Erneuerbare Energien in Zentralasien. Ein Weg aus der Erdgasfalle? Das Beispiel der Solarenergie in Usbekistan


Seminararbeit, 2008

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Zentralasiens Reichtum an fossiler Energie
1.1 Übersicht über die fossilen Energien in Zentralasien
1.2 Wasserkraft und Erdgas: Die Stromproduktion als Ausdruck der räumlichen Energiediskrepanz in Mittelasien
1.3 Europas Interesse an den fossilen Energien Zentralasiens
1.4 Die Bedeutung des Erdgases in der Zentralasienstrategie der Europäischen Union
1.5 Die Erdgasfalle in Zentralasien

2. Energie in Usbekistan
2.1 Die usbekische Energiepolitik seit der Unabhängigkeit
2.2 Das Problem der mangelhaften Energieeffizienz in Usbekistan
2.3 Usbekisches Erdgas als Exportgut- eine Illusion?
2.4 Das Potential der Erneuerbaren Energien in Usbekistan
2.4.1 Das Potential der Windkraft
2.4.2 Das Potential der Hydroenergie
2.4.3 Das Potential der Sonnenkraft

3. Solarenergie in Usbekistan- Aufbruch in eine goldene Zukunft?
3.1 Die Solarenergieforschung im sowjetischen Usbekistan
3.2 Die gegenwärtige Situation der Sonnenenergie in Usbekistan
3.3 Große Solarkraftwerke in Usbekistan?
3.4 Die Wirtschaftlichkeit der Solarenergie in Usbekistan
3.5 Die Bedeutung des Clean Development Mechanism

Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung

Zentralasien ist bekannt für seine großen Vorkommen an Erdöl und Erdgas und den damit verbundenen geopolitischen Auseinandersetzungen der Groß- und Regionalmächte um diese Energieressourcen. Mehrere der zentralasiatischen Staaten erwirtschaften zu einem Großteil ihren Außenhandel mit dem Export fossiler Energie über Pipelinesysteme, welche vorrangig über Russland in andere Staaten der GUS führen. Europa, Iran und China interessieren sich zunehmend um die Möglichkeiten eines direkten Exports dieser Energie und geraten wegen den Ressourcengrenzen in einen Wettbewerb untereinander.

Im ersten Kapitel werden die Energieressourcen und die Energiewirtschaft in Zentralasien betrachtet und es wird festgestellt, dass große Unterschiede zwischen den Ländern und ein damit gekoppeltes Konfliktpotential existieren. Außerdem sind die Interessen der Europäischen Union um das zentralasiatische Erdgas und ihre neue Zentralasienstrategie von Bedeutung. Doch die Vorräte der fossilen Energie sind auch in dieser Region begrenzt und könnten schneller versiegen als von den Akteuren angenommen.

Die erneuerbaren Energien bieten diesen Ländern ebenfalls die Chance, einen nachhaltigen Entwicklungsweg einzuschlagen.

Als Untersuchungsland wird Usbekistan ausgewählt, weil dort zwar viel Erdgas gefördert wird, jedoch nur ein kleiner Teil davon unter großen Problemen wie äußerst schlechter Energieeffizienz und dem zwanghaften Ausbau der Kohlenförderung zum Export bereitgestellt werden kann. Das Land nimmt eine Mittelposition zwischen den energieexportstarken Staaten Kasachstan und Turkmenistan und den fast vollständig mit Hydroenergie sich selbst versorgenden Länder Kirgistan und Tadschikistan ein. Seine Energieversorgung basiert überwiegend auf dem Erdgas, jedoch sind dessen Exportmöglichkeiten gering, so dass erneuerbare Energien interessant werden. Bemerkenswert ist die schon die relativ starke Nutzung von Wasserkraft.

Die Sonnenenergie stellt sich für Usbekistan als die unangefochtene erneuerbare Energie der Zukunft mit hohem Potential heraus.

Im dritten Kapitel wird der Frage nachgegangen, welche Ausgangsituation momentan besteht und welche politischen Mittel zur Förderung von Sonnenenergie zur Verfügung gestellt werden müssen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Usbekistan von einer autoritären politischen Führung regiert wird und auf welche Weise trotzdem mit dieser internationale Akteure zusammenarbeiten können, um die Errichtung von Solarkraftwerken zu realisieren.

Orientiert am Energiepolitischen Dreieck mit den Interdependenzen von Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit werden die hohen Einführungs- und Entwicklungskosten betrachtet und wie Kooperationen im Forschungs- und Finanzierungsbereich zwischen den Industrieländern mit Usbekistan, die bei Pilotprojekten schon existieren, etabliert werden können.

1. Zentralasiens Reichtum an fossiler Energie

1.1 Übersicht über die fossilen Energien in Zentralasien

Im Vergleich der fünf mittelasiatischen Republiken und Aserbaidschan fallen markante Unterschiede im Vorkommen und in der Förderung von Erdöl und Erdgas auf (Tab.1). Die Hochgebirgsländer Tadschikistan und Kirgistan weisen keine relevanten Reserven auf, während Kasachstan sowohl bei Erdöl als auch Erdgas den ersten Rang einnimmt. Pauschal veranschaulicht, liegen innerhalb Zentralasiens die Schwerpunkte von Erdölvorkommen westlicher als die von Erdgas. Die Erdölförderung ist in Kasachstan und Aserbaidschan stark exportorientiert und nur diese beiden Länder sind für den Erdölweltmarkt interessant, während das in Turkmenistan und Usbekistan geförderte Erdöl vorrangig zur Abdeckung des Eigenverbrauchs dient.[1]

Im Bereich des Erdgases hingegen existieren in allen vier Steppen- und Wüstenstaaten bedeutende Erdgasreserven. Verglichen mit dem hohen Erdgaspotential ist die Förderung von Erdgas in Kasachstan noch gering, so dass dort weniger als die Hälfte der Fördermenge exportiert werden kann. In Aserbaidschan liegt die Förderung trotz den hohen Reserven unter dem des Eigenverbrauchs, so dass ein Import notwendig ist. Mit 63,0 Mrd.m3 bzw. 59,7 Mrd.m3 war im Jahr 2006 die Erdgasförderung in Turkmenistan und Usbekistan am höchsten. Im Gegensatz zu Usbekistan standen in Turkmenistan fast 75 Prozent davon dem Export zur Verfügung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Reserven, Förderung und Verbrauch von Erdgas. Eigene Darstellung nach Rempel et al 2007, S. 436.

Um das Jahr 2000 wurde bei der Förderung von Erdgas und Erdöl das sowjetische Niveau der 1980er erreicht und der Einbruch nach der Unabhängigkeitswerdung überwunden. Nachfolgend werden die beiden fossilen Energieträger in der Region näher charakterisiert:

Erdöl: In diesem Jahrzehnt erfolgte in der Erdölförderung- hauptsächlich durch Kasachstan- eine Verdoppelung von ca. 60 auf 120 Mt in der Region. Die Prognosen des BGR gehen von einer nahezu weiteren Verdoppelung der Fördermengen bis 2020 aus, wobei die Fördermenge in Aserbaidschan nach 2010 im Gegensatz zu einem stetigen Wachstum in Kasachstan stagnieren würde. Nur etwa ein Viertel des geförderten Erdöls wird in der Region verbraucht, so dass hier ein großes Exportpotential vorhanden ist. Die einzigen wesentlichen Erdölexporteure sind Kasachstan (52 Mt 2006) und Aserbaidschan (13 Mt 2006).

Erdgas: Die Erdgasförderung begann Mitte der 1960er Jahren mit der Erschließung des Gasli-Feldes in Usbekistan, darauf folgte in den 1970er Turkmenistan, welches 1989 mit 90 Milliarden m3 den 3. Rang in der Weltförderung erreichte. Sie ging in den 1990er stark zurück, vor allem weil Turkmenistan seine Lieferungen an die Ukraine wegen Zahlungsrückstands einstellte und nur noch geringe Mengen in den Iran lieferte. Nachdem Turkmenistan wieder seit 2000 seine Lieferungen an die Ukraine aufgenommen hatte, erreichte es 2007 erstmals das Niveau vor der Unabhängigkeit.

Mit ca. 176 Mrd.m3 Erdgas lieferte 2006 die Region 6 % der Weltförderung. 2020 würde nach BGR-Prognosen ein Niveau von 325 Mrd.m3 erreicht sein- wie bei Erdöl nahezu eine Verdopplung binnen 14 Jahren. Im Gegensatz zum Erdöl werden aber 53 % des Erdgases selbstverbraucht, weil Erdgas in diesen Ländern mit teilweise über 50 % am Primärenergieverbrauch überdurchschnittlich hoch beteiligt ist. Turkmenistan ist mit 48 Mrd.m3 der Hauptexporteur, der neben Russland und Ukraine mit 6 Mrd.m3 auch den Iran beliefert. Insgesamt betrug der zentralasiatische Erdgasexport 70 Mrd.m3 im Jahr 2006, fast ausschließlich in andere GUS-Staaten. Die in Zukunft massiv gesteigerte Fördermenge würde vorrangig dem Export zur Verfügung stehen, weil der Eigenbedarf nur noch geringfügig steigen würde.

1.2 Wasserkraft und Erdgas: Die Stromproduktion als Ausdruck der räumlichen Energieträgerdiskrepanz in Mittelasien

Die relativ willkürliche Grenzziehung und Bildung der mittelasiatischen Republiken in der Sowjetunion ab den 1920er wurde nach der Unabhängigkeit beibehalten[2] und sorgt dafür, dass eine markante Diskrepanz zwischen rohstoffreichen Wüstenstaaten und rohstoffarmen Hochgebirgsstaaten besteht. Die Ausstattung mit den Naturressourcen bestimmt im besonderen Maß die Stromproduktion in den jeweiligen Staaten. Es existieren die zwei Wasserkraftländer Kirgistan und Tadschikistan, Kasachstan bekommt zu 70% seinen Strom aus Kohle, während Usbekistan und Turkmenistan fast ausschließlich Elektrizität aus Erdgas produzieren (Tab. 2).

Bei der Stromproduktion sind Kasachstan und Usbekistan führend. In Kasachstan ist der Stromverbrauch pro Kopf aber doppelt so hoch wie in Usbekistan. Die mittelasiatischen Staaten tauschen innerhalb des zu Sowjetzeiten errichteten Zentralasiatischen Elektrizitätsverbundes Strom aus. Dies liegt an jahreszeitlichen Schwankungen der Stromproduktion eines jeweiligen Landes, häufig werden auch grenznahe Regionen vom Nachbarstaat aus mit Elektrizität versorgt.

Im Zusammenhang mit dem Hydroenergetischen Komplex, ein Begriff der Sowjetterminologie, wurden mit dem Bau von Stauseen sowohl landwirtschaftliche Produktion in der Unterlaufstaaten als auch die Hydroenergieproduktion mit damit verbundenen Industrien für ein maximales Wirtschaftswachstum optimiert. Ohne die Abflussregelung der Stauseen könnte nur eine der beiden Komponenten- Landwirtschaft oder Wasserkraft- zu Lasten der anderen bevorzugt werden. Hauptzweck der Stauseen war das Speichern des Wassers im Winter und Frühling, um es im Sommerhalbjahr in regulierten Mengen für die Bewässerungswirtschaft an den Flussunterläufen abzulassen. Dabei war die Wasserkraft ein optimaler Nebeneffekt, was zur Errichtung ganzer Wasserkraftkaskaden am Vaksch und Naryn führte. Das winterliche Energiedefizit in Kirgistan und Tadschikistan wurde durch Energielieferungen aus den Nachbarrepubliken ausgeglichen, während diese deren sommerlichen Stromüberschuss aufnahmen. Heute sind Tadschikistan und Kirgistan gezwungen die notwendigen Energieträger aus den Nachbarstaaten zu Weltmarktpreisen zu kaufen, wobei ihr sommerlicher Überschuss in die andere Richtung fließt und verrechnet wird. Jedoch gab es in der Vergangenheit regelmäßige Vorwürfe, sich nicht an die vereinbarten Lieferungen zu halten, sowie das generelle Misstrauen der Unteranliegerstaaten Kasachstan und Usbekistan gegenüber den Staudämmen der Oberanliegern.[3]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Elektrizität und Energieressourcen in Mittelasien. Eigene Darstellung nach Daten für Stromproduktion: International Energy Agency. Daten für geschätzte Energiereserven: Rempel et al 2007, S. 436 u. 442, nach BGR-Datenbank. Hydroenergie: Horlacher 2003, S. 15. Wasserressourcen: Giese et al 2004, S. 3.

Das Energieproblem ist eng mit den Konflikten der Wasserressourcen verknüpft. Gerade die rohstoffarmen Länder verfügen über üppige Wasserressourcen. Die vier der fünf Republiken (außer Kasachstan) sind markant durch die naturräumlichen Begebenheiten mit einem enormen Gegensatz zu trockenen Steppen- und Wüstenzonen und niederschlagsreicheren Hochgebirgen in zwei Gruppen geteilt. So werden in Tadschikistan und Kirgistan 43,4 % bzw. 25,1% des gesamten Abflusses von Amudarja und Syrdarja, den beiden Zuflüssen des Aralsees, gebildet, während die Unteranliegerstaaten Usbekistan und Turkmenistan zusammen über 75 % dieses Wassers für ihre Bewässerungslandwirtschaft und Wasserversorgung der Bevölkerung verbrauchen. Diese Staaten besitzen zudem die sehr großen Lagerstätten an Erdöl- und Erdgasvorkommen, während Tadschikistan und Kirgistan nur äußerst geringe Mengen davon verfügen. Deren Chance liegt einzig in dem bemerkenswert hohen Wasserkraftpotential- nur die Hydroenergie gewährleistet hier eine eigene Elektrizitätsversorgung. Die Wasserkraft wurde schon zu Sowjetzeiten genutzt, so dass die beiden Staaten im Pamir und Tienschan zu nahe 100 % ihren Strom aus Hydroenergie beziehen. Jedoch herrschen in Tadschikistan und Kirgistan saisonale Divergenzen der Stromproduktion, der Eigenbedarf an Elektrostrom kann zu 95 % bzw. 114 % gedeckt werden, jedoch wird das gesamte Defizit an Energieressourcen auf 65 % bzw. 42 % geschätzt.[4]

Tadschikistan beginnt nun mit russischen und iranischen Energiekonzernen den Bau des Rogun-Staudammes, welche der höchste der Erde sein wird, um weitere 5 Mrd. kWh/a zu produzieren. Für dieses Projekt bestehen Ausbauoptionen und neben sehr vielen kleinen Wasserkraftwerken in entlegenen Regionen des Pamir, wird eine ganze Wasserkraftkaskade am Pjandsch in Kooperation mit Afghanistan geplant. Die tadschikische Regierung wirbt mit diesem großen Projekt, weil es sich dann als Stromexporteur (bis zu 47,5 Mrd. kWh/a Export im Jahr 2025) v.a. für Iran und Pakistan profilieren könnte. Dann würden die wichtigsten Zuflüsse des Amudarja von Tadschikistan reguliert werden, wovor Usbekistan großes Misstrauen um seine Wasserversorgung aus dem Amudarja hat.[5] Im Sinne für die Förderung der Erneuerbaren Energien sollten die Hydroenergiepläne Tadschikistans eingeschränkt realisiert werden. Dazu ist eine enge Kooperation mit den Unteranliegern Usbekistan und Turkmenistan notwendig. Tadschikistan könnte von russischen Energiekonzernen und Russland stark abhängig werden, weil diese die Projekte vorwiegend finanzieren und betreiben.

1.3 Europas Interesse an der fossilen Energie Zentralasiens

Europa ist in sehr hohem Maß von Erdöl- und Erdgasimporten abhängig, die EU-25-Staaten mussten 2006 etwa 68 % ihres Erdölverbrauches und 44 % ihres Erdgasverbrauchs aus Russland, Norwegen, den Golfstaaten sowie aus Nordafrika importieren. Zwar wird nur der Erdgasverbrauch bis zum Jahr 2030 weiter steigen, jedoch gehen die europäischen Ressourcen deutlich zurück, so dass dann die Importabhängigkeit der EU gegenüber außereuropäischen Staaten für Erdöl und Erdgas auf 90 % bzw. 80 % ansteigen wird.[6]

Vor allem im Erdgasbereich setzt die EU auf Russland als wichtigsten Energiehandelspartner, weil es im Vergleich zum Mittleren Osten politisch stabiler ist und günstigere Transportwege aufweist. Jedoch wird befürchtet, dass sich die traditionell hohe energiepolitische Abhängigkeit mittel- und osteuropäischer Staaten von Russland verstärken und die gesamte EU betreffen könnte. Die Gefahr besteht, dass Russland seine dominante Position auf dem europäischen Energiemarkt politisch instrumentalisieren wird. Außerdem zweifelt man, ob schon in naher Zukunft gegen 2020 ausreichend russisches Erdgas zum Export nach Europa zur Verfügung stehen wird, weil der Investitionsbedarf für höhere Förder- und Transportkapazitäten enorm ist und die asiatischen Staaten immer mehr an dem russischem Erdgas interessiert sind.[7]

Der kaspische Raum leistet bisher keinen nennenswerten Beitrag zur europäischen Versorgungssicherheit, weil sich die EU mit Maßnahmen für einen Energietransport von dort direkt nach Europa zurückhielt. Ursachen für mangelnde Investitionen und Bemühungen waren neben Zurückhaltung, um nicht in die Machtsphäre des wichtigen Energiepartners Russland einzudringen, Unsicherheit über die tatsächlichen Erdöl- und Erdgasreserven im Kaspischen Raum, welche aber auf jeden Fall die der Nordsee bei weitem übertreffen, und die ungeklärte Eigentumsfrage des Kaspischen Meeres unter dessen Anrainerstaaten.[8] Anfang der 1990er stellte sich gemäß Westphal die Frage wie die Energiereserven Zentralasiens in den globalen Markt integriert werden können. In Europa sah man die Chance einer verstärkten multilateralen Kooperation, für deren allgemeinen Spielregeln des Energiehandels zwischen Europa und Zentralasien ein Energiecharta-Vertrag konzipiert wurde. Die geerbten Strukturen aus der Sowjetzeit verhinderten jedoch diese Entwicklung, weil das Pipelinenetz weiterhin auf Russland orientiert war, welches die Ratifizierung des Vertrages und des Transitprotokolls verweigerte. Damit setzte eine Phase der Abkehr vom multilateralen Denken und der Wiederkehr geopolitischer Muster („Poker“, „Great Game“) ein, in der Europa neben Russland, China und Iran um Einfluss in Zentralasien konkurriert. Westphal betont die besondere Attraktivität Zentralasiens für den internationalen Energiehandel. Demnach würde Zentralasien neben dem Persischen Golf die einzige Region sein, welche ihren Anteil an der Weltenergieproduktion erhöhen wird. Aufgrund der wachsenden Marktmacht der OPEC-Staaten und den damit verbundenen Gefahren erweist sich Zentralasien als attraktive Alternative oder Ergänzung gerade für den europäischen Energieimport. Nur dort würden außerhalb der OPEC noch Möglichkeiten zur Erschließung ergiebiger Ölfelder bestehen. Eine Stärke der Region ist ihre geographische Lage zwischen den zwei bedeutenden Energiemärkten EU und China.[9]

Wie oben angeführt werden die zentralasiatisch-kaspischen Fördermengen sich in den nächsten 15 Jahren verdoppeln. „Damit wächst vor der europäischen Haustür eine Anbieterregion heran, die einen wichtigen Beitrag zur europäischen Bezugsdiversifizierung beim Energieimport zu leisten vermag. Gleichzeitig entstünde ein begrenztes Gegengewicht zur Monopolisierung des Weltenergiemarktes durch die OPEC und die Russische Föderation.“[10] Der Importbedarf in der EU-30 wird 2020 deutlich höher als das Exportpotential Zentralasiens ausfallen, um welches die EU auch noch mit China, Iran und Pakistan konkurrieren muss. Einer Schätzung gemäß Rempel et al werden beim Erdgas 50 Mrd.m3 /Jahr- immerhin 1/9 des europäischen Importbedarfs- und bei Erdöl 100 bis 150 Mt für Europa zur Verfügung stehen.[11]

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Lieferungen Zentralasiens nach Russland indirekt zur Sicherung der europäischen Erdgasversorgung beitragen. Die europäische Abhängigkeit von Erdöl- und Erdgasimporten aus Russland würden nach Meinung dieser Autoren bestehen bleiben, wobei Zentralasien höchstens einen Beitrag zur Sicherung leisten kann. Jedoch sei eine einheitliche europäische Rohstoffaußenpolitik und aktives Engagement europäischer Firmen in der Region notwendig. Ob Erdgas und Erdöl nach Europa direkt aus Zentralasien geliefert wird entscheidet sich vorrangig über die Pipelinepolitik. Europa bemüht sich die Türkei als Energiebrücke fern von russischer Dominanz zu etablieren.[12]

1.4 Die Bedeutung des Erdgases in der Zentralasienstrategie der Europäischen Union

Im Juni 2007 verabschiedete der Europäische Rat seine Zentralasienstrategie, mit der Europa durch erhöhtes Engagement und Präsenz die Region stärker an sich binden möchte. Dieser Beschluss hat nicht nur eine hohe Symbolkraft, sondern er stellt einen dritten Schritt der europäischen Bemühungen um Zentralasien dar. Bisherige Grundlagen sind seit Anfang der 1990er bestehende bilaterale Kooperationsabkommen und die Regionale Unterstützungsstrategie der EU-Kommission von 2002, die im Vorfeld des neuen Strategieprogramms detailisiert und überarbeitet wurde. Schmitz macht drei Schwerpunkte der europäischen Anliegen in der Zusammenarbeit mit Zentralasien aus:

1. Menschenrechtsdialog, Rechtsstaatinitiative, Ziel: Beitritt der zentralasiatischen Staaten zum Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes
2. Wirtschaftsreformen, Handel, Investitionen sowie Ausbau der Energie- und Verkehrsverbindungen mit EU. WTO-Beitritt (bisher nur Kirgistan ab 1998) vorbereiten.
3. Verbesserung der Grenz- und Zollverwaltungen, Eindämmung von Menschen-, Drogen- und Waffenschmuggel. Zusammenarbeit in Terrorismusbekämpfung.

Das Energiethema wird in der Zentralasienstrategie und in den Programmen besonders betont, die EU hat die Möglichkeiten der zentralasiatischen fossilen Energien als Beitrag zur Diversifizierung seiner Importstaaten erkannt: „Erdgaslieferungen aus der Region sind für die EU von besonderer Wichtigkeit“.[13] Schmitz sieht hier jedoch auch Gefahren, weil diese europäischen Bedürfnisse die zentralasiatischen Eliten v.a. innenpolitisch zur Stabilitätssicherung ihrer autoritären Herrschaftssysteme instrumentalisieren könnten. Europa hat in Zentralasien gemäß der Autorin nur eine begrenzte Gestaltungsmöglichkeit, weil Russland und China wegen der mit Zentralasien ähnlichen politisch-institutionellen Verfasstheit ihren Einfluss in der neopatrionalistisch geprägten Region stärker durchsetzen können. Zusammen mit Indien und Iran werden sie ebenfalls aus energiepolitischen Interessen sowie der Suche nach Absatzmärkten für ihre Konsumgüter angetrieben.

Während Russland seinen Einfluss in Zentralasien aufgrund der geerbten sowjetischen Wirtschafts- und Infrastrukturinderdependenzen sichern kann, versucht China über die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) eine nationale Ordnungspolitik in der Region durchzusetzen. Neben den zentralasiatischen Staaten (außer Turkmenistan) sind China und Russland Mitglieder der SOZ, während Indien und Iran den Status ständiger Beobachter innehaben. Ursprünglich ging es in der Kooperation um sicherheitspolitische Fragen wie der Regulierung von Grenzstreitigkeiten zwischen ihren Mitgliedern. China dehnte die Zusammenarbeit auf militär- und energiepoltische Fragen aus, so dass seit 2002 gemeinsame Militärmanöver an der zentralasiatisch-chinesischen Grenze durchgeführt und ein erster Ölpipelinebau von Ostkasachstan nach Westchina mit Option einer Verlängerung in den ölreicheren Westen Kasachstans mit chinesischen Investitionen fertiggestellt wurde.[14]

China ist somit als Gegenspieler Europas zu betrachten, weil es ebenfalls versucht, die bisher primär russische Dominanz in Zentralasien aufzubrechen. Wie Russland konditionalisiert es die Zusammenarbeit nicht, während die EU wegen ihrem Mehrebenensystem, den vielen Machtzentren und den komplizierten institutionellen Strukturen mit ihrem höheren Zeitbedarf zur Entscheidungsfindung für die zentralasiatischen Akteure ein anstrengender Partner darstellt.

[...]


[1] Die rohstoffwissenschaftliche Perspektive definiert nach Rempel et al (2007, S. 433) unter Zentralasien nicht nur die fünf südöstlichen Nachfolgestaaten der UdSSR, sondern bezieht mit Aserbaidschan und den russischen Gebieten Kalmücken, Dagestan und Astrachan auch den Kaspischen Beckenraum mit ein. Der Schwerpunkt der Vorkommen von Erdöl liegt in Kasachstan und Aserbaidschan, während beim Erdgas Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan bedeutend sind. In dieser Arbeit wird von den fünf mittelasiatischen Republiken und zusätzlich Aserbaidschan ausgegangen.

[2] von Gumppenberg et al 2004, S. 101 ff

[3] Trouchine et al 2006, S. 6 ff

[4] Trouchine et al 2006, S. 6

[5] Trouchine et al 2006, S. 28 ff, Tadschikisches Außenministerium

[6] Rempel et al 2007, S. 434f

[7] Warkotsch 2006, S. 57ff

[8] Warkotsch 2006, S. 60ff

[9] Westphal 2007, S. 463 f

[10] Warkotsch 2006, S. 63

[11] Rempel et al 2007, S. 447

[12] hierzu Gumpel 2007

[13] EU 2007, S. 6

[14] Schmitz 2007, S. 334 f, Warkotsch 2006, S. 114 ff, von Gumppenberg 2004, S. 250 f,

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Erneuerbare Energien in Zentralasien. Ein Weg aus der Erdgasfalle? Das Beispiel der Solarenergie in Usbekistan
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Internationale Energiepolitik
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
28
Katalognummer
V114306
ISBN (eBook)
9783640158492
ISBN (Buch)
9783640159598
Dateigröße
955 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erneuerbare, Energien, Zentralasien, Erdgasfalle, Beispiel, Solarenergie, Usbekistan, Internationale, Energiepolitik
Arbeit zitieren
Manuel Dennis Wagner (Autor:in), 2008, Erneuerbare Energien in Zentralasien. Ein Weg aus der Erdgasfalle? Das Beispiel der Solarenergie in Usbekistan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114306

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