Propädeutik der Komplementärmedizin

Bio-psycho-soziales Modell in Komplementärer und Integrativer Biologie und Medizin


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2007

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsübersicht

Von der Zufälligkeit des Seins

Wann ist der Mensch ein Mensch?

Kommunikation ist alles

Im Kreisverkehr der Lebenssphären

Let’s talk about

Publikationsreferenzen :

Von der Zufälligkeit des Seins

Die moderne Biologie versteht Evolution als eine Abfolge von Zufall und Notwendigkeit, in Beziehung zur Umwelt. Ökologische Faktoren wirken hierbei selektierend, jedoch nicht gestaltend. Generell steht Evolution für kontinuierliche Entwicklungsprozesse, mit dem allmählichen Hervorgehen eines meist höheren Zustandes aus einem meist niedrigeren hervorgehenden Zustand. G.L.Stebbins definiert die Evolution von Organismen als jede Reihe teilweiser bzw. vollständiger und irreversibler Transformation des genetischen Bestandes von Populationen, die im wesentlichen auf unveränderten Interaktionen mit der Umwelt beruhen. Nach R.Dawkins bilden weder die Art, noch irgendeine andere Gruppe oder der einzelne Organismus die „Einheiten der Selektion“, die Erhaltung der Art ist lediglich ein Nebenprodukt der Replikation des „egoistischen Gens“, indem Gene Organismen schaffen, um ihre Möglichkeiten zur Selbstreplikation zu verbessern. Nach E.A.Howard und E.S.Dennis hat die Regulierbarkeit von Genen oder Gruppen von Genen eine größere Bedeutung als die Punktmutationen einzelner Gene. Demnach läge die Evolution vielzelliger, eukaryotischer Organismen in der Umstrukturierung vorhandener genetischer Information. Hierfür sind „springende Gene“ als Transponsons zuständig, unter einem Transponson versteht man ein Stück DNA, das von 2 gegenläufig orientierten IS-Elementen (Insertionselementen) flankiert wird. IS-Elemente werden ca. alle 10 Generationen transponiert; über ihre Integrationsstellen, an denen sie in Strukturgene eingebaut werden, die Palindrome, können sie ihre „eigene“Transposase kodieren. Daher wirken IS-Elemente mutagen, durch ihre Insertion in ein offenes Leseraster zerstören sie durch eine Rasterschub-Mutation die Funktion des Gens.

Pauschalisierend besagt die Evolutionstheorie, dass alle Lebewesen einer Urzelle entstammen, wobei die Entstehung der ersten Zellen allerdings unklar ist, einer chemischen Evolution war vor ca. 4 Milliarden Jahren offenbar eine biologische gefolgt, in der organische Makromoleküle gelernt hatten, sich zu replizieren und Stoffwechsel zu betreiben. S.L.Miller hatte 1952 die Ursuppentheorie experimentell belegt, wonach sich in Urozeanen durch das Aufeinandertreffen von Wasser, Gasen, und Energie aus Blitzen oder UV-Strahlung biologische Materie organisierte. Diese Theorie wurde inzwischen erweitert durch die Einbeziehung von Gestein, wobei wesentliche chemische Abläufe wohl durch Tiefseevulkane katalysiert werden.

Entsprechend ist auch der Mensch ein Produkt einer natürlichen Evolution, was ihn jedoch von anderen Lebewesen unterscheidet, ist das unterschiedliche Anpassungsvermögen. Während Tiere über ein artspezifisch limitierendes Verhaltensrepertoire optimal an bestimmte ökologische Nischen angepasst sind, ist der Mensch unspezialisiert, was ihm Adaptation an nahezu jedes Ökosystem ermöglicht. Im Gegensatz zur genetisch gesteuerten Anpassungsleistung von Tieren dominieren beim Menschen die adaptiven Konditionen durch den gezielten Einsatz geistigen und praktischen Potentials, um dadurch ökologisch geprägte Problemlagen zu seinem Nutzen zu modulieren.

A.Gehlen (1904-1976) sieht die Adaptationskapazität des Menschen in dessen Eigenschaft als Mängelwesen (s. Kulturspezifische & Ethnotypische Verfahren: Traditionelle Europäische Medizin (TEM) S.1). Er hatte diese Theorie u.a. über die Philosophien von J.G.Herder, A.Schopenhauer, M.Scheler, P.Th.de Chardin, J.Dewey entwickelt und sie dann er sie mit den Resultaten der neueren Ethologie und Biologie (V. v. Weizsäcker, J. v. Uexküll u.a.) in Relation gesetzt.

A.Gehlen konstatiert im Vergleich mit Tieren beim Menschen 3 grundlegende naturgegebene Mängel in organischer Ausstattung, in zeitaufwendiger Aufzucht der Jungen, und nur noch rudimentär vertretenen Instinkten. Diese 3 Mängel werden vom Menschen zur existentiellen Sicherung für eine kulturelle Formung des Verhaltens modifiziert, an die Stelle genetisch fixierter tierischer Handlungsschemata tritt die erworbene, auf eigener oder übernommener Erfahrung basierende kulturelle Praxis. Diese Kulturleistung profitiert von der biologisch definierten Mängelsituation als „Inbegriff tätig veränderter urwüchsiger Bedingungen“. Da die menschliche Instinktausstattung durch einen Zufall der Evolution reduziert wurde, sodass „natürlichen Antriebe“ weitgehend freigesetzt werden konnten, benötigt der Mensch zur Sicherung seiner Existenz kompensatorische „Entlastung“.

Diese Entlastungsinstanz sieht A.Gehlen in den sozialen Institutionen. Institutionen leiten das Handeln von Menschen, beschränken die Willkür individuellen Handelns über die Vernetzung allgemeiner Bedürfnisse mit allgemeinen sachlichen Notwendigkeiten, und definieren somit über sozial definierte Regeln mit gesellschaftlicher Maßgeblichkeit den gemeinsamen Handlungsrahmen und mit ihm verbundene Verpflichtungen.

Eine weitere wesentliche Abgrenzung vom Tier liegen nach der Evolutionären Erkenntnistheorie in Verstand und Vernunft.

Die Vernunft hatte sich demnach über Problembewältigung entwickelt, als Fähigkeit zum Denken wird sie häufig mit Verstand synonymisiert. In der Philosophie gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen Vernunft und Verstand, bereits Aristoteles (383-322 v.Chr.) forderte für das verstandesmäßige schrittweise Denken Voraussetzungen, die selbst nicht Ergebnis von verstandesmäßigem schrittweisem Denken sein können.

Generell ist der Verstand das Vermögen zu denken, erkennen und zu urteilen, und somit eine begriffliche Tätigkeit, während die Vernunft die Verstandestätigkeit leitet, regelt und ordnet, ihm seine Grenzen setzt.

Im evolutionären Prozess haben sich zuletzt die Instrumentelle Vernunft herausgebildet, sowie die Objektive Vernunft, indem letztere die beurteilende Argumentation für erstere geben soll. Da es sich bei der instrumentellen Vernunft jedoch um eine auf zweckrationales Handeln ausgerichtete Argumentation handelt, dient deren Beurteilung lediglich der Bestätigung der Sinnhaftigkeit im Rahmen bestehender gesellschaftlicher Interessen und Ziele.

Dies steht im Widerspruch zu I.Kant (1724-1804) , dessen theoretische und praktische Vernunft zu einer Übereinstimmung des Wollens und Handelns mit dem Sittengesetz führen. Dieses Sittengesetz formuliert I.Kant als Kategorischen Imperativ.

Th.W.Adorno und M.Horkheimer sehen daher in der Orientierung an der Instrumentellen Vernunft zur technischen Beherrschung der Natur Auswirkungen auf den Menschen, als Teil der Natur. Indem nicht der Mensch den Zweck bestimmt, sondern umgekehrt der Zweck den Menschen, führt dies zur totalitärer Beherrschung und Barbarei. Dennoch halten sie am Ideal einer „wahren Vernünftigkeit“ fest, einer nicht-begrifflichen „Versöhnung“ der Gegensätze.

Gegenwärtig gilt der in der binären Nomenklatur ausgewiesene homo sapiens in seiner sozialen Kompetenz als zivilisiert, rational und wissenschaftlich und befindet sich in der Diskussion seines potentiellen evolutionären Endpunktes.

Wann ist der Mensch ein Mensch?

Dem Menschen fällt es grundsätzlich schwer, sich über die biologische Systematisierung hinaus existenzanalytisch selbst darzustellen, da er nach R.Steiner „sich die Welt nur durch die Brille seines subjektiven Lebens vorstellen kann, ist alle seine Erkenntnis nur eine subjektive, beschränkt-menschliche.“ Um solche Subjektivierung möglichst zu vermeiden, verwendet er auch zu seiner eigenen taxonomischen Kategorisierung die in der gesamten biologischen Artdiagnostik üblichen Schemata. Im allgemeinen werden in der biologischen Systematik wenige Kernmerkmale als Charakteristika definiert, um hierüber die Differenzierung von sonst unter die gleiche Gattung zu subsumierenden Wesen hervorzuheben. C.v.Linné unterteilt in seiner Taxonomie die Oberbegriffe Klasse, Ordnung, Familie, Gattung, Art, entsprechend ist der moderne Mensch ein Säugetier aus der Ordnung der Primaten, in seiner Unterordnung gehört er zu den Trockennasenaffen, und dort zur Familie der Menschenaffen; er gilt als einziges rezentes Mitglied der Gattung Homo.

In der biologischen Ontogenese beginnt das Menschsein mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, alternativ mit der intrauterinen Nidation.

Solche Systematiken können zwar die anatomische Klassifizierung des Menschen erleichtern, erfassen jedoch keinesfalls das metaphysische Spektrum des Menschseins.

Die philosophische Tradition beurteilt seit der Sophistik (5.-4.Jh. v.Chr.) als verbindliches Merkmal des Menschen seine Vernunftfähigkeit. Vorher stand der Kosmos im Zentrum philosophischer Betrachtungen, der Mensch war subordinativer Bestandteil, mit Protagoras (490-411 v.Chr.) rückt der Mensch in den Mittelpunkt, „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, dass sie sind, und der nichtseienden, dass sie nicht sind“. Mit diesem sog. Homo-Mensura-Satz war die Grenze vom religiös mystisch bestimmten Denken zum selbstbestimmten Wissen überwunden. Sokrates (469-399 v.Chr.) und Platon (427-327 v.Chr.) sahen folglich die herausragende menschenspezifische Qualität in der Erkenntnisfähigkeit, die den Menschen dazu befähigt, die Wahrheit zu erkennen. Hierauf baute die von Aristoteles (384-322 v.Chr.) ausgearbeitete Tugendlehre, wonach der Mensch als denkendes Wesen sich die dianoetischen Tugenden (dianoia = griech. Vernunft) aneignen kann, um darüber sein Wesen zu bestimmen. Grundsätzlich wird in vielen antiken Konzeptionen der Mensch in Relation zu ethischem Konnex gesetzt.

In der Stoa (um 300 v.Chr.) ist der Mensch in einen übergreifenden kosmischen Zusammenhang eingebunden, aus dem sich ein in allen Naturerscheinungen und natürlichen Zusammenhängen waltendes göttliches Prinzip ergibt. Der Mensch muss lernen, an der kosmischen Vernunft teilzunehmen und in Gelassenheit und „stoischer Ruhe“ seine Stellung in dieser Ordnung zu akzeptieren. Das Erfassen bildet die Grundlage sowohl des Wissens als auch der Meinung. Voraussetzung für Wissen ist nach stoischer Auffassung die Begründung oder Argumentation, Wissen impliziert Wahrhei t, wenn eine Behauptung durch keinerlei Argumentation als Falschheit oder Unhaltbarkeit einer Behauptung widerlegt werden kann. Der Erkenntnisprozess beginnt mit einer Einwirkung der Sinne von außen. Diokles (Mitte 4. Jahrhundert v.Chr.) spricht von einer Prägung in der Seele und einer Veränderung der Seele, als Basis der Kognition. Für eine Einwirkung sind verschiedene Ursachen verantwortlich, nach Aristoteles sind causa materialis und causa formalis innere Ursachen, und causa efficiens und causa finalis äußere Ursachen, Ursachen sind allgemein das etwas anderem Vorausgehende, das dieses als Folge hervorruft. Diese Einwirkungen entsprechen Sinneseindrücken, die sich zu Vorstellungen und Begriffen herausbilden können, in der Differenzierung zwischen Bezeichnendem, Bezeichneten und dem realen Gegenstand, vergleichbar der Interpretation der modernen Empiristen, wonach Sinnesdaten zwischen äußerem Objekt und epistemischem Subjekt vermitteln, indem sie das Objekt in der Wahrnehmung repräsentieren. Demnach gilt als Wahrheitskriterium der erfassende Eindruck eines Phänomens in seiner Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Der erfassende Sinneseindruck bringt jedoch noch keine Erkenntnis, hierzu ist der Verstand erforderlich, als geistiges Vermögen der Begriffsbildung. Dies ist ein freiwilliger Akt und wird vom Eindruck nicht erzwungen, der Unterschied zwischen dem Weisen und dem Toren liegt in der Wahrnehmungsbeurteilung der Zusammenhänge. Von den Stoikern stammt die Dreiteilung der Philosophie in Logik, Physik und Ethik, bei Priorisierung der Ethik, die Zustimmung zu dem erfassenden Sinneseindruck ist ein sittlicher Akt. Die Zustimmung des Weisen ist sittlich richtig, weil sie verantwortet werden kann, entsprechend gilt die des Toren als unsittlich. Verantwortung bezeichnet generell die ethische Verpflichtung eines Menschen zum Tun oder zum Unterlassen und somit zum Einstehen für die Folgen aus beidem. Somit ist das sittliche Ideal der Weise, er handelt vernunftimmanent, er beherrscht Affekte und Leidenschaften und zeichnet sich aus durch Gelassenheit und Leidenschaftslosigkeit und seelische Unerschütterlichkeit. Indem er Einsicht in die göttliche Ordnung der Welt hat und dieser Vernunft entsprechend denkt und handelt.

Die Einheit dieser drei Disziplinen Logik, Physik und Ethik gründet im Logos (logoV = griech. Wort), die Denktätigkeit ist aufs engste mit der Sprachtätigkeit verbunden.

In der christlichen Philosophie gilt der Mensch zwar als Ebenbild Gottes, er kann sein Wesen jedoch nur im Glauben an Gott erfahren (s Kulturspezifische & Ethnotypische Verfahren: Traditionelle Europäische Medizin [TEM]), deshalb wird deutlich zwischen dem Geistigen und dem Naturhaften getrennt. In der Philosophie der Renaissance, der Aufklärung und des Humanismus gelangt jedoch der Mensch in den Mittelpunkt. Er ist autonom und für sein Schicksal selbst verantwortlich, die Renaissance lehnt die mittelalterlich-theologischen Auffassungen ab, zugunsten des Vertrauens in die individuelle menschliche Erkenntnisfähigkeit, der Ästhetisierung des Lebens und der Naturbetrachtung. J.Kepler (1571-1630) formulierte entsprechend: „der menschliche Geist durchschaut quantitative Verhältnisse am klarsten, er ist recht eigentlich geschaffen, diese aufzufassen.“ Der Humanismus stellt die Basis der geistigen Bewegung der Renaissance, entsprechend sieht er im Menschen den Ausgangspunkt der Erkenntnis und der Welterschließung, er postuliert dessen uneingeschränkte, freie und schöpferische Entfaltung. Trotz seiner christlich-religiösen Motivation richtet er sich gegen den kirchlichen Dogmatismus, zur Erkenntnis der Wahrheit werden neben christlichen auch antike Quellen herangezogen, die Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten galt als Bildungsideal, mit dem klassischen Bildungskanon Trivium (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik). Die Aufklärung korrigiert die bisherige Auffassung der Religion, indem sie zwar einen persönlichen, übernatürlichen Gott akzeptiert, diesem jedoch nach der Schöpfung keine weitere Einflüsse auf die Welt konzediert. Damit gesteht sie lediglich eine auf den menschlichen Verstand gegründete Vernunftreligion zu (Deismus). Sie kritisiert durch Tradition und Autorität erstellte Normen, sie glaubt an den evolutionären Fortschritt der Menschheit und an die Autonomie der Vernunft zur Kognition allgemeingültiger Strukturen ihrer selbst, des menschlichen Lebens und der Natur. Hierüber zeigt sie Ansätze zur Sophistik der griechischen Antike, die bereits zwischen dem Bereich der Naturgesetzlichkeit und dem der von Menschen gesetzten Normen, Zwecke und Werte unterschieden und sich somit gegen die herrschenden Meinungen und Autoritäten gewandt hatte. I.Kant definiert, „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.“.

Weiterhin stehen jedoch das Geistige und das Naturhafte als Inbegriff des Leiblichen, Sinnlichen einander diametral.

Das Geistige ermöglicht Autonomie und Freiheit, im Gegensatz zu Schicksal und Notwendigkeit. I.Kant spricht von der Willensfreiheit als von der Autonomie der reinen praktischen Vernunft, als kategorischen Imperativ. Das Naturhafte untersteht dagegen den Naturgesetzen, besonders dem der Kausalität. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem Kausalitäts prinzip, das auf Kausalzusammenhänge verweist, und dem Kausalitäts gesetz, wonach gleiche Ursachen gleiche Wirkungen haben. In der Stoa wurde die Kausalität zum allgemeinen Grundgesetz der Welt, indem es sich sowohl auf menschliches Handeln als auch auf Naturvorgänge bezieht. (s. S.3). In der Neuzeit steht dagegen weniger die Zweckursache als die Zweck-Mittel-Relation im Zentrum, die Wirkursache, die I.Newton (1642-1727) als einzig wahre Ursache betrachtet, wird nicht als Wesenhaftigkeit, sondern als Glied einer Kette von Ereignissen interpretiert. I.Newton sah zudem in der Zeit eine feststehende Größe, sodass Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit deterministisch feststünden. Die moderne Physik löst sich vom Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zugunsten der Kausalen Erklärung als deduktiv-nomologische oder statische Erklärung, wobei allerdings die Gesetze in den Prämissen Kausalgesetze sein müssen; die Antecendenzdaten sind dann die Ursachen der zu erklärenden Tatsachen.

Das Naturhafte ist dagegen unfrei und unterliegt dem Leib-Seele-Problem. Platon bezeichnete den Leib als Kerker der Seele, die Seele ist ewig und befreit sich aus dem Gefängnis des Leibes durch den Tod. Die Seele hat Zugang zu den Ideen (idea = griech. Gestalt, Form, Urbild, Wesen) aber auch zu Trieben und Neigungen. Nach Platon sind Ideen unveränderliche, ewige, nicht sinnlich wahrnehmbare Wesenheiten der Einzeldinge. Die Idee existiert unabhängig von den wahrnehmbaren und von dem sie erfassenden Denkvorgang, sie liegt außerhalb der Vorstellungswelt, bekommt ihre Aussage erst durch die Proposition. Die christliche Philosophie interpretiert die Ideen gemäß Augustinus (345-430) als Gedanken Gottes, R..Descartes (1596-1650) bezeichnet Ideen als „alles, was in unserem Geist, in unserem Bewusstsein ist.“, I.Kant formuliert Ideen als reine Vernunftbegriffe, denen keine Gegenstände der Erfahrung entsprechen, erst der Verstand ordnet über die Kategorien die Erfahrung, er ermöglicht die Erkenntnis der in der Erfahrung gegebenen Gegenstände. Der Verstand bezieht sich auf das Bedingte, die Vernunft auf das Unbedingte. Die Vernunft gewährleistet die Einheit der Verstandeserkenntnis. Aristoteles sieht zwischen Leib und Seele Interaktionen, für B.de Spinoza (1632-1677) gibt es eine Parallelität zwischen Leib und Seele. Reduziert man den Leib auf die Seele bzw. umgekehrt ist dies Monismus, wird das Leibliche auf das Seelische reduziert, ist die Spritualismus, im entgegengesetzten Fall ist es Physikalismus. In der Identitätstheorie wird das Seelische bzw. Bewusstseinsmäßige auf biologisch-chemische Prozesse, speziell neuronale Prozesse reduziert, wodurch das Leib-Seele-Problem als gehirnphysiologisches Problem gedeutet wird.

In den Bemühungen, das Wesen des Menschen darzustellen, wurde von W.Sombart eine Auswahl von Zitaten zusammengestellt. Demnach ist der Mensch nach Platon ein zweibeiniges Tier ohne Federn, Aristoteles hält ihn für ein sprachbegabtes (vernunftbegabtes) Tier, die Stoa für einen Mikrokosmos. Nach Cicero gibt es ein Tier das, vorsorglich, vielseitig schlau, scharfsinnig, über ein gutes Gedächtnis verfügt, reichlich versehen mit Vernunft und Klugheit, wir Mensch nennen. (animal hoc providum, sagax multiplex, acutum, memor, plenum rationis et consilii, quod vocamus hominem.). Augustinus bezeichnet ihn als Ebenbild Gottes und als ein vernunftbegabtes, sterbliches Tier. Thomas v. Aquin sieht ihn als Horizont und Grenzgebiet zweier Welten (horizon et confinium duorum mundorum), G.W.Leibniz als kleinen Gott. M.E.de Montaigne betrachtet ihn als das verleumderischste und schwächste aller Geschöpfeund doch das hochmütigste. (la plus calomnieuse et fragile de toutes les créatures et quand la plus orgueilleuse), B.Pascal hält ihn für das schwächstes Schilfrohr in der Natur, aber ein denkendes Schilfrohr. (un roseau le plus faible de la nature, mais un roseau pensant) und J.-J.Rousseau für ein lasterhaftes Tier (un animal dépravé). B.Franklin bezeichnet den Menschen als werkzeugherstellendes Tier (a tool making animal), I.Kant als das Tier, das sich selbst vervollkommnen kann, J.G.Herder als den ersten Freigelassenen der Schöpfung. Fr.Schiller nennt ihn das Wesen, welches will und J.W.Goethe als das erste Gespräch, das die Natur mit Gott hält „Was ist der Mensch? / Ein hohler Darm / mit Furcht und Hoffnung angefüllt / daß Gott erbarm". Nach A.Schopenhauer ist der Mensch das prügelnde Tier, „Ihm ist das Prügeln so natürlich wie den reißenden Tieren das Beißen und dem Hornvieh das Stoßen“; das Tier, das sich langweilen kann. Fr.Nietzsche Tier, interpretiert den Menschen als das kranke Tier; das Untier und Übertier; das nicht festgestellte Tier; das Tier, das versprechen darf. K.Marx spricht vom Tier, das sich durch Arbeit selbst reproduziert, S.Freud vom Triebverdränger. M.Scheler bezeichnet ihn als den Nein-sagen-Könner, P.Ernst als das Tier, das sich selber belügt, N.Hartmann als das aus sich selbst heraus gefährdete Wesen, H.Plessner als das exzentrische Tier, das lachen und weinen kann, A.Gehlen als das Organmängel-kompensierende Tier, E.Cassirer als animal symbolicum etc.

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Propädeutik der Komplementärmedizin
Untertitel
Bio-psycho-soziales Modell in Komplementärer und Integrativer Biologie und Medizin
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V114304
ISBN (eBook)
9783640145218
ISBN (Buch)
9783640146703
Dateigröße
681 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Propädeutik, Komplementärmedizin
Arbeit zitieren
Dr.med.dent. Hubertus R. Hommel (Autor:in), 2007, Propädeutik der Komplementärmedizin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114304

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