Trennungs- und Wiedervereinigungswünsche in Korea - Vom literarischen Umgang mit der Teilung des Landes dargestellt an zwei koreanischen Texten


Seminararbeit, 2002

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Kurze Geschichte der Teilung Koreas nach 1910

3. Chung-Jun Lee: Die weiße Azalee
3.1 Wiedervereinigungswünsche
3.2 Symbolik

4. Sae-Deok Ham: Der kleine Mönch
4.1 Trennungs- und Wiedervereinigungswünsche
4.2 Symbolik und drei mögliche Exegesen

5. Parallelen und Unterschiede
5.1 Parallelen
5.2 Unterschiede

6. Schlussbemerkungen

7. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Die zentrale Fragestellung dieser Hausarbeit wird es sein, wie in der modernen Literatur Koreas die Teilung des Landes dargestellt wird.

Um dieser Fragestellung auf den Grund zu gehen, werde ich mich auf zwei Texte der koreanischen Literatur konzentrieren. Dies wird zum einen die Erzählung Die weiße Azalee von Chung-Jun Lee und zum anderen das Stück Der kleine Mönch von Sae-Deok Ham sein.

Die Zielsetzung dieser Hausarbeit ist es nun, in den Texten nach Anhaltspunkten für den Umgang mit der Teilung Koreas zu suchen. Dabei werde ich mich vor allem auf Teilungs- und Wiedervereinigungswünsche sowie deren Symbolik im literarischen Text konzentrieren.

Dieser Zielsetzung folgt auch der Aufbau der Hausarbeit. Zuvor wird ein kurzer Überblick der Teilung Koreas seit 1910 gegeben. Im Hauptteil meiner Ausarbeitung werde ich mich zuerst mit der Erzählung Die weiße Azalee befassen, wie in ihr der Wunsch nach Wiedervereinigung und der Verlust von Heimat und Familie literarisch verarbeitet wird. Im Anschluss daran wird auf die Symbolik einzugehen sein. Danach werde ich das Stück Der kleine Mönch näher betrachten und versuchen herauszuarbeiten, wie nicht nur Wiedervereinigungswünsche, sondern auch der Wunsch nach Trennung und Flucht literarisch dargestellt wird. Die Symbolik und

drei verschiedene Exegesen werden in einem gesonderten Abschnitt behandelt. Anschließend werden Parallelen und Unterscheide zwischen beiden Texten in Bezug auf die Fragestellung aufgezeigt.

2. Kurze Geschichte der Teilung Koreas nach 1910

Japan annektierte Korea 1910, nachdem es den russisch-japanischen Krieg 1904/05 gewann. Nach Japans Niederlage im II. Weltkrieg wurde Korea von der UdSSR und den USA besetzt und von Japan gelöst. Das Land wurde längs des 38. Breitengrades in eine sowjetische Interessensphäre im Norden und eine amerikanische Interessensphäre im Süden geteilt. Durch den Wiederstand der UdSSR kam es nicht zur Schaffung einer provisorischen Regierung und freien Wahlen.

Im Spätsommer 1948 wurde die Volksdemokratische Republik Korea im Norden ausgerufen, nachdem sich bereits im Juli 1948 die Republik Korea im Süden eine eigene Verfassung gab.

Durch den Einmarsch nordkoreanischer Truppen in Südkorea im Juni 1950 kam es zum Koreakrieg, der 1953 durch einen Waffenstillstand beendet wurde. Die Grenze zwischen den beiden Staaten wurde danach hermetisch abgeriegelt. 1971 fand ein erster vorsichtiger Kontakt der beiden Länder statt und es wurden Gespräche über Familienzusammenführungen und humanitäre Fragen geführt, bis 1973 durch die Weigerung Nordkoreas der Kontakt abbrach.[1] Als 1989 die Sowjetunion zusammenbrach wirkte sich das positiv auf die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea aus und setzte ein Signal, denn der Weg für einen vorsichtigen Frieden beider Länder scheint geebnet.[2] So gab es 1990 erneute Regierungskontakte und im Dezember 1991 wurde ein Vertrag über Versöhnung, Nichtangriff, Austausch und Zusammenarbeit unterzeichnet.

Zwischen 1995 und 1999 kam es zu erneuten, aber nur kurzen militärischen Auseinandersetzungen, die seit dem Jahr 2000 durch ein historisches Treffen des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong Il und dem südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung wohl endgültig der Vergangenheit angehören werden. Auf diesem Treffen wurde ein Abkommen zur Aussöhnung und Maßnahmen zu einer möglichen Wiedervereinigung beschlossen. Im Jahr 2000 kam es schließlich auch zu den ersten offiziellen Familienzusammenführungen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.

3. Chung-Jun Lee: Die weiße Azalee

Die 1985 erstmals veröffentlichte Erzählung entstand unter dem Eindruck einer Fernsehreihe, in welcher der koreanische Sender KBS erstmals Familien zusammenführte. Sie berichtet von einer alten Frau, die ihr Haus im Süden Seouls aufgeben musste und fortzog. Ihr Haus wurde abgerissen, ein neues errichtet. Allein eine alte Azalee blieb verschont, um fortan im Garten des neuen Hauses zu blühen. Die Azalee erfreut sich allgemeiner Beliebtheit bei den neuen Hausbesitzern, denn sie ist nicht nur groß und kräftig, sondern auch eine weiße Azalee. Die alte Frau, im Traum sieht sie jeden Frühling „ihre“ Azalee blühen, beobachtet als Kräuterverkäuferin die Azalee von der gegenüberliegenden Straßenseite, wie sie mit ihrer vollen Blütenkrone über die Gartenmauer ragt. Zunächst unbemerkt von den Hausbesitzern tut sie dies mehrere Jahre. Eines Tages schließlich wird sie von den neuen Hausbesitzern herein gebeten und sie erfahren, was die alte Frau, sie nennen sie „Großmutter“, für Erinnerungen und Gefühle mit der Azalee verbindet. Der Strauch, die Azalee ist ein Heidestrauchgewächs, war ein Hochzeitsgeschenk ihrer Mutter, die nach der Teilung des Landes in ihrer Heimat Nordkorea blieb. Seitdem hat die alte Frau keinerlei Nachricht über den Verbleib ihrer Familie erhalten. In der Azalee sucht die alte Frau Trost über den Verlust ihrer Familie. Nun kommt die alte Frau jeden Frühling in das Haus und besucht „ihre“ Azalee. Dies tut sie neun Jahre lang, bis sie schließlich nicht mehr kommt. Die neuen Hausbesitzer machen sich sehr große Sorgen um das Schicksal der „Großmutter“, die, es wird nur angedeutet, wahrscheinlich gestorben ist.

Die Erzählung Die weiße Azalee behandelt den Verlust der Heimat und der Familie durch die Teilung Koreas. Im folgenden soll nun erläutert werden, wie Wiedervereinigungswünsche entstehen und wie sie in der Erzählung zu Tage treten. Die Symbolik der Erzählung schließt sich an.

3.1 Wiedervereinigungswünsche

Nach der Teilung Koreas 1945 wurden sehr viele Familien von einander getrennt. Es gab keinerlei Nachrichten über den Verbleib und das Schicksal von Eltern, Geschwistern oder Kindern, so dass als Folge dessen in vielen Menschen in Nord- und Südkorea der Wunsch nach Wiedervereinigung wuchs. Der Grund, warum das Bestreben nach Wiedervereinigung im Individuum erwächst ist offensichtlich, denn die Familie gehört zu den wichtigsten Stützen im Leben eines Menschen. In Asien hat die Familie eine noch höhere Stellung als in Europa oder Amerika. Nicht selten kommt es vor, dass Eltern bei ihren Kindern wohnen oder umgekehrt und so miteinander, aber vor allem füreinander leben. Diese Gesellschaftsform ist in Europa so gut wie nicht anzutreffen.

Diese Thematik zieht sich durch die gesamte Erzählung. In Die weiße Azalee tritt besonders die Trauer über den ungewissen Verbleib der Mutter der alten Frau hervor. Um diese Problematik in einem größeren gesellschaftlichen Kontext genauer verstehen zu können, muss man zunächst etwas über das Verhältnis von Frauen in Asien und speziell in Korea wissen, das sich sehr stark von dem in Europa unterscheidet. Die koreanischen Frauen sind sehr kontaktfreudig untereinander, so dass enge Bande zwischen ihnen entstehen und auch bestehen bleiben; sie unternehmen Ausflüge, lachen, tanzen oder picknicken zusammen.[3] Aus diesem Verhalten lässt sich nun ableiten, dass auch zwischen der alten Frau und ihrer Mutter eine sehr enge Bindung bestand und noch immer besteht. Denn ihre Wurzeln liegen in Nordkorea, das sie nach ihrer Heirat verließ, um in den Süden von Seoul zu ziehen. Fortan wuchs die Azalee im Garten des Hauses und war das Andenken der in der Heimat gebliebenen Eltern.

3.2 Symbolik

Die weiße Azalee besticht durch eine Symbolik, die weder versteckt noch zu offensichtlich ist. In ihr fügen sich die einzelnen Symbole, die im folgenden näher betrachtet werden, in die Hauptthematik des Heimat- und Familienverlustes ein. Im Verlauf der Erzählung werden die Symbole konkreter, teils durch Kommentare des Ich-Erzählers, teils erklärt sich die Bedeutung aus dem Erzählstrang selbst.

Die Azalee ist das vorherrschende Symbol, sie gibt der Erzählung ihren Namen und ist im gesamten Verlauf immer präsent. Sei es direkt oder indirekt durch ihre weißen Blüten. Sie ist es, der sich alle anderen Symbole unterordnen, sie verbindet sie erst zu einem großen Ganzen und wird so zum Hauptbedeutungsträger. Wie aus dem Nachwort der Erzählung zu erfahren ist, wird die Azalee „zum Symbol des Verlorenen [...] zum Bild der Heimat und Familie.“ Als einziges Symbol wird die Azalee, und auch ihre Blüten, durch den Ich-Erzähler kommentiert und erklärt, was ihre besondere Stellung noch bekräftigt. Der Erzähler sagt, die Azalee „bewahre das Andenken der Eltern“ und weiter vermutet er, die alte Frau sei „durch die Azaleenblüten mit ihrer Familie und ihrer Heimat verbunden“. Die Azalee ist auch als eine Landmarke zu sehen, die als Wegweiser fungiert; nicht nur für die „Großmutter“, sondern auch für deren Mutter. Denn falls ihr die Flucht aus Nordkorea gelingen sollte „musste sie sich doch des Strauches erinnern.“ So wird die Azalee „Hort der Sehnsucht und Ort der Hoffnung auf eine Nachricht“ der Mutter. Weiter kann die Azalee auch für Gedanken, Gefühle und Erinnerungen stehen, was durch das Wachstum angedeutet und durch das Symbol der Mauer noch verdeutlicht wird.

[...]


[1] Hielscher, Gebhard: 38mal Korea. München, 1988; S. 411-416

[2] Hung-Hyon Kim: Deutsche und Koreaner – Gemeinsamkeiten und Gegensätze. Seoul, 1998; S. 183

[3] Weggel, Oskar: Die Asiaten. München, 1994; S. 275

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Trennungs- und Wiedervereinigungswünsche in Korea - Vom literarischen Umgang mit der Teilung des Landes dargestellt an zwei koreanischen Texten
Hochschule
Universität Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Seminar: Wie fern ist Fernost?
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V11391
ISBN (eBook)
9783638175647
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Da diese Arbeit im Rahmen eines Seminares im Studium Fundamentale entstand, das Literatur und Geschichte interdisziplinär zu verbinden versuchte, habe ich diese Arbeit nicht als literaturwissenschaftliche eingeordnet, sondern als geschichtliche, auch wenn sie beide Aspekte vereinigt. 199 KB
Schlagworte
Trennungs-, Wiedervereinigungswünsche, Korea, Umgang, Teilung, Landes, Texten, Seminar, Fernost
Arbeit zitieren
Tobias Sichert (Autor:in), 2002, Trennungs- und Wiedervereinigungswünsche in Korea - Vom literarischen Umgang mit der Teilung des Landes dargestellt an zwei koreanischen Texten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11391

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Trennungs- und Wiedervereinigungswünsche in Korea - Vom literarischen Umgang mit der Teilung des Landes dargestellt an zwei koreanischen Texten



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden