Arbeits- und Gesundheitsschutz in prekärer Arbeit

Rechtliche Rahmenbedingungen und Arbeitspraxis


Seminararbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung
1.1. Definition und Arten prekärer Arbeit bzw. Beschäftigungsformen
1.2. Entwicklung prekärer Arbeit bzw. Beschäftigungsformen
1.3. Geschlechtsspezifische Verteilung prekärer Arbeit
1.4. Berufs-/Branchenspezifische Verteilung prekärer Arbeit

2. Arbeitsund Umgebungsbelastung prekärer Beschäftigungsformen und deren Auswirkungen auf die gesundheitliche Konstitution
2.1. Physische Arbeitsund Umgebungsbelastungen
2.2. Psychische Arbeits-, Umgebungsbelastungen und Anforderungen
2.3. Auswirkungen auf die gesundheitlichen Ressourcen prekär Beschäftigter

3. Rechtliche Rahmenbedingungen des Arbeitsund Gesundheitsschutzes
3.1. EU-Arbeitsschutzrichtlinien
3.2. Arbeitschutzgesetz und duales Arbeitsschutzsystem in der BRD
3.3. Weitere Gesetze zur Umsetzung in diesem Zusammenhang (z.B. Arbeitnehmer- überlassungsgesetz / AÜG)

4. Arbeitsund Gesundheitsschutz in der Praxis
4.1. Umsetzung in der betrieblichen Praxis bei befristet Beschäftigten
4.2. Umsetzung in der betrieblichen Praxis bei Teilzeitu. geringfügig Beschäftigten
4.3. Umsetzung in der betrieblichen Praxis bei Leiharbeitnehmern

5. Lösungsansätze/-möglichkeiten zu einer besseren Umsetzung des Arbeitsund Gesundheitsschutzes
5.1. Gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA)
5.2 Kampagnen und Initiativen im Bereich der Leiharbeit / Arbeitnehmerüberlassung
5.2.1 Kampagnen der IG-Metall
5.2.2 Initiativen der Arbeitsgeberverbände im Personaldienstleistungsbereich zur Erhöhung des fachlichen Standards des internen Personals

6. Fazit

1. Einleitung

1.1. Definition und Arten prekärer Arbeit bzw. Beschäftigungsformen

Ein erster Ansatz, um sich definitorisch prekärer Arbeit bzw. prekären Beschäftigungsverhältnissen anzunähern, kann rein formal in einer negativen Abgrenzung zum klassischen Normalarbeitsverhältnis (NAV) vorgenommen werden. Die Referenzkategorie NAV ist sozialversicherungspflichtig, unbefristet und gewährleistet durch Arbeit in Vollzeit ein existenzsicherndes Einkommen.

Im Umkehrschluss ist demnach prekäre Arbeit in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Entgelt deutlich unter dem Durchschnittseinkommen liegt und nicht mehr allein den Lebensunterhalt des Arbeitnehmers sichert, eine geringe Arbeitsplatzsicherheit besteht und somit keine zuverlässige Zukunftsplanung mehr für den Einzelnen möglich ist, Arbeitnehmerschutzrechte reduziert sind und reduzierte oder nicht vorhandene Sozialversicherungspflicht gegeben ist1.

Ausgehend von dieser Negativ-Definition lassen sich nun Kernformen prekärer Arbeit, wie befristete, Teilzeitund geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sowie Leiharbeitsverhältnisse, identifizierten. Diese Formen prekärer Arbeit weisen die soeben aufgeführten Kriterien in einem sehr unterschiedlichen Ausmaß auf2.

Der gerade gewählte Definitionsansatz ist jedoch nicht ganz so stringent einzuhalten, denn nicht jede vom NAV abweichende Arbeit ist auch prekär bzw. nicht jeder Arbeitnehmer in den soeben genannten Beschäftigungsformen befindet sich in einer prekären Lebenssituation.

Der Prekaritätsgrad eines Beschäftigungsverhältnisses korreliert sehr stark mit der Ausübungsdauer der Tätigkeit. Wird beispielsweise ein nur kurzzeitig ausgeübtes befristetes Beschäftigungsverhältnis entfristet oder dient Leiharbeit als Brücke aus der Arbeitslosigkeit in ein Normalarbeitsverhältnis, bleibt der Prekaritätsgrad marginal. Auch spielt die Freiwilligkeit der Wahl einer bestimmten Beschäftigungsform eine Rolle. Möglich ist, dass Beschäftigte aus familiären Gründen phasenweise eine Teilzeitbeschäftigung ausüben oder zur beruflichen Orientierung eine befristete Tätigkeit ausgeübt wird3.

1.2. Entwicklung prekärer Arbeit bzw. Beschäftigungsformen

Das klassische „Normalarbeitsverhältnis“ als Basis unseres sozialen Sicherungssystems verliert zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung nimmt seit den späten 80er Jahren stetig zu. In der folgenden Abbildung wird dieser Trend deutlich, auch wenn ab Mitte 2006 ein leichter Anstieg sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse zu verzeichnen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Zeitablauf 1999 - 2007 (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt 2007 / Hans-Böckler-Stiftung 2007)

Auf der anderen Seite gewinnen prekäre bzw. atypische Beschäftigungsformen stetig an Bedeutung4.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Anteil der atypischen Beschäftigung im Zeitablauf 1993 - 2005 (Quelle: Brehmer, Seifert 2007 / Hans-Böckler-Stiftung 2007)

Mehr als ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland arbeiten entweder befristet, mit einem Teilzeitarbeitsvertrag, geringfügig oder als Leiharbeitnehmer5.

Differenziert betrachtet sind Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung, die letztlich eine Variante der Teilzeitarbeit ist, mit Abstand die quantitativ wichtigsten Formen prekärer Arbeit, die auch kontinuierlich zugenommen haben.

Wobei der Anteil der geringfügig Beschäftigten stärker gestiegen ist, als der Anteil der Teilzeit-Beschäftigten.

Befristete Beschäftigungsverhältnisse sind zwar moderat gestiegen, weisen aber eine nicht so hohe Dynamik, wie Leiharbeitsverhältnisse auf.

Der Anteil der Leiharbeitnehmer an allen Beschäftigten ist im internationalen Vergleich jedoch nach wie vor auf einem geringen Niveau6.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Segmente atypischer Arbeitsverhältnisse mit Stand Juni 2004 (Quelle: Brinkmann, Dörre, Röbenack 2006 / Hans-Böckler-Stiftung 2006)

Tabelle 1: Teilzeitarbeit, befristete Beschäftigung, Leiharbeit (Quelle: Statistisches Bundesamt 2005; BA 2004; Rudolph 2004)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Betrachtet man die Ursachen für das Zurückdrängen des NAV und die Zunahme prekärer Beschäftigungsformen, so präsentieren sich recht vielfältige Triebfedern: Zum Einen sah sich der Gesetzgeber aufgrund hoher Arbeitslosenzahlen und sinkender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gefordert, eine gegensteuernde Arbeitsmarktpolitik zu ergreifen. Durch Inkrafttreten zahlreicher Gesetze bzw. Novellierungen7 sollte die Flexibilität am Arbeitsmarkt erhöht und diesem Trend entgegen gewirkt werden8. Zum Anderen spielen Globalisierungsprozesse und die Internationalisierung der Märkte eine wichtige Rolle, die einen hohen Konkurrenzdruck auf Wirtschaft und Unternehmen erzeugen. Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit durch flexiblere Kostenstrukturen - u. a. im Bezug auf Lohnkosten - ist vielfach entscheidend9.

1.3. Geschlechtsspezifische Verteilung prekärer Arbeit

Eine geschlechterspezifische Betrachtung prekärer Arbeit zeigt im Falle der Teilzeitarbeit eine deutlich "weibliche Domäne". Im Rahmen einer Erhebung für den Gender- Datenreport zur Gleichstellung von Frauen und Männern innerhalb der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2004 wurde ermittelt, dass Frauen zu 43 Prozent in Beschäftigungsverhältnissen von 31 Stunden die Woche und weniger arbeiten. Bei den Männern waren dies nur 7 Prozent. Im Umkehrschluss arbeiten in Vollzeitarbeitsverhältnissen überwiegend Männer. Auch unter den geringfügig Beschäftigten sind drei Viertel (76 %) weiblichen Geschlechts. Für Frauen stellt Teilzeit und auch geringfügige Beschäftigung oft eine Art des Zuverdienstes zum männlichen Haushaltseinkommen dar.

Eine Befristung des Arbeitsverhältnisses ist bei Männern wie Frauen vor allem am Anfang ihrer Berufslaufbahn anzutreffen, wobei Frauen häufiger befristet beschäftigt sind10.

Der überwiegende Anteil der Beschäftigten in Leiharbeitsverhältnissen ist männlich. So waren zum Beispiel im Jahr 2006 rund 440.000 Männer und nur 150.000 Frauen in einem Leiharbeitsverhältnis beschäftigt11.

Insgesamt zeigt sich - bis auf befristete Beschäftigungsverhältnisse - eine deutlich geschlechtsspezifische Spaltung auf dem Erwerbsarbeitsmarkt.

1.4. Berufs-/Branchenspezifische Verteilung prekärer Arbeit

Leiharbeitnehmer werden eher für die so genannten „bad jobs“ herangezogen (z.B. Abbruchund Reinigungsarbeiten)12. Weiterhin ist das Qualifikationsniveau der Leiharbeitnehmer im Vergleich sehr niedrig. Der Anteil der unund angelernten Arbeitern

liegt mit 39 Prozent deutlich über dem im Nicht-Zeitarbeitsbereich (NZA: 15 %) und qualifizierte Angestellte sind deutlich seltener (ZA: 21 % und NZA: 40 %)13.

Innerhalb der Gruppe der befristet Beschäftigten werden nicht nur gering sondern auch hoch qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt. Dies können Tätigkeiten im gewerblichen Bereich und Dienstleistungsoder auch Büround Verwaltungsberufe sein14.

Teilzeitund geringfügig Beschäftigte üben in der Regel einfache manuelle Hilfsund Dienstleistungsarbeiten aus15.

2. Arbeitsund Umgebungsbelastung prekärer Beschäftigungsformen und deren Auswirkungen auf die gesundheitliche Konstitution

2.1. Physische Arbeitsund Umgebungsbelastungen

Eine repräsentative Befragung von 20.000 Erwerbstätigen ab einem Alter von 15 Jahren mit einer Arbeitszeit von mindestens 10 Stunden pro Woche des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat ergeben, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse eine eindeutige und konsistente Tendenz zu einer stärkeren Exposition gegenüber physischen Belastungen und Anforderungen aus der Arbeitsumwelt aufweisen16.

Im Detail hat diese Erhebung gezeigt, dass unter den prekär Beschäftigten Leiharbeitnehmer sehr häufig den folgenden körperlichen Erschwernissen und widrigen Arbeitsund Umgebungsbedingungen ausgesetzt sind: 76 Prozent der Leiharbeitnehmer arbeiten nach eigenen Angaben praktisch immer im Stehen (NZA: 57 %), 37 Prozent müssen häufig schwere Lasten tragen und heben (NZA: 24 %) und 39 Prozent arbeiten häufig unter starkem Lärm (NZA: 25 %). Diese Ergebnisse sind u. a. darauf zurück zuführen, dass Leiharbeitnehmer eher für die schon in Punkt 1.4. genannten „bad jobs“ herangezogen werden und ein niedrigeres Qualifikationsniveau aufweisen17.

Unter befristet Beschäftigten sind - im Vergleich zur Referenzkategorie unbefristet Beschäftigter - körperliche Belastungen, ebenfalls durch häufiges Arbeiten im Stehen (befristet Beschäftigte: 64,2 %; unbefristet Beschäftigte: 56,1 %), schweres Heben und Tragen (befristet Beschäftigte: 26,9 %; unbefristet Beschäftigte: 22,3 %) und Arbeit unter Zwangshaltungen (befristet Beschäftigte: 17,5 %; unbefristet Beschäftigte: 14,2 %), verstärkt ermittelt worden18.

Teilzeit-Beschäftigte (einschließlich geringfügig Beschäftigter) arbeiten ebenso wie Leiharbeitnehmer und befristet Beschäftigte häufiger im Stehen (Teilzeit-Beschäftigte (TZ): 57,9 %; Vollzeitbeschäftigte (VZ): 55,9 %). Bei allen weiteren abgefragten physischen Arbeitsbedingungen und Belastungen ist die Häufigkeitsverteilung entweder annähernd gleich hoch oder geringer als bei Vollzeitbeschäftigten19.

[...]


1 vgl. Blanke 2007, S. 6

2 vgl. Keller, Seifert 2006, S. 235

3 vgl. Brehmer, Seifert 2007, S. 4 - 7

4 vgl. Pröll, Gude 2003, S. 89; Keller, Seifert 2006, S. 235 - 236

5 vgl. Brehmer, Seifert 2007, S. 2

6 vgl. Keller, Seifert 2006, S. 235; Fuchs 2006, S. 11

7 Beschäftigungsförderungsgesetzes (1985), des Arbeitszeitgesetzes (1994), des Wachstumsund Beschäftigungsförderungsgesetzes (1996), des Teilzeitund Befristungsgesetzes (2001), des Job- AQTIV-Gesetzes (2002) sowie des Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt / Hartz- Reform (2003)

8 vgl. Rudolph 2006, S. 35

9 vgl. Fuchs 2006, S. 4; Kraemer, Speidel 2004, S. 4; Keller, Seifert 2006, S. 2

10 vgl. Genderreport, S. 121 - 12

11 vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2008, S. 43

12 vgl. Pröll 2004, S. 42

13 vgl. Pröll, Gude 2003, S. 111; Siefer et al. 2008, S. 3 - 4

14 vgl. Fuchs 2006, S. 32

15 vgl. Pröll 2004, S. 62

16 Es handelt sich hier um eine Nachfolgeerhebung der BIBB-/IAB-Befragung aus 1998/1999. Seit der Erhebung aus 1998/1999 ist die BAuA Projektpartner, um neben Qualifikationsund Arbeitsmarktanforderungen auch arbeitsbelastungsund beanspruchungsorientierte Fragen einzubeziehen. Die aktuelle Erhebung aus 2005/2006 ist nun mehr gemeinsam vom BIBB und der BAuA durchgeführt worden. Durch diese Zusammenarbeit wurde nun eine noch stärkere Konzentration auf die Arbeitsbedingungen und die sich daraus ergebenden Beanspruchungen ermöglicht.

17 vgl. Siefer et al. 2008, S. 4; Bundesministerium für Arbeit und Soziales et al. 2008, S. 53

18 vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales et al. 2008, S. 53

19 vgl. Siefer et al. 2008, S. 4; Bundesministerium für Arbeit und Soziales et al. 2008, S. 53

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Arbeits- und Gesundheitsschutz in prekärer Arbeit
Untertitel
Rechtliche Rahmenbedingungen und Arbeitspraxis
Hochschule
Technische Universität Dortmund  (Organisationspsychologie)
Veranstaltung
Psychopathologie der Erwerbsarbeit - am Beispiel von Arbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung“
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V114328
ISBN (eBook)
9783640158577
ISBN (Buch)
9783656529866
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeits-, Gesundheitsschutz, Arbeit, Psychopathologie, Erwerbsarbeit, Beispiel, Arbeitslosigkeit, Beschäftigung“
Arbeit zitieren
Dipl. Kauffrau Anja Stockrahm (Autor:in), 2008, Arbeits- und Gesundheitsschutz in prekärer Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114328

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