Kurzfristige Effekte von Ganzkörpervibrationen mit unterschiedlichen Systemen auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit


Diplomarbeit, 2008

95 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Für meine Eltern

Abkürzungsverzeichnis

Zusammenfassung

1 Einleitung

2 Allgemeine Grundlagen zu Schwingungen und Vibrationen
2.1 Mechanische Grundlagen von Vibrationen
2.2 Kategorisierung von Vibrationen

3 Anwendung von Vibrationen zur Steigerung der neuromusku- lären Leistungsfähigkeit
3.1 Elektrische Muskelstimulation
3.2 Mechanische Muskelstimulation
3.2.1 Teilkörpervibration
3.2.2 Ganzkörpervibration
3.3 Belastungskomponenten beim Ganzkörpervibrationstraining
3.3.1 Klassische Belastungskomponenten der Trainingslehre
3.3.2 Vibrationsbedingte mechanische Belastungskomponenten
3.3.2.1 Amplitude und Frequenz
3.3.2.2 Vibrationssystem

4 Neurophysiologische Grundlagen zum Vibrationstraining
4.1 Bedeutung des Muskeldehnungsreflexes im Zusammenhang mit Vibrationstraining
4.2 Der Tonische Vibrationsreflex als komplexe Reaktion auf Vibrationsreize

5 Stand der Literatur zu kurzfristigen Effekten von WBV auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit
5.1 Effekte von Ganzkörpervibration in Abhängigkeit von der Amplitude
5.2 Effekte von Ganzkörpervibration in Abhängigkeit von der Frequenz
5.3 Effekte von Ganzkörpervibration in Abhängigkeit vom Vibrationssystem
5.4 Effekte von Ganzkörpervibration in Abhängigkeit des Übungsprotokolls

6 Eigene Untersuchung
6.1 Fragestellung und Bildung von Hypothesen
6.2 Material und Methoden
6.2.1 Probandenkollektiv
6.2.2 Intervention
6.2.2.1 Versuchsaufbau
6.2.2.2 Vibrationsprotokolle
6.2.3 Messungen
6.2.3.1 Fragebogen
6.2.3.2 Neuromuskuläre Leistungstests
6.2.3.2.1 Countermovementjump
6.2.3.2.2 Drop-Jump
6.2.3.2.3 Fußtapping
6.2.3.2.4 Statische Beinpresse
6.2.4 Statistische Auswertung
6.3 Ergebnisse
6.3.1 Anthropometrische Daten
6.3.2 Neuromuskuläre Leistungfähigkeit
6.3.2.1 Ergebnisse zur Auswirkung von kurzfristiger Ganzkörpervibrationsbelastung auf die Schnellkraft
6.3.2.2 Ergebnisse zur Auswirkung von kurzfristiger Ganzkörpervibrationsbelastung auf die zyklische Schnelligkeit
6.3.2.3 Ergebnisse zur Auswirkung von kurzfristiger Ganzkörpervibrationsbelastung auf die isometrische Maximalkraft

7 Diskussion

Schlussfolgerung

Literaturverzeichnis

Anhang

Für meine Eltern

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung

Der Spitzen- und Leistungssport ist durch das Streben nach stetiger und schnellstmöglicher Steigerung der Leistungsfähigkeit bestimmt. Diese Entwicklung ist heutzutage zumeist mit dem Wunsch verbunden möglichst schnell die angestrebten Ziele zu realisieren. Vibrationsplatten haben sich diesem Trend verschrieben und suggerieren durch die Anwendung von so genanntem WBV-Training u. a. eine positive Entwicklung hinsichtlich der neuromuskulären Leistungssteigerung innerhalb kürzester Zeit, verglichen mit konventionellen Methoden.

Um dies zu erreichen, kamen in den letzten Jahren immer häufiger verschiedene Modelle von Vibrationsplatten zum Einsatz. Die Studien- wie auch die Ergebnislage stellt sich hinsichtlich kurzfristiger (akuter) Effekte nach WBV-Anwendung als äußerst heterogen dar, was unter anderem auf unterschiedliche Interventionsdesigns und insbesondere auf die Verwendung unterschiedlicher Vibrationssysteme zurückgeführt werden kann.

Die vorliegende Arbeit verfolgte drei Ziele: Zunächst sollten die akuten Effekte von kurzzeitiger Ganzkörpervibration auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit (Maximalkraft, Schnellkraft, Schnelligkeit) überprüft werden. Als zweites Ziel sollten zwei unterschiedliche Plattenkonstruktionen (BOARD 3000 vs. Vibrafit) mit unterschiedlichen Arbeitsweisen (seitenalternierend vs. vertikal-synchron) hinsichtlich deren Effekte auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit gegenübergestellt werden. Und als drittes Ziel sollten die ermittelten Resultate als mögliche Empfehlung für die Verwendung von WBV im Rahmen eines Aufwärmprogramms bei schnellkraftspezifischen Sportarten interpretiert werden.

Bei der Intervention handelte es sich um eine randomisierte Kontrollstudie, wobei männliche Sportstudenten als Probanden dienten. Jeder der Teilnehmer nahm an drei Interventionseinheiten teil. Die erste stellte die Kontrollmessung ohne Vibration dar, die beiden anderen Einheiten wurden auf einer randomisiert zugewiesenen Vibrationsplatte (mit Vibration) durchgeführt. Die Messung der neuromuskulären Leistungsfähigkeit erfolgte mittels Countermovement-Jump (CMJ), Drop-Jump (DJ), Fußtapping und isometrischer Beinpresse.

Die Ergebnisse zeigten keine signifikanten Unterschiede innerhalb der Vibrationsgruppen. Des Weiteren konnten keine signifikanten Unterschiede im Vergleich der Gruppen untereinander festgestellt werden.

Die Anwendung von WBV kann daher, unter Berücksichtigung des gewählten Belastungsprofils, zur kurzfristigen Steigerung der neuromuskulären Leistungsfähigkeit sowie im Hinblick auf ein potenzielles Warm-Up für schnellkraftspezifische Sportarten in Frage gestellt werden.

1 Einleitung

Im Bereich des Spitzen- uns Leistungssports spielt die Muskelkraft eine herausragende, leistungsdeterminierende Rolle. Dementsprechend ist man auf dem Gebiet der Sportwissenschaft stets bestrebt bekannte Trainingsverfahren zu optimieren und neue effektivere Methoden zur Steigerung der Kraft zu entwickeln.

In den letzten Jahren hat sich ein völlig neuer Trend im Bereich der Sport- bzw. Trainingswissenschaft abgezeichnet. Dieser Trend stellt die Applikation von Ganzkörpervibrationen dar. Bei diesem Vibrationstraining werden die beübten Muskeln während der Übungsausführung über eine oszillierende Platte Vibrationen ausgesetzt.

Die Methode des Vibrationstrainings stützt sich auf Ergebnisse des russischen Sportwissenschaftlers und Biomechanikers Prof. Dr. Nazarov. Unter dem Begriff der Biomechanischen (Muskel-)Stimulation (BMS) bzw. Rhythmischen Neuromuskulären Stimulation (RNS) versuchte Nazarov Ende der 70er Jahre durch Applikation mechanischer Schwingungen die durch den Aufenthalt in der Schwerelosigkeit auftretende Muskelatrophie bei Kosmonauten zu verringern, was ihm auch gelang. Die Ergebnisse übertrug er auf den Bereich Leistungssport, sein eigentliches Schwerpunktgebiet, und testete die Wirkung von Vibrationen an Sportlern der Sowjetunion (Nazarov & Spivak, 1987). Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde auch die westliche Sportwelt auf das mögliche Potenzial von positiven Auswirkungen mechanischer Schwingungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit aufmerksam. Dennoch hat sich erst in den letzten Jahren in der Sport- bzw. Trainingswissenschaft ein verstärkter Trend dazu gezeigt, die möglichen Effekte von Vibrationsanwendungen auf die Physiologie des Menschen bzw. des Sportlers genauer zu untersuchen.

Betrachtet man die zum Thema Vibrationstraining erschienene Literatur, so kann man diese zunächst in zwei Kategorien einteilen: Studien, die Akuteffekte einmaliger Vibrationsbelastungen erfassen und Studien, die Langzeiteffekte untersuchen. Dass jedoch eine strikte Trennung dieser beiden Kategorien weder möglich noch sinnvoll ist, betonen Cardinale und Wakeling in ihrem Übersichtsartikel (2005). „Auf der Grundlage der längerfristigen Kumultation der akuten Effekte entstehen langfristige strukturelle Anpassungserscheinungen.“ (Huber, 2006, S. 47).

Während im medizinischen Bereich eine Vielzahl von Studien zu finden sind, die die Langzeitwirkung von (Ganzkörper-)Vibration bzgl. der präventiven bzw. rehabilitativen Wirkung im Zusammenhang mit unterschiedlichen Risikofaktoren und Krankheitsbildern untersuchen, richtet sich die Aufmerksamkeit im Bereich der Trainingswissenschaft auf die Steigerung der neuromuskulären Leistungsfähigkeit. Studien, die sich mit den Akuteffekten von Vibrationen auseinandersetzen, erfassen überwiegend Schnellkraft- und Sprintleistungen an jungen Kollektiven im Zusammenhang mit einer kurzfristigen, durch Vibrationen induzierten Leistungszunahme. Besonders in den letzten drei Jahren wurde eine Vielzahl von Veröffentlichungen zum Thema Vibrationstraining publiziert. Insgesamt konnten im Rahmen der Literaturarbeit der vorliegenden Arbeit über Pubmed 25 Studien zu akuten Effekten von Ganzkörpervibrationen auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit gedunden werden. Überwiegend wird in diesen Studien als primärer Endpunkt die Schnellkraft in Form von Countermovementjumps oder Drop-Jumps, z. T. auch die Maximalkraft und das Sprintvermögen gemessen. Die Ergebnisse dieser Studien sind eher heterogen. Während 20 Studien eine leistungssteigernde Wirkung von Ganzkörpervibrationen belegen konnten, blieb in 12 Studien der Effekt aus. Die Unterschiede in den Studienergebnissen könnten nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass in den Studien Geräte unterschiedlicher Hersteller Anwendung fanden und sich ferner die Vibrationsprotokolle deutlich unterschieden haben. Demnach ist der Suche nach der optimalen Vibrationsbelastung in Zukunft großes Augenmerk zu schenken.

Sollte sich durch kurzfristiges Vibrationstraining eine positive Beeinflussung des neuromuskulären Systems bewahrheiten, könnte es sich ideal als Warm-Up für schnellkraftartige Sportarten erweisen. Jordan, Norris, Smith und Herzog (2005, S. 463) geben auf diesem Gebiet im Bezug auf die Akuteffekte von Whole Body Vibration zu verstehen: „Vibration training may be useful in an acute setting as a neuromuscular warm-up in preparation for explosive athletic events.“ Auch Cormie, Deane, Triplett und McBride (2006) haben sich mit Blick auf seine positiven Studienergebnisse gefragt, ob man nicht davon ausgehen kann, dass Whole Body Vibration gar als geeignetes Warm-Up-Verfahren genutzt werden sollte. Zu dieser Annahme kam er aufgrund seiner Ergebnisse, in welchen eine signifikante Erhöhung der Sprunghöhe durch Countermovementjump-Tests nach einer kurzzeitigen Ganzkörpervibrationsexposition gemessen wurde. Dies könnte sich demnach im Bereich der Leistungs- und Spitzensports als überaus nützliche Methode darstellen, die Leistungsfähigkeit des Sportlers im Vorfeld seiner Übung zu erhöhen und gegebenenfalls dadurch bessere Resultate im Wettkampf zu erzielen.

In der geplanten Studie wird die Wirkung einer Vibrationsplatte des „Wipp-Prinzips“ (Board 3000, feel well AG, Schweiz) mit einer Platte des „Hub-Prinzips“ (Vibrafit, Solms, Deutschland) auf Parameter der neuromuskulären Leistungsfähigkeit - speziell Parameter der Schnellkraft und Schnelligkeit - verglichen. Demnach ist ein Ziel der Studie, neben der allgemeinen Überprüfung der leistungssteigernden Effekte von Ganzkörpervibrationen, die Erfassung der Wirksamkeit unterschiedlicher Geräte im direkten Vergleich. Da sich die Vibrationsgeräte durch die Amplitude und die mechanische Arbeitsweise unterscheiden, kann keine Aussage getroffen werden, was die Ursache eventueller Unterschiede ist. Der Ansatz ist demnach eher pragmatisch und untersucht, welches der sich auf dem Markt befindlichen Systeme effektiver im Sinne der Induktion einer kurzfristigen leistungssteigernden Wirkung ist.

Diese Studie stellt die erste Studie dar, die zwei unterschiedliche Vibrationsplatten hinsichtlich der akuten neuromuskulären Effekte nach kurzzeitiger Ganzkörpervibrationsexposition direkt gegenüberstellt.

Insgesamt soll diese Studie einen Beitrag zur aktuellen Diskussion der Wirkung von mechanischen Schwingungsbelastungen auf die (neuro-) physiologische Leistungsfähigkeit des Menschen leisten. Der Erwerb von diesbezüglichen Erkenntnissen ist sowohl bei Aussprache von Trainingsempfehlungen als auch für die (Weiter-) Entwicklung von Vibrationstraining als leistungsförderndes Mittel im Bereich von Schnellkraft-Sportarten von Bedeutung. Sollte sich ein kurzzeitiger leistungssteigender Effekt von Ganzkörpervibrationen in weiteren Studien bewahrheiten, so könnte diese Methode systematisch im Bereich aller Sportarten, die schnellkräftige muskuläre Beanspruchunungen beinhalten, als Warm-Up eingesetzt werden.

2 Allgemeine Grundlagen zu Schwingungen und Vibrationen

2.1 Mechanische Grundlagen von Vibrationen

Derzeit differenziert man elektromagnetische, thermische, hydraulische und mechanische Schwingungen. Im Rahmen dieser Arbeit wird allerdings nur die mechanische Schwingung von Bedeutung sein. Gleichbedeutend damit hat sich heutzutage der Begriff Vibration für mechanische Schwingungsvorgänge etabliert. Um den Begriff der Vibration jedoch verständlich erklären zu können, bedarf es der Definition des physikalischen Grundbegriffs Schwingung an sich.

„Eine Schwingung kann als Bewegung eines Körpers oder Masseteils um eine Bezugslage definiert werden.“ (Klein, 2001, S. 348). Anders erklärt, handelt es sich um den Ablauf einer Zustandsänderung, wenn ein System aufgrund einer auftretenden Störung aus dem Gleichgewicht gebracht wird, es jedoch aufgrund einer externen Kraft wieder in Richtung der Ausgangslage rückgestellt wird.

Aufgrund der Tatsache, dass es – wie man später sehen wird – eine große Bandbreite von Schwingungsformen gibt, ist es sinnvoll eine spezielle Schwingung als Erklärung heranzuziehen. Dabei handelt es sich um eine sinusförmige Wellenform, (siehe Abb.1). Dies hat auch nach Griffin (2004) seine Gründe:

„Only with sinusoidal vibration is it possible to study the response to a single frequency of motion. Many laboratory experimental studies of human response to vibration have therefore attempted to investigate the reaction to pure sinusoidal vibration.” (Griffin, 2004, S. 3)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. Bildliche Darstellung einer sinusförmigen Schwingung (nach Ziegler, 2003; Spitzenpfeil, 2000 aus Goebel, 2004, S. 25)

Eine sinusförmige Schwingung wird im Einzelnen in ihrem Aufbau durch mehrere Parameter definiert:

Eine gesamte sinusoidale Schwingung umfasst zwei Phasen (Abb. 1). Wird eine gesamte Schwingung zeitlich durchlaufen, entspricht dies der Periode oder Schwingungsdauer T. Der reziproke Wert jener Schwingungsdauer definiert sich über die Frequenz oder Schwingungszahl f. Dieser Wert ist bezeichnend für die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde [1/s] und wird in Hertz [Hz] angegeben. Der momentane Abstand in Bezug auf die Ruhelage wird letztendlich als Elongation bzw. Auslenkung x gekennzeichnet. Die Amplitude oder Schwingungsweite bezeichnet den sowohl positiven als auch negativen Maximalwert der zyklischen Schwingungsgröße bezogen auf ihren Nullpunkt. Diese wird im Normfall in Meter [m] angegeben. Einen zusammenfassenden Überblick hierzu, gibt Tabelle 1.

Tab. 1. Physikalische Basisgrößen zur Beschreibung von Schwingungen (mod. nach Spitzenpfeil, 2000)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um die kurze Begrifflichkeit der Schwingung letztendlich abzuschließen, ist noch zu erwähnen, dass es sich bei den in der späteren Untersuchung befindlichen Vibrationsplatten um Systeme mit sog. erzwungenen Schwingungen handelt. Im Gegensatz zur freien oder gedämpften Schwingung definiert sich die erzwungene Schwingung folgendermaßen:

„Greift ein Schwingkörper eines schwingungsfähigen mechanischen Systems eine periodisch veränderliche Kraft F [...] an, so vollführt es nach einer gewissen Einschwingzeit Schwingungen mit der Frequenz f der einwirkenden Kraft und nicht mehr mit seiner Eigenfrequenz. Diese Schwingungen werden als erzwungene Schwingungen bezeichnet.“ (Lautenschlager, 1998, S. 132)

Das heißt, Schwingungen werden von einer von außen zugeführten Kraft zyklisch angetrieben. Für jene mechanischen Schwingungsvorgänge wird daher auch gleichbedeutend das Wort Vibration verwendet. Griffin (2004) selbst definiert Vibration allein als schwingende Bewegung.

2.2 Kategorisierung von Vibrationen

Es bleibt jedoch anzuführen, dass der Begriff der Vibration weitaus mehr ist, als ein Synonym für (gleichmäßige) mechanische Schwingungen. Griffin merkt hierbei an, dass eine Bewegung an sich nicht konstant ist, als vielmehr abwechselnd einmal größer bzw. kleiner als der Durchschnittswert sein kann. Des Weiteren ist das Ausmaß der Schwingung über die Frequenz, als auch die Amplitude determiniert. Unter dem Aspekt, dass sich der Mensch und seine Umwelt nicht in einem physikalisch abgeschlossenen System bewegen, wird klar, dass unterschiedlichste Formen von Vibration auf Einen wirken können. Grundsätzlich kann man nach Griffin eine Schwingungsbewegung (oscillatory motion) folgendermaßen kategorisieren (Abb. 2). Oscillatory Motion setzt sich aus zwei Subkategorien zusammen. Die erste beschreibt er als „deterministic motion“. Also Bewegungen, welche man aufgrund vorausgegangener Erkenntnisse auch zukünftig gut beschreiben und vorhersagen kann. Darunter fallen Schwingungen mit definierten Signalformen, welche als „sinusodial“, „multi-sinusoidal“, „transient“ und „shock“ bezeichnet werden. Die ersten beiden werden aufgrund ihrer regelmäßigen Wellenform zudem als „periodic“ zusammengefasst. Beide letzteren dagegen als „non-periodic“. Die zweite Subkategorie beschreibt Griffin als „random motion“. Dies entspricht Schwingungen, deren Charakteristik statistische Eigenschaften zugrunde liegen. Hierbei vereinigen sich Schwingungen, die aufgrund ihrer Ausprägung als „stationary random“ und „non stationary random“ bezeichnet werden. Diese zählen daneben auch zur „non periodic“ Kategorie.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Abb. 2. Kategorisierung von Vibrationstypen (mod. nach Griffin, 2004, S. 6)

Wenn man mit dem Auto über eine schlecht gebaute, unebene Straße fährt, so dienen beispielsweise jene Unebenheiten als Überträger unstetiger Vibrationen (stationary random) auf das Auto und somit auf den Menschen. Gleichermaßen sind es schockartige Schwingungen (shock), welche beim Baumfällen von dem Schlag mit der Axt auf den Stamm, über die die Hand bzw. den Arm des Arbeiters übertragen werden.

Vibrationsplatten – wie sie in der späteren Untersuchung zum Tragen kommen - sind mechanische Oszillatoren, welche erzwungene Schwingungen hervorrufen. Dabei geht man von hierbei erzeugten sinusoidalen Vibrationen aus. Dass diese Annahme nach Griffin unter Punkt 2.1, in Bezug auf Untersuchungen von Vibrationen als vorteilhaft angesehen wird, ist die eine Sache. Dessen ungeachtet führt Griffin (2004, S. 3) weiter aus: „In practice, imperfections in vibration generators have usually resulted in the presentation of distorted sinusoids [...] containing a mixture of harmonically related frequencies.“ Dies bedeutet streng genommen, dass beispielsweise Ganzkörpervibrationsplatten - obgleich der Tatsache, dass man in ihnen eine sinusförmige, harmonische Schwingungsform ableitet – eigentlich eine multi-sinusoidale Schwingung zugrunde liegt. Die physikalische Vollkommenheit eines perfekten Schwingungsablaufs hinsichtlich eines mechanischen Oszillators wäre also hierbei nicht gegeben.

Im (sport-) medizinischen Bereich und speziell im Gebiet der Rehabilitation stößt man zwangsweise auf zwei Formen von gängig angewandten Vibrationstechniken – der mechanischen Vibration und der elektrischen Muskelstimulation.

3 Anwendung von Vibrationen zur Steigerung der neuromusku- lären Leistungsfähigkeit

3.1 Elektrische Muskelstimulation

Es kommt nicht all zu selten zu Verwechslungen im Bereich der Methodik von Muskelstimulation. Durch die Erläuterung innerhalb dieses Punktes soll zur Klarheit diesbezüglich beigetragen werden. Die elektrische Muskelstimulation (EMS) wird im Bereich der Rehabilitation bereits seit längerem erfolgreich zur Behandlungsindikation herangezogen. Bei der EMS erfolgt eine Muskelstimulation über eine Applikation von elektrischen Impulsen, die durch eine Impulsfrequenz und –dauer charakterisiert sind. Dabei ist sie

„[…] immer dann gegeben, wenn durch Immobilisierung, Schmerz und/oder reflektorische Hemmung die Spontanbewegung nicht ausreicht, um die Entstehung von Muskelfunktionsstörungen und Inaktivitätsatrophien zu verhindern.“ (Dudley & Harris, 1994, S. 324).

Dies ist großteils nach Operationen der Fall. Die Art der Elektrotherapie dient demnach zur Remobilisierung von Muskelgewebe und findet auch im Bereich der Schmerztherapie analgetische Nutzung. Die EMS grenzt sich im Wesentlichen in einem entscheidenden Punkt zur mechanischen Vibration ab. Bei der EMS wird Strom mit einer Frequenzbandbreite von bis zu 200 Hz durch den Muskel geleitet, um unwillkürliche Muskelkontraktionen hervorzurufen. Im Gegensatz dazu wird auf einer Vibrationsplatte allein durch die kurzfristige Dehnung der Muskelfaser die reflexartige und somit unwillkürliche Kontraktion induziert.

Kots und Chwilon (in Dudley et al., 1994) haben in ihren Untersuchungen nach dem Prinzip der EMS bei Kraftsportlern innerhalb von vier bis fünf Wochen einen Kraftzuwachs um 30-40% verzeichnen können. Dieses Resultat konnte gleichermaßen bis dato nicht wieder reproduziert werden (Dudley et al., 1994). Da sich Dudley et al. in ihrem Kapitel bzgl. der Bedeutung der Elektrostimulation im Krafttraining ausschließlich auf Leistungssportler beziehen, kommen sie zu folgendem Schluss: „Die bisher vorliegenden Daten reichen nicht aus, um bereits die Elektrostimulation als Teil des Trainings von Kraft- und Ausdauerathleten generell zu empfehlen.“ (Dudley et al., 1994, S. 330). Das wiederum heißt nicht, dass Elektrostimulation überhaupt keine Auswirkungen habe, was positiv in den Bereichen der Rehabilitation reichhaltig dokumentiert ist. Auf dem Gebiet der Trainingswissenschaft spricht Weineck bei der Elektrostimulation von einer „[...] Sonderform des isometrischen Trainings [...]“, da hierbei ebenfalls „[...] bei fixiertem Widerstand gearbeitet.“ (Weineck, 2002a, S. 294) wird.

3.2 Mechanische Muskelstimulation

Den Begriff der mechanischen Muskelstimulation hat man über die Jahre hinweg unter verschiedenen Namen immer wieder aufs Neue kennen lernen dürfen. Nasarov-Stimulation, Biomechanische (Muskel)Stimulation (BMS), Rhythmische Neuromuskuläre Stimulation (RNS), Vibrationsstimulation oder Whole-Body Vibration (WBV). Trotz verschiedener Begriffe haben sie alle eines gemeinsam – ihr Grundprinzip. Es handelt sich stets um die Applikation von mechanischen Schwingungen auf das tendomuskuläre System des Menschen. Obwohl es eine Reihe von Wissenschaftlern gab, die sich der Erforschung und Wirkungsweise von mechanischen Schwingungen auf die Physiologie des Menschen widmeten, war es Prof. Nazarov, der als Urvater der Biomechanischen Stimulation der Muskulatur gilt. Er trieb die Entwicklung und Herstellung von speziellen Vibrationsgerätschaften voran, welche „[...] zum Einsatz sowohl für das sportartspezifische Krafttraining und die Dehnung als auch für postoperative, sportrehabilitative und kosmetische Behandlungen sowie zur Schmerztherapie bestimmt waren.“ (Weber, 1997, S. 53). Die Art und Weise, wie und wo mechanische Schwingungsreize auf den Sehnen-Muskel-Komplex übertragen werden, können unterschiedlich sein. Demzufolge wird eine in der Literatur geläufige Strukturierung vorgenommen, welche sich unabhängig von der Art der Schwingung nach dem Berührungs- und Ansatzpunkt von Vibrationen am Körper richtet, bzw. dem „[...] Anteil des Körpergewichts, der am Transferpunkt [...]“(Haas, Turbanski, Kaiser & Schmidtbleicher, 2004, S. 35) der Vibrationsapplikation wirksam wird . Prinzipiell unterschiedet man hierbei zwei Kategorien: Teilkörpervibration und Ganzkörpervibration (siehe Abb. 3)

Die Grundsätzlich vorgenommene Unterscheidung zwischen Ganz- und Teilkörperschwingungen ist eine modelltheoretische Vereinfachung und Klassifizierung, die sich zu einen aus der vorwiegenden Einleitungsstelle ergibt und zum anderen aus den zu erwartend belasteten Körperbereichen. (Spitzenpfeil, 2000, S. 52)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3. Möglichkeit der Kategorisierung von Vibrationen nach ihrem Ansatzpunkt am Körper (mod. nach Spitzenpfeil 2000, S. 51, mod. nach Griffin, 1994).

3.2.1 Teilkörpervibration

Von Teilkörpervibration (regional vibration oder local vibration) spricht Griffin (2004, S. 27) allgemein, „[...] when one or more limbs (or the head) are in contact with a vibrating surface.“ Diese können nach ihrem Ansatzpunkt am Körper in drei Kategorien unterteilt werden. Um dies zu veranschaulichen soll ein Beispiel aus dem Alltag herangezogen werden - das Autofahren. Beim Autofahren sitzt die Person, was ein erhöhtes Maß an Ansatzpunkten darstellt. Das heißt, Vibrationen werden einerseits auf die Füße übertragen, welche den Boden berühren (foot-transmitted). Andererseits werden beim Autofahren Vibrationen über die Kopfstütze auf den Kopf (head-transmitted), und durch das Halten des Lenkrades auch auf die Hände (hand-transmitted) übertragen. Durch dieses Beispiel zeigt sich auch, dass Teilkörpervibration teils eng mit Ganzkörpervibration gekoppelt ist. „Seated persons exposed to whole-body vibration are also often simultaneously exposed to local vibration [...].” (Griffin, 1994, S. 27).

Nach (Haas et al., 2004) lässt sich Teilkörpervibration bzgl. des Ansatzpunktes noch weiter differenzieren. So können jene mechanische Schwingungen entweder auf ein gesamtes Körpersegment (siehe Abb. 4, rechts) oder gezielt auf ein Organ (z. B. Muskel- oder Sehnenkomplex, siehe Abb. 4, links) übertragen werden. Dem schließen sich die Ausführungen nach Luo, McNamara und Moran (2005, S. 25) an, die die Applikation von mechanischen Schwingungen auf den menschlichen Körper im Sinne eines Teilkörpervibrationstrainings folgendermaßen beschreiben: „[...] vibration is applied directly to the muscle belly or the tendon of the muscle being trained, by a vibration unit that may either be held by hand or be fixed to an exterior support.“

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Abb. 4. Beispiele für Teilkörpervibrationen bzw. Teilkörpervibrationstraining. links: Messung der Handkraft während Vibration, senkrecht ausgerichtet zur distalen Flexorsehne am Handgelenk. (Martin & Park, 1997, S. 505). rechts: Bilaterale Biceps Curl-Übung nach Issurin zur Messung der Akuteffekte von Vibrationen auf die Explosivkraft bei Athleten. (Issurin & Tenenbaum, 1999, S. 179).

Verglichen mit Studien zu Whole Body Vibration, gibt es dem gegenüber kaum Studien, welche sich mit lokaler Vibration befassen. Obgleich man der Meinung ist, dass indirekt angewandte Vibration, also z. B. WBV, in der gleichen Zeit mehr Muskelgruppen zu stimulieren vermag. So sieht man den möglichen Vorteil bei direkter Vibration darin, dass die Applikation mechanischer Schwingungen auf den Zielmuskel ohne Verringerung oder bedeutsamen Verlust der Vibrationsparameter – wie Frequenz und Amplitude - übertragen werden können, da die Übertragungsweite sehr kurz ist. Zudem hat sich herausgestellt, dass der beste Ansatzpunkt, um eine wirksame direkte vibrationsinduzierte Muskelstimulation zu erzielen, der der Muskelsehne ist (Luo et al., 2005).

Mit dem Thema der Teilkörpervibration widmete man sich insbesondere im Bereich der Arbeitsmedizin, da viele Berufssparten – speziell jene im Bereich der Bauarbeiterbranche – an Vibrationsbelastungen gekoppelt sind. Holzfäller wurden auf die Vibrationswirkung bzw. -auswirkung ihrer Tätigkeit hin untersucht (Färkkilä, Pyykkö, Korhonen & Starck, 1980). Gleichermaßen studierte man die negative Auswirkung akuter und chronischer Vibrationsbelastungen (Gomez, Volek, Rubin, French, Ratamess, Sharman & Kraemer, 2003; Kihlberg, Attebrant & Gemme, 1995; Miyashita, Morioka, Tanabe, Iwata & Takeda, 1992), welche beispielsweise unter den Begrifflichkeiten des „Hand-Arm-Symdroms“ oder „Raynaud-Phänomens“ bekannt sind.

3.2.2 Ganzkörpervibration

Ganzkörpervibration (whole body vibration) tritt nach Griffin (2004) auf, wenn sich der gesamte Körper auf einer vibrierenden Plattform befindet. Auch hier wird nochmals eine Unterteilung vorgenommen, die drei Möglichkeiten beinhaltet: Das Sitzen auf einem vibrierenden Stuhl (sitting), Liegen auf einem vibrierenden Bett (lying) oder das Stehen auf einer vibrierenden Plattform (standing). Letztere Möglichkeit entspricht dem Thema der hier vorliegenden Arbeit. Wie in Abbildung 3 zu sehen ist, handelt es sich genau genommen um eine Mischung von Teil- sowie Ganzkörpervibration. Einerseits zeichnet sich die lokale Vibrationsapplikation dadurch aus, dass der Ansatzpunkt die Fußsohle ist (foot-transmitted). Andererseits befindet sich zudem der gesamte Körper im Stand (standing) auf der vibrierenden Fläche, was demnach den gesamten Körper in Schwingung versetzt.

3.3 Belastungskomponenten beim Ganzkörpervibrationstraining

Die Annahme, dass durch Ganzkörpervibration Effekte verursacht werden, die eine positive Nutzung im Sektor des Maximal- und Schnellkrafttrainings möglich machen, begründet sich in der „Hypergravitation“. Die Schwerkraft, der wir allesamt ausgesetzt sind, bildet den alltäglichen wie auch sportbedingten Haupttrainingsreiz, welcher für die Entwicklung und Anpassung der Muskulatur verantwortlich ist. Trainingsprogramme, deren Ziel die Erhöhung der Maximal- und Schnellkraft darstellt „[...] are based on exercises performed with rapid and violent variation of gravitational acceleration.“ (Bosco, Colli, Cardinale, Tsarpela & Bonifazi, k. A., S. 68). In diesem Zusammenhang wird beispielsweise die Gewichtsweste als adäquates Trainingsmittel angesehen. Durch die Nutzung der Zusatzlast wird eine Art hypergravitative Simulation auf den Körper erzeugt, was zu entsprechenden neuromuskulären Adaptionsmechanismen im Muskel führt. Simulation von Hypergravitation kann aber auch über Vibrationsplattformen erfolgen. Durch die schnelle Oszillation der Platten werden – abhängig von der gewählten Frequenz - Beschleunigungen von bis zu 15 g (Cardinale & Rittweger, 2006b; Cardinale et al., 2005) erzeugt. Das heißt, es wirkt die 15-fache Erdbeschleunigung auf den Körper.

Ausgehend von dieser Überlegung hängt ein Vibrationseffekt auf neuromuskulärer Ebene von mehreren Parametern ab. Grundsätzlich kann man dabei zwei große Gruppen unterscheiden, welche jedoch stets miteinander in Verbindung stehen.

Auf der einen Seite finden sich die mechanischen Belastungsparameter oder „vibration characteristics“ (Luo et al., 2005, S. 23). Diese setzen sich in erster Linie aus der Frequenz und der Amplitude zusammen. Luo et al. (2005, S. 23) benennen hierzu noch die „method of vibration“, die sich auf Teil- oder Ganzkörpervibration bezieht. In diesem Fall kann man jedoch davon absehen, da es in der hier vorliegenden Untersuchung bereits um WBV geht. Gleichermaßen wird nach Jordan et al. (2005, S. 460) der Begriff der „magnitude“ nicht weiter einbezogen, da diese an sich nur das Ausmaß der Vibration - ausgedrückt durch die Beschleunigung - beschreibt, welche durch einschlägige Parameter berechnet werden kann. Trotz allem gibt es einen weiteren Punkt, dem im Bereich der mechanischen Belastungsparameter große Beachtung geschenkt werden sollte. Dabei handelt es sich um die Art der Vibration, im Sinne der Arbeitsweise der Vibrationsplatte. Demnach handelt es sich also um das pivotale (Wipp-Prinzip) oder lineale (Hub-Prinzip) System.

Neben den beschriebenen mechanischen Belastungsparametern, die in Punkt 3.3.2. noch näher beschrieben werden, kommen beim Training auf Vibrationsplatten auch Belastungsparameter im Sinne der in der Trainingslehre gebräuchlichen Belastungskomponenten, zum Tragen (siehe auch 3.3.1). Dabei handelt es sich um vom Vibrationssystem unabhängige Komponenten, die ebenfalls großen Einfluss auf die adaptive Reaktion des neuromuskulären Systems haben. Diese stellen demnach die zweite große Säule dar. Luo et al. (2005, S. 23) beschreiben sie als „exercise protocols“. Hierzu zählen der Belastungsumfang, die Belastungsdichte und die Belastungsdauer. Die Trainingsposition geht im Allgemeinen mit der Übungsausführung auf der Vibrationsplatte einher. Dennoch sollten beide zur Übersichtlichkeit getrennt aufgeführt werden.

Zusammengenommen sollen alle hier aufgeführten Parameter auf das neuromuskuläre System wirken, wobei nicht unbedingt alle Tatsachen bis dato geklärt sind, wie diese wirken. „It must be mentioned that, at present time, the effects of different vibration loading parameters are not clearly understood.“ (Jordan et al., 2005, S. 462). Dennoch wagen Berschin, Schmideberg und Sommer (2004) eine wage, jedoch trendläufige Aussage:

„Neben den wenigen wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es zunehmend Rückmeldungen aus der Praxis zu Muskelleistungsverbesserungen insbesondere bei Sportarten und Disziplinen mit einem hohen Schnellkraftanteil.“ (Berschin et al., 2004, S. 11).

Diese Meinung zeigt, dass praktisch etwas vorliegt, was zwangsweise nicht wissenschaftlich-theoretisch belegt werden kann. Daher besteht die Aufgabe darin, diesem komplexen Geflecht aus teilweise (noch) nicht beweisbaren Tatsachen, den unterschiedlich vorliegenden Studiendesigns und der heterogenen Ergebnislage eine Tendenz über die Wirkungsweise zu entlocken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5. Modell zur Vorstellung mechanischer und trainingswissenschaftlicher Einflussfaktoren auf neuromuskuläre Leistungsparameter.

3.3.1 Klassische Belastungskomponenten der Trainingslehre

Ein bedeutungsvoller Aspekt ist, wie eine Übung auf der Vibrationsplatte durchgeführt wird. Hierbei kann man statische von dynamischen Übungen unterscheiden. In den entsprechenden Studien kommen in manchen statische Übungen, in anderen dynamische Übungen zum Einsatz. Die statischen Übungen erfolgen zumeist im Stand bei leicht bis stark gebeugtem Kniewinkel. Als dynamische Übungen kommen überwiegend Squats zum Einsatz, wobei in den Studien sowohl der realisierte Kniewinkel als auch die Dauer einer Squatwiederholung sehr variieren.

Der Belastungsumfang beschreibt die Anzahl der Wiederholungen einer Übung auf der Vibrationsplatte bzw. die Anzahl der Sätze.

Unter der Belastungsdichte versteht man das zeitliche Verhältnis von Belastungs- und Erholungsphase, also Vibrationsexposition und der Pause.

Unter der Belastungsdauer versteht man die Dauer der Vibrationsexposition, welcher der Proband ausgesetzt ist.

3.3.2 Vibrationsbedingte mechanische Belastungskomponenten

3.3.2.1 Amplitude und Frequenz

Die Amplitude, als mechanische Belastungskomponente, beschreibt die maximale Auslenkung einer Vibrationsplatte aus ihrer horizontalen Stellung heraus in eine Richtung. Also entweder nach oben oder nach unten. Fälschlicherweise wird oft die Summe der Auslenkung in beide Richtungen als Amplitude bezeichnet. Dabei handelt es sich jedoch um den (Gesamt-)Hub. In wissenschaftlichen Texten bezeichnet man den Hub als peak-to-peak displacement oder peak-to-peak amplitude, um eine volle Auslenkung der Vibrationsplatte in beide Richtungen quantitativ zu beschreiben. Bei seitenalternierenden Systemen ist die Angabe der Amplitude von der Stellung der Füße abhängig, da sich mit zunehmender Standesbreite nach außen hin die Schwingungsweite der Platte vergrößert. Die Amplitude wird gängigerweise in Millimeter [mm] angegeben.

Die Frequenz beschreibt die Anzahl vollständig durchgeführter Schwingungen pro Sekunde. Eine vollständige Schwingung einer Vibrationsplatte wiederum beschreibt einen Hub, also demnach die zweifache Amplitude. Wie in der Physik üblich, wird auch hier die Frequenz mit Hertz [Hz] definiert. Schwingt eine Vibrationsplatte innerhalb einer Sekunde beispielsweise 30mal auf und ab, so schwingt diese mit einer Frequenz von 30 Hz.

Aus der Frequenz und der Amplitude der sinusförmigen Schwingungen von Vibrationsplatten resultiert eine Beschleunigung, die ferner die mechanische Vibrationsbelastung charakterisiert. Diese wird im Zusammenhang mit Ganzkörpervibrationstraining in der Literatur zwischen 2,7 und 25,7 g angegeben.

3.3.2.2 Vibrationssystem

Derzeit gibt es zwei Systeme mit grundlegenden Unterschieden in ihrer Plattenkonstruktion mit der Folge einer unterschiedlichen mechanischen Belastung. Das erste Ganzkörpervibrationssystem (Galileo), welches die Firma Novotec (Pforzheim) serienmäßig hervorbrachte, beruhte auf dem patentierten Wipp-Prinzip. Bei diesem Prinzip, welches auch unter dem „Galileo-Prinzip“ (Burkhardt, 2006) bekannt ist, werden die Vibrationen über eine Rotation der Platte um eine mittige Achse erzeugt. Dadurch kommt es zu einer bilateral alternierenden, vertikalen Oszillation. Entsprechend kommt es je nach Standbreite der Person auf der Platte zu kleinen Auslenkungen in der Mitte bzw. größeren an den Rändern. Hierbei wird abwechselnd das linke sowohl das rechte Bein gestaucht respektive entlastet. Aufgrund der seitenalternierenden Belastung, wie sie auch bei der Lokomotion auftritt, wird diese Vibrationsbelastung, die angeblich zu einer abwechselnden Kontraktion von Agonist bzw. Antagonist führt (siehe Abb. 6b), vom Hersteller als „physiologisch“ bezeichnet. Derartige Aussagen stützen sich jedoch nicht auf Studienergebnisse und sind wahrscheinlich eher dem Bereich Marketing zuzuordnen.

Das Pendant zum Galileo ist die im Jahre 2004 der Fachwelt vorgestellte Power Plate (Fa. North America). Dieses Gerät zeichnet sich durch eine deutlich kleinere Amplitude aus (Power Plate: ø 2,5 mm; Galileo: ø 10 mm). Ferner weist die Power Plate ein rein vertikales Schwingungssystem (synchrone vertikale Oszillation) auf, das dadurch gekennzeichnet ist, dass die ganze Platte in Form von sinusförmigen Schwingungen bilateral symmetrisch auf- und abschwingt (siehe Abb. 6a).

Verantwortlich hierfür sind zwei Drehstrommotoren, die zu einer Beschleunigung der Platte in der vertikalen Ebene führen. Dieses Prinzip wird als Hub-Prinzip beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6. Das vertikale Vibrationssystem (a, Hub-Prinzip) stimuliert Muskelgruppen, die bei Bewegungen um die transversale Achse beteiligt sind (rot). Das seitenalternierende Vibrationssystem (b, Wipp-Prinzip) aktiviert zudem Muskelgruppen, die Bewegungen um die sagittale Achse bewerkstelligen (rot). (aus Burkhardt, 2006, S. 22).

Es besteht die Annahme, dass die unterschiedliche Mechanik beider Systeme zu einer grundlegend unterschiedlichen Belastung des neuromuskulären Systems führt. Konkret unterscheidet sich die Belastung, wie beschrieben in einer seitenalternierenden vs. bipedal-symmetrischen Belastung und in deutlichen Unterschieden in der Amplitude, die bei einer gegebenen Frequenz zu einer unterschiedlichen Intensität in Form der Beschleunigung führt.

Insgesamt stellt somit der Plattentyp eine z. T. nicht klar definierbare Belastungskomponente dar. Während die konstruktionsbedingte Amplitude einen im Rahmen der mechanischen Belastungsparameter klar definierbaren Parameter darstellt, ist die seitenalternierende bzw. bipedale Belastung und die resultierende unterschiedliche Beschleunigungsrichtung (vertikal vs. vertikal-lateral) gerade mit Blick auf Besonderheiten des menschlichen Bewegungsapparates und die Komplexität des neuromuskulären Systems, schwer charakterisierbar.

[...]

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Kurzfristige Effekte von Ganzkörpervibrationen mit unterschiedlichen Systemen auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
2,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
95
Katalognummer
V114162
ISBN (eBook)
9783640145003
Dateigröße
6149 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kurzfristige, Effekte, Ganzkörpervibrationen, Systemen, Leistungsfähigkeit, Whole Body Vibration, Vibrafit, Board3000, Vibrationstraining, vibration, neuromuskulär, Vibrationsplatte, powerplate, galileo
Arbeit zitieren
Dipl.-Spowis. Univ. Tobias-Jan Müller (Autor:in), 2008, Kurzfristige Effekte von Ganzkörpervibrationen mit unterschiedlichen Systemen auf die neuromuskuläre Leistungsfähigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114162

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