Und wieder Euthanasie in Deutschland…?

Aktive Sterbehilfe vs. Palliative Care


Hausarbeit, 2006

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zum Begriff Sterbehilfe
2.1. Aktive Sterbehilfe
2.1.1. Indirekte (Aktive) Sterbehilfe
2.1.2. Direkte (Aktive) Sterbehilfe
2.2. Passive Sterbehilfe

3. Einblick in die historische Entwicklung von „Euthanasie“

4. „Euthanasie“ im modernen Zeitalter
4. 1. Rechtliche Situation in Deutschland
4.2. Rechtliche Situation in den Niederlanden
4.3. Rechtliche Situation in der Schweiz
4.3.1. Kritische Würdigung der Sterbehilfeorganisation DIGNITAS

5. Ethisch-moralische Aspekte Aktiver Sterbehilfe
5.1. Aktive Sterbehilfe vs. Medizinethik
5.2. „Euthanasie“ und der Eid des Hippokrates

6. Diskussion/ Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Durch den aktuellen Fall der 54jährigen Krankenschwester Irene B., die auf der Kardiologischen Intensivstation der Berliner Charité arbeitete, auf der mindestens zwei Patienten nach einem untypischen Krankheitsverlauf gestorben sind (Bach, I. 2006), nachdem sie ihnen eine Überdosis Blutdrucksenkender Medikamente injiziert hatte, laut eigener Aussage aus Mitleid, fühle ich mich wieder zum Nachdenken angeregt, wachgerüttelt vom Alltag, den täglichen Begegnungen mit Alten und Sterbenden.

Tod und Sterben sind scheinbar immer wieder von solch gesellschaftlichem Interesse und solcher Brisanz, dass sie nie an Aktualität verlieren. Früher oder später werden wir uns alle mit dem Gedanken über unser eigenes Sterben auseinandersetzen müssen. Wahrscheinlich beschäftigte das Thema Sterben schon Menschen aller Generationen, denn es gehört unzertrennlich zum Leben dazu. Ich denke, auch die Auseinandersetzung mit dem Leben und Leiden Schwerstkranker ist kein neuer. Unter anderem ist die Lösung der Nationalsozialisten im Umgang mit Kranken, Behinderten und Menschen anderer Randgruppen historisch belegbar. Es gibt mit Sicherheit noch viele Überlegungen und Belege dafür, wie Menschen älterer Generationen über Tod und Sterben dachten, doch diese Frage soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Ich denke jedoch, dass vor allem der Rückblick ins vergangene Jahrhundert und die damit verbundene Lösung der Euthanasiefrage durch die Nationalsozialisten bedeutend in der Auseinandersetzung mit Aktiver Sterbehilfe ist. Meines Erachtens hilft es, die scheinbar allgemeine Zurückhaltung der deutschen Politiker in einer öffentlichen Diskussion um „Euthanasie“ zu verstehen und zu erkennen, welche Gefahren eine Lösung der Frage nach Aktiver Sterbehilfe im Sinne einer Entscheidung dafür beherbergen kann.

Ob unsere deutschen Spitzenpolitiker weiterhin vermeiden werden, eine Lösung für jene Menschen zu finden, die an existentiellen Erkrankungen leiden und täglich dahinsiechen, darauf wartend, dass sie endlich durch den Tod von ihrem Leiden erlöst werden, kann ich nicht sagen. An dieser Stelle kann ich nur meinem persönlichem Empfinden Rechenschaft ablegen und hoffen, dass unsere Gesellschaft auch in Zukunft bereit sein wird, öffentlich über Fragen nach dem Leben und dem Tod zu diskutieren. Des weiteren hoffe ich, wir werden die Chance haben, uns vernünftig mit ethischen Fragen der Aktiven Sterbehilfe auseinanderzusetzen und bereit sein, jedem Menschen das Recht zur freien Entscheidung auf Leben und Tod zusprechen, sowohl unter ethischen, als auch unter juristischen Aspekten. Meinen Wunsch stütze ich dabei allein auf mein Verständnis für jene todkranken und leidenden Menschen, die Aktive Sterbehilfe als letzte Chance sehen könnten, von ihrem individuellen Leid befreit zu werden. Und auch für jene, die diese tägliche Last, das Leiden Anderer mit zu erleben und anzusehen, auf sich nehmen und dann eine legalisierte Form des Tötens verlangen könnten, habe ich Verständnis. Ich denke, es muss eindeutige Regelungen geben, die einem jedem Menschen erlauben, über sein Schicksal frei zu entscheiden. In einer Gesellschaft, die bereit ist zum Mond zu fliegen und das Innere der Erde zu erforschen, sollten wir auch den Mut finden, nicht nur über unser Leben, sondern auch über unseren Tod frei entscheiden zu können. Warum sollte unsere moderne Gesellschaft nicht bereit sein, diese Verantwortung zu tragen?

Inhaltlich habe ich mich in der vorliegenden Arbeit mit Formen der Sterbehilfe beschäftigt und in diesem Kontext dargestellt, wie die rechtliche Situation um Sterbehilfe in der BRD und in den uns benachbarten Ländern ist. Es ermöglicht meines Erachtens eine gehaltvollere und gewinnbringendere Auseinandersetzung jedes Einzelnen mit dem Thema Sterbehilfe. Darüber hinaus habe ich einen kurzen Abriss über die historische Entwicklung von „Euthanasie“ dargestellt. Ich denke, in der Auseinandersetzung mit einem Thema solcher Brisanz und Aktualität, das aber auch schon vielen Generationen vor uns zum Nachdenken und Umdenken angeregt hat, sollten die grundlegendsten historischen Aspekte bekannt sein. Mir hat es geholfen zu verstehen, warum die Diskussion um Aktive Sterbehilfe nicht abzubrechen scheint und immer wieder öffentlich diskutiert wird. Des Weiteren fällt es mir mittels des Wissens um die historischen Hintergründe leichter, die aktuelle Rechtslage politisch einzuordnen. Es gibt mir die Chance, die scheinbare Zurückhaltung in der Legalisierung von „Euthanasie“ nachzuvollziehen.

Analyse und Auseinandersetzung mit dem von mir gewählten Thema „Und wieder Euthanasie in Deutschland…?“ erfolgte mittels intensiver Recherche in verschiedenen Publikationen unter den Stichworten „Sterbehilfe“, „Aktive Sterbehilfe“, „Euthanasie“. Sterbehilfe wird im historischen Kontext vorgestellt, die Diskussion um Aktive Sterbehilfe in der aktuellen Lage in Deutschland betrachtet und analysiert, wie die Rechtslage in den Niederlanden und der Schweiz ist. Darüber hinaus habe ich mein Wissen mittels Internetrecherchen vertieft. Zum Teil bin ich durch die Lektüre selbst auf bestimmte Seiten hingewiesen worden, andere fand ich mittels der Suchmaschine Google unter den Stichworten „Euthanasie“, „Aktive Sterbehilfe“.

2. Zum Begriff Sterbehilfe

Bevor ich mich dem Thema Sterbehilfe oder „Euthanasie“ auf weiteren Ebenen widme, gehe ich hier auf die inhaltliche Bedeutung des Wortes Sterbehilfe ein. Es ist notwendig, um die weitere Auseinandersetzung zu verstehen.

In der Recherche zum Thema Sterbehilfe stieß ich auf verschiedene Definitionen. Zwei davon, die inhaltlich am gehaltvollsten erschienen, möchte ich an dieser Stelle vorstellen:

- „Die Sterbehilfe hat nichts damit zu tun, dass man putzmuntere und lebensfähige Menschen umbringt (…).“ (Atrott 1990, S. 7)
- Sterbehilfe wird angesehen als „(…) mitmenschlicher und pflegerischer Beistand im Sterben, (…) auch als „reine“ Sterbehilfe bzw. Euthanasie bezeichnet – bis hin zur Tötung von nicht sterbenden Menschen auf oder sogar auch ohne ihr Verlangen.“ (Eibach 1998, S. 87)

So und ähnlich wird der Begriff Sterbehilfe in der heutigen Gesellschaft definiert. Allen gleich ist allein das Sterben eines Menschen als Resultat einer Tat oder eines Unterlassens. Eine Wertung der verschiedenen Definitionen vorzunehmen, liegt nicht in meinem Ermessen. Ich denke jeder, der sich interessiert mit Aktiver Sterbehilfe auseinandersetzt, wird selbst entscheiden müssen, welche allgemein gültige Definition am besten zu seinem eigenem Empfinden und Denken passt.

Im Folgenden wurde Sterbehilfe jeweils in eine aktive und eine passive Form unterschieden. Diese Reihenfolge möchte ich auch hier beibehalten und nun auf die Abgrenzung der Passiven Sterbehilfe von der Aktiven eingehen. Eine Abgrenzung ist sowohl gesetzlich, als auch ethisch von enormer Bedeutung.

Inhaltlich stütze ich eigene Aussagen zur Sterbehilfe auf die Definition von Ulrich Eibach (1998).

2. 1. Aktive Sterbehilfe

„Ist strafrechtlich ein Unterlassen gegeben, so wird eine Passive Sterbehilfe angenommen, bei einem strafrechtlichen Tun dagegen eine Aktive Sterbehilfe.“ (Antoine 2004, S. 32)

Aktive Sterbehilfe wird demzufolge als gezielte Tötung eines Menschen auf dessen ausdrückliches und ernstliches Verlangen durch einen anderen definiert. Nach dem geltenden deutschen Recht gilt diese Form als strafbar. Begründet wird dieses Verbot mit der Unantastbarkeit des Lebens jedes einzelnen Menschen. Außerdem stehen noch immer die Sorge um Missbrauch, die Gefährdung des Vertrauensschutzes in der Interaktion zwischen dem Einzelnen und dem behandelnden Arzt bzw. der zuständigen Pflegekraft, sowie die scheinbare Unvereinbarkeit mit der Rolle des Arztes im Vordergrund. (Vgl. Ministerium für Justiz 2004, S. 70f) Dies könnte ein Grund sein, warum Aktive Sterbehilfe oder Beihilfe zum Suizid in unseren Landen verboten. Auch die Bundesärztekammer, der jeder approbierte Arzt automatisch beitritt, lehnt Aktive Sterbehilfe rigoros ab. Die Argumentation ist schlüssig: der Arzt soll die Menschen von ihren Krankheiten befreien und unnötiges Leid lindern, doch das legalisierte Töten sei, v.a. aus medizinhistorischer und gesellschaftlicher Sicht nicht mit dem ärztlichen Ethos zu vereinbaren. (Vgl. www.bundesaerztekammer.de/25/10Pressemitteilungen/M200607/20060717.html)

Mir erscheint es schwierig, die oben genannte Definition hinzunehmen, um zu verurteilen oder zu akzeptieren, dass ein Mensch gestorben ist. Wer soll verbindlich und zuverlässig entscheiden können, ob ein strafrechtliches Tun oder strafrechtliches Unterlassen vorgelegen hat? Nun, die jeweilige Staatsanwaltschaft wird sich mit dieser Frage beschäftigen müssen. Dies werden sie nach strafrechtlichem Ermessen tun. Juristisch ist dafür vor allem der §216 StGB (Tötung auf Verlangen) von Bedeutung. Dieser beinhaltet die Tötung eines Menschen auf dessen ausdrückliches und ernstliches Verlangen hin und steht in Deutschland unter Strafe. (Vgl. StGB 2002, §216)

Des Weiteren wird die Aktive Sterbehilfe in eine direkte und in eine indirekte Form unterschieden. Dies erscheint vor allem juristisch bedeutsam, da die indirekte Form primär nicht illegal ist. Da mir diese Unterscheidung in der Bearbeitung und Auseinandersetzung mit Aktiver Sterbehilfe von enormer Bedeutung erscheint, gehe ich im Folgenden kurz auf die Definitionen der Indirekten und Direkten Aktiven Sterbehilfe ein.

2.1.1. Indirekte (Aktive) Sterbehilfe

Die indirekte Sterbehilfe wird als eine Form der Aktiven Sterbehilfe eingeordnet. Hier handelt es sich um eine „aktive Einflussnahme auf den Krankheitsverlauf, indem eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation bei einem sterbenden Patienten den Todeseintritt beschleunigt.“ (Fischer 2004, S. 7) Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes von 1996 bleibt die Indirekte (Aktive) Sterbehilfe, die eine Lebensverkürzung als zwar unbeabsichtigt, jedoch als unvermeidliche Folge der Therapie zur Leidensminderung akzeptiert, straffrei. Diesem Urteil liegt der Grundsatz nieder, die subjektive Lebensqualität der objektiven Lebensdauer überzuordnen. (Vgl. Payk 2004, S. 188) Diese Form der Sterbehilfe ist in Deutschland legal, wenn der Patient bzw. entsprechende Vertreter (Familienangehörige/ Betreuer) ärztlich aufgeklärt wurden und sich die Maßnahmen zur Schmerzlinderung oder anderer Leidenszustände allein auf die Minderung dieses Leidens beschränken. (Vgl. Fischer 2004, S. 7) Des weiteren hieß es in dem Urteil des Bundesgerichtshofes von 1996, dass „eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medikation entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig wird, dass sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf genommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann.“ (Vgl. Ministerium für Justiz 2004, S. 68f)

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Und wieder Euthanasie in Deutschland…?
Untertitel
Aktive Sterbehilfe vs. Palliative Care
Hochschule
Alice-Salomon Hochschule Berlin
Veranstaltung
Sozial- und gesundheitswissenschaftliche Grundlagen in der Pflege
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V114543
ISBN (eBook)
9783640153121
ISBN (Buch)
9783640156078
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Euthanasie, Deutschland…, Sozial-, Grundlagen, Pflege
Arbeit zitieren
Franziska Misch (Autor:in), 2006, Und wieder Euthanasie in Deutschland…?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114543

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