Multilaterale Konfliktregelung und Akteurslegitimität: Fallstudie über die französische Rolle in der Côte d'Ivoire


Hausarbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

1- Die französische Intervention und die Legitimitätskrise in der Côte d’Ivoire
1.1- Die unilaterale Militärintervention Frankreichs
1.2- Die multilaterale Legitimierung der französischen Rolle

2- Das Ouagadougou-Abkommen als Folge der Legitimitätskrise
2.1- Entstehungsbedingungen des „Unmittelbaren Dialogs“
2.2- Zielsetzungen des Ouagadougou-Abkommens
2.3- Die Ergebnisse des Ouagadougou-Abkommens

Schluss

Literatur

Einführung

Zu den größten Herausforderungen, mit denen die Internationale Gemeinschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts konfrontiert ist, zählen die Sicherheit und der Frieden. Diese Bemerkung erklärt sich dadurch, dass die internationalen Beziehungen nach dem Ende des Kalten Krieges tief von Sicherheitsproblemen einer ganz anderen Natur geprägt sind. Einerseits geht es um Bürgerkriege in zahlreichen Regionen der Welt, die eine echte Gefahr für den Weltfrieden darstellen. Andererseits ist die Internationale Gemeinschaft oftmals Zeugin der terroristischen Barbarei, deren schlimmste Verwirklichung, zumindest bis jetzt, durch die Anschläge von 9/11 geliefert worden ist. Angesichts dieser Bedrohung für den Weltfrieden versuchen unterschiedliche Akteure - sei es auf multilateraler oder regionaler Ebene, sei es Initiativen einziger Staaten oder sogar von Privatorganisationen -, eine angemessene Lösung zu finden. Meistens besteht die Reaktion dieser Akteure in Peace-Building-Operationen. Diese Operationen betreffen die Entstehungsphase, die Eskalationsphase, die Austragungsphase, die Deeskalationsphase und die Konsolidierungsphase von Krisen (Ferdowsi et al 2004: 156). Diese Friedenssicherungsbemühungen erfolgen manchmal im Rahmen von Koalitionen, wie im Falle des „War on Terror“ zu beobachten ist, oder durch Initiativen von Einzelstaaten, die sich tauglich finden, eine effektive Antwort auf die betreffende Situation zu geben (Militärintervention Großbritanniens in Sierra Leone im Jahre 2000).

Wie wünschenswert solche Initiativen von Akteuren der Internationalen Gemeinschaft auch sein mögen, bedürfen die wirklichen Motive, nach denen sie durchgeführt werden, einer tieferen Analyse. Es kommt eigentlich manchmal vor, dass die humanitäre Rhetorik nationalstaatliche, neokolonialistische oder sogar imperialistische Motive verbirgt. Kennzeichnend dafür ist das Verhalten folgender Akteure, wie der folgende Textauszug deutlich darauf hinweist:

Many questions have been raised about the motivations for Nigeria’s participation in the Liberian peace operations (…) and similarly (…) Russia’s involvement in Georgia lays bare multifarious motivations. (…). [T]hese criticisms resemble those offered by observers to explain the French response to Rwanda. (…) NATO’s involvement in Bosnia after Dayton is criticism of serving particular parochial interests. Many critical observers argued that US involvement in Haiti was designed not for the promotion of Haitian democracy, but the quashing of domestic fears of deluge of Haitian refugees because of the consequent risks for Florida electoral politics (Smith/Weiss 1997: 613).

Interventionen dieser Art werfen dementsprechend immer das Problem der Legitimität der in Konfliktreglungen involvierten Akteure auf.

Die Legitimität ist ein sehr komplexer Begriff. Sie bezieht sich auf die Legalität, auf die Angemessenheit der Motive undlast but not leastauf die Akzeptanz einer gegebenen Realität durch deren Adressaten. In seiner Definition von Legitimität unterscheidet Dieter Nohlen zwischen Legitimitätsanspruch und Legitimitätsglauben. Legitimitätsanspruch versteht er als die Rechtmäßigkeit einer gegebenen politischen Ordnung, in der die Verwirklichung bestimmter Prinzipien garantiert sei oder als Anerkennungswürdigkeit einer politischen Ordnung. Der Legitimitätsanspruch habe daher eine normative Konnotation. Der Legitimitätsglaube verweist seinerseits auf einen empirischen Begriff der Legitimität und soll als die innere Anerkennung, das Einverständnis, das Gelten-Sollen einer Herrschaftsordnung verstanden werden, das die Beherrschten und die politischen Handelnden dieser zuschreiben (vgl. Nohlen/Schultze 2002: 511-513)[1]. Gerade diese Frage der Legitimität der in Konfliktbeilegungen einbezogenen Akteure scheint für das Verhalten Frankreichs im Bürgerkrieg in der Côte d’Ivoire eine besondere Bedeutung zu erlangen.

Die Côte d’Ivoire ist eine der ehemaligen Kolonien Frankreichs in Westafrika. Die Unabhängigkeit der Côte d’Ivoire erfolgte am 7. August 1960. Im politischen Bereich existierte eine einzige politische Partei, die das Schicksal des Landes bis 1990 bestimmt hat. Ab 1990 wurde das Mehrparteiensystem eingeführt. Diese Änderung der politischen Konstellation ist nichts Anderes als das Ergebnis des mit dem Ende des Kalten Krieges einhergehenden internationalen Druckes im Sinne der Demokratisierung Afrikas und der mehr und mehr wachsenden inländischen Proteste.

Der allererste Staatspräsident Félix Houphouet-Boigny[2] hat das Land in aller Freundschaft mit der ehemaligen Kolonialmacht regiert und wurde von mehreren Kritikern der französischen Afrikapolitik als Agent Frankreichs in Afrika betrachtet (vgl. Baulin 1980 ; Nandjui 1995). Dementsprechend hat er wirtschaftliche und militärische Verträge[3] mit Frankreich unterschrieben. Dies hat die Gründung des sogenannten französischen 43è BIMA (Bataillon d’Infanterie de Marine) in Abidjan zur Folge. Der 43è BIMA zählt zu den größten französischen Militärbasen außerhalb des französischen Territoriums. Aufgabe dieser Militärbasis war es, die französischen Interessen in Afrika im Kontext des Kalten Krieges zu verteidigen und zur gleichen Zeit die Destabilisierung des Regimes von Abidjan zu vermeiden. Wegen dieser Tatsache, aber auch wegen der günstigen geo-klimatischen Faktoren, ist es dem ersten Präsidenten gelungen, der Côte d’Ivoire eine relativ bessere Wirtschaftslage[4] in Afrika zu verleihen. Die Côte d’Ivoire ist in der Tat der erste Produzent von Kakao in der Welt. Daneben ist das Land einer der bedeutendsten Lieferanten von Kaffee, Palmöl und Gummi auf dem Weltmarkt. Vor ein paar Jahren sind bedeutende Erdölvorkommen im Atlantischen Ozean am Golf von Guinea entdeckt worden und eröffnen dem Land interessante Perspektiven. Diese „goldenen“ Perspektiven werden aber durch den Bürgerkrieg, der am 19. September 2002 angefangen hat, kompromittiert werden.

In der Nacht vom 18. September 2002 erlebte die Côte d’Ivoire das größte Trauma ihre Geschichte. Rebellen, die sich angeblich im nördlichen Nachbarland Burkina Faso vorbereitet haben, haben mehrere Städte fast simultan angegriffen. Angesichts dieser Situation hatte die ivorische Regierung gemäß einer „geheimen Klausel der Verteidigungsverträge[5]“ die Unterstützung von Paris verlangt. Paris hat sich geweigert und hat eher Truppen in die Côte d’Ivoire geschickt, um die französischen und amerikanischen Angehörigen zu evakuieren. Diese Haltung Frankreichs erklärt sich durch die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Paris und Abidjan seit dem Regierungsantritt von Laurent Gbagbo[6] in der Côte d’Ivoire im Oktober 2000. Diese Haltung von Paris wurde als Bestätigung der in der ivorischen Bevölkerung wohl verbreiteten Idee, dass Jacques Chirac die Rebellen bewaffnet habe, um die Regierung von Laurent Gbagbo umzustürzen (Mamadou 2003:La guerre de la France contre la Côte d’Ivoire). Deswegen hat die Einbeziehung Frankreichs in die Regelung der ivorischen Krise zur Legitimitätskrise geführt und im Endeffekt alle Bemühungen auf multilateraler Ebene zunichte gemacht. Die Frage ist unter diesen Umständen, inwieweit die Rolle Frankreichs als Akteur dieser Konfliktbeilegung zum Scheitern aller UNO-Resolutionen geführt hat.

Zur Beantwortung dieser Frage werden im ersten Teil die Rolle Frankreichs als Peacekeeper und die damit einhergehende Legitimitätskrise erläutert werden. Im zweiten Teil wird es darum gehen, das am 4. März 2007 unterschriebene Ouagadougou-Abkommen und dessen Bedeutung als Überwindung dieser Legitimitätskrise anzusprechen.

1- Die französische Intervention und die Legitimitätskrise in der Côte d’Ivoire

Die Einbeziehung Frankreichs in die Beilegung der militärisch-politischen Krise in der Côte d’Ivoire verfolgte zwei Wege: Die unilaterale Intervention der französischen Armee und die multilaterale Legitimierung dieser Intervention.

1.1- Die unilaterale Militärintervention Frankreichs

Unilaterale Militärinterventionen der französischen Armee in Afrika sind kein seltsames Ereignis. Zur Zeit des Kalten Krieges haben französische Truppen an mehreren Streitigkeiten in Afrika teilgenommen. Folgende Beispiele bestätigen eine solche Aussage: Anfang der 60er Jahre in Kamerun, um den Bamileke-Stamm zugunsten der Regierung zu unterdrücken. In den 70er Jahren in Tschad waren sie an Kämpfen gegen Rebellen im Norden des Landes beteiligt. In der gleichen Zeitperiode gab es Einsätze französischer Fallschirmjäger in Zaire (DR-Kongo heute) oder die Unterstützung pro-französischer Söldner in Guinea, Angola oder in Benin (vgl. http://www.monde-diplomatique.fr/2002/11/LEYMARIE/17052: Le Monde diplomatique/November 2002 /Letzter Zugriff:12.10.07).

[...]


[1] In seiner Definition der Legitimität verweist Dieter Nohlen auf die Arbeiten von mehreren Autoren. Max Weber unterscheidet zum Beispiel zwischen drei Formen legitimer Herrschaft: die traditionale, die charismatische und die legale Form. Bei D. Sternberg geht es um die numinose (auf Göttlichkeit beruhend) Legitimität und die pragmatische Legitimität (durch Thronfolge geregelte oder monokratisch bestimmte Ämterbesetzung). S. M. Lipset versteht Legitimität als die Fähigkeit eines Systems, die Überzeugung herzustellen und aufrechtzuerhalten. Dazu besteht die Aufgabe der Herrschenden darin, die Angemessenheit der Institution zu garantieren. Legitimität bzw. Legitimation ist bei N. Luhmann nichts Anderes als ein Verfahren, wobei die Bevölkerung normative und materielle Erwartungen den Herrschenden gegenüber hat. Legitimität hat bei D. Easton mit der Leistung der Herrschenden zu tun. Er unterscheidet zwischen diffuser Legitimität (unabhängig von Effektivität einer politischen Herrschaft) und der auf Politikergebnisse bezogene Legitimität. Für J. Heidorn hat der Legitimitätsglaube keine absoluten normativen Standards. Er ist eher pluralistisch und basiert auf heterogenen Sinnwelten, die mit den historischen oder zeitlichen gesellschaftlichen Realitäten eng verbunden sind.

[2] Zur Kolonialzeit war Houphouet-Boigny (1905-1993) Führer der Afrikanischen Landwirtschaftlichen Gewerkschaft (SAA: Syndicat Agricole Africain). Er war mehrmals Abgeordneter im Französischen Parlament als Vertreter der Kolonie Elfenbeinküste und Minister der IV. und V. Franzosischen Republiken. Die Idee einer Unabhängigkeit der afrikanischen Kolonien hatte bei ihm keinen besonderen Enthusiasmus erweckt. Er war eher für die Autonomie dieser Kolonien im Schosse derCommunauté Franḉaise.Unter den afrikanischen Regierenden war er für seine Treue Frankreich gegenüber sehr berühmt. In der Debatte um den Panafrikanismus Anfang der 60er Jahre war er als Gegner von Kwame N’krumah (Ghana) und Sékou Touré (Guinea-Conakry) gegen die Idee einer raschen föderalen Integration des afrikanischen Kontinents. Ihm war eher eine Dynamik der unterregionalen Integration und gilt heute noch als einer der Gründerväter der ECOWAS.

[3] Es geht um Pauschalverträge, die mit drei Ländern desConseil de l’Entente(Benin, Côte d’Ivoire und Niger) am 24. April 1961unterschrieben worden sind, um sogenannte Präferenzbeziehungen zu etablieren.

[4] Seit Anfang der 80er Jahre erlebt das Land eine Wirtschaftskrise, die auf die Verschlechterung der Handelsbeziehungen und diebad governanceder jeweiligen politischen Eliten zurückzuführen ist.

[5] In Übereinstimmung mit dieser Klausel haben die französischen Truppen an Militäroperationen Anfang der 60er und 70er Jahre teilgenommen, um jeweils die Revolte der Sanwi und die der Guebié zu unterdrücken und im Endeffekt das Regime von Houphouet-Boigny zu konsolidieren.

[6] Laurent Gbagbo war der bedeutendste Gegner des Regimes von Houphouet-Boigny. Er hatte die neokolonialistische Art der Beziehungen zwischen Paris und den ehemaligen Kolonien stets getadelt. Er war nämlich für eine Neudefinierung der Partnerschaft mit Frankreich. Nachdem er den Putschisten, General Robert Guéi in den Präsidentschaftswahlen von 2000 besiegt hatte, kam er an die Macht.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Multilaterale Konfliktregelung und Akteurslegitimität: Fallstudie über die französische Rolle in der Côte d'Ivoire
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut für politische Wissenschaft München)
Veranstaltung
Global Security Governance
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V113920
ISBN (eBook)
9783640146895
ISBN (Buch)
9783640146963
Dateigröße
495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Multilaterale, Konfliktregelung, Akteurslegitimität, Fallstudie, Rolle, Côte, Ivoire, Global, Security, Governance
Arbeit zitieren
Doktorand Botiagne Marc Essis (Autor:in), 2007, Multilaterale Konfliktregelung und Akteurslegitimität: Fallstudie über die französische Rolle in der Côte d'Ivoire, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113920

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