Die räumliche Orientierung

Kartenkompetenz: Die Manipulationsmöglichkeiten kartographischer Darstellungen


Hausarbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Räumliche Orientierung in den Bildungsstandards
2.1 Die Fähigkeiten der Räumlichen Orientierung im Überblick
2.2 Die Kartenkompetenz

3. Manipulationsmöglichkeiten kartographischer Darstellungen
3.1 Objektive Abbildung der Realität?
3.2 Aspekte der Kartendarstellung oder Kartenwahl

4. Ein Anwendungsbeispiel für den Unterricht

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Welche Kartenkompetenzen brauchen Schüler eigentlich? Das ist die Frage, die nach der Kompetenz-Debatte in aller Munde ist. Müssen Schüler die Karten nur lesen können oder ist es auch wichtig, dass sie diese eigenständig skizzieren und erstellen können, oder müssen sie über diese Kompetenzen hinaus weiter geschult werden? Mit einigen dieser Aspekte befasst sich diese Seminararbeit. Es soll geklärt werden wie diese Kartenkompetenzen in den neuen Bildungsstandards dargestellt werden. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die Kartenmanipulationen gelegt werden. Wie können Schüler diese erkennen und wie drücken diese sich überhaupt in einer Karte aus? Im Anschluss daran soll an einem Anwendungsbeispiel gezeigt werden, wie man diese Thematiken in den Unterricht mit einbeziehen kann.

2. Die Räumliche Orientierung in den Bildungsstandards

2.1 Die Fähigkeiten der Räumlichen Orientierung im Überblick

Die Tatsache, dass die Geographie ein Brückenfach der Natur- und Gesellschaftswissenschaften ist, findet sich in den Bildungsstandards in der Weise einer leicht veränderten Kompetenzstruktur wieder. Diese Veränderung drückt sich in einem Alleinstellungsmerkmal aus. Dieses ist im Kompetenzbereich der Räumlichen Orientierung, die sich in keinem anderen Schulfach verankern oder wieder finden lässt. Definiert wird die Räumliche Orientierung durch die „Fähigkeit, sich in Räumen orientieren zu können“ (Deutsche Gesellschaft für Geographie 2007:9). Die Ausbildung dieser Fähigkeit kann nur der Geographieunterricht leisten, der die grundlegenden topographischen Fähigkeiten und Kenntnisse beinhaltet und besitzt. Beschränkt wird der Inhalt der räumlichen Orientierung jedoch nicht nur auf basales topographisches Orientierungswissen der unterschiedlichen Maßstabesebenen und Kenntnisse der Orientierungsraster, bzw. Ordnungssysteme. Viel mehr finden sich auch Inhalte, die die Einordnung geographischer Sachverhalte in das räumliche Ordnungssystem, das Erkennen von Lagebeziehungen und die Orientierung mit Hilfsmittel (die Karte) im Raum fördern, wieder. Darüber hinaus kann die Kompetenz der räumlichen Orientierung das Bewusstsein für die Subjektivität der Raumwahrnehmung schärfen und eine Sensibilität für die soziale Konstruiertheit von Räumen und Raumdarstellungen wecken. In der Folge soll nun die Kartenkompetenz, oder auch die Fähigkeit zu einem angemessenen Umgang mit Karten, näher betrachtet werden. (Deutsche Gesellschaft für Geographie 2007:16)

2.2 Die Kartenkompetenz

Die Kartenkompetenz beinhaltet, nach den Bildungsstandards, die Fähigkeit, mit Karten umgehen zu können, da sie eine hohe Relevanz für den Alltag haben (Zurechtfinden im Realraum) und methodische Basisqualifikationen für andere Unterrichtsfächer darstellt. Zu klären gilt nun, was der Begriff Kartenkompetenz eigentlich bedeutet und warum er einen begründeten Platz in den Bildungsstandards einnimmt.

Schülerinnen und Schüler sollen, laut Bildungsstandards, die Grundelemente einer Karte zu benennen und deren Entstehungsprozess beschreiben erlernen, sowie die verschiedenen Kartentypen zu lesen und unter einer Fragestellung auswerten zu können. Das Anfertigen von einfachen topographischen Kartenskizzen und das Durchführen von Kartierungen gehören ebenfalls zu den verlangten Kompetenzen. Diese Aspekte finden sich so auch bei Armin Hüttermann (vgl. HÜTTERMANN 2005:6):

- Fähigkeit zur Auswertung vorhandener Karten
- Fähigkeit, selbst einfache Karten zu zeichnen
- Fähigkeit, Karten zu bewerten

Die Bildungsstandards fügen jedoch noch zwei weitere entscheidende Aspekte hinzu. Schülerinnen und Schüler sollen neben den basalen Kartenkompetenzen auch Manipulationen und deren Möglichkeiten erkennen, sowie Möglichkeiten der Anwendung von GIS (Geographische Informationssysteme) beschreiben können. Nachdem die Inhalte der Kompetenz zusammengefasst wurden, stellt sich nun die Frage, ob die Teilfähigkeit der Räumlichen Orientierung, die Kartenkompetenz, ihre Berechtigung hat.

Eine erste Begründung für eine Vermittlung von Kartenkompetenzen im Geographieunterricht findet sich darin, dass sich das Handeln und Verhalten nicht an der realen Welt orientiert, sondern an „inneren Modellen“. Hierbei wird in der sozialen und verhaltenswissenschaftlichen Betrachtung das „Realmilieu“ durch ein „Psychomilieu“ ersetzt, wodurch mental maps entstehen. Hard gibt dabei zu bedenken, dass dadurch die falsche Annahme entstünde, innere Repräsentationen der Außenwelt würden in kartographischer Art dargestellt werden. Richtig dagegen sei, dass mental maps Repräsentationen erdräumliche Anordnungen von Objekten darstellen. Wichtig sei dabei auch, dass die mental maps nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen, sondern von der Subjektivität des Betrachters abhängig seien. Dadurch könnten mental maps ungenau oder verzerrt sein (vgl. HARD 1988:216-223, zit. nach SCHULTZE 1996:216).

Eine weitere Begründung für die Ausbildung einer Kartenkompetenz gründet sich auf dem hohen Abstraktionsgrad der Karte. Durch ihn wird den Schülern die Verknüpfung der Realität mit dem Karteninhalt erschwert. Die Schüler sollten daher die Fähigkeit erhalten durch die Kartenkompetenz kartographische Grundlagen zu erkennen und benennen zu können. Außerdem sollten sie Gestaltungsmittel und Gestaltungsmethoden von Karten kennen und differenzieren können. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Tatsache, dass „verschiedene Kartenmittelpunkte verschiedene Weltwahrnehmungen provozieren“ können (BRUCKER 2006: 196; In: HAUBRICH 2006: 196). Die dadurch entstehenden „manipulierten“ Karten können in der Folge nur dann erkannt und ausgewertet werden, wenn die Schüler über die Kartenkompetenzen verfügen. Eine kleine Differenzierung zu Hard findet sich bei Schallhorn. Er geht davon aus, dass sich im Unterricht die Vermittlung der Kartenkompetenz auf das Lesen von Karten beschränkt (SCHALLHORN 2007:97).

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Fähigkeit zu einem angemessenen Umgang mit Karten (Kartenkompetenz) einen wichtigen Bestandteil des Unterrichts darstellt und somit auch ihre Berechtigung in den Bildungsstandards findet.

3. Manipulationsmöglichkeiten kartographischer Darstellungen

Im folgenden Abschnitt sollen nun der Aspekt der Manipulationsmöglichkeiten kartographischer Darstellungen erarbeitet werden.

3.1 Objektive Abbildung der Realität?

Wichtig bei der Analyse der Fragestellung ist, was überhaupt unter dem Begriff Wirklichkeit verstanden wird. Hake geht dabei von einem naturwissenschaftlichen Blickwinkel aus, bei dem die Wirklichkeit alle Gegenstände und Sachverhalte beinhaltet, die durch Wahrnehmung und logische Schlüsse anerkannt werden können. Ein wichtiger Teilaspekt ist dabei die Raumbezogenheit im Rahmen eines anerkannten und überprüften Erkenntnisstandes. In der Folge entsteht dadurch eine Kommunikation mit der Umwelt. Diese verursacht in der Kombination mit der Wahrnehmung die Herausbildung einer räumlichen Vorstellung (Wirklichkeitsvorstellung), die durch die Subjektivität des Einzelnen verzerrt oder verfälscht sein kann. (vgl. HAKE 1981:84)

In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, wie und in welcher Weise kartographische Darstellungen überhaupt die Wirklichkeit abbilden können. Carmen Heyden antwortet darauf mit dem provokanten Titel „Karten lügen (nicht)“. In ihrem Artikel, über den Versuch die Realität in Karten abzubilden, spricht die Autorin ein sensibles Thema an. Karten sind ein fester Bestandteil des Geographieunterrichts, bei denen die kritische Beleuchtung und intensive Beschäftigung meistens ausbleibt. Oft folgt nur eine kurze Einführung in das Kartenlesen, was jedoch noch lang nicht bedeutet, dass auch jeder Schüler die durch die Karte vermittelten Inhalte versteht. Notwendig ist dieses Hinterfragen der Karteninhalte jedoch allemal, da Karten „nie ein objektives Abbild der Wirklichkeit sein“ (HEYDEN 2005:20) können und müssen. Diese Aussage wird unterstützt durch Klopstock, der darauf hinweist, dass es unmöglich ist die Wirklichkeit mit einer Karte abzubilden. Jeder Versuch den Erball auf eine Ebenefläche abzubilden führt zu einer Deformierung des Erdballs und somit zu einer Verzerrung. (vgl. KOHLSTOCK 2004:24). Teilweise ist es sogar notwendig „Sachverhalte“ zu „verschweigen, verzerren oder übertreiben.“ (HEYDEN 2005:20). Der Schüler bekommt somit die Realität anhand von Karten durch einen „subjektiven Filter“ (s.o.) präsentiert und soll so zu der Einsicht gelangen, „dass eine Karte die Wirklichkeit verkleinert, vereinfacht“ (SCHALLHORN 2007:99) und „in bestimmter Auswahl und je nach Maßstab unterschiedlich verzerrt“ (s.o.) wiedergegeben werden kann. Daraus ergibt sich, dass die Filterung unabdingbar ist. Geographische Karten wären ohne eine Generalisierung nutzlos, d.h., dass Karten, um einem didaktischen oder außerschulischen Zweck zu dienen, immer generalisiert sein müssen. „Der Wert einer Karte hängt […] davon ab, wie gut ihre geometrischen und inhaltlichen Generalisierungen einen ausgesuchten Aspekt der Realität widerspiegeln“ (MONMONIER 1996:44). Die Generalisierung beinhaltet dabei nach Kohlstock „die inhaltliche Vereinfachung durch Trennung des Wesentlichen vom Unwesentlichen“ (KOHLSTOCK 2004:81). Hale geht sogar noch weiter und spricht bei der Funktion der Karte nicht mehr von einem Abbild, sondern vielmehr von einem Modellcharakter. Diese Bezeichnung legitimiert die Generalisierung der Wirklichkeit ein weiteres Mal.

Die Generalisierung muss folglich Gegenstand des Unterrichts sein, damit zwischen dem Schüler und der Karte eine symmetrische Kommunikation entstehen kann. Geschieht dies nicht, kann der Schüler die Inhalte der Karte, und somit die manipulierten Inhalte nicht erkennen, weiterverarbeiten und beurteilen. Dies liegt auch daran, dass die Karte „ein Träger einer begrenzten Menge von primär Informationen (Zeichen)“ ist (HÜTTERMANN 1975:152).

Die Aufgabe des Geographieunterrichts muss daher die Auseinandersetzung und Interpretation manipulierter Karten sein, damit die Schüler eine umfassende Kartenkompetenz erhalten.

3.2 Aspekte der Kartendarstellung oder Kartenwahl

Die Aspekte der kartographischen Darstellung und Kartenauswahl lassen sich beispielhaft, jedoch nicht unkritisch, anhand der Peters-Projektion darstellen. Arno Peters Veröffentlichung löste eine nie da gewesene Kontroverse zwischen den einzelnen Stellvertretern kartographischer Projektionen aus. Ihren Ansatz findet die Peters-Projektion in der Wahl der Weltdarstellung. Peter kritisierte, dass die Wahrnehmung und das internationale Verständnis der Welt durch die Mercatorprojektion, welche die nördlichen Regionen stark vergrößert, verzerrt würden. Peters Begründung für die Änderung der Weltdarstellung findet sich in der Tatsache, dass die Mercatorprojektion die Antarktis ausschließt. Dies habe zur Folge, dass die Gefahren der Eisschmelze in der Antarktis verdrängt würden. Als Lösung gab Peter die flächentreuen Karten an, die auf Grund ihrer Genauigkeit und Fairness der Darstellung geeigneter wären. Viele Kritiker weisen noch heute die Botschaft Peters zurück. Dabei wäre es wichtig seine Grundbotschaft, dass Karten interessant sind und dementsprechend auch flächentreu dargestellt werden sollen, zu berücksichtigen. Denn die Kritik beider Seiten löst nicht das allgemeine Problem der Kartendarstellungen: „Keine ist perfekt, keine von ihnen kann perfekt sein.“ (WRIGHT 2004:45). Entscheidend bei allen Kartendarstellungen ist der Grund, dass wenn die Landformen richtig dargestellt sind, ihre Größe nicht mehr korrekt ist, und umgekehrt. Diese Tatsache wird von Wright als Schlüsselproblem der kartographischen Darstellungen bezeichnet. Als eine Lösung sieht er den Globus. Ein weiterer Lösungsansatz sind mehrpolige Weltkarten. Die Verwendung dieser Karten beschreibt Wright wie das Schälen einer Orange. Durch das Aufschneiden des Globus in den Ozeanen, gelingt es, Größe und Landform dem realen Zustand näher zu bringen. Gleichzeitig spricht Wright in der Folge verschiedene Aspekte an, die, aus der Sicht der Kritiker, gegen die mehrpoligen Kartendarstellungen sprechen könnten und widerlegt sie sofort. Die wichtigsten Aspekte sind dabei die Fragen nach der Verfügbarkeit, Fremdheit der Darstellung, Schnittkantenprobleme, Probleme bei der Messung von Entfernungen, Benachteiligung der Ozeane, sowie immer noch vorhandenen Verzerrungen und die „Eurozentriertheit“. Die Frage nach der Verfügbarkeit beantwortet Wright, indem er darauf verweist, dass diese Kartendarstellungen nur auf Grund mangelnder Nachfrage selten anzutreffen seien. Bei der Fremdheit geht er einmal auf den Aspekt der Unbekanntheit ein, gegen den er das Interesse anführt und die mögliche Verwirrung, die diese Darstellungsform auf die Kinder haben könnte. Letzteres verneint er strikt, indem er darauf hinweist, dass, wenn die Schüler mit dem Globus beginnen, diese Verwirrung erst gar nicht einsetzten würde. Dies ist sicherlich richtig, es sollte aber im Hinterkopf behalten werden, dass die Schüler auch manipulierte Karten erkennen sollen, bzw. die Vor- und Nachteile verschiedener Kartendarstellungen und Generalisierungsgraden. Das Problem der Schnittkanten sieht Wright als Chance, die eben angesprochene Tatsache zu verwirklichen. Weltkarten sollten nicht nur benutzt, sondern auch verstanden werden. Der Verstehensprozess beinhaltet dabei die symmetrische Kommunikation mit der Karte (vgl. 3.1). Die Behauptung, dass das Messen großer Entfernungen mit dieser Projektion nicht möglich sei, unterstützt er, symbolisiert jedoch im gleichen Satz die Potenziale dieser Tatsache und beruft sich schließlich wieder auf den Globus, der seiner Meinung nach, die genauste Darstellung sei. Auch beim Gegenargument, Japan sei verzerrt, gibt er sofort einen Lösungsansatz an. Ein weiterer Schnitt durch Sibirien löse dieses Problem nahezu. Beim Problem der Ozeanbenachteiligung weist Wright darauf hin, das dies nicht nur eine Nachteil der mehrpoligen Darstellung sei, sondern, dass dieses Problem in fast allen Karten, die einen ununterbrochenen Pazifik darstellen, zu finden ist (Vgl. WRIGHT 2004:46f).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die räumliche Orientierung
Untertitel
Kartenkompetenz: Die Manipulationsmöglichkeiten kartographischer Darstellungen
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Didaktik der Geographie)
Veranstaltung
Leistungsmessung Leistungsbeurteilung
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V114011
ISBN (eBook)
9783640144853
ISBN (Buch)
9783640146055
Dateigröße
1346 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Orientierung, Leistungsmessung, Leistungsbeurteilung
Arbeit zitieren
Ina Bartels (Autor:in), 2008, Die räumliche Orientierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114011

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