Shopping-Paradies Flughafen

Entwicklungen und Trends im Non-Aviation-Bereich deutscher Flughäfen


Masterarbeit, 2007

97 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Vorgehensweise

2. Grundlegende Definitionen und allgemeine Rahmenbedingungen
2.1 Definition des Begriffs Luftverkehr
2.2 Definition des Begriffs Flughafen und verschiedener Typen
2.3 Aufgaben und Einnahmequellen eines Flughafens
2.4 Definition des Begriffs Shopping-Center

3. Entwicklungen im Luftverkehr
3.1 Liberalisierungs- bzw. Deregulierungsprozess
3.2 Situation im Luftverkehrsmarkt
3.3 Einflussfaktoren auf den Funktionswandel deutscher Flughäfen

4. Airport-Retailing
4.1 Entwicklung
4.2 Zielgruppen
4.3 Flughäfen als Konsum- und Erlebniswelten
4.4 Orientierung an Shopping-Centern und Bahnhöfen
4.5 Anforderungen an ein Airport-Shopping-Center
4.5.1 Einzelhandel, Dienstleistungen und Gastronomie
4.5.2 Ausstellungen, Events und sonstige Einrichtungen
4.6 Vor- und Nachteile des Standortes Flughafen
4.7 Airport-Shopping-Center - Konkurrenz für Innenstädte?

5. Erfolgsbeispiele für Airport-Shopping-Center
5.1 Deutschland
5.1.1 München
5.1.2 Frankfurt am Main
5.1.3 Hamburg
5.1.4 Vergleich Non-Aviation-Bereiche München, Frankfurt a. M. und Hamburg
5.2 Europa
5.2.1 London/Heathrow
5.2.2 Amsterdam
5.2.3 Zürich
5.2.4 Vergleich Non-Aviation-Bereiche London-Heathrow, Amsterdam und Zürich

6. Trends und Prognosen
6.1 Airport-City
6.2 Mega-Airports
6.3 Mögliche Zukunftsszenarien und Herausforderungen für das Airport- Management

7. Resümee

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Gesprächspartne

Anhang 1

Anhang 2

Anhang 3

Anhang 4

Anhang 5

Anhang 6

Anhang 7

Anhang 8

Anhang 9

Anhang 10

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Das System Flughafen

Abb. 2: Einflussfaktoren auf das Unternehmen Flughafen

Abb. 3: Anteil Non-Aviation am Gesamtumsatz

Abb. 4: Mögliche Wegführung durch ein Airport-Shopping-Center

Abb. 5: Lage der Airport Plaza am Hamburg Airport

Abb. 6: Existierende und geplante Airport-Cities weltweit

1. Einleitung

Die Luftverkehrsbranche ist nach einigen turbulenten Jahren wieder auf Wachstumskurs. Weltweit nutzen gegenwärtig vier Millionen Menschen täglich ein Flugzeug als Transportmittel; allein im Luftraum der USA sind es derzeit zu jeder Tages- und Nachtzeit rund 300.000 Menschen (vgl. Kesselring, 2007: 833). Im Jahre 2006 verzeichnete der weltweite Luftverkehr einen Anstieg der Passagierzahlen um rund sechs Prozent. Zwar hat sich das Wachstum gegenüber dem Vorjahr (7,6 Prozent) mit ca. 6 Prozent leicht verlangsamt, gleichwohl ist das Geschäft nach Angaben der Internationalen Luftfahrt Association (IATA) profitabler ausgefallen. Ursachen für das schwächere Wachstum, insbesondere in Europa, sind die erhöhten Benzinpreise und der Konkurrenzdruck durch andere Transportmittel (vgl. Gruner + Jahr, 2007: 2).

Dennoch nutzt heute mehr als ein Viertel der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren mindestens einmal im Jahr das Flugzeug; der überwiegende Teil (ca. 94 Prozent) der Reisen ist dabei privater Natur (vgl. Gruner + Jahr, 2007: 1). Laut Prognosen der IATA bleibt der Luftverkehr langfristig eine starke Wachstumsbranche. Bis zum Jahr 2025 wird ein weltweiter Passagieranstieg auf mehr als neun Milliarden (Mrd.) Fluggäste prognostiziert; 2005 reisten rund vier Mrd. Menschen (vgl. Gruner + Jahr, 2007: 1). Die zurzeit am schnellsten wachsenden Märkte finden sich in Indien und China sowie in Osteuropa (vgl. Warschun, 2007: 2).

Die europäische Flughafenbranche befindet sich gegenwärtig in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Veränderte regulatorische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen im weltweiten Luftverkehr stellen auch deutsche Flughäfen vor neue Herausforderungen. Sinkende oder stagnierende Umsätze, steigende Personalkosten und erhöhter Investitionsbedarf zwingen die Airports auf den Wandel zu reagieren (vgl. A.T. Kearney, 2006: 1).

So finden sich derzeit verstärkt sowohl an internationalen als auch an deutschen Flughäfen zahlreiche Großbaustellen. Mittelfristig sollen allein für den Ausbau deutscher Flughäfen ca. 15 Mrd. Euro aufgewendet werden (vgl. Schmidt, 2007: 79). Diese Bauvorhaben dienen in der Mehrzahl der Fälle nicht der reinen Abfertigung von

Passagieren, vielmehr expandieren führende Flughäfen im so genannten Non-Aviation- Bereich1(vgl. 2.3.) zum „Shopping-Paradies“ für Passagiere.

Durch den außerordentlichen Konkurrenz- und Kostensenkungsdruck müssen neue Geschäftsfelder erschlossen werden. Insbesondere der Ausbau des Retailbereichs zu flughafeneigenen Shopping-Centern bzw. Shopping-Malls verspricht hohe Renditen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Profilierung im Wettbewerb. So wandeln sich Flughäfen von monopolistisch geführten staatlichen Unternehmen zu innovativen kunden- und gewinnorientierten Dienstleistungszentren und Gewerbestandorten (vgl. Hübl, Hohls-Hübl & Wegener, 2001: 8). Der wirtschaftliche Erfolg eines Flughafens wird hierbei künftig immer entscheidender vom Umsatz im Non-Aviation-Geschäft als von den traditionellen Geschäftsbereichen „Aviation“ und „Groundhandling“ determiniert (vgl. Höffinger et. al, 2006: 1, vgl. Warschun, 2007: 2, vgl. Ginten, 2007:

1).

In den letzten Jahren hat der Ausbau des Non-Aviation-Bereichs im Flughafenmanagement deutlich an Bedeutung gewonnen. Bis zu 60 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaften einige europäische Flughäfen bereits abseits des reinen Flugbetriebs (vgl. WirtschaftsWoche, 2007b: 49). Selbst der Entertainer Harald Schmidt hat das Thema bereits in seinem „Weblog“ diskutiert:

„Werte Kundschaft, viel zu lange haben wir in unserer Show den non-aviation-Bereich [sic] vernachlässigt. Also den Teil vom Flughafen, wo nicht fliegt. Sondern shoppt. […]. Also schaute ich wieder in meine Zeitung und las über die wahnsinnigen Zuwachsraten im non-aviation-Bereich [sic]. Immer mehr Leute strömen mittlerweile auf unsere Flughäfen, um mal lecker einzukaufen oder modisch zu essen. Wobei meiner Meinung nach die interessanten Shops erst kommen, wenn man schon eingecheckt hat“ (Schmidt, 2006).

Es bestehen gute Chancen zum Ausbau dieses Geschäftsfeldes, denn neben Fluggästen und deren Abholern beziehungsweise Bringern (auch als „Meeter“ und

„Greeter“ bezeichnet) gehören Beschäftigte, Besucher und Anwohner ebenso zur Zielgruppe von ausgefeilten Airport-Shopping-Center-Konzepten (vgl. Hübl, Hohls-Hübl

& Wegener, 2001: 8). Das Wachstum der Verkehrsknotenpunkte spielt als gewinnbringender Standort demnach auch für den Einzelhandel eine größer werdende Rolle. Sowohl für internationale Unternehmen als auch Nischenanbieter bieten sich Möglichkeiten, am Wachstum mit innovativen Konzepten zu partizipieren.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Im Prozess der Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft nehmen Flughäfen eine zentrale Funktion ein, die sich auf ihre Erscheinungsweise, Organisation und gesellschaftliche Bedeutung auswirkt. Sie entwickeln sich zu multimodalen Verkehrsknotenpunkten, die in globalen Märkten agieren, und sind mit ihren Vorgängern der 50er und 60er Jahre kaum mehr zu vergleichen. Flughäfen durchlaufen einen tiefgreifenden Strukturwandel.

Neben der primären Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt haben Flughäfen heute eine Zusatzfunktion: als Ziel von Freizeitaktivitäten und als Einkaufsstätte. Die Betreibergesellschaften haben erkannt, dass sie neben Start- und Landeentgelten neue Einnahmen erzielen können. Der kommerzielle Flughafen löst das traditionelle (staatlich betriebene) Geschäftsmodell zunehmend ab (vgl. Kesselring, 2007: 837). Airports bieten mittlerweile Konsumwelten mit Ausstellungen, Events, Volksfesten, Konzerten, Kinos und Golfplätzen an. Werktags werden Tagungen und Konferenzen ausgerichtet.

Der Trend zur Expansion der Flughäfen im kommerziellen Non-Aviation-Bereich und die damit einhergehende Entwicklung als Shopping-Center, Erlebniswelt oder gar

„Airport-City“ hat bisher in der Literatur kaum Beachtung gefunden. Da Einnahmen aus diesem Bereich für Flughäfen aufgrund fehlenden Wachstums im traditionellen Geschäft und zunehmendem Konkurrenzdruck künftig immer wichtiger werden, soll dieser Aspekt des Airport-Managements in vorliegender Arbeit näher betrachtet werden.

Die Diversifizierung von Flughäfen in neuen Geschäftsfeldern und die Entwicklung zu Konsum- und Erlebniswelten soll aufgezeigt werden. Da zahlreiche Flughäfen insbesondere flughafeneigene Shopping-Center planen, sollen die Anforderungen an ein solches Center näher untersucht werden. Ziel ist, den Wandel des Verkehrsknotenpunkts Flughafen in ein kundenorientiertes Unternehmen zu verdeutlichen und die Notwendigkeit gezielter Zukunftsstrategien aufzuzeigen.

1.2 Vorgehensweise

In Kapitel 2 erfolgt zunächst eine grundlegende Bestimmung der für diese Arbeit relevanten Begriffe. Sowohl die Einteilungskriterien als auch die klassischen Geschäftsbereiche eines Flughafens werden erläutert. Im Vordergrund stehen die verschiedenen Arten von Flughafenentgelten und -gebühren bzw. die Definition des Begriffs Non-Aviation in Abgrenzung zum Geschäftsbereich Aviation. Diese grundlegenden Ausführungen sollen ein einheitliches Verständnis für den weiteren Verlauf der Arbeit gewährleisten.

Kapitel 3 erörtert die Liberalisierung des Luftverkehrs und ihre Auswirkungen auf Flughäfen sowie die Situation und Entwicklung im deutschen und internationalen Luftverkehrsmarkt. Die Gründe für den Funktionswandel der Flughäfen schließen dieses Kapitel ab.

Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Entwicklung des Retailing an Flughäfen hin zu Konsum- und Erlebniswelten. Als Benchmark werden zwei deutsche Bahnhöfe herangezogen. Anschließend werden grundsätzliche Anforderungen an ein erfolgreiches Airport-Shopping-Center aufgezeigt. Das Kapitel schließt mit möglichen Vor- und Nachteilen des Standortes Flughafen sowie der Hinterfragung einer potentiellen Konkurrenzsituation mit den jeweiligen Innenstädten ab.

Kapitel 5 zeigt Best Practice-Beispiele erfolgreicher kommerziell ausgerichteter Flughäfen in Deutschland und Europa auf. Abschließend werden diese miteinander verglichen.

Kapitel 6 beschreibt, welche Entwicklungen und Trends im Non-Aviation-Bereich sich künftig ergeben werden. Verschiedene Szenarien sollen einen Einblick in die künftige Situation der Flughäfen und die Entwicklung ihrer Retailaktivitäten geben.

Daraus ableitend wird in Kapitel 7 ein Resümee gezogen.

2. Grundlegende Definitionen und allgemeine Rahmenbedingungen

2.1 Definition des Begriffs Luftverkehr

Nach Sterzenbach, Conrady und Maurer bezeichnet Luftverkehr alle Vorgänge, die der Ortsveränderung von Personen, Fracht und Post auf dem Luftweg dienen. Alle mit dieser Ortsveränderung unmittelbar oder mittelbar zusammenhängenden Dienstleistungen sind in die Definition eingeschlossen (vgl. Sterzenbach & Conrady, 2003: 3, vgl. Maurer, 2001: 1).

Pompl hingegen bezieht in seine Definition neben dem technischen Transport von Personen oder Waren von einem zum anderen Ort auch die damit verbundenen Organisationen und Beziehungen ein, und bezeichnet den Luftverkehr als „dichtes Geflecht aus zwischenstaatlichen Verträgen, Unternehmensstrategien, Preis- und Produktionskartellen, nationalen Interessen und öffentlichen Aufgaben“ (Pompl, 2002: 12). Zudem ergänzt Pompl die Definition des Luftverkehrs durch eine systemtheoretische Betrachtung nach Luhmann, die zu einer Reduktion der Komplexität beitragen soll (vgl. Pompl, 2002: 12).

Grundlage des Luftverkehrs bilden die so genannten Freiheiten der Luft (engl.

„Freedoms of the air“), die von der International Civil Aviation Organisation (ICAO) ausgearbeitet worden sind. Die Freiheiten der Lüfte beinhalten Vorschläge für internationale Verkehrsrechte im zivilen Luftverkehr (vgl. Wikipedia, 2007a).

2.2 Definition des Begriffs Flughafen und verschiedener Typen

Ein Flughafen (engl. airport) ist ein Ort, an welchem Flugzeuge starten, landen und parken können. Flughäfen sind in der Regel große Flugplätze, die Passagier- und Frachtflugzeuge abfertigen können. Grob definiert bezeichnet ein Flughafen eine ausschließlich für das Landen, Starten und Manövrieren von Luftfahrzeugen hergerichtete Fläche, einschließlich der zusätzlichen Einrichtungen, die für die Abwicklung des Luftverkehrs und der dazugehörigen Dienstleistungen und Services notwendig sind (vgl. Meeder, 2000: 21-22).

Pompl definiert Flughäfen als „Flugplätze, die für die Abfertigung eines regelmäßigen Luftverkehrs mit umfangreichen Flugsicherungs- und Abfertigungsanlagen ausgestattet sind […]“ (Pompl, 2002: 164).

Flughäfen sind die Fundamente beziehungsweise die Ausgangs- und Endpunkte des Luftverkehrs und bilden, zusammen mit den gesicherten Luftstraßen, die materielle Infrastruktur des Luftverkehrssystems. Sie sind essentieller Part des Luftverkehrssystems und fungieren als Schnittstelle zwischen Luft- und Landtransport (vgl. Köhler, 2003: 1). Da sie einen wichtigen Teil der Infrastruktur darstellen, ist ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft essentiell. Infolgedessen stellen Flughäfen einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Sie sind nicht nur wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur einer Region, sondern auch personalintensive Arbeitsstätten (vgl. Meeder, 2000: 21-22).

Doganis sieht Flughäfen als „… complex enterprises. They are places of departures and arrivals that act as a forum in which activities are brought together to facilitate, for both passengers and freight, the interchange between air and surface transport.” (Doganis 1992: 7). Aus strategischer Sicht ist diese Definition jedoch zu eng gefasst, da das Unternehmen Flughafen ein breiteres Aufgabenspektrum innehat (vgl. Sulzmaier, 2001: 3). Doganis klammert in seiner Definition den Non-Aviation-Bereich aus; die Weiterentwicklung von Flughäfen zu umfassenden Dienstleistungs- unternehmen wird nicht berücksichtigt. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die enorme Bedeutung dieses Bereiches als Zusatzgeschäft erst mit den in den letzten Jahren stärker sinkenden Einnahmen aus dem traditionellen Kerngeschäft der Flughäfen offensichtlich wurde.

Heute lösen sich Flughäfen zunehmend von der Rolle des reinen Infrastrukturanbieters. Sie entwickeln sich von staatlichen Unternehmen zu modernen, gewinnorientierten Dienstleistungsbetrieben, die ein breites und qualitativ hochstehendes Leistungsspektrum anbieten. Eine Übersicht über die verschiedenen Leistungsbereiche und Vertragsbeziehungen eines Airports zeigt Abbildung 1. Flughäfen sind gegenwärtig als bedeutende und vielschichtige Industrieunternehmen anzusehen. Um rentabel zu sein und auf die Anforderungen des Marktes und die Bedürfnisse der Passagiere eingehen zu können, sind sie gezwungen, effizient zu arbeiten (vgl. Meeder, 2000: 21-22). Nicht nur die Beziehungen zwischen Flughafen und Fluglinien oder Fluglinien und Passagieren, sondern die Beziehung zwischen Flughafen und Passagieren sowie Abholern und Bringern spielt künftig eine immer wichtigere Rolle.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1. Das System Flughafen

(vgl. Beckers et. al, 2003: 5)

Flughäfen lassen sich nach verschiedenen Kriterien wie beispielsweise nach den technischen Einrichtungen einteilen (vgl. Maurer, 2001: 63). Im Folgenden sollen vier Flughafentypen für Deutschland nach Funktion und Attraktivität ihres Einzugsgebiets vorgestellt werden.

1. Primärflughäfen

Der so genannte Primärflughafen fertigt sowohl nationalen als auch internationalen Linien- und Langstreckenverkehr ab. Weitere Kennzeichnung ist ein hoher Anteil an Umsteigerpassagieren und dadurch eine Drehkreuzfunktion (engl. hub) (vgl. Jarach, 2005: 38-39). In Deutschland zählen zu dieser Kategorie bisher ausschließlich die Flughäfen Frankfurt am Main und München.

2. Sekundärflughäfen

Sekundärflughäfen haben eine gute Anbindung an den europäischen Linienverkehr und verfügen über ein großes und attraktives Einzugsgebiet. Hier wird vorwiegend nationaler und europäischer Linienverkehr abgefertigt (vgl. Jarach, 2005: 40). In jüngster Zeit etablieren sich zunehmend Low-Cost-Carrier auf Sekundärflughäfen (die traditionell dezentrale Regionalflughäfen bedienen, da dort nur geringe Gebühren anfallen und häufig Subventionen gegeben werden); sie treten so in direkte Konkurrenz mit traditionellen Fluggesellschaften („Flag Carrier“). Zum Typus des Sekundärflughafens zählen beispielsweise die Flughäfen Hamburg, Düsseldorf, Köln, Berlin-Tegel und Stuttgart (vgl. Heymann, 2005: 2).

3. Tertiärflughäfen

So genannte Tertiärflughäfen verfügen im Gegensatz zu Sekundärflughäfen über ein vergleichsweise kleines, weniger bedeutendes Einzugsgebiet. Häufig werden sie nur durch die Lufthansa in ein internationales Luftverkehrsnetz eingebunden (vgl. von Hirschhausen, 2004: 19). Weiteres Kennzeichen ist ein hoher Anteil an Pauschalreiseverkehr am Gesamtflugverkehr. Beispiele für deutsche Tertiärflughäfen sind Münster/Osnabrück, Leipzig, Dresden und Nürnberg.

4. Quartiärflughäfen

Als Quartiärflughäfen werden ehemalige Regional- oder Militärflughäfen bezeichnet. Diese werden vornehmlich von Low-Cost-Airlines angeflogen. In der Literatur werden die Begriffe Quartiärflughafen und Regionalflughafen zumeist synonym verwendet (vgl. von Hirschhausen, 2004: 19). Unter diese Kategorie fallen beispielsweise die Flughäfen Lübeck und Frankfurt Hahn.

Vorliegende Arbeit konzentriert sich im Schwerpunkt auf die kommerzielle Entwicklung an Primär- und Sekundärflughäfen.

2.3 Aufgaben und Einnahmequellen eines Flughafens

Nach Pompl bestehen die Hauptaufgaben eines Flughafens in der Wegsicherung und der Abfertigung von Passagieren, Fracht und Flugzeugen. Die Funktion der Wegsicherung besteht, vereinfacht betrachtet, in der Bereitstellung der Infrastruktur für Starts und Landungen, Sicherheitsflächen, Wartepositionen und Rollwege. Die Abfertigungsfunktion hingegen beinhaltet die Bodenabfertigung (Groundhandling) und Gewähr der Sicherheit sowohl für Fluggäste als auch für Flugzeuge und Fracht. Die Transitfunktion beinhaltet die regionalen Zubringer- bzw. Verteilerdienste sowie die Verbindung der grenzüberschreitenden Flüge im globalen Verkehr. Als Hilfsfunktion werden Aufgaben wie beispielsweise die Bereitstellung einer flughafeneigenen Feuerwehr, das Angebot von Flächen und Räumen für Zoll-, Einreise- und Sicherheitsdienste sowie die Flugsicherheitskontrolle bezeichnet. Auch Räume, die von Fluggesellschaften unter anderem für Wartung oder Verwaltung genutzt werden, sind hier eingeschlossen. Mit der Hilfsfunktion werden notwendige Vorleistungen zur Erfüllung der anderen Funktionen erbracht. Darüber hinaus sollen die Bedürfnisse der Flughafennutzer erfüllt werden (vgl. Pompl, 2002: 167-169). Diese Funktion steht in enger Verbindung mit dem Ausbau des Non-Aviation-Geschäftsbereiches der Flughäfen.

Die Einnahmequellen von Flughäfen lassen sich in die Geschäftsfelder Aviation und Non-Aviation unterteilen (vgl. Sterzenbach & Conrady, 2003: 141). Die so genannten Aviation-Erlöse (siehe Tab. 1) sind direkt flugbezogene Verkehrseinnahmen. Sie setzen sich aus Start- und Landeentgelten sowie Passagier- und Abstellentgelten zusammen (vgl. Sterzenbach & Conrady, 2003: 141). In Deutschland müssen die von den Flughäfen festgesetzten Gebühren von den zuständigen Luftverkehrsbehörden der Länder genehmigt werden. Das Groundhandling, das Bodenverkehrsdienstleistungen wie Flugzeugabfertigung, Passagier- und Frachtservice beinhaltet, zählt ebenfalls zu den Aviation-Einnahmen (vgl. Pompl, 2002: 170). Die Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste im Jahre 1998 (vgl. 3.1) hat für einige Flughäfen zu erheblichen Umsatzeinbußen im Kerngeschäft geführt.

Mit Non-Aviation werden alle kommerziellen Tätigkeiten an einem Flughafen bezeichnet, die nicht unmittelbar zur Aufrechterhaltung des Flugbetriebs erbracht werden (siehe Tab. 1). Dazu gehören beispielsweise die Konzessionsvergabe an Betreiber von Geschäften und Restaurants (Retailgeschäft), Immobilienentwicklung, Parkraummanagement, Werbeinnahmen, Vermietung/Verpachtung von Check-in- Schaltern, Frachthallen, Büros oder sonstige Services für die Passagiere (vgl. Pompl, 2002: 171, vgl. Honert, 2007: 14). Was die einzelnen Flughafenbetreiber diesem Bereich zuordnen, ist bisher nicht identisch und lässt daher kaum Vergleiche der Non- Aviation-Bereiche zu.

Vor kurzem noch eher wenig beachtet, ist Non-Aviation derzeit neues Schlagwort und zugleich Hoffnungsträger europäischer Flughafenmananger. Bis vor einigen Jahren war einziges Ziel der Flughäfen, die Passagierzahlen und das Frachtaufkommen zu erhöhen, um die von der IATA errechneten Jahresprognosen zu erreichen (vgl. Jarach, 2006: 67). Gegenwärtig wird die Umsatzstruktur zwar immer noch von den klassischen Erlösen aus Landegebühren und Abfertigungsentgelten determiniert, durch sinkende Erlöse im Kerngeschäft und erhöhten Konkurrenzdruck ergeben sich künftig jedoch prozessbedingt Verschiebungen zu Gunsten der Non-Aviation-Revenues.

Die Flughafenbetreiber verdienen an Umsatzbeteiligungen und Mieteinnahmen des Einzelhandels und der Gastronomie sowie an der Vermietung von Werbeflächen (vgl. Schumann, 2003: 32). Die Wertschöpfung steht heute nicht mehr in unmittelbarer Verbindung mit den Kernaufgaben eines Flughafens. Flughäfen, die sich den Veränderungen nicht anpassen und Geschäftsmodelle für Märkte aufrecht erhalten, die nicht mehr existieren werden es künftig schwer haben, profitabel zu arbeiten.

Der kommerzielle Bereich entwickelt sich zunehmend zu einem gewinnbringenden und ausbaufähigen Geschäft. Insbesondere die Erweiterung von Primär- oder Sekundärflughäfen durch ein angeschlossenes Shopping-Center verspricht hohe Renditen und einen Ausgleich der Verluste im Kerngeschäft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1. Strategische Geschäftsfelder eines Flughafens

(vgl. Jarach, 2005: 20)

2.4 Definition des Begriffs Shopping-Center

Da sich vorliegende Arbeit im Schwerpunkt mit Airport-Retailing und neu errichteten Einkaufszentren2 an Flughäfen beschäftigt, soll zum besseren Verständnis der Begriff des Shopping-Centers definiert werden. Eine weit verbreitete Definition des Urban Land Institute in Washington, die auch vom New Yorker Council of Shopping-Centers verwendet wird (vgl. Institut für Gewerbezentren, 2000: 5), ist folgende:

„A group of retail and other commercial establishments that is planned, developed, owned and managed as a single property. On-site parking is provided. The center´s size and orientation are generally determined by the market characteristics of the trade area served by the center. The two main configurations of shopping centers are malls and open-air strip centers” (Urban Land Institute, 1996, zitiert nach Falk, 1998: 15).

Der Begriff “Shopping-Center“ wird international angewandt. Seit den Anfängen des 18. Jahrhunderts entwickelten sich einheitlich geplante Einkaufszentren. So steht insbesondere die renommierte „Galeria Vittorio Emanuele II“, die bereits 1867 (vgl.

Wikipedia, 2007b) in Mailand gebaut wurde, für die erste Generation von Shopping- Centern.

Es lässt sich feststellen, dass ein Shopping-Center konzentriert verschiedene Einzelhändler und Dienstleistungsunternehmen sowie gegebenenfalls andere Einrichtungen wie beispielsweise Kinos, Büros, Arztpraxen, Hotels und Fitnessstudios beherbergt. Shopping-Center bieten in der Regel jegliche Waren und Dienstleistungen, um den täglichen Bedarf decken zu können; ausreichend und oft kostenloser Parkraum ist ein weiteres Kennzeichen (vgl. Behr, 2006: 13). Größter Betreiber und Center- Manager in Europa ist das Unternehmen „ECE“ mit Sitz in Hamburg (vgl. Institut für Gewerbezentren, 2000: 15).

Eine Weiterentwicklung des klassischen Shopping-Centers ist das so genannte Urban Entertainment Center (UEC). Kerngedanke ist, eine synergetische Kombination von Unterhaltung, Handel, Erlebnis und Kommunikation herzustellen (vgl. Behr, 2006: 37). Die Angebotsbausteine umfassen beispielsweise Musicals, Multiplex-Kinos, Spielbanken, Einzelhandel und Gastronomie. Bisher existiert für UEC´s allerdings keine allgemein gültige Definition, und die Trennlinien zum Einkaufszentrum verlaufen unscharf bzw. werden immer fließender (vgl. Neumann, 2003: 65). Das 1996 eröffnete

„CentrO“ in Oberhausen (vgl. Institut für Gewerbezentren, 2000: 78) ist, neben dem SI- Centrum in Stuttgart, das bekannteste UEC in Deutschland und beherbergt unter anderem auch einen Freizeitpark und eine Multifunktionshalle für Großveranstaltungen (vgl. CentrO Management GmbH, 2007).

3. Entwicklungen im Luftverkehr

Ein Grund für die starke Expansion im Non-Aviation-Bereich vieler Flughäfen ist das Wachstum des Luftverkehrs. Seit 1990 hat sich dieser in den neuen EU-Ländern von 174 auf knapp 400 Milliarden Passagierkilometer (Pkm)3 mehr als verdoppelt (vgl. IVG Immobilien AG, 2007: 34-35). Wichtiger Meilenstein in der Entwicklung ist die so genannte Liberalisierung des Luftverkehrs, die nachfolgend kurz erläutert werden soll.

3.1 Liberalisierungs- bzw. Deregulierungsprozess

Bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat das „Prinzip der nationalen Souveränität“ den europäischen Luftverkehrsmarkt geprägt. Nahezu jeder europäische Staat betrieb eine eigene Fluggesellschaft. Diese Fluggesellschaften befanden sich teilweise (oft sogar vollständig) in öffentlicher Hand und sind entsprechend durch Finanzhilfen unterstützt worden. Um sie vor ruinöser Konkurrenz zu schützen, bestimmten umfassende Regulierungen den Luftverkehr im Inland sowie im grenzüberschreitenden Wettbewerb. Nationale Fluggesellschaften galten als Symbole der Identität des jeweiligen Staates und stellten einen hohen Prestige- und Imagefaktor dar. Neben diesem emotionalen Faktor hatten sie als Bestandteil der Verkehrs- und Reisebranche die Aufgabe, den Geschäftsreiseverkehr und Tourismus zu fördern. Wettbewerb zwischen diesen Fluggesellschaften fand, wenn überhaupt, nur bei Nebenleistungen wie beispielsweise den Abflugzeiten oder Serviceleistungen an Bord statt.

Seit den siebziger Jahren wurden in den USA, seit den achtziger Jahren in Europa, die Luftverkehrsmärkte zunehmend liberalisiert und dereguliert. Bis heute haben diese Deregulierungsprozesse weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Luftverkehrsbranche. Während in liberalisierten oder freien Märkten die Preisbildung entsprechend den Marktmechanismen ohne staatliche Interventionen geschieht, greift der Staat in regulierte Märkte mit einer Anzahl von Instrumenten ein. Diese staatlichen Regulierungen können beispielsweise in Form von Richtlinien, Verordnungen, Genehmigungen oder Mindestpreisen vorgenommen werden. Mit der Deregulierung soll der Staatseinfluss aus der Wirtschaft zurückgedrängt werden, um der Privatwirtschaft und den Marktkräften mehr Handlungsspielraum zu verschaffen (vgl. Wittmann, 1994: 27, vgl. Wrangell, 1998: 83).

In Europa wurde der Luftverkehr in drei Liberalisierungspaketen dereguliert. Seit April 1997 ist der Luftverkehr innerhalb der EU vollständig liberalisiert. Die Deregulierung führte zu einer grundlegenden Umgestaltung des vorher strikt regulierten Marktes und der Marktordnung, da vorherige Markteintrittsbarrieren aufgehoben wurden und sich nun für potentielle Konkurrenten neue Chancen zum Markteintritt boten. So konnten sich verstärkt die so genannten No-frills- oder Low-Cost-Airlines etablieren. Die herausragendsten Errungenschaften für die Fluggesellschaften innerhalb der EU waren der freie Marktzugang, die freie Routenwahl, die freie Preisfestsetzung, die

Aufhebung des Kabotageverbotes4 und das uneingeschränkte Kapazitätsangebot (vgl. Preilowski, 2004: 9). Der nächste Schritt tritt am 30. März 2008 mit dem so genannten

„Open Sky“-Abkommen in Kraft, auf das sich die USA und die Europäische Union geeinigt haben. Künftig dürfen europäische Luftverkehrsgesellschaften aus allen EU- Staaten in die USA fliegen. So kann eine Fluggesellschaft mit Hauptsitz in Deutschland, beispielsweise Lufthansa, auch direkt von Paris oder London aus in die USA fliegen. Bisher hätte Lufthansa nur von ihrem Heimatland Deutschland aus verkehren dürfen (vgl. Spaeth, 2007a: 119). Durch das „Code Sharing“5 war diese Regelung jedoch bereits umgangen worden.

Zusätzlich wurden die Bodenverkehrsdienste auf Flughäfen liberalisiert. Die Bodenverkehrsdienste umfassen alle Tätigkeiten, die anlässlich der Landung eines Flugzeugs auf einem Flughafen in Bezug auf das Flugzeug selbst, die Passagiere und die Fracht erbracht werden. Unterschieden werden die Bodendienste nach Leistungen im Terminal (u.a. Passagier-Check-in) oder auf dem Vorfeld (u.a. Kabinenreinigung, Transportleistungen, Be- und Entladung, Betankung). Um das Bodenverkehrsdienstmonopol der Flughäfen aufzubrechen, strebten im September 1994 verschiedene Luftfahrtgesellschaften (u.a. British Airways, Air France und KLM sowie ein Zusammenschluss in Deutschland operierender Airlines) eine Klage vor der EU-Kommission an. Die europäische Luftverkehrspolitik sei nicht auf den Flugverkehr im engeren Sinn begrenzt; vielmehr sollten auch Bodenverkehrsdienste einbezogen werden (vgl. Baumann, 1995: 169).

Die Auflösung des Bodenverkehrsmonopols hat für viele Flughäfen gravierende Folgen, da Einnahmen aus diesem Bereich weg- bzw. eingebrochen sind. Freie Groundhandling-Unternehmen drücken mit aggressiven Preisangeboten in den Markt und setzen viele Airports zunehmend unter Druck (vgl. Schmitz, 2004: 1). Demzufolge hat die Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste dazu beigetragen, dass Flughäfen die Ausweitung des Non-Aviation-Bereichs forcieren, um Einnahmeverluste zu kompensieren und Umsatzwachstum zu erzielen.

Die Liberalisierung im Luftverkehr hat zwar insgesamt zu mehr Wachstum geführt, jedoch mangelt es derzeit an vielen deutschen Flughäfen an ausreichender Kapazität. Zudem hat sich die Konkurrenzsituation unter den europäischen Flughäfen verstärkt.

Ursache hierfür ist beispielsweise der Ausbau attraktiver Flughäfen mit weltweitem Streckennetz in den Nachbarländern Deutschlands (Amsterdam, Kopenhagen, Paris, Zürich) mit dem Ziel, deutsches Verkehrsaufkommen auf sich zu ziehen. Insbesondere Langstreckenpassagiere, die hinsichtlich ihres Umsteigeflughafens flexibel sind, werden stark umworben. Oftmals gibt es im europäischen Ausland geringere politische Barrieren und Auflagen als in Deutschland. Auch darin ist der Erfolg der europäischen Flughäfen begründet (vgl. Meeder, 2000: 112-114). Die steigende Wettbewerbs- intensität zwingt die Flughäfen, ihre Attraktivität durch zusätzliche Angebote im Non- Travel-Bereich zu erhöhen.

3.2 Situation im Luftverkehrsmarkt

In weniger als einem halbem Jahrhundert ist aus dem uralten Traum der Menschen vom Fliegen eine moderne Wirtschaftsbranche entstanden; die Nutzung des Flugzeuges ist für Menschen in den Industrienationen heute selbstverständlich. Der internationale Luftverkehr ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gewachsen. Die Luftverkehrsbranche verzeichnete laut IATA allein im März 2007 einen weltweiten Passagierzuwachs von annähernd acht Prozent bei Urlaubs- und Geschäftsflügen (vgl. Die Welt, 2007). Insbesondere die osteuropäischen und asiatischen Flughäfen weisen im Passagieraufkommen deutliche Steigerungsraten auf (vgl. Warschun, 2007: 6).

Dennoch blickt die Branche zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf ihre turbulenteste Phase seit dem zweiten Weltkrieg zurück. Vier einschneidende Ereignisse bremsten vorübergehend die Wachstumsdynamik in den Krisenjahren 2001 bis 2003 (vgl. Heymann, 2004: 4). Die Terroranschläge in den USA im September 2001 haben weltweit einen dramatischen, jedoch temporären Verkehrsrückgang verursacht. Die Fluggastzahlen in über der Hälfte der EU-Mitgliedsstaaten waren durchschnittlich um zwei Prozent rückläufig (vgl. Eurostat, 2004: 2). In Folge der Anschläge auf das World Trade Center in New York sind die Sicherheitsvorkehrungen bei den Fluggesellschaften und auf den Flughäfen weltweit verschärft worden. Diese Maßnahmen verursachten zusätzliche Kosten. Zudem trugen die Konflikte bzw. Kriege im Nahen Osten zu wechselhaften Betriebsergebnissen bei. Im Frühjahr 2003 zeigten sich - aufgrund der SARS-Epidemie in Asien - ebenfalls Verluste. Obwohl die Zahl der beförderten Passagiere in den ersten neun Monaten des Jahres 2003 um 1,4 Prozent anstieg, standen zu diesem Zeitpunkt dennoch Flugzeuge still. Die Schwächephase der Weltkonjunktur und das damit verbundene geringere Wirtschaftswachstum überlagerten diese Ereignisse und bremsten die Nachfrage seit Mitte 2001 (vgl. Heymann, 2004: 4-5).

Die Kumulierung dieser Ereignisse hat die Luftfahrtindustrie stark getroffen. Sie führte zu Einnahmeausfällen, von denen alle Stufen der Wertschöpfungskette im Luftverkehr betroffen waren. Insbesondere die Fluggesellschaften mussten eine deutlich sinkende Nachfrage von Geschäfts- und Privatreisenden hinnehmen; Kapazitäten wurden reduziert. Allein die Lufthansa legte kurzzeitig 28 Maschinen still, da der Konzern unter gravierenden Umsatzeinbußen litt (vgl. Kreilkamp, 2006: 38). Als unmittelbare Reaktion auf die Einbußen wurden die Kapazitäten beispielsweise durch weniger Flüge und Streichung von Flugverbindungen angepasst. Darüber hinaus wurden mehrheitlich Kostensenkungsprogramme initiiert, Investitionen zurückgefahren und Kurzarbeit angeordnet (vgl. Verkehrsforum, 2003: 2). Die Hersteller ziviler Flugzeuge wie Boeing und Airbus spürten die Krise in Form von rückläufigen Auftragszahlen und Stornierungen. Auch Flughäfen konnten Kapazitäten nicht auslasten und litten unter geringeren Gebühreneinnahmen und schrumpfenden Ausgaben der Passagiere (vgl. Heymann, 2004: 4).

Heute scheint die Angst vor Terroranschlägen auf Flugzeuge oder Airports nicht mehr abzuschrecken. Anschläge in Urlaubregionen wie beispielsweise 2005 im ägyptischen Sharm el Sheikh haben nur noch geringe Auswirkungen auf das Buchungsverhalten der Urlauber. Es scheint so, als ob viele Touristen die Sicherheitsbedrohungen durch den Terrorismus nicht auf sich selbst beziehen (vgl. Die Welt, 2005). Die Gefahr wird entweder verdrängt oder die Bevölkerung reagiert mit stoischer Abgeklärtheit wie beispielsweise die Briten bzw. Londoner, die die Terrorgefahr als Teil ihres Alltages akzeptiert zu haben scheinen.

Der weltweite Luftverkehr hat sich in den letzten Jahren sowohl aus ordnungspolitischer als auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht gravierend gewandelt. Der Liberalisierung im Luftverkehr folgt nun die Liberalisierung auf dem Boden (vgl. Sterzenbach, 1999: 133). Der Großteil der Flughäfen ist noch immer, zumindest zu Teilen, im Staatsbesitz (derzeit gibt es weltweit nur 29 börsennotierte Flughäfen) (vgl. Ginten, 2006: 1). Flughäfen werden aber zunehmend privatisiert, um die Produktivität zu steigern und um privates Kapital und Management-Know-how stärker einbeziehen zu können (vgl. von Hirschhausen, 2004: 1).

Bei den Fluggesellschaften lassen sich ebenfalls einschneidende Entwicklungen beobachten. Nach einer Konsolidierungsphase setzt sich der Trend zur Allianzbildung unter den großen Airlines fort. Zu den wichtigsten dieser strategischen Allianzen zählen die „Star Alliance“, „One World“ und „Sky Team“ (vgl. Jarach, 2006: 63), die im Jahre 2002 bereits 55 Prozent der gesamten Pkm aller IATA-Fluggesellschaften unter sich verteilt haben (vgl. Schubert, 2003: 8). Mehr als zwei Drittel der Fluggesellschaften weltweit sind bereits Mitglied eines solchen Bündnisses.

Der Markt der so genannten No-frills-Airlines ist bereits relativ konzentriert und der Erfolg der Low-Cost-Airlines hält an. Es wird jedoch erwartet, dass die bisher gigantischen Steigerungsraten von jährlich bis zu 50 Prozent ausbleiben. Auch für Billigflieger werden so Zusatzgeschäfte immer relevanter. Mit Buchungen von Hotels und Leihwagen und Snack- und Duty-Free-Verkäufen an Bord sollen Umsätze erhöht werden. Auf der Suche nach neuen Einnahmequellen bietet nun der Billigflieger

„Easyjet“ sogar Pauschalreisen über seine Homepage an und dringt so in die Bastionen der Reisebüros und Reiseveranstalter ein (vgl. Münck, 2007: 6).

Von den Auswirkungen der Globalisierung profitieren derzeit insbesondere Flughäfen. Im Jahre 2005 wurden in China beispielsweise 138 Mill. Passagiere abgefertigt, im Jahr 2010 wird eine Steigerung auf 220 Mill. erwartet. Um diesem gewaltigen Wachstum gerecht zu werden, sind in China bereits ca. 50 neue Flughäfen geplant. Für Indien wird ein ähnlich rasantes Wachstum mit 35 neuen Flughäfen bis 2010 prognostiziert. Auch die osteuropäischen und russischen Märkte weisen signifikant Wachstumspotential auf. So steigerte beispielsweise der Flughafen Moskau- Domodedovo seine Fluggastzahlen von 2004 bis zum Jahr 2005 um 15 Prozent (vgl. Höffinger et al., 2006: 4). Dieses Wachstum kann den Incoming-Tourismus in Deutschland fördern und so auch die Passagierzahlen der Airports erhöhen.

Laut Prognosen wächst der Luftverkehr weiterhin dynamisch. Der weltweite Passagierverkehr soll bis zum Jahre 2025 um ca. fünf Prozent, der Frachtverkehr um durchschnittlich ca. sechs Prozent wachsen (vgl. Initiative Luftverkehr für Deutschland, 2006: 14). Ein Ranking der größten europäischen Flughäfen findet sich im Anhang 1.

Für die deutsche Wirtschaft ist der Luftverkehr ein bedeutender Standortfaktor. Er ermöglicht den schnellen Zugang zu Geschäfts- und Urlaubszielen und ist ein Garant für hochqualifizierte und nachhaltige Beschäftigung. Zudem wirkt der Luftverkehr technologietreibend und innovationsfördernd und verbindet die exportorientierte deutsche Wirtschaft mit internationalen Absatzmärkten. Die deutsche Tourismuswirtschaft wird sowohl durch die hohe Zahl der auf dem Luftweg nach

Deutschland kommenden Incoming-Touristen gestärkt als auch durch die Möglichkeit, von Deutschland aus die Ferienziele der Welt zu erreichen. Außerdem stellt die Branche mit rund 283.000 direkten und 500.000 indirekten Arbeitsplätzen einen wichtigen Beschäftigungsmotor dar (vgl. Initiative Luftverkehr für Deutschland, 2006: 12). Größter deutscher Flughafen ist Frankfurt am Main mit 52,8 Mio. abgefertigten Passagieren in 2006, gefolgt von München mit 30,8 Mio. und Düsseldorf mit 16,6 Mio. Fluggästen (siehe Tab. 2).

Fluggastzahlen an deutschen Flughäfen 2006 (in Millionen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Fluggastzahlen an deutschen Flughäfen

(vgl. WirtschaftsWoche, 2007b: 48)

Insgesamt starteten oder landeten 173 Millionen Fluggäste im Jahr 2006 auf deutschen Flughäfen. Fast jeder Dritte Deutsche unternahm im Jahre 2006 eine Flugreise (vgl. Scherer, 2007: 1). Dies entspricht einem Zuwachs von neun Millionen Passagieren bzw. 5,5 Prozent zum Jahr 2005 (vgl. DRV, 2006: 9, vgl. Gruner + Jahr, 2007: 3). Die Wachstumsrate war insbesondere im Juni mit zehn Prozent relativ hoch. Dieser Wert lässt sich auf die zu diesem Zeitpunkt in Deutschland stattfindende Fußball-WM zurückführen (vgl. Gruner + Jahr, 2007: 3). Aber auch im ersten Halbjahr 2007 weisen die deutschen Flughäfen Steigerungsraten auf. Der größte deutsche Flughafen Frankfurt meldete für Mai 2007 4,7 Mill. Passagiere; dies entspricht einem Zuwachs von 0,6 Prozent (vgl. Seidel, 2007). Die Nummer drei im Markt, Düsseldorf, steigerte sein Fluggastaufkommen im ersten Halbjahr 2007 um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (vgl. Seidel, 2007).

3.3 Einflussfaktoren auf den Funktionswandel deutscher Flughäfen

Innovationen in der Flugzeugtechnologie, die Liberalisierung des Luftverkehrs, die Bildung von strategischen Allianzen und nicht zuletzt die Flexibilisierung von immer mehr global agierenden Unternehmen haben den Funktionswandel der Flughäfen begünstigt und vorangetrieben.

Die Gründe und Einflussfaktoren für eine Expansion im Non-Travel-Geschäft sind vielfältig (siehe Abb. 2), und die deutschen Flughafenbetreiber stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Der Druck auf die Ertragssituation verschärfte sich, als im Januar 1998 die Bodenverkehrsrichtlinie aufgehoben wurde und ein Wettbewerb auf dem Vorfeld ausbrach. Fluggesellschaften gehen dahin, wo die Abfertigungskosten am niedrigsten sind; dieser Preiskampf droht die Margen der Airports zu schmälern (vgl. Littmann, 2007: 19). Eine veränderte Konkurrenzsituation ergibt sich auch durch die zunehmende Fremdbestimmung durch Airline-Allianzen, denn der jeweils dominante Partner der Allianz legt beispielsweise fest, über welchen Hub die Zubringerfunktion erfolgt. Durch Auflösung oder Änderung der Allianzpartner kann es zu unvorhergesehenen Marktverschiebungen für einzelne Flughäfen kommen, durch die ein bestimmter Standort geschwächt oder gestärkt wird (vgl. Maurer, 2001: 69).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Einflussfaktoren auf das Unternehmen Flughafen

(In Anlehnung an Sulzmaier, 2001: 4)

Insbesondere Low-Cost-Airlines nutzen die Wettbewerbssituation unter den Flughäfen aus. Sie weichen vermehrt auf Regionalflughäfen aus, da die Slots6 auf Primär- und Sekundärflughäfen knapp und kostenintensiv sind; zudem werden Billigflieger oftmals von den jeweiligen Kommunen subventioniert. Um den ebenso unter Druck stehenden Airlines zu entsprechen, müssen Airports über eine bestmögliche Infrastruktur verfügen oder Preisanreize bieten.

Die Neuregelung des Duty-Free-Verkaufs innerhalb der EU ab Juli 1999 führte darüber hinaus bei deutschen und europäischen Airports zu teilweise erheblichen Umsatzeinbußen (vgl. Hübl, Hohls-Hübl & Wegener, 2001: 96).

Weiterer wichtiger Einflussfaktor sind Kapazitätsengpässe. Begründet durch das wachsende Passagieraufkommen, auf das die meisten deutschen Flughäfen unzureichend vorbereitet sind, ergeben sich beispielsweise „Absaugeffekte“ des Verkehrs ins Ausland. Die steigende Nachfrage nach Slots auf deutschen Flughäfen erfordert zusätzliche Start- und Landebahnen und/oder Terminalgebäude, deren Bau hohe Investitionen nach sich zieht. Um das Kapital für diese immensen Investitionen aufbringen zu können, ist das Schlagwort „Privatisierung“ in den letzten Jahren mit steigender Intensität auch im Zusammenhang mit Flughäfen gefallen. Angesichts knapper Haushaltsmittel sind die öffentlichen Eigentümer vieler deutschen Flughäfen nicht mehr in der Lage oder nicht willens, diese Investitionen zu tätigen.

Auf der intermodalen Ebene könnten Hochgeschwindigkeitszüge eine Bedrohung darstellen, da ohne lange Check-in-Prozeduren die Reisezeit erheblich verkürzt werden kann. Hier besteht einerseits die Gefahr der Substituierbarkeit, andererseits können schnelle Zugverbindungen das Einzugsgebiet eines Flughafens vergrößern (vgl. Sulzmaier, 2001: 5). High-Speed-Züge können jedoch nur zur echten Konkurrenz anwachsen, wenn das Angebot wettbewerbsfähig ist, d.h. die Preise und das Streckennetz attraktiv sind.

Flughäfen müssen auf diese neuen Marktanforderungen und die verstärkte weltweite Wettbewerbssituation reagieren. Denn neben den großen europäischen Drehkreuzen ziehen mittlerweile auch Airports wie Dubai Verkehr ab und treten dadurch als direkte Konkurrenten in den Markt ein (vgl. Reinhardt-Lehmann, 2006: 1). Im Gegensatz zu dicht besiedelten Ballungsräumen in Deutschland und Europa verfügen diese

Standorte oftmals über große Flächen, die für eine „Reissbrettplanung“ des Airports nach modernen Maßstäben genutzt werden können. Darüber hinaus existieren weniger Bürokratie, weniger juristische Barrieren, weniger oder keine Nachtflugverbote und keine organisierten Ausbaugegner wie angrenzende Kommunen. Die Flughäfen verlieren dementsprechend ihre langjährige Quasi-Monopolstellung (vgl. Sulzmaier, 2001: 4).

Aufgrund dieser veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sinken die Aviation- Erlöse der Flughäfen. Eine Möglichkeit, die Einbrüche im klassischen Geschäft aufzufangen, ist eine Diversifizierung der Geschäftsfelder hin zum kommerziell ausgerichteten Airport.

4. Airport-Retailing

4.1 Entwicklung

Der englische Begriff „Retailing“ bedeutet ins Deutsche übersetzt „Einzelhandel“ und wird auch an Flughäfen für diesen Bereich verwendet. Je nach Handhabung der jeweiligen Betreibergesellschaft schließt der Begriff neben Geschäften auch den Gastronomiebereich ein. Am Frankfurter Flughafen umfasst der Retailingbegriff beispielsweise Einzelhandel, Duty-Free bzw. Travel-Value, Gastronomie, Dienstleistungen, Werbung und Autovermietungen (vgl. Minhorst, 2003: 24). Da die Luftfahrt als traditionelles Kerngeschäft von Flughäfen zunehmend unter Druck gerät, müssen sich Flughäfen künftig konsequent auf die Ansprüche der Konsumenten ausrichten (vgl. AT Kearney, 2006). Wie bereits ausgeführt, werden Einnahmen aus dem Non-Aviation-Geschäft als zusätzliche Einnahmequelle immer wichtiger.

Bis vor wenigen Jahren war das Shopping-Angebot an Flughäfen eher wenig opulent. Duty-Free-Geschäfte und kioskähnliche Zeitschriftenläden dominierten das Einzelhandelsbild (vgl. Sulzmaier, 2001: 43). Heute entwickeln sich Flughäfen immer mehr zu Marktplätzen der mobilen Gesellschaft. Eine Stärkung der kommerziellen Aktivitäten kann erheblich zur Attraktivitätssteigerung eines Flughafens beitragen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung „Accenture“ sollen bereits im Jahre 2010 mehr als die Hälfte der Flughafenumsätze im Non-Aviation-Bereich generiert werden. Neben Passagieren stellen Beschäftigte, Abholer und Besucher die wichtigsten Zielgruppen für diesen Bereich dar (vgl. Accenture GmbH, 2002: 1, vgl. Jarach, 2006: 71). Aber auch heute erzielen einzelne Flughäfen bereits mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes durch Non-Travel-Geschäfte (siehe Abb. 3) wie beispielsweise die Londoner Flughäfen

Stansted (56 Prozent) und Gatwick (52 Prozent) (vgl. Warschun 2007: 11). In Deutschland erzielt der Münchener Flughafen mit 50 Prozent Non-Aviation-Anteil bereits Spitzenwerte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Anteil Non-Aviation am Gesamt-Umsatz

(Warschun, 2007: 11)

Grundsätzlich ist dies kein neues Phänomen. Doganis stellte bereits im Jahre 1992 die Wichtigkeit einer kommerziellen Orientierung der Flughäfen einerseits, andererseits aber auch die Unsicherheit, wie diese umzusetzen ist, klar heraus:

„The airport business is taking off. During the last twenty-five years the airport industry has been transformed from being a branch of government into a dynamic and commercially oriented business. […] airport managers in many countries have been given greater freedom to operate commercially in order to produce profits or at least to reduce their deficits. Yet there has been much uncertainty as to how such commercial freedom might be used” (Doganis, 1992: Xiii).

Heute haben zahlreiche Airportmanager die Chance für zusätzliche kommerzielle Einnahmen ergriffen; der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt. Insbesondere an den Drehkreuzen mit internationalem Publikum und zahlreichen Transferpassagieren bietet sich eine kommerzielle Ausrichtung an.

4.2 Zielgruppen

Je nach Flughafentyp variieren die Bedingungen für den Retailbereich und verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Kosumwünschen prägen das Bild. Am Münchner Airport dominieren beispielsweise Geschäftsreisende mit höherem Einkommen. Der Non-Aviation-Umsatz pro Passagier beträgt ca. 9,70 Euro (vgl. A.T. Kearney, 2006). Am Low-Cost-Flughafen „Frankfurt-Hahn“ werden dagegen bisher nur ca. 1,50 Euro Umsatz pro Passagier erreicht (vgl. IVG Immobilien, 2007: 35).

Bis vor einigen Jahren galten Passagiere (PAX) an Flughäfen eher als Nummer und Durchlaufposten, die es möglichst schnell „abzufertigen“ galt. Für die langfristig erfolgreiche Planung und den Ausbau der Non-Aviation-Aktivitäten ist hingegen eine zielgruppengerechte Ansprache, bei der der postmoderne Konsument klar im Mittelpunkt steht, ausschlaggebend.

Die Zielgruppen des Retailbereichs an Flughäfen lassen sich im Allgemeinen nach demographischen und sozioökonomischen Eigenschaften einteilen. Eine weitere Differenzierung kann nach der Motivation, also warum sich eine Person am Flughafen aufhält, erfolgen (vgl. Sulzmaier, 2001: 33). Da die Erlöse aus dem Non-Travel- Geschäft mit dem Passagieraufkommen eines Flughafens korrelieren, stellen Fluggäste die weitaus wichtigste Konsumentengruppe dar (vgl. Doganis, 1992: 132). Es erscheint sinnvoll, jeweils für umsteigende, abfliegende und ankommende PAX spezielle kommerzielle Angebote auszuarbeiten. Fluggäste, die umsteigen, sind vermehrt an Drehkreuzen zu finden. Sie verfügen zumeist über mehr Zeit (vgl. Jarach, 2006: 70) und haben in der Regel kein oder kaum Gepäck bei sich, da dieses bereits bei Antritt des Fluges eingecheckt wurde. Demzufolge weist diese Zielgruppe ein gutes Potential auf, um durch attraktive Angebote und Dienstleistungen zum Konsumieren animiert zu werden. Im Gegensatz zu ankommenden Passagieren, für die bisher kaum Angebote existieren, liegt die Konzentration der Flughafenbetreiber verstärkt auf der Zielgruppe der abfliegenden Passagiere (vgl. Doganis, 1992:114). Daher befindet sich die größte Auswahl an Retailgeschäften auch hinter der Sicherheitskontrolle im luftseitigen Bereich. Passagiere, die in ihre Heimat zurückfliegen, geben beispielsweise oft gern bei spontanen Käufen die letzten Scheine und Münzen der ausländischen Währung am Flughafen aus.

Weiterhin kann im Segment „Passagiere“ zwischen Geschäfts- und Privatreisenden unterschieden werden. Geschäftsreisende haben häufig durch kürzere Eincheckzeiten und Automaten-Check-in eine knapp bemessene Verweildauer am Airport. So halten sie sich oftmals kürzer oder gar nicht in den Geschäften auf und nutzen eher convenienceorientierte Angebote und Geschäfte, in denen sie bequem und schnell alles Benötigte an einem Ort erwerben können. Zudem nutzen sie häufiger Flughafenhotels, Autovermietungen oder Banken (vgl. Doganis, 1992: 134). Geschäftsreisende mit Business- oder First-Class-Tickets suchen häufig gezielt die für sie zugänglichen Airline-Lounges auf, in denen sie kostenlose Gastronomieangebote in Anspruch nehmen können. Privatreisende, insbesondere Pauschal- und Chartertouristen mit zeitlich sehr lang bemessenen Check-in-Vorgaben verbringen hingegen meist mehr Zeit am Flughafen und nutzen die Retailangebote in erhöhtem Maße. Das Urlaubs- und Freizeiterlebnis hat für diese Zielgruppe bereits vor dem Abflug begonnen; Impulskäufe werden daher häufiger getätigt (vgl. Sulzmaier, 2001: 33).

Eine weitere Unterteilung von verschiedenen Passagiertypen lässt sich anhand der Segmente Westeuropa, Interkontinental bzw. Overseas, Osteuropa und Low-Cost ableiten. Laut Studie der renommierten Unternehmensberatung A.T. Kearney besteht der überwiegende Teil der Westeuropareisenden aus Geschäftsleuten, deren Verhalten durch höhere Konsumausgaben und kurze Aufenthaltsdauer gekennzeichnet ist. Diese Gruppe tätigt Einkäufe aufgrund knapp bemessener Freizeit, aber auch wegen des außergewöhnlichen Ambientes am Flughafen (vgl. Warschun, 2007: 23).

Zum Segment Interkontinental gehören sowohl Geschäftsreisende als auch Touristen aus Asien, Amerika und dem Nahen Osten. Die Ausgaben dieser Zielgruppe sind laut Ergebnissen der Studie durchschnittlich zwei- bis dreimal höher als die der anderen Zielgruppen. Ergebnissen einer Untersuchung der Fraport AG (Betreiberin des Flughafens Frankfurt) zufolge, kaufen beispielsweise Koreaner am Flughafen rund acht Mal so viel wie Deutsche (vgl. Schumann, 2003: 32). Die Passagiere haben durch Urlaubsstimmung eine höhere Konsumneigung und verweilen länger am Flughafen. Aber auch die in der Regel im Vergleich zu Asien günstigen Preise für Markenprodukte animieren zum Kauf.

Das wachsende Segment Osteuropa umfasst sowohl Geschäftsleute als auch Touristen aus Russland und osteuropäischen Staaten. Die Passagiere verfügen im Allgemeinen über ein hohes Budget und eine mittlere bis hohe Konsumneigung. Die durchschnittlichen Ausgaben der russischen Konsumenten liegen ca. zwei- bis dreimal höher. Insbesondere Designshops (Mode, Luxusuhren), hochwertige Kosmetika und Spirituosen werden von dieser Zielgruppe nachgefragt (vgl. Warschun, 2007: 23).

[...]


1 Die Begriffe Non-Aviation, Non-Travel und Non-Aeronautical werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

2 Die Begriffe Shopping-Center, Shopping-Mall und Einkaufszentrum werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

3 Passagierkilometer bezeichnet eine Maßeinheit und spiegelt die erbrachte Leistung z.B. einer Fluggesellschaft wider. In der Praxis werden mit dieser Einheit Fluggesellschaften verglichen. Pkm gilt als aussagekräftiger als Umsatz oder Anzahl der Destinationen.

4 Das Kbotageverbot besagt, dass es Fluggesellschaften nicht uneingeschränkt erlaubt ist, Strecken innerhalb eines Mitgliedsstaates der EU zu bedienen.

5 Kooperation von Fluggesellschaften in der Form, dass Anschlussverbindungen unter einer gemeinsamen Flugnummer ("code”) ausgewiesen werden, wobei die Beförderung aber de facto in Maschinen des Partners erfolgt.

6 Slot (Zeitfenster/Start- und Landerecht): Zugeteilte Zeit, in der ein Ab- oder Anflug ausgeführt oder ein Fixpunkt überflogen werden muss. Die Slot-Zuteilung ist ein Instrument, um den Verkehrsfluss zu steuern und die Pünktlichkeit zu erhöhen.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Shopping-Paradies Flughafen
Untertitel
Entwicklungen und Trends im Non-Aviation-Bereich deutscher Flughäfen
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
97
Katalognummer
V114146
ISBN (eBook)
9783640144952
Dateigröße
1791 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Shopping-Paradies, Flughafen
Arbeit zitieren
M.A. Nina Maria Preilowski (Autor:in), 2007, Shopping-Paradies Flughafen , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114146

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