Meinungsumfragen im Kontext der französischen Präsidentschaftswahlen


Seminararbeit, 2002

20 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

0. Einleitung

1. Das Aufkommen der politischen Umfragen in Frankreich

2. Die Gesetzgebung

3.Die Bedeutung der Umfragen im Kontext der Präsidentschaftswahlen

4. Fehlkalkulationen
4.1 Geschichtlicher Rückblick
4.2 Die Durchführung der Befragung
4.3 Die Befragten

5. Die Politiker und die Umfragen
5.1 Vorteile der Umfragen für die Politiker

6. Die Wähler und die Umfragen

7. Manipulation oder Information

8. Gegner und Befürworter der politischen Meinungsumfragen
8.1 Gegner
8.2 Befürworter

9. Schlussbetrachtung

10. Anlagen

11. Literaturverzeichnis

Einleitung

Frankreich ist bekanntlich das Land, in dem die meisten Umfragen (sondages) durchgeführt werden. Vor allem während einer anstehenden Präsidentschaftswahl haben die diversen französischen Forschungsinstitute Hochkonjunktur. Statistiken zu verfassen erfordert ein genaues Arbeiten, doch in Anbetracht der Umstände, in denen sie verfasst werden, lassen sich Ungenauigkeiten kaum vermeiden. Eklatante Fehlkalkulationen, wie bei der letzten Präsidentschaftswahl sind dabei keine Seltenheit. Dieses Phänomen lässt sich auf verschiedenste Weise erklären und stellt den Schwerpunkt meiner Arbeit dar. Kontroverse Stellungnahmen sollen dazu motivieren , sich seine eigene Meinung über solche Umfragen zu bilden .

1. Das Aufkommen der politischen Umfragen in Frankreich

Die Meinungsumfrage als solche wurde in Amerika geboren. Eine entscheidende Rolle spielten dabei die Wahlen von 1936. Eine weit verbreitete Methode war damals die der „straw votes“: Wahlprognosen wurden von Zeitungen durchgeführt, indem sie ihre Leser dazu aufforderten, per Post einen ausgefüllten Coupon oder ein Antwortschreiben zu schicken.

Nach ihren Ermittlungen standen die Chancen für Franklin Roosevelt sehr schlecht; sie hatten jedoch nicht mit George Horace Gallup gerechnet, der gerade das erste, weltweite Umfrageinstitut eröffnet hatte. Mit seiner Prognose, dass Roosevelt als Sieger aus dem Rennen gehen würde, lag er entgegen allen Erwartungen völlig richtig. Dies war die Geburtsstunde der Umfragen.

2 Jahre später wird diese Methode der Meinungsumfrage vom Philosophen und Soziologen Jean Stoetzel nach Frankreich importiert, der noch im selben Jahr die Ifop( Institut francais d’opinion publique) gründet. Ihm ist auch die Einführung des Wortes “sondage“ 1939 zu verdanken.

Alfred Max, ebenfalls ein ehemaliger Schüler des Pioniers Gallup setzte sich 1939 dafür ein, dass die Zeitung Paris-Soir im April die aller erste Meinungsumfrage in Frankreich herausbrachte[1]. Auch wurden unter dem Regime der 4.Republik bereits “ politische Studien“ (études politiques) durchgeführt, doch sie blieben der Öffentlichkeit verborgen[2]

Es dauerte schließlich bis in die 50er Jahre bis die Umfragen Bekanntheit erlangten und in diversen Zeitungen und Magazinen wie Le Monde und vor allem l’Express erschienen.

Die Präsidentschaftswahlen von 1965 mit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts (suffrage universel) bedeuteten jedoch den wahren Durchbruch der Meinungsumfrageinstitute[3] in Frankreich. Wenige Wochen vor dem ersten Wahlgang veröffentlichte die Zeitung France-Soir zwei widersprüchliche Umfragen: Die erste stammte von der Ifop und prognostizierte den Sieg Charles de Gaulles im ersten Wahlgang mit 43%; die zweite vom französischen Geheimdienst

(renseignements généraux) , der de Gaulle 54% der Stimmen zuordnete[4]. Die Ifop sollte Recht behalten. Die Nähe der Prognosen zu den tatsächlichen Ergebnissen war unglaublich : De Gaulle erhielt schließlich 43,7% der abgegeben Stimmen. Die Umfragen waren auf dem besten Weg, die Herzen der Franzosen zu erobern und wichtiger Bestandteil ihres täglichen Lebens zu werden. Neu bei dieser Wahl war zudem, dass zum ersten mal die vorläufigen Wahlprognosen um 20 Uhr im Fernsehen ausgestrahlt wurden.[5]

Seitdem hat die Zahl der Umfrageinstitute rapide zugenommen und Frankreich den Ruf eingebracht, das Land zu sein ,in dem die meisten Umfragen durchgeführt werden.[6]

2. Die Gesetzgebung

Der Unmut vieler Politiker in den frühen Siebzigern und falsche Prognosen bei der Kommunalwahl von 1977( ein zu enger Personenkreis war befragt worden) veranlassten das französische Parlament schließlich dazu, ein Gesetz zu verabschieden, welches die „Veröffentlichung“, „Verbreitung“ und „Kommentierung“ von Meinungsumfragen ( die unmittelbar oder nur teilweise die anstehende Wahl betrafen) eine Woche vor jedem Wahlgang, sowie am Wahltag verbot[7].

Das Gesetz sah ebenfalls die Errichtung einer Kontrollinstanz vor, der Commision des sondages.[8] Sie ist dem Conseil d’Etat und seinen Mitgliedern unterstellt.

Das Gesetz n°77-808 trat am 19. Juli 1977 in Kraft.

Die Durchführung von Meinungsumfragen wurde vom Gesetz jedoch nicht verboten und so wurde die Bevölkerung bis kurz vor der Wahl weiter befragt . Entgegen den Gesetzesbestimmungen bekamen einige 100 „ Privilegierte“(les initiés) die Umfrageergebnisse zu Gesicht. Der Wähler selbst erfuhr niemals davon. Dies führte zu einer ungerechten Verteilung der Information[9]. Hinzu kam, dass die unaufhaltsame Ausbreitung der neuen Medien( vor allem des Internets) dieses „Publikationsverbot“ nahezu unmöglich machte. So konnte man z.B. während der Präsidentschaftswahl von 1995 der Homepage der Schweizer Zeitung „ Tribune de Genève“ Prognosen für den zweiten Wahlgang entnehmen, und dies eine Woche vor der Wahl . Zur Parlamentswahl von 1997 gaben einige französische Zeitungen, wie Libération, Le Parisien, France-Soir ausländische Internetadressen an, unter denen die Wahlprognosen eine Woche vor der Wahl zur Verfügung standen[10].

Wie es schon im Le Monde vom 17-18 März 2002 hieß: „comment empêcher les médias de publier les résultats de sondages désormais accesibles sur Internet pour tous ceux qui en ont la possibilité[...] sans porter atteinte à l’égalité des droits démocratiques“.[11]

Dies kam dem Gesetzesvorschlag von Laurent Fabius und Didier Mathus vom 22 juni 1999 sehr nahe: „Aujourd’hui, la loi et son application apparaissent inadaptées et placent les citoyens dans und situation inégale. Depuis plusieurs années [...] certains peuvent commander ou disposer de sondages plus ou moins confidentiels[...] Or le phénomène se développe sous la pression des techniques nouvelles et de l’internationalisation des échanges de données: L’information supposée interdite est en libre-service sur Internet, sur les fax[...], sur les chaînes de télévision câblées de nos voisins, dans les journaux qu’on peut se procurer aux frontières ou même à Paris.[...] l’interdiction prévue par les textes confine à une certaine hypocrisie qu’il importe de lever.“[12]

Dies würde eine „ Qualitätsgarantie“ der Meinungsumfragen stark in Frage stellen.[13]

Der französische Kassationshof entschied darüber hinaus, dass das Publikationsverbot eine Woche vor den Wahlen im Wiederspruch stehe zu den Artikeln 10 und 14 der europäischen Menschenrechtskonvention über die Einhaltung der Informationsfreiheit[14]. In Anbetracht dieser Tatsachen schien eine Änderung des Gesetzes von 1977 nahezu unumgänglich.

Am 22. Januar, bzw. 7. Februar haben die Nationalversammlung und der Senat das Gesetz über die Veröffentlichung und Verbreitung von Meinungsumfragen vor Wahlen (von 1977) novelliert[15].

Künftig wird es erlaubt sein, auch in der Woche direkt vor den beiden Wahlgängen Meinungsumfragen zu veröffentlichen und zu verbreiten, sowie diese zu kommentieren. Das Verbot gilt nur noch für den Vortag des Wahlganges und dem Wahltag selbst.

[...]


[1] Es ging um die Popularität mehrer europäischer ( u.a.Hitler) und amerikanischer Politiker

( http:// perso.wanadoo.fr/guy.pessiot/Sondages.htm, S. 3)

[2] vgl. Pierre Bréchon, S.109

[3] In Frankreich führen diese Institute vor allem Marktforschungsstudien durch, politische Meinungsumfragen machen nur einen geringen Anteil davon aus.

[4] Le Monde 17-18 März 2002, S.14

[5] perso.wanadoo.fr/guy.pessiot/Sondages.htm, S.2-3)

[6] Deutschland lässt sich dagegen für die Methode der Umfrage kaum erwärmen. Trotz der anstehenden Bundestagswahl im September wird pro Monat höchstens eine Umfrage herausgebracht; so veröffentlicht der Spiegel seinen Politbarometer statt jeden zweiten Monat nun jeden Monat. Auch die FAZ publiziert jeden Monat eine politische Umfrage, die jedoch nur auf den Seiten 2 oder 4 erscheint. (vgl. Le Monde 17-18 März 2002, S.15)

[7] Le Monde 17-18 März 2002, S.20

[8] vgl. Bréchon, S.110-112

[9] vgl. Le Monde 17-18 März 2002, S. 20

[10] www.senat.fr/rap/100- 310/100-31010.html

[11] Le Monde 17-18 März 2002, S. 20

[12] www.assemblee-nat.fr/propositions/pion1725.asp

[13] www.senat.fr/rap/100-310/100-31010.html)

[14] Le Monde 9 September 2001, S.10

[15] siehe Anhang

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Meinungsumfragen im Kontext der französischen Präsidentschaftswahlen
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Übersetzen und Dolmetschen)
Veranstaltung
Proseminar: Die Wahlen in Frankreich
Note
1
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V11401
ISBN (eBook)
9783638175739
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Meinungsumfragen, Kontext, Präsidentschaftswahlen, Proseminar, Wahlen, Frankreich
Arbeit zitieren
Mireille Schauwecker (Autor:in), 2002, Meinungsumfragen im Kontext der französischen Präsidentschaftswahlen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11401

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