Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit in der Schule


Sammelband, 2008

27 Seiten, Note: 2,00

Marie-Luise Leise (Autor:in)


Leseprobe


Einführende Worte

zum Thema:

Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit in der Schule

"Der ausgeprägte Reformwille der Bevölkerung ist eine Chance für den zügigen Umbau unseres Bildungssystems!"

Jörg Dräger,

Wissenschaftssenator in Hamburg,

Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung

Laut einer Umfrage, so kann man unter anderem auf Spiegel-Online lesen, schneidet im Urteil der Bundesbürger die Schulpolitik schlecht ab, was man an den Ergebnissen deutlich erkennen kann: Fast die Hälfte der Bevölkerung beurteilt das deutsche Bildungssystem als ungerecht. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Hierbei nannten fünfundvierzig Prozent der befragten Bürger das deutsche Bildungssystem ungerecht. Besonders negativ beurteilten Ostdeutsche das Schulsystem: sechzig Prozent bezeichneten es als eher oder sogar völlig ungerecht. Auffällig dabei ist, dass etwas mehr als die Hälfte der Eltern von Haupt- oder Gesamtschülern das deutsche Bildungssystem mehrheitlich als nicht gerecht bewerten, die geringste Ablehnung zeigten Eltern von Gymnasiasten und Realschülern mit jeweils etwa fünfundvierzig Prozent.

Eine deutliche Mehrheit ist dafür, Kinder erst später auf unterschiedliche Bildungswege zu schicken, "Nach der sechsten Klasse" als richtigen Zeitpunkt nannte knapp die Hälfte. Immerhin gut jeder Fünfte würde Schüler sogar bis zur neunten Klasse gemeinsam unterrichten lassen, wofür auch Finnland und Canada als internationaler Vergleich stehen.

Gar drei Viertel der Bundesbürger bezweifeln, dass Jugendliche aller Schichten und aus allen Kulturkreisen nach der Schule die gleichen Berufschancen haben. Eltern schulpflichtiger Kinder sind auch hier deutlich skeptischer als der Bevölkerungsdurchschnitt: sechsundachtzig Prozent glauben nicht an Chancengleichheit für sozial Schwächere und für Migrantenkinder auf dem Arbeitsmarkt. Fast neunzig Prozent der Befragten forderten, Kinder aus sozial schwachen Familien stärker individuell zu fördern, weshalb sich gut drei Viertel der Bevölkerung für den Ausbau von Ganztagsschulen aussprechen.

Seit Deutschland erstmals 2001 durch schlechte Ergebnisse bei PISA einen Schock erlebte, ist die Zukunft des Bildungssystems umstritten - vor allem die Fragen, wie es mit den Hauptschulen weitergehen soll, ob es wirklich sinnvoll ist, die Schüler bereits nach vier Jahren auf unterschiedliche Schultypen zu schicken, wie man zum traditionellen Dreigliedrigkeit des Schulsystems weiterhin stehen soll oder ob die Gesamtschule tatsächlich eine bessere Alternative sein könnte, wie viele andere Punkte, die damit zusammenhängen, gilt es zu diskutieren, denn ihre Wichtigkeit ist ganz klar unumstritten, was insbesondere in den nachfolgenden Reflexionen nochmals deutlich wird, in welchen ich mich all diesen Fragen anzunähern versuchen werde.

16.April 2008

Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2003 und 2006 mit Schwerpunkt auf den vier Bildungsschwellen

Beleuchtet werden soll hier nun zum einen die soziale Dimension des Studierens sowie die die wirtschaftliche Lage der Studierenden in Zusammenhang mit Chancengleichheit beziehungsweise –gerechtigkeit in Bezug zur 18. Sozialerhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2006 im Vergleich zu vorherigen Sozialerhebungen.

Zur sozialen Dimension des Studierens: Im WS 2005/06 sind 1.953.504 Studierende an deutschen Hochschulen immatrikuliert und obwohl Frauen häufiger als Männer die Hochschulreife erworben haben, realisierten sie ihre Studienberechtigung seltener. 83% der Studierenden haben eine allgemeine Hochschulreife, über eine fachgebundene Hochschulreife o.ä. gelangten nur bis zu 3% an die Hochschulen, wobei seit 2003 eine Zunahme von Studierenden mit Fachhochschulreife von neun auf zwölf Prozent zu verzeichnen ist.

Seit 1990 jedoch nahm die Brutto-Studierquote kontinuierlich ab. Die Brutto-Studierquote betrug 2005 69% und näherte sich damit den Werten der zweiten Hälfte der 1990er Jahre an. Ursachen dafür können unter anderen berufliche Alternativen sowie Probleme bei der Studienfinanzierung sein.

Allgemein kann gesagt werden, dass bei gleichen individuellen Leistungsvoraussetzungen unterschiedliche soziale Herkunftsbedingungen greifen und den weiteren Bildungsweg mitbestimmen, worauf im Folgenden auch noch näher eingegangen werden soll. Der Struktur des Bildungssystems folgend, sind an den charakteristischen Übergangsstellen zwischen den einzelnen Bildungseinrichtungen fünf wesentliche Schwellen zu überwinden: Schwelle 1, Schulform nach der Grundschule, Schwelle 2: Übergang in die Sekundarstufe II, wobei ein enger Zusammenhang zwischen dem Bildungsstatus der Eltern und dem Besuch der gymnasialen Oberstufe festzustellen ist. Und damit sind schon zu diesem Zeitpunkt Entscheidungen getroffen worden, die sich bis auf den wesentlich später anstehenden Übergang in die Hochschule auswirken! Schwelle 3: Studienberechtigung. Hierbei ist festzuhalten, dass Fachhochschulen vorzugsweise von hochschulferneren Schichten zum bildungsbezogenen Aufstieg genutzt werden. Die Fachhochschulen können somit als sozial offener charakterisiert werden.

Schwelle 4, die Bildungsbeteiligung an den Hochschulen: Die amtliche Statistik erfasste bisslang vier Gruppen, nämlich Arbeiter, Angestellte, Selbständige und Beamte, die sich jedoch sehr heterogen zusammensetzen - vor allem hinsichtlich des Bildungsniveaus. Die soziale Zusammensetzung aller Studienanfänger ist im Wesentlichen das Ergebnis der sozialgruppenspezifischen Bildungsbeteiligung und der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung. Wie groß die Anzahl der Kinder aus einer bestimmten Sozialgruppe ist, die ein Studium aufnehmen, hängt nicht nur von ihrer Bildungsbeteiligungsquote ab, sondern auch vom Umfang der jeweiligen sozialen Gruppen. Die Entwicklung in der sozialen Zusammensetzung der Studierenden verlief in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten nahezu unverändert in die gleiche Richtung: Der Anteil aus der Herkunftsgruppe „hoch“ stieg kontinuierlich an, während sich der Anteil an Studierenden vor allem aus den unteren beiden Herkunftsgruppen reduzierte (Stichwort „Bildungstrichter“)! Es konnte also gezeigt werden, dass in Deutschland ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Hochschulzugang besteht!

Nun zur wirtschaftlichen Lage der Studierenden: Nur 21% sind von einer einzigen Finanzierungsquelle abhängig (Eltern:13%, Verdienst: 5%, BAföG: 2%), ein Großteil finanziert Studium aus zwei Finanzierungsquellen, etwa 35% nehmen sogar drei oder mehr Quellen in Anspruch. Was das Geschlecht anbelangt, gibt es keine großen Unterschiede, bis auf eine leicht höhere Elternfinanzierung bei den Frauen. Die Höhe der Einnahmen steigt deutlich mit wachsendem Alter. Bei der Höhe der Einkünfte nach sozialer Herkunft gibt es doch einen signifikanten Unterschied: der Student aus „hoher“ Herkunft hat sechs Prozent mehr zur Verfügung als „niedrig“, auch nimmt der eigene Verdienst sowie BAföG zur höheren Schicht ab. Was Ausgaben betrifft, so wohnen geringere Einkommen günstiger und ernähren sich billiger. Die Bafög- Quote zeigt prozentual weniger Studierende aus einkommensschwächeren Familien als 2003, wobei hier noch nicht die Entwicklung mit Studiengebühren beinhaltet ist.

Zusammenfassend kann zur wirtschaftlichen Lage der Studierenden gesagt werden, dass diese geringer als erwartet von deren sozialer Herkunft abhängt. Die Unterschiede insgesamt sind jedoch enorm, denn jeder fünfte Student muss mit unter dem für das BAföG berechneten Wert von 585 € pro Monat auskommen. Dennoch geben ein Fünftel (79 %) der BAföG-geförderten an, ohne das BAföG nicht studieren zu können. Studierende aus der Herkunftsgruppe "niedrig", also aus einkommensschwächeren Familien, sagen dieses sogar zu 87 %; Studierende aus der Herkunftsgruppe "mittel" zu 83 %, was also pro Chancen durch Bafög bedeutete. Im Kontrast dazu sehen allgemein 40% der Studierenden die Finanzierung ihres Studiums als unsicher an!

23.April 2008

Schule und soziale Ungleichheit:

Zum Umgang mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen in Deutschland und anderen OECD-Ländern

Schule und soziale Ungleichheit: Ein interessantes Thema, zu welchem in der Presse als auch im privaten Bereich zu Recht immer wieder „heiß“ diskutiert wird. Immer wieder begegnen uns bekannte Floskeln („schlechte Leistungen resultieren aus schlechtem Schulsystem“ etc.), doch was ist dran an den Vorwürfen und im Besonderen: gibt es überhaupt (für Deutschland) real „einfach so“ Umsetzbares? Ist es nicht vielmehr so, dass eine sog. „Gleichheit“ nur angestrebt, niemals aber erreicht werden kann? Dann also müssen wir uns fragen, was wird dafür tatsächlich getan, also wird sie, insofern sie besteht, erkannt und danach gehandelt?

Dass die Nutzungsqualität besonders von der sozialen Herkunft abhängt und diese Faktoren kaum beeinflussbar sind, bedeutet das für mich als Lehrerin, auf andere Faktoren zum „Angleichen der Chancen“ zurückgreifen muss. Nämlich ich selbst, die Schule bzw. das Schulsystem an sich die Qualität des Angebotes verbessern muss, was wiederum eben auf die motivationale Faktoren des Individuums einwirken kann. Aufgrund dessen, dass womöglich die privaten Fördermittel oder ein Bildungsbewusstsein weniger ausgeprägt sind, sollte eben dies die Schule als gut als möglich nicht nur auffangen.mUnd eben hier wird vor allen Dingen als „Verbesserungsvorschlag“ von der Bildung von leistungshomogenen vs. heterogenen Lerngruppen gesprochen, davon, dass in der in Deutschland praktizierten Form Schüler „untergehen“ würden in den Klassen usw. (bis hin zu: „aus dem System fallen“). Doch was ist dran an der Diskussion? Die Daten zeigen, dass Misserfolgserfahrungen jeglicher Art einen hohen Prozentsatz ausmachen und dieser wiederum vorwiegend aus niedrigeren Schichten gefüllt wird. Das Problem hierbei ist erschreckenderweise, dass dabei die kognitiven Voraussetzungen der Schüler nicht erfasst werden, doch selbst wenn man die Leistungen der Schüler berücksichtigt, ist für einen Jugendlichen mit Eltern aus der oberen Dienstklasse die Chance, ein Gymnasium zu besuchen, dreimal so groß das Hauptschulrisiko nur halb so groß wie für ein Facharbeiterkind. Eine Folge ist die Tendenz zur sozialen Homogenisierung in den verschiedenen Schulformen, sich diese überlagert mit der Homogenisierung nach Leistung, sich also unterschiedliche „Lernmilieus“ entwickeln. Je günstiger die Zusammensetzung der Schülerschaft nach sozialer Herkunft, kognitiven Fähigkeiten etc. desto besser sind die Leistungen einzelner Schüler gemessen an ihren individuellen Lernvoraussetzungen. Je ungünstiger diese Faktoren, desto schlechter sind die Leistungen. Nachgewiesen wurde, dass das Leistungsniveau zwischen Schulen in Systemen, die relativ früh selektieren (Deutschland) relativ stark variiert, bei einer späten Leistungsdifferenzierung liegen die Werte darüber. Als Fazit kann man also festhalten, dass die soziale Segregation im deutschen Schulsystem gefördert wird sowie die familiär bedingten Vor- oder Nachteile verstärkt werden, also nicht von einer Gleichheit der Bildungschancen gesprochen werden kann. Deshalb jedoch wird immer mehr die Bildung heterogener Lerngruppen angestrebt, gesprochen wird von späterer Selektion usw., es scheint sich also etwas zu tun, zumindest in der öffentlichen Diskussion seit PISA. „Einfach so“ scheint dies jedoch nicht zu funktionieren, denn von Grund auf müsste dann reformiert werden, angefangen beispielsweise bei der Lehrerausbildung. Zudem darf man auch nicht vergessen, dass Bildung Ländersache ist (zudem im Süden konservativ regiert), was eine bundesweite Reform erschweren könnte.

30.April 2008

Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit: Theoretische Klärung

Die heutige Diskussion über das Zusammenwirken der verschiedenen Kapitalbegriffe hat mich an einen Artikel in der „ZEIT“ erinnert, in welchem genau dieses Thema aufgegriffen wurde, wenn davon berichtet wird, wie eben kulturelles Kapital als auch soziales die Chancen zum Erwerb von ökonomischen Kapital determinieren, so im Sinne Bourdieus. In diesem Artikel wurden Beispiele wie der Name des Gymnasiums genannt, auf welchem ein Kind seinen Abschluss machen soll, und vieles andere. Besonders drastisch dargestellt aber am Beispiel der Namensgebung, also einer Handlung, die allem anderen (Schulwahl, die der Hobbies, des Studienganges etc.) vorausgeht und bewiesenermaßen –im Gegensatz zu noch zeitigerem Beeinflussen durch Musik im Mutterleib etc.- tatsächlich das ganze weitere Leben beeinflusst, und dies in einem nicht geringen Maße. Indem nämlich jede Schicht auch durch die Wahl gewisser Vornamen charakterisiert ist, lässt dies wiederum dritte Personen auf bestimmte Eigenschaften schließen, die man mit eben dieser Schicht verbindet. In einer Führungsposition würde, bei gleich gutem Zeugnis, eher ein Konstantin als eine Chantal eingestellt, deren Name mit einer „unteren“ Schicht assoziiert würde.

Ein Konstantin hätte dann wohl die „richtigen“ Hobbies gehabt, spielend nebenbei die „richtigen“ Umgangsformen gelernt, hätte die „richtige“ Schule besucht usw. Er würde bei einem Geschäftsessen spielend zwischen der letztaufgeführten Oper und dem eigentlichen Geschäftsthema hin- und her- switchen können –und dies wie selbstverständlich stilvoll gekleidet, eloquent, an der „richtigen“ Stelle lachend, die Verhaltenskodexe verinnerlicht. Etwas könnend, dass eine Chantal wohl niemals würde aufholen können, da nicht in den Kinderschuhen gelernt. Auch wenn hierbei in Schubladen gedacht wird, entspricht diese Denke der Realität, was die These Bourdieus und unsere heutige Diskussion bestätigt.

Und hier kommen wir nun zu Bourdieus Sozialtheorie, in welcher er drei soziale Gruppen, die als sozialer Raum zu denken sind, voneinander abgrenzt: die Oberschicht, die Abstand zur Mittelschicht wahren will, die Mittelschicht, die an die Oberschicht Anschluss finden möchte sowie letzteres die Unterschicht als „abgehängte Volksmasse“. Nach Bourdieu bestimmt hierbei die Oberschicht die Spielregeln, wie auch oben in meinem Bereicht beschrieben.

Zudem unterscheidet er drei Kapitalformen. Erstens, das kulturelle Kapital, kann in versch. Weisen vorliegen. In verinnerlichtem Zustand, steht dem Organismus also dauerhaft zur Disposition und ist bezogen auf die (Vor-)Bildung durch das Elternhaus. Besitztum als fester Bestandteil der Person, „aus Haben wird Sein“. Dies kann nur vom Individuum persönlich verinnerlicht werden, das Delegationsprinzip ist ausgeschlossen, genetische Vererbung und Erziehung beeinflussen die Effizienz des Aneignungsprozesses und entscheidet letztlich über eine einzigartige Stellung des Individuums. Praktische Konsequenz ist, dass die ungleiche Verteilung dieser Kapitalform die Fähigkeit zum Profit ermöglicht. Zweitens, im objektivierten, gegenständlichen Zustand, womit kulturelle Hinterlassenschaften wie Bilder oder Bücher gemeint sind. Die Aneignung hierbei besteht allein durch den Kauf. Drittens im institutionalisierten Zustand, d.h. in Form von Bildungsabschlüssen oder Titeln. Geltung besteht unabhängig von der Person, Aneignung durch Investition und ihre Funktion besteht in ihrer rechtlichen und öffentlichen Garantie für kulturelles Kapital, also Bildung, was wiederum den Geldwert einer Person bestimmt. Neben dem kulturellen Kapital nennt Bourdieu das soziales Kapital, das charakterisiert ist durch ein Konglomerat von homogenen Individuen, institutionalisiert in Parteien, Clubs, Familie usw. Hier findet ein Tauschen von materiellen und symbolischen Gütern statt. Aneignung nur durch zur Verfügung Stellung von bereits erworbenem oder von den Eltern geerbtem Kapital , Gewinn und Profitstreben ist Grundlage wie auch Solidarisierung, um Sicherheit zu erlangen. Zuletzt nennt er noch das ökonomische Kapital, also direkt in Geld konvertierbares Kapital.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass nicht nur das ökonomische Kapital ausschlaggebend für die Verwirklichung der Lebensziele ist, kulturelles und soziales Kapital bestimmen zu großen Teilen die Chancen zur Verwirklichung. Mehr noch, sie determinieren bis zu einem beträchtlichen Grad die Chancen für den Erwerb von ökonomischem Kapital. Aufgrund ihrer unterschwelligen Wirkungsweise sind sie schwerer zu beeinflussen und auszugleichen. So lernt man bestimmte Umgangsformen in einem langen Entwicklungsprozess auf den die Schulbildung nur geringen Einfluss hat. Diese Fähigkeiten wirken jedoch auf die Bewertung in der Schule.

Wie auch ökonomisches Kapital werden kulturelles und soziales Kapital zu großen Teilen vererbt. Zugleich hat das Kapital eine akkumulierende Funktionsweise, das heißt, bereits angesammeltes Kapital erleichtert die weitere Anhäufung von Kapital. Hierbei wirken die drei Kapitalbegriffe ineinander, denn zum Beispiel erleichtern kulturelles und soziales Kapital den Erwerb ökonomischen Kapitals.

14.Mai 2008

PISA 2000:

Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb im nationalen und im internationalen Vergleich

Die soziale Herkunft wird erfasst zum einen durch die sozioökonomische Stellung der Eltern, dessen Indikatoren Berufstätigkeit der Eltern (relativer Wohlstand der Familie, Wohnverhältnisse, Gebrauchsgüter mit hohem Anschaffungswert). Zum andern das kulturelle Kapital der Familie, durch nationale Herkunft der Schüler und Eltern, Humankapital der Eltern erfasst wird. Drittens das soziale Kapital, das Struktur, Größe und Erwerbstätigkeitsstatus der Familie sowie Eltern- Kind- Beziehung beinhaltet.

Das Bildungsniveau der Familien der 15-Jährigen ist dahingehend aufgeteilt, dass 70% der Väter und Mütter mindestens einen mittleren Abschluss haben, in 80% der Fälle mind. einer der beiden. Gering qualifizierte mit oder ohne Hauptschulabschluss und ohne abgeschlossene Berufsausbildung beträgt 8% der Väter, Mütter 13%.

Der Zusammenhang von Schichtzugehörigkeit und Bildungsabschluss gliedert sich folgendermaßen: 50% der oberen Dienstklasse hat einen akademischen Abschluss, 60% der Arbeiter und einfachen Angestellten einen Hauptschulabschluss, 40% der Bezugspersonen aus Arbeiterfamilien haben mindestens einen Realschulabschluss.

Wenn man nun die Bildungsbeteiligung sowie den Kompetenzerwerb national vergleicht, fällt bei der Bildungsaspiration und Expansion weiterführender Bildungsgänge auf, dass die sozialen Verhältnisse mit der Bildungsaspiration kovariieren. Die Erwartung der Eltern an die Schulbildung ist gestiegen.

Was Sozialschichtzugehörigkeit und Bildungsbeteiligung anbelangt, so hat innerhalb der letzten Jahrzehnte eine Lockerung im Zusammenhang von sozialer Stellung und Bildung stattgefunden, Ungleichheiten entstehen an Gelenkstellen von Bildungskarrieren (erworbene/ vorausgesetzte Kompetenzen, soziale Disparitäten), die Bildungsbeteiligung hängt stark ab von der sozialer Stellung!, besonders an Gymnasien, auch sind große Unterschiede zwischen den neuen und alten Bundesländern zu konstatieren. In der ehemaligen DDR herrschte das 10-jährige Schulsystem mit anschließend erweiterter Oberschule vor, es bestand also weniger Distanz zum Gymnasium, zudem ist der Migrationsanteil im Westen höher als im Osten. Ersichtlich wurde: Kulturelle Tradition und Platzangebot sind für 85% der Disparitäten verantwortlich.

Der zu untersuchende Zusammenhang von sozialer Herkunft und erworbener Kompetenzen erscheint gerade bei der Lesekompetenz interessant, denn bei dieser besitzt neben der Grundschule, der häusliche Einfluss eine Schlüsselstellung, wohingegen Mathematik- und NW-Kompetenzen hauptsächlich von der Schule abhängen. „Mittlere Lesekompetenz“ wurde erreicht von der „Oberschicht“ in den neuen Ländern ca. 30%, in Bayern/ Baden-Württemberg gar 48%! Besonders wichtig hierbei ist das sogenannte sozial strukturelle Niveau. In neuen Ländern wiegen die Disparitäten geringer, aber auch kann ein allgemein geringes Niveau im Vergleich zu den alten Bundesländern festgestellt werden.

Im internationalen Vergleich der Disparitäten von hoher und niedriger sozialer Schicht wurden in Deutschland und Schweiz die größten Unterschiede ausgemacht! In Bezug auf die Oberschicht nimmt Deutschland einen mittleren Platz ein, in Bezug auf einen Arbeiterhaushalt sind nur noch Luxemburg, Mexiko und Brasilien schwächer. Bei Veränderung der Sozialschicht steigt bzw. sinkt die Lesekompetenz um mehr als den doppelten Wert als in Finnland und die Leistungsdifferenz beträgt bei Kontrolle der Sozialschichtzugehörigkeit im Vergleich fast eine Kompetenzstufe! Die Veränderungsrate ist in Deutschland am höchsten, mit der die Lesekompetenz der Änderung der Sozialschicht um eine Standardabweichung folgt!

Schwache Lesekompetenz lässt sich also wie folgt erklären, nämlich als Zusammenspiel von Risikofaktoren wie die Stellung der Familie im unteren Viertel der Sozialstruktur, das Bildungsniveau der Familie mit maximal einem Sekundarstufe I- Abschluss ohne Berufsausbildung, Zuwanderung von mindestens einem Elternteil oder muss ein Junge sein. In Deutschland gehören 22,5% zur Risikogruppe. Stammt der Jugendliche aus einem unteren Viertel, so ist das Risiko 2,5mal so groß als bei einem Jugendlichen aus höherem Sozialstatus. Bei Familien mit Eltern ohne Berufsausbildung ist das Risiko 2,5 mal so groß als bei Familien mit Eltern mit einer nicht akademischen Berufsausbildung, im Vergleich zu Familien mit Eltern mit Fach(hoch)schule, Hochschule fast das 4-fache. Bei Familien bei denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist, ist das Risiko das 2,6- fache, bei Jungen im Vergleich zu Mädchen 70% höher!

21.Mai 2008

Geschlechterunterschiede in Bildungsbeteiligung, Kompetenzerwerb und Schulleistung:

Sind die Mädchen oder die Jungen das benachteiligte Geschlecht?

Wer nun das benachteiligte Geschlecht sein soll –natürlich bezüglich Schule im Allgemeinen- wird immer wieder auf das Neue diskutiert, durch die Medien wurde lange Zeit der Eindruck erweckt, dass dies die Mädchen seien, immer mehr Förderprogramme, gar reine Schulen für Mädchen wurden eröffnet.

Überraschenderweise hat jedoch gerade hier ein starker Wandel stattgefunden, nämlich von einem noch in den Sechzigern bestehenden Jungenüberschuss an den Gymnasien (nur 1/3 Mädchen) zu einem der Mädchen (mehr als 50%), wobei die Jungen wiederum jedoch an den Hauptschulen heute weitaus stärker vertreten sind. Also befinden sich mehr Mädchen an höheren Schulformen, mehr Jungen an den „niederen“!

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit in der Schule
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Erziehungswissenschaft/ Bildungswissenschaft)
Veranstaltung
Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit in der Schule
Note
2,00
Autor
Jahr
2008
Seiten
27
Katalognummer
V114329
ISBN (eBook)
9783640158584
Dateigröße
581 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Reflexionen zu den verschiedenen Themen anhand des besprochenen Seminarstoffes - ohne Literaturangaben, da Reflexionen/ Essays
Schlagworte
Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit, Schule, Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit, Schule, Pädagogische Studien, Schulpolitik, Bildungspolitik
Arbeit zitieren
Marie-Luise Leise (Autor:in), 2008, Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114329

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