass durch eine gesonderte Stundenplanung dieser Klassen Vormittagstraining in den zu fördernden Sportarten stattfinden kann.

Brettschneider und Klimek sprechen in ihrer 1998 veröffentlichten Studie über die drei Berliner sportbetonten Schulen von einer „äußeren und inneren Verzahnung von Unterricht und Training“, die „das Kernstück des pädagogischen Konzepts“ der Schulen darstellt (vgl. ebd.):

„Die äußere Verzahnung beinhaltet alle Maßnahmen von seiten [sic] der Schulen, Trainingszeiten in den Tagesablauf zu integrieren, um zwei Trainingseinheiten täglich oder zumindest an einigen Tagen der Woche zu gewährleisten. (…) Zur inneren Verzahnung gehören alle schulischen Unterrichtsformen, die für das Training bzw. zur Unterstützung der Trainingstätigkeiten genutzt werden.“ (Brettschneider; Klimek, 1998, S. 33f.)

Nach Mühlberg basiert die äußere Verzahnung auf mehreren Voraussetzungen: Neben der „Art der Klassenzusammensetzung nach Sportarten, Trainingsintensität oder Trainingsumfang“ spielt demnach die „Berücksichtigung der Trainingszyklen und Wettkampfhöhepunkte“ eine grundlegende Rolle. Eine weitere Bedingung für die äu- ßere Verzahnung ist die spezielle Stundenplangestaltung und die „Abstimmung zum Sportstättenbedarf für Schulsport und Training“ (vgl. Mühlberg, 1996, S. 33). Hinsichtlich der inneren Verzahnung ist eine Integration der Trainer der Fachverbände bzw. Sportvereine unabdingbar. Durch ihren Einsatz in das – über den ganzen Tag verteilte – Training in den jeweiligen Profilsportarten kann garantiert werden, dass Training und Schule Hand in Hand gehen und sich das Training nicht „in den Abendstunden ballt“ (vgl. ebd.).

In meinen Gesprächen mit den Sportkoordinatoren der besuchten sportbetonten Schulen wurde deutlich, dass die Schulen auf verschiedene Umsetzungen der inneren und äußeren Verzahnung von Schule und Training zurückgreifen. Die Umsetzungsmöglichkeiten seien dabei abhängig von der jeweilig gegebenen Schulstruktur. So spielen bspw. die Anzahl der zu fördernden Athleten, die zu unterstützenden Profilsportarten sowie personelle oder räumliche Kapazitäten eine Rolle. In den Gesprä- chen wurden Fördermaßnahmen wie die Einführung zusätzlicher Sportstunden, die pflichtgemäße Belegung eines Sportleistungskurses in der gymnasialen Oberstufe oder auf bestimmte Sportarten speziell zugeschnittene Stundenpläne angesprochen. Bezüglich der schulischen Zusatzförderung war die Rede von der Einführung spezieller Nachhilfeangebote für die Athleten, die sich auf Wettkampffahrten befinden und flexiblen Klausurund Prüfungsterminen. Eine genauere Beschreibung der Fördermaßnahmen soll aber in Punkt 3.2 erfolgen, da bei der Vorstellung der besuchten Einrichtungen direkt Bezug auf die Ausführungen der Sportkoordinatoren genommen wird.

Für den Moment bleibt festzuhalten, dass sich sportbetonte Schulen dadurch auszeichnen, dass sie durch die Einführung von Sportklassen versuchen, eine Verzahnung von Schule und Training herzustellen. Dabei gibt es kein einheitliches Konzept, sondern es wird auf unterschiedliche Methoden zurückgegriffen, um die jungen Leistungssportler sowohl schulisch als auch sportlich zu fördern und gleichzeitig ihre Gesamtentwicklung zu unterstützen (vgl. ebd. S. 31).

2.1.3 Partnerschulen des Leistungssports

Partnerschulen des Leistungssports entstanden zu Beginn der 90er Jahre als Äquivalent zu den sportbetonten Schulen, die – wie schon erwähnt – aus den KJS in den neuen Bundesländern erwuchsen. Entwickelt wurde das Modell in Nordrhein- Westfalen (NRW), wobei es sich im Laufe der Jahre zunehmend auf die übrigen alten Bundesländer ausweitete (vgl. Hiersemann, 1996, S. 31). Der Name dieses Konzeptes fußt auf den Partnerschaften von Schulen mit Sportvereinen bzw. Sportverbänden. Dabei spielt die Schulform der Partnerschulen keine Rolle. So sind sowohl Gymnasien und Gesamtschulen als auch Realund Hauptschulen in die Projekte miteinbezogen (vgl. ebd.).

Der Sportkoordinator einer von mir besuchten Schule verglich in unserem Gespräch das Modell der Partnerschule des Leistungssports mit dem der sportbetonten Schule und erläuterte etwas lapidar, dass dort „auf einer kleineren Flamme gekocht“ werde. Damit sollte gemeint sein, dass das Maß an sportlicher Unterstützung geringer sei. Tatsächlich unterscheidet sich das Modell mit dem in 2.1.2 beschriebenen hauptsächlich dadurch, dass das Konzept der Sportklassen hier keine Beachtung findet. Aufgabe ist es auch hier auf die sportliche Entwicklung der sportlich talentierten Schüler durch die Einführung von schulischen Fördermaßnahmen Rücksicht zu nehmen. Dabei wird auf Maßnahmen wie Freistellungen der Sportler vom Unterricht, Hausaufgabenbetreuung und Stützbzw. Förderunterricht zurückgegriffen (vgl. ebd.). Die sportliche und schulische Förderung verlangt wiederrum eine enge Zusammenarbeit von Leistungsstützpunkten, Partnerschulen und Internaten, denen auch hier eine zentrale Rolle zugeschrieben werden muss, da dort schulische Fördermaßnahmen in Form von zusätzlichem Unterricht organisiert werden können. Im Vergleich zu den sportbetonten Schulen sind in das Kooperationsmodell von Sport und Partnerschulen des Leistungssports jedoch vermehrt Teilinternate integriert. So stellte die KMK im Jahr 2000 dar, dass von den 103 bestehenden Partnerschulen des Leistungssports 43 Kooperationsprojekte mit 17 Vollund 40 Teilinternaten kooperierten, während von den 41 erfassten sportbetonten Schulen 29 mit Vollund 13 mit Teilinternaten zusammenarbeiteten, wobei 80% der Sportler von sportbetonten Schulen ein Vollinternat besuchten (vgl. KMK, 2000, S. 8). Der Grund dafür, dass Partnerschulen hauptsächlich mit Teilinternaten kooperieren, könnte zum einen in der – im Vergleich zu den sportbetonten Schulen – etwas schwächeren finanziellen Lage liegen. Zum anderen darin, dass die Schüler von Partnerschulen hauptsächlich aus dem direkten Einzugsgebiet der Schulen kommen und somit eine Einbindung eines Vollinternats nicht unbedingt notwendig ist. An der Erhebung der KMK fällt auch auf, dass 60 von 103 Partnerschul-Modellen keine Kooperation mit Internaten aufweisen. An diesen Schulen kann die Förderung demnach nur in bedingtem Maße erfolgen, da das Internat als wichtiges Bindeglied zwischen schulischer und sportlicher Förderung angesehen wird. Die Schulen, die nicht mit einem Teilinternat kooperieren, könnten sich noch im Aufbau befinden oder es wird versucht, die Tagesbetreuung in der Schule selbst, bzw. an den Sportstätten und Leistungszentren durchzuführen. Es muss an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass es sich um Zahlen aus dem Jahr 2000 handelt und sich seitdem eine enorme Entwicklung im Bereich der Kooperationsprojekte vollzogen haben dürfte.

Hiersemann, der in Nordrhein-Westfalen beim Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport den Posten des Ministerialrats bekleidet, arbeitet in seinem Artikel von 1996 einige Grundsätze heraus, an denen sich ambitionierte Partnerschulen und ihre Partner im sportlichen, schulischen und organisatorischen Bereich bei der Umsetzung ihrer Aufgaben orientieren sollten:

- Eine Partnerschule sollte im direkten Einzugsbereich eines Olympiaoder Leistungsstützpunktes liegen und mit den umliegenden Partnerschulen im gleichen Einzugsbereich kooperieren
- Die Sportfreundlichkeit der Schule sollte sich in einem besonderen Sportangebot widerspiegeln
- Den Leistungssport treibenden Schülern sollte eine „vorausschauende Laufbahnberatung“ gewährt werden. Dies umfasst sowohl „ergänzende unterrichtliche Betreuung als auch wohlwollende Entscheidungen bei Beurlaubung und/oder Befreiungen vom Unterricht“.
- Im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Partnern aus dem Bereich Sport muss eine flexible Terminplanung garantiert werden. Des Weiteren müssen regelmäßige Absprachen zwischen den Vertretern aller Seiten erfolgen.
- In vielen Sportarten muss Vormittagstraining ermöglicht werden. Die versäumten Stunden müssen nachgeholt werden.
- Partnerschulen werden aufgrund der zusätzlichen Aufgaben „Lehrstellenanteile und/oder Lehrerwochenstunden zugewiesen“.
- Es können von den Sportlern der Partnerschulen die Sportstätten der Olympia- bzw. Leistungsstützpunkte genutzt werden.
- Die Trainer der Sportpartner sind berechtigt, „an der Gestaltung des Schullebens und des Sports mitzuwirken“. (vgl. Hiersemann, 1996, S. 32).

2.1.4 Sportgymnasien

Die von mir in dieser Arbeit als „Sportgymnasien“ bezeichneten Schulen mit sportlichem Schwerpunkt fallen generell unter die Kategorie der sportbetonten Schulen, wie sie in 2.1.2 beschrieben wurden. Jedoch heben sie sich durch einige besondere

Strukturmerkmale hervor, so dass ich der Form des Sportgymnasiums eine eigene Beschreibung zukommen lassen möchte. Da diese Schulform zu den sportbetonten zählt und den Sportgymnasien im Einzelnen in der Literatur nur wenig Beachtung geschenkt wird, werde ich mich in meinen Aussagen auch auf ein Gespräch beziehen, dass ich mit dem Sportkoordinator des von mir für die Studie besuchten Sportgymnasiums geführt habe.

Bei meiner Recherche stieß ich auf 12 Schulen in Deutschland, die den Namen Sportgymnasium tragen. Elf dieser Schulen sind in den neuen Bundesländern zu finden, während lediglich ein Sportgymnasium seinen Standort im Bundesland Bayern hat. Diese Schule soll im Folgenden außer Acht gelassen werden, weil es sich dabei um eine Privatschule handelt und sie sich deshalb von der Struktur der anderen Sportgymnasien grundlegend unterscheidet, da diese öffentliche Schulen – wenn auch mit Zugangsbedingungen – sind. Betrachtet man also die elf Schulen in den neuen Bundesländern, so stellt man fest, dass sie alle aus ehemaligen Kinderund Jugendsportschulen erwachsen sind. Wie auch bei der Vorstellung des von mir untersuchten Sportgymnasiums in 3.2.4 näher beschrieben wird, standen die KJS nach der deutschen Wiedervereinigung vor einer Legitimationskrise. Nichtsdestotrotz wandelten sie sich früher oder später allesamt zu Schulen mit sportlichem Schwerpunkt, wie auch das Versuchsprojekt an den drei Berliner Schulen, das in Punkt 2.1.2 angesprochen wurde, verdeutlicht. Viele der Schulen konnten dabei weiterhin auf die Rahmenbedingungen der früheren KJS zurückgreifen. Diese Tatsache erleichterte für sie in hohem Maße die Neustrukturierung zu sportbetonten Schulen, da Internate und Sportstätten schon vorhanden waren.

Generell verfolgen die Sportgymnasien heute das gleiche Ziel wie alle sportbetonten Schulen, nämlich die Verknüpfung von schulischer und sportlicher Förderung unter Berücksichtigung der individuellen Entwicklung der Schüler. Dennoch gibt es einige Unterschiede in der Umsetzung dieser Förderung. Zum einen werden Sportgymnasien ausschließlich von Athleten besucht, während die sportbetonten Schulen in den alten Bundesländern „normale“ Schulen mit Sportklassen sind. Die Grundlage für diese Tatsache ist in der Gesetzgebung der neuen Länder verankert. Darin gelten die Sportgymnasien in vielen Ländern als „Spezialschulen“, deren Aufgabe die „Begabtenförderung“ ist (vgl. Thüringer Schulordnung, 2004, §140). An einem Sportgymnasium kann demnach nur eingeschult werden, wer erfolgreich an einer Eignungsprüfung teilgenommen hat. Teubert, Borggrefe, Thiel und Cachay greifen den

Status der Sportgymnasien als Spezialschulen des Sports auch hinsichtlich einer „effektiveren Verzahnung von Spitzensport und Schule“ auf. So erlaubt dieser Status unter anderem „modifizierte Stundentafeln und Lehrpläne“, während bspw. in Nordrhein-Westfalen den kooperierenden Schulen „schulrechtlich lediglich Projektoder Modellcharakter eingeräumt“ wird, wodurch eine Umgestaltung der verbindlichen Lerninhalte unmöglich wird. Des Weiteren ist an den Sportgymnasien zur besseren Vereinbarkeit von Leistungssport und Schule eine Streckung der gymnasialen Oberstufe von den üblichen zwei auf drei Jahre üblich (vgl. Teubert et al., 2005, S. 296). Anhand der gesetzlichen Grundlage und aufgrund der Aussagen des Sportkoordinators der Schule, wie sie in Punkt 3.2.4 erläutert werden, bleibt zu diskutieren, inwiefern an Sportgymnasien wieder der Leistungssport das Primat gegenüber der schulischen Ausbildung gewonnen hat. Fest steht jedoch, dass sie im Vergleich zu sportbetonten Schulen in den alten Bundesländern durch ihre Struktur zum Teil erhebliche Vorteile in der Verbindung von schulischer und sportlicher Förderung aufweisen.

2.2 Sportschulmodelle in der ehemaligen DDR

2.2.1 Die Kinderund Jugendsportschule (KJS)

Bei einer Literaturrecherche zum Thema der Kinderund Jugendsportschulen wird sehr schnell klar, dass es sich dabei um ein sehr komplexes Thema handelt, das bereits – besonders nach der deutschen Wiedervereinigung und der anschließenden Möglichkeit der Einsicht in bis dato geheim gehaltene KJS-Unterlagen – Bestandteil einiger intensiver Studien war. Ich möchte daher an dieser Stelle betonen, dass aus zeitlichen Gründen diese Thematik nur angeschnitten werden kann. Im Folgenden soll lediglich ein kurzer Abriss der Entwicklung und Struktur der KJS erfolgen.

Bei der Erläuterung der Entwicklung der Kinderund Jugendsportschulen werde ich mich hauptsächlich auf die Ausführungen der von Helfritsch und Becker im Jahr 1993 veröffentlichtenDokumentationsstudie Pädagogische KJS-Forschungstützen. Dabei unterteilen die Autoren die Entwicklung der Schulen in vier Stufen:

1. Die KJS als allgemeinbildende Schule mit erweitertem Sportunterricht und beginnender Förderung sportbegabter Schüler in ihren Spezialsportarten und - disziplinen (1952-1961)
2. Die Entwicklung der KJS zu Spezialschulen des Leistungssport (1962-1975)
3. Die weitere Profilierung der KJS als Einrichtungen für den Hochleistungssport (1975-1990)
4. Die Dezentralisierung der KJS und ihre Umgestaltung zu Gesamtschulen bzw. Gymnasien mit sportlichem Schwerpunkt (nach 1990)

(vgl. Helfritsch & Becker, 1993, S. 16ff.)

In der Anfangsphase unterschieden sich die KJS strukturell in vielen Aspekten nicht von „normalen“ allgemeinbildenden Schulen. Sie wiesen lediglich einen erweiterten Sportunterricht und weiterführendes Nachmittagstraining in einer Spezialsportart auf. Dabei waren die Schulen zwar „sportaber nicht leistungssportorientiert“ und das Primat lag eindeutig bei der schulischen Ausbildung. So befanden sich Kooperationen zu Sportvereinen noch im Aufbau und es gab noch keine „sportartspezifisch zusammengesetzten Klassen“ (vgl. ebd. S. 16). Auch unterschieden sich die KJS in ihrem Anfangsstadium bezüglich ihrer „materiell-technischen Ausstattung“ noch nicht von „normalen“ Schulen und die Schüler wurden bis dato nicht in Internaten untergebracht, da sie ihr Einzugsgebiet hauptsächlich in der direkten Umgebung vorfanden (vgl. ebd. S. 16). Ein wichtiges Charakteristikum, das das spätere Modell der KJS auszeichnete war ebenfalls noch nicht gegeben: „ein zentral gesteuertes oder normiertes Vorbereitungs-, Sichtungsund Auswahlsystem“ (vgl. ebd.).

In den Jahren von 1962 bis 1975 fand eine entscheidende Entwicklung der KJS zu Spezialschulen des Leistungssports statt. Diese Entwicklung äußerte sich zum einen in der inneren Struktur der Schulen, zum anderen aber auch in der externen, organisatorischen Struktur, in die die KJS eingebettet war. Die innere Schulstruktur veränderte sich insofern, als dass die KJS zu 10klassigen Schulen ausgebaut wurden und

„leistungssportlich langfristig geeigneten und abiturfähigen Jugendlichen“ die Möglichkeit zu einem anschließenden dreijährigen Abiturkurs eröffneten (vgl. ebd. S. 18). Zudem gestaltete sich die Verknüpfung von nun intensiverem leistungssportlichem Training bei gleichbleibenden schulischen Erwartungen an die Schüler als zunehmend schwieriger, so dass die Unterrichtsorganisation erheblich umstrukturiert werden musste. Nach Helfritsch und Becker betraf dies unter anderem:

- Die Koordinierung und zeitliche Abstimmung von Unterrichtsund Trainingsumfängen
- Wechsel unterschiedlicher Belastungen im Tagesablauf
- Festlegung der Termine der Schulferien und Verlagerung von Prüfungsterminen unter Berücksichtigung sportspezifischer Erfordernisse
- Die Zusammensetzung der Klassen nach Sportarten
- Unterrichtliche Betreuung von Schülern während der Sportlehrgänge außerhalb des Heimatortes

(vgl. ebd.)

In diesen Jahren erhielten die Schulen ihren „top-secret-Status“, der die Einsicht in alle relevanten Unterlagen der KJS-Strukturen verhindern sollte. Dies führte „zu einer wachsenden Abschottung der KJS gegenüber der Öffentlichkeit“, brachte aber auch Kooperationsbeziehungen der Schulen untereinander mit sich (vgl. ebd. S. 19). Die zunehmende Leistungssportförderung verlangte zudem bessere Rahmenbedingungen der Einrichtungen selbst. So wurden Internate als zentrale Einrichtung an allen KJS eingeführt. Weiterhin kam es zu einer „Schulzeitstreckung, d.h. zur Verteilung des Lernstoffes von zwei Unterrichtsjahren auf drei Schuljahre“ (vgl. ebd.) und die materiellen Rahmenbedingungen sowie die Schul-, Wohnund Sportstätten wurden verbessert (vgl. ebd. S. 23). Wie schon erwähnt veränderte sich aber auch die organisatorische Struktur, in die die Institution KJS eingebettet war. Wichtig zu erwähnen sind hier zum einen das einheitliche Sichtungsund Auswahlsystem (ESA), das dem System der KJS zugrunde lag (vgl. ebd. S. 22). Willi Knecht (1999) arbeitet in seinem Artikel über die Wandlung der KJS zu Eliteschulen des Sports einige Merkmale des Auswahlsystems der KJS heraus:

Nach einem peniblen Auswahlsystem, durchschnittlich dreijähriger Vorbereitungszeit, medizinischen Eignungstests und strenger Aufnahmeprüfung wurden nur Schüler/innen zugelassen, die im grundschulischen Turnund Sportunterricht mindestens die Note 2 aufzuweisen hatten und deren Notendurchschnitt in den schulischen Lernfächern mindestens 2,5 betrug. KJS-Schüler/innen mussten Mitglied der Thälmann-Pioniere oder der FDJ sein.“ (Knecht, 1999, S. 74)

Knecht stellt aber auch die eindrucksvolle Systematik des Förderungssystems dar, das einer Aufnahme an der KJS vorgeschaltet war:

„Die Struktur der 1. Förderstufe bestand aus 1685 Trainingszentren (TZ) und ca. 150 Trainingsstützpunkten (TS) des DTSB (Deutschen Turnund Sportbundes der DDR; Herv. d. Verf.); sie umfaßte [sic] in 24 olympischen Sportarten 54960 Trainierende in einem dreijährigen Grundlagentraining (GLT). Zur Sicherung der Kaderpyramide stand vor 7300 Übungsleitern und 1970 Trainern der 1. Förderstufe die Aufgabe, jährlich 23000 sportlich geeignete Jungen und Mädchen für die Aufnahme in die TZ/TS zu gewinnen, von denen ca. 10000 bis 11000 zu Beginn des dritten Trainingsjahres für die Auswahl und Aufnahme in die Kinderund Jugendsportschulen und die Sportclubs und Fußball- clubs vorbereitet und vorgestellt werden sollten.“ (Knecht, 1999, S. 76 nach Ledig, 1998, S. 22)[5]

Aber auch die wissenschaftliche Betreuung der Kinderund Jugendsportschulen, die aufgrund der nunmehr sehr differenzierten leistungssportlichen Arbeit unabdingbar war muss an dieser Stelle genannt werden. Das Resultat dieser sportund vor allem trainingswissenschaftlich notwendigen Betreuung der Schulen mündete in der Ernennung der KJS Halberstadt zur „KJS-Forschungsschule“ (vgl. Helfritsch & Becker, 1993, S. 19). In dieser Phase der Entwicklung gab die KJS die gesamte sportliche Förderung in die Verantwortung der Sportclubs, mit denen sie kooperierte (vgl. Brettschneider; Drenkow; Heim & Hummel, 1993, S. 379). Dieses Konzept trug ebenfalls maßgeblich zum Erfolg der leistungssportlichen Förderung bei und gab den KJS mehr Raum zur Arbeit im Bereich der schulischen Förderung unter Berücksichtigung der leistungssportlichen Entwicklung der Schüler. Die Entwicklung in diesen Jahren trug maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Schüler der KJS an internationalen Turnieren und schließlich auch Olympischen Spielen Medaillen gewinnen konnten. So wurde die KJS „zur entscheidenden Grundlage der Erfolge der DDR im internationalen Spitzensport“ (vgl. Helfritsch & Becker, 1993, S. 23).

Die hohe Erfolgsquote der KJS-Absolventen ließ natürlich auch den Druck auf die Einrichtung und deren Schüler in den Folgejahren steigen. Dementsprechend profilierte sich die KJS in den Jahren 1975 bis 1990 als Einrichtung für die Nachwuchsförderung im Hochleistungssport. Folgen des steigenden Leistungsdrucks und der damit verbundenen Steigerung der Trainingsintensität waren die weitere Individualisierung der schulischen Fördermaßnahmen, z.B. durch intensivere und individuellere schulische Betreuung der Athleten, etwa in Einzelgruppen oder eine bessere schulische Förderung auch während der Wettkampfzeiten und sportspezifischen Lehrgängen, bspw. durch eigens konzipierte, programmierte Unterrichtsmaterialien (vgl. ebd. S. 26). Demnach waren Klassen, die nur aus einem Schüler bestanden nicht ungewöhnlich. Mitte der achtziger Jahre umfasste sogar jede dritte Klasse in der Oberstufe (Klassen elf bis 13) nur einen Schüler (vgl. Knecht, 1999, S. 74). Um das Konzept der KJS weiter zu profilieren wurde zudem das Eintrittsalter für einige Sportarten neu festgelegt. So wurden bspw. Eiskunstläufer nun schon ab dem ersten, Turner ab dem dritten und Wasserspringer ab dem vierten Schuljahr aufgenommen (vgl. Helfritsch & Becker, 1993, S. 26). Das weiterhin konstant gute Abschneiden der KJS- Absolventen im internationalen Vergleich erweckte natürlich auch das Interesse der leistungssportlichen Organisatoren in der Bundesrepublik. Aufgrund des top-secret- Status der KJS kam es jedoch nie zu Gesprächen der beiden Seiten (vgl. ebd. S. 28).

Erst mit der deutschen Wiedervereinigung und der Auflösung der KJS nach 1990 waren die Unterlagen einzusehen. Es bestand ein reges Interesse an der Strukturierung der nun ehemaligen Kinderund Jugendsportschulen und es gab mehrere Ansätze, inwiefern diese umgewandelt werden könnten. Schließlich kam es zu Umstrukturierungen in Sportgesamtschulen, Spezialschulen für Sport, Schulen mit sportbetonten Zügen oder Sportgymnasien (vgl. ebd. S. 30ff.). Die letzten drei Modelle wurden bereits in Punkt 2.1 angesprochen. Symptomatisch für die Umstrukturierung der KJS nach 1990 war erstens die Wiederherstellung des Primats der schulischen Ausbildung, zweitens die Auflösung der ab 1961 entstandenen engen Verbindung der Schulen zu Sportvereinen und drittens die Reduzierung personeller und finanzieller Vergünstigungen an den Schulen (vgl. ebd. S. 31). Wie in Punkt 3.2.4 am Beispiel des von mir besuchten Sportgymnasiums verdeutlicht wird, wurden die KJS nach ihrer Umstrukturierung zunächst wieder für alle Schüler geöffnet, womit eine sportliche Eignung als Zugangskriterium nicht mehr notwendig war. Erst einige Jahre spä- ter entwickelten sich die Schulen wieder zu sportbetonten Einrichtungen, was in der Öffentlichkeit zwar vielerorts kritisch diskutiert wurde, aber dennoch als begrüßenswert galt. So erklärte der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB) Manfred von Richthofen im Jahr 1996 das Konzept der sportbetonten Schule als Nachfolgeeinrichtung der KJS als unabdingbar. Und auch der letzte Präsident des Deutschen Turnund Sportbundes der ehemaligen DDR, Martin Kilian, bezeichnete es als „Segen, dass sich die DDR-Sportschulidee erhalten konnte“ (vgl. Helfritsch, 2003, S. 469).

2.2.2 Zur Vergleichbarkeit von KJS mit ihren Nachfolgern

Aus der Beschreibung der heute existierenden Verbundsysteme von Schule und Leistungssport sowie der Darstellung des Modells der Kinder und Jugendsportschule geht bereits hervor inwiefern die Konzepte miteinander vergleichbar sind. Im Folgenden soll zusammenfassend auf Ähnlichkeiten und Differenzen der Modelle eingegangen werden.

Ein großer und entscheidender Unterschied von KJS und heutigen Schulsportmodellen ist die Sichtung und Auswahl der Schüler vor der Aufnahme an die Schule. Laut Brettschneider, Drenkow, Heim und Hummel war das Sichtungssystem, das Schüler vor der Berufung zu einer KJS durchliefen das „Erfolgsgeheimnis“ der KJS (vgl. Brettschneider et. al., 1993, S. 380). Die Schüler der heutigen Verbundsysteme müssen zwar auch Kriterien hinsichtlich ihrer sportlichen Leistung erfüllen und werden – wie im Fall des von mir vorgestellten Sportgymnasiums – von Fachverbänden empfohlen, werden aber nicht von den Schulen gesichtet und ausgewählt. Vielmehr bewerben sich die Schüler selbst an den Einrichtungen. Eine Ausnahme bildet das Internat, das einem Fußballverein angeschlossen ist und das ich in Punkt 3.2.3 vorstelle. In diesem Fall handelt es sich jedoch um eine private Institution und nicht um eine schulische Einrichtung. Ein vom staatlichen Bildungssystem organisiertes Netzwerk, nach dem landesweit nahezu flächendeckend sportliche Talente gesichtet und ausgewählt werden gibt es heute in dieser Form nicht mehr (vgl. Ledig; Wojciechowski, 1993, S. 383). Dieser „selektive Charakter“ der KJS wurde teilweise schon zu DDR-Zeiten kritisiert (vgl. ebd. S. 384). Die strenge Selektion der Schüler resultierte in einem weiteren Unterschied zu einigen heutigen Einrichtungen. So wurden die KJS ausschließlich von Athleten besucht. Dies nähert sie der heutigen Form der Sportgymnasien an, wo dies ebenso der Fall ist. Die Modelle in den alten Bundesländern hingegen besuchen weitestgehend Nicht-Sportler. Ledig und Wojciechowski betrachten diese Entwicklung, die auch die KJS direkt nach ihrer Umstrukturierung nahm, durchaus kritisch, da die sportliche Entwicklung von Jugendlichen eher dann positiv verläuft, wenn sich Sportler der gleichen Sportarten und ähnlicher Leistungsniveaus in den gleichen Klassen wiederfinden. Als Gründe nennen die Autoren die dadurch steigende Motivation der Schüler. Zudem ist der organisatorische Aufwand der Schule für die Verzahnung von Sport und Schule geringer (vgl. ebd. S. 388).

Wie schon bei der Beschreibung der KJS in Punkt 2.2.1 angesprochen wurde, lag dort das Hauptaugenmerk eindeutig bei der sportlichen Ausbildung der Schüler. Auch dieser Aspekt ist an keiner der heutigen Einrichtungen mehr zu finden. Brettschneider und Klimek beschreiben die „Einseitigkeit in der Förderung“ der KJS:

„Es gilt festzuhalten, daß [sic] das leistungssportliche Trainieren den Kern der Kinderund Jugendsportschulen ausmachte, dem das schulische Lernen eindeutig nachgeordnet war. (…) Pädagogische Kriterien fanden sich weitgehend an den Rand gedrängt.“ (Brettschneider; Klimek, 1998, S. 29)

Auch wenn heute die Garantie der schulischen Förderung als Schwerpunkt gesetzlich verankert ist, so gibt es heute in den Schulgesetzen der neuen Bundesländer – wie weiter oben erwähnt – Zusätze, die eine bessere Verknüpfung von Sport und Schule zulassen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch einmal die Möglichkeit der Streckung der Schulzeit auf 13 Jahre in einigen der neuen Bundesländer. Während diese Schulzeitverlängerung an den KJS normal war, wird sie heute auch an vielen Sportgymnasien vollzogen, ist aber in den alten Bundesländern nicht möglich. Ein Unterschied der KJS zu heutigen Sportschulen bezüglich des Ausstiegs und der „Ausdelegierung“ der Schüler wegen Leistungsabfalls rückt die Kinderund Jugendsportschulen erneut in die Nähe der Sportgymnasien. Während bei sportbetonten Schulen und Partnerschulen des Leistungssports kein Ausschluss aus der Schule notwendig ist, da die Schüler weiter am normalen Schulbetrieb teilnehmen können, gestaltet sich die Ausdelegierung der leistungsschwachen Athleten an Sportgymnasien schwieriger, wie mir der Sportkoordinator des von mir besuchten Sportgymnasiums erläuterte[6]. Auch an der KJS wurde dieser Aspekt kritisiert. So wurde die „Rückdelegierung von der KJS an die Heimatschule als psychisch und sozial belastend empfunden“ (Brettschneider; Klimek, 1998, S. 27). Knecht bezeichnet diesen Vorgang zudem als „erheblich ansehensschädigend“ (vgl. Knecht, 1999, S. 75).

Neben den Unterschieden weisen die KJS der ehemaligen DDR auch einige Gemeinsamkeiten zu heutigen Modellen von Verbundsystemen auf. Darunter fällt zum einen die Tatsache, dass es sich bei den KJS sowie bei fast allen heutigen Modellen um Ganztagsschulen handelt, wodurch flexible Stundenund Trainingsplanung möglich ist. Zudem weist die Mehrzahl der Verbundsysteme eine Internatsverbindung auf, die ein zentrales Merkmal der KJS darstellte. Und auch die heutigen schulischen Fördermaßnahmen – besonders für leistungssportlich stärker beanspruchte Schüler

– sind in vielerlei Hinsicht mit denen der KJS zu vergleichen, z.B. durch zusätzliche Förderung in den Ferien oder während Wettkampffahrten (vgl. Ledig; Wojciechowski, 1993, S. 387). Eine starke individuelle Förderung, wie sie an den KJS bspw. in Form von Einzelklassen durchgeführt wurde, ist heute jedoch nicht mehr denkbar.

Zusammenfassend fällt auf, dass das Modell der Sportgymnasien den KJS in ihrer Struktur am ähnlichsten ist. Dies bestätigte auch der Sportkoordinator des Gymnasiums in unserem Gespräch. Er sehe fast keine Unterschiede in den Fördermöglichkeiten der früheren KJS und des heutigen Sportgymnasiums. Im Fall der sportbetonten Schulen muss noch einmal hervorgehoben werden, dass das Konzept aus den Kinderund Jugendsportschulen erwachsen ist. Dementsprechend versucht man dort natürlich aus dem damaligen Modell zu lernen, was Brettschneider, Drenkow, Heim und Hummel auch stringent fordern:

„Vielmehr geht es darum, sich die in den KJS gemachten Erfahrungen bei der Suche nach Lösungen zunutze zu machen, wie schulische Bildung und Leistungssportkarriere von Heranwachsenden so miteinander verknüpft werden können, daß [sic] eine optimale Entfaltung ihrer Gesamtpersönlichkeit gewährleistet ist.“ (Brettschneider et. al., 1993, S. 373)

Nichtsdestotrotz kann das in vielen Teilen durchaus diskussionswürdige Konzept der Kinderund Jugendsportschulen nicht in das heutige gesamtdeutsche Sportsystem mit seinen politischen und strukturellen Zügen übernommen werden.

3. Konzipierung der Studie

An dieser Stelle werde ich die Vorgehensweise der empirischen Studie näher erläutern. Dabei sollen sowohl die methodische Vorgehensweise als auch die besuchten Einrichtungen vorgestellt werden.

Die Darstellung der methodischen Vorgehensweise soll einerseits einen Einblick in die Planung und Durchführung von Interviews, Leitfaden und Transkriptionen geben und die Herangehensweise an Einrichtungen und Interviewpartner aufzeigen, auf der anderen Seite aber auch Erwartungen an die Studie und Probleme der Planung und Durchführung ansprechen. Die Vorstellung der besuchten Einrichtungen basiert ebenfalls nicht nur auf Fachliteratur, sondern auch auf eigenen Erfahrungen sowie zusätzlich auf Gesprächen mit Beschäftigten der Schulen und Internate. Der daraus resultierende unterschiedliche Zugang zu den einzelnen Einrichtungen spiegelt dabei die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Konzepte wider.

3.1 Methodische Vorgehensweise

3.1.1 Qualitative Forschung

Um den Rahmen der vorliegenden Studie zu verdeutlichen, soll an dieser Stelle zunächst auf den Begriff der qualitativen Forschung eingegangen werden. Dabei werde ich mich vor allem auf einen Text von Flick, von Kardorff und Steinke aus ihrem im Jahr 2007 herausgegebenen BuchQualitativeForschung– Ein Handbuchbeziehen. Darin heißt es:

„Qualitative Forschung hat den Anspruch, Lebenswelten ‚von innen heraus‘ aus der Sicht der Handelnden Menschen zu beschreiben. Damit will sie zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale aufmerksam machen.“ (Flick; von Kardorff & Steinke, 2007, S. 14)

Anhand dieses Zitats lässt sich die Vorgehensweise der vorliegenden Studie begründen. Wie in der Einleitung angesprochen wurde, soll die Selbstwahrnehmung von jugendlichen Leistungssportlern an Verbundsystemen von Schule und Sport analysiert werden. Dabei sollen die Schüler in Form von Interviews einen Einblick in ihre Lebenswelt geben. Durch diese direkte Befragung der Sportler wird gewährleistet, dass nicht bloß eine Wirklichkeit abgebildet wird, sondern dass „das Fremde oder von der Norm abweichende und das Unerwartete als Erkenntnisquelle und als Spiegel“ genutzt werden kann (vgl. ebd.). So soll bspw. im vorliegenden Fall nicht der stringente Tagesablauf der Athleten nur dargestellt werden, sondern vielmehr wird es darauf ankommen, die Wahrnehmung der Befragten hinsichtlich dieses strengen Tagesablaufs zu erforschen.

Flick, von Kardorff und Steinke verdeutlichen zudem die „besondere Attraktivität“ qualitativer Forschung gegenüber „standardisierten“ und damit „stärker objektivistischen Methoden“ (vgl. ebd. S. 17). Während standardisierte Methoden quantitativer Forschung „eine feste Vorstellung über den untersuchten Gegenstand“ benötigen, kann „qualitative Forschung für das Neue im Untersuchten, das Unbekannte im scheinbar Bekannten offen sein“ (vgl. ebd.). Auch in der vorliegenden Studie ist ein offener Zugang zu den Befragten gegeben, um ein möglichst ausführliches Bild der Lebenswelt und der Erfahrungen und Wahrnehmungen der Sportler in ihrem Alltag erhalten und schließlich analysieren zu können.

Qualitative Forschung kann in drei Forschungsperspektiven untergliedert werden. Dabei bilden der symbolische Interaktionismus und die Phänomenologie die erste Position, die sich „eher subjektiven Bedeutungen und individuellen Sinnzuschreibungen“ widmet (vgl. ebd. S. 18). Diese Perspektive ist Bestandteil der vorliegenden Forschungsarbeit. Dabei gilt es subjektive Sichtweisen der interviewten Sportler aufzuzeigen und zu deuten. Als Methode der Datenerhebung wurde dazu ein Leitfadeninterview verwendet und als Auswertungsverfahren eine teilweise abgewandelte Methode der qualitativen Inhaltsanalyse, wie in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels aufgezeigt werden soll. Als weitere Forschungsperspektiven seien zum einen

„Ethnomethodologie“ und „Konstruktivismus“ genannt, die eine „Herstellung sozialer Wirklichkeit“ verfolgen, zum anderen soll auf „strukturalistische“ oder „psychoanalytische“ Positionen verwiesen werden, die „von latenten sozialen Konfigurationen sowie von unbewussten psychischen Strukturen und Mechanismen“ ausgehen (vgl.ebd.). Auf die verschiedenen Forschungsperspektiven soll an dieser Stelle nicht vertiefend eingegangen werden.

Stattdessen möchte ich auf die Kennzeichen qualitativer Forschung eingehen, die von Flick, von Kardorff und Steinke herausgearbeitet werden. Die Autoren verweisen dabei auf zwölf Merkmale, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen (vgl. ebd. S. 22ff.). So wird (1) das methodische Spektrum als Kennzeichen qualitativer Forschung angesprochen, dass darauf hinweist, dass es keine Einheitsmethode gibt.

Außerdem muss (2) eine Gegenstandsangemessenheit von Methoden vorliegen, da der untersuchte Gegenstand die Methodenauswahl bestimmt. Zudem zeichnet sich qualitative Forschung (3) durch „eine starke Orientierung am Alltagsgeschehen“ der Befragten aus (vgl. ebd. S. 23). Dementsprechend zählt für den Forscher (4) der Gedanke der Kontextualität, wodurch Zusammenhänge in der Biographie des Befragten mit dessen Aussagen analysiert werden sollen. Hierbei müssen (5) unterschiedliche Perspektiven der Interviewten in die Überlegungen miteinbezogen werden. Des Weiteren ist (6) die „Reflexivität“ des Forschers, die in die Ergebnisse einfließen soll, als wichtiges Kennzeichen zu nennen. Somit steht (7) das „Verstehen von komplexen Zusammenhängen“ im Vordergrund qualitativer Forschung. Voraussetzung hierfür ist (8) das „Prinzip der Offenheit“, das eine umfassende Interpretation der Ergebnisse zulassen soll und auf das im weiteren Verlauf der Arbeit näher eingegangen werden soll[7]. Häufig wird (9) in methodischer Hinsicht zunächst eine Einzelfallanalyse vorgenommen, um vor den daraus gewonnenen Erkenntnissen Vergleiche anzustellen. Diese Strategie wird jedoch in der relativ umfangarmen, vorliegenden Studie Abstand genommen. Stattdessen werden im vierten Kapitel markante Merkmale einzelner Interviews vorgestellt, um anschließend vergleichende Aspekte der zu untersuchen- den Themenschwerpunkte zu diskutieren. Schließlich ist (10) die Wirklichkeit als Grundlage des zu Erforschenden Feldes zu verstehen. Als weiteres Merkmal nennen die Autoren (11) die Bezeichnung qualitativer Forschung als „Textwissenschaft“, in der die zu interpretierenden Daten also in schriftlicher Form vorliegen. Letztendlich wird (12) die Wissenschaft als „entdeckend“ vorgestellt, wobei das Forschungsziel

„die Entdeckung des Neuen“ und „die Entwicklung von Theorien“ sein soll.

Es bleibt festzuhalten, dass qualitative Forschung durch einen direkten Zugang zu den Befragten versucht, deren Lebenswelt zu begreifen und zu analysieren. Dabei soll Neues und Unerwartetes aufgezeigt und in einen theoretischen Kontext eingebettet werden. Dieses Ziel verfolgt auch die vorliegende Arbeit, die sich im Rahmen der beschriebenen qualitativen Forschung bewegt.

3.1.2 Auswahl der Einrichtungen

Die Auswahl der besuchten Einrichtungen habe ich in erster Linie vom vorliegenden Modell der jeweiligen Einrichtung abhängig gemacht. Zunächst setzte ich mir als Ziel, jeweils eins der in 2.1 vorgestellten Kooperationsmodelle von Schule und Leistungssport zu besuchen, um die Bandbreite der existierenden Verbundsysteme möglichst vollständig abzudecken. Um einen Überblick über die existierenden Einrichtungen zu erhalten, zog ich eine Liste von Sportschulmodellen in Deutschland heran (vgl. Lux, 2008)[8]. Ich verfasste ein Anschreiben, das ich an fünf sportbetonten Schulen in NRW schickte. Ein Muster dieses Anschreibens ist in Abb. 2 dargestellt.

Einige Tage nach der Kontaktaufnahme erhielt ich per Email Rückmeldungen von drei Schulen. Während die Antworten der Ansprechpartner – die gleichzeitig an den Schulen den Posten des Sportkoordinators[9] innehatten – der sportbetonten Schulen 1 und 2[10] durchaus positive Resonanzen aufwiesen, enthielt das Schreiben der dritten Schule eine Absage für mein Anliegen. Als Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Schule gerade in der letzten Zeit sehr viele Anfragen für die Durchführung von Interviews und Befragungen der Schüler erhalte, so dass ein geregelter Schulablauf für die Kinder bei einer Genehmigung aller Anfragen nicht mehr gewährleistet werden könne. Meine Entscheidung für die Auswahl der Schulen 1 und 2 war demnach gefallen. Zudem gestaltete sich eine Terminabsprache durchaus problemlos, da die Sportkoordinatoren der beiden Schulen äußerst kooperativ und flexibel auf meine Terminwünsche eingingen und somit für einen reibungslosen und zügigen Ablauf der Termine sorgten.

Sehr geehrte Damen und Herren.

Als Student der Sportwissenschaft an der Philipps Universität Marburg arbeite ich zurzeit an meiner Examensarbeit mit dem Titel „Sportschulen im Vergleich: Eine empirische Studie zur Selbstwahrnehmung jugendlicher Sportschüler.“

Im Rahmen dieser Studie führe ich Umfragen unter Schülerinnen und Schülern an verschiedenen Sportinternaten und Schulen mit Sportzweig in Deutschland durch.

Sehr gerne würde ich auch an ihrer Einrichtung zwei Schüler hinsichtlich ihrer persönlichen Erfahrungen im Schulalltag einer Sportschule interviewen. Die Befragung, die etwa eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nehmen wird, zielt dabei vor allem darauf ab, wie sich die Schüler/innen im Zusammenspiel von Schule und Leistungssport selbst wahrnehmen.

Da in der Arbeit ebenso ein Vergleich von verschiedenen Kooperationsmodellen von Bildung und Sport vorgesehen ist, würde ich mich auch über ein kurzes Gespräch mit einem zuständigen Ansprechpartner sehr freuen.

Aus organisatorischen Gründen würde die Befragung zwischen dem 25. Februar und dem

07. März 2008 stattfinden.

Ich wäre sehr erfreut, wenn Sie mir baldige Rückmeldung über einen möglichen Termin geben könnten. Bei eventuellen Rückfragen Ihrerseits können Sie mich selbstverständlich jederzeit kontaktieren.

Ich verbleibe mit Dank im Voraus und mit freundlichen Grüßen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Muster eines Anschreibens

Nach den Besuchen der zwei sportbetonten Schulen wurde mir aufgrund der Unterhaltungen mit den Sportkoordinatoren und nach eingehender Recherche bewusst, dass die Durchführung der Studie an Partnerschulen des Leistungssports nicht unbedingt notwendig wäre. Besonders der Ansprechpartner von Schule 1 machte mich darauf aufmerksam, dass sich das Modell der Partnerschule des Leistungssports ausschließlich dahingehend von einer Sportbetonten Schule unterscheidet, dass dort das Maß an sportlicher Unterstützung geringer ist[11]. Hinzu kam, dass sich die Kontaktaufnahme zu den von mir angeschriebenen Partnerschulen als äußerst schwierig erwies. Infolgedessen entschied ich mich gegen einen Besuch einer Partnerschule des Leistungssports und stattdessen dafür, das Modell der sportbetonten Schule genauer zu untersuchen, indem ich zwei Einrichtungen dieses Konzeptes besuchte.

Ähnlich wie im Fall der sportbetonten Schulen verlief auch die Auswahl eines einem Sportverein angeschlossenen Internats. Ich schrieb – unter Verwendung des in Abb. 1 dargestellten Anschreibens – zwei verschiedene Internate an, die beide an bekannte Fußball-Bundesligavereine angegliedert sind. Die Wahl fiel auf diese beiden Internate, da sie mir bereits aus den Medien bekannt waren – man hörte in den letzten Jahren immer wieder, dass die beiden Internate viele gute Fußballer hervorgebracht haben. Die Geschäftsstelle des einen Vereins meldete sich daraufhin telefonisch bei mir, um mir eine Absage zu erteilen. Die Begründung war dieselbe wie die der schon angesprochenen dritten sportbetonten Schule. Man wolle den Sportlern ihren Schulund Trainingsalltag bewahren und sei deswegen nicht in der Lage, allen Anfragen für empirische Studien zu entsprechen. Nachdem ich für einige Tage keine Antwort von dem anderen Verein erhalten hatte, rief ich schließlich dort an. Ich hatte die Telefonnummer auf der Homepage des Vereins[12] ausfindig gemacht. Der Internatsleiter gab mir überraschenderweise sofort eine Zusage für mein Vorhaben. Nach einigen weiteren Telefonaten mit der Internatsbetreuerin stand der Termin mit dem Internat schließlich fest.

Als problematisch erwies sich dagegen eine Terminabsprache mit einem Sportgymnasium. Mein Vorhaben war es, möglichst zwei Schulen in den neuen Bundesländern zu finden, an denen ich meine Studie durchführen konnte. Es sollten Interviews an zwei Schulen durchgeführt werden, um einen größeren Einblick in das Modell des Sportgymnasiums zu erhalten. Ich erhoffte mir davon, dass ich genauere Rückschlüsse für einen Vergleich zu anderen Kooperationsmodellen von Schule und Sport herleiten könnte. Ich schrieb – erneut unter Verwendung desselben Anschreibens – vier Sportschulen in Thüringen und Sachsen an, ohne eine einzige Antwort zu erhalten. Nach vielen Telefonaten, in denen ich immer wieder vertröstet und an andere Mitarbeiter der Schulen verwiesen worden war, erhielt ich schließlich drei Absagen. In allen drei Fällen wurde Zeitmangel als Grund für die Absage angegeben. In einem Telefonat mit einem der Sportkoordinatoren wurde ich sogar sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Schüler keine Lust mehr auf Interviews und Befragungen hätten. Zudem sei der Tagesablauf an der Schule so strikt, dass überhaupt keine Zeit für Interviews bliebe. Im Nachhinein erkläre ich mir auch die großen Probleme bei der Kontaktaufnahme mit dem Zeitmangel der Ansprechpartner und dem strikten Tagesablauf an den Sportgymnasien. Lediglich ein Gymnasium erklärte sich bereit meine Studie zu unterstützen. Obwohl es auch hier nicht einfach war den Sportkoordinator telefonisch zu erreichen, erhielt ich doch große Unterstützung von Seiten der Schule. Nachdem diese Schule die einzige war, von der ich eine Zusage erhalten hatte, entschied ich mich dafür, nur ein Sportgymnasium zu besuchen und anstelle eines zweiten Gymnasiums eine ehemalige Schülerin eines Sportgymnasiums zu interviewen[13].

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass weniger die Auswahl der Einrichtungen – die sich aufgrund der zahlreichen Absagen der Schulen und Internate von selbst klärte – als vielmehr die Kontaktaufnahme mit den zuständigen Ansprechpartnern einen großen Teil meiner zur Verfügung stehenden Zeit sowie sehr viel Energie in Anspruch nahm.

3.1.3 Auswahl der Interviewpartner

Die Auswahl meiner Interviewpartner wurde mir in gewisser Weise von den Ansprechpartnern der Schulen und Internate abgenommen. Nach Fuchs-Heinritz muss zuerst „jedenfalls bei schwer erreichbaren Gruppen, der Zugang zum Feld erlangt werden. Dies ist das erste und unangenehmste Stadium der Feldforschung.“ (Fuchs- Heinritz, 2005, S. 237) In meinem Fall wurden die Interviewpartner nach Absprache mit den Ansprechpartnern der Schulen und des Internats für mich bestimmt. Diese Auswahl musste von den Ansprechpartnern aus verschiedenen Gründen für mich erfolgen. Weder der zeitliche Rahmen, der mir für die Studie zur Verfügung stand, noch die örtliche Distanz zu den ausgewählten Einrichtungen gab mir die Möglichkeit, vor Ort eine differenzierte Auswahl zu treffen. Außerdem hatten die Ansprechpartner vor Ort die Möglichkeit, die Interviewtermine mit den Ansprüchen der Tagesabläufe der Interviewpartner abzugleichen und zu koordinieren.

[...]


[1] In der Arbeit wird bei der Bezeichnung von Personen (zum Beispiel Schüler, Lehrer, Trainer) aus Gründen der Schreibökonomie und der besseren Lesbarkeit immer die männliche Form des Wortes verwendet. Hiermit sind immer Männer und Frauen gemeint.

[2] Unter Bundeskadersportler fallen Athleten der A-, B- und C-Kader. Die Gruppe der Landeskadersportler umfasst Athleten des D-Kaders. Dabei werden die Sportler hinsichtlich ihres Leistungsstandes einem entsprech nden Kader zugeordnet und haben die Möglichkeit durch Verbesserung ihrer Leistung in den nächsthöheren Kader (von D nach A) aufzusteigen (vgl. KMK, 2000, S. 7).

[3] Olympiastützpunkte stehen unter der Trägerschaft des Landessportbundes (LSB) des jeweiligen Bundeslandes. Die 16 in Deutschland bestehenden LSB sind wiederrum dem Deutschen Olympischen Sportbund zugehörig. Olympiastützpunkte bieten Athleten vielfältige Unterstützung unter anderem in den Bereichen Laufbahnunterstützung, medizinische und trainingswissenschaftliche Begleitung, Ernährungsberatung und psychischer Betreuung (vgl. www.olympiastuetzpunkte.de).

[4] Vgl. hierzu auch Punkt 2.1, Abb. 1.

[5] Die Originalschrift von Rudolf Ledig, der selbst Leiter der Zentralabteilung KJS im Deutschen Turnund Sportverein der DDR war, war vom Verfasser leider nicht zu erhalten, da sie lediglich als Manuskript beim Landessportbund Berlin einzusehen ist.

[6] vgl. hierzu Punkt 3.2.4

[7] vgl. hierzu Punkt 3.1.5

[8] Die Liste kann im Internet unter folgender Adresse eingesehen werden: http://www.sbndb.de/web-content/adressen/sportinternate.pdf

[9] In unseren Gesprächen erläuterten die Sportkoordinatoren der Schulen ihre Aufgaben. Dabei nannten sie zum einen die Organisation der sportlichen Belange der Athleten und zum anderen die Herstellung und Aufrechterhaltung der Kommunikation zwischen Schülern, Lehrern, Trainern, Eltern und Internat.

[10] Die Einrichtungen werden aus Gründen der Anonymitätswahrung nicht namentlich genannt.

[11] vgl. hierzu auch Kap. 2.1.3

[12] Um eine Anonymität zu gewährleisten, werden Internetseiten der Schulen und Internate in der Arbeit nicht als Quellen angegeben.

[13] vgl. hierzu Punkt 3.1.3

Ende der Leseprobe aus 167 Seiten

Details

Titel
Sportschulen im Vergleich. Eine empirische Studie zur Selbstwahrnehmung jugendlicher Sportschüler
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
167
Katalognummer
V114566
ISBN (eBook)
9783640145508
ISBN (Buch)
9783640146505
Dateigröße
3914 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sportschulen, Vergleich, Eine, Studie, Selbstwahrnehmung, Sportschüler
Arbeit zitieren
Conrad von Trzcinski (Autor:in), 2008, Sportschulen im Vergleich. Eine empirische Studie zur Selbstwahrnehmung jugendlicher Sportschüler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114566

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