Aus welchen Gründen unterzeichneten Deutschland und die Sowjetunion den Berliner Vertrag?


Hausarbeit, 2001

13 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung

2. Die Motive der beiden Staaten für die Unterzeichnung des Berliner Vertrages
2.1 Die deutschen Motive
2.2 Die sowjetischen Motive

3. Fazit

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 24. April 1926 unterzeichneten der Reichsminister des Auswärtigen, Dr. Gustav Stresemann und der sowjetische Botschafter Nikolai Krestinski, den Berliner Vertrag.

Der Rapallo Vertrag schuf die Grundlage für eine neue Etappe in der Entwicklung deutsch-sowjetischer Beziehungen[1]. Auf dem Rapallo Vertrag basierend wurde die Unterzeichnung des Berliner Vertrages, sowohl von der deutschen Regierung, als auch von der sowjetischen Regierung, als ein Höhepunkt der Rapallo-Politik verbucht[2].

In der Forschung wird häufig die deutsche Außenpolitik unter dem Aspekt der West- und Ostorientierung betrachtet und der Berliner Vertrag als das notwendige Gegenstück zu den Locarno Verträgen angesehen[3]. Diese Arbeit soll sich nun mit den Gründen beschäftigen, die zur Unterzeichnung des Berliner Vertrages geführt haben. Aus welchen Motiven heraus strebten Deutschland und die Sowjetunion diesen Freundschaftsvertrag an? War es nur der Wunsch, alles zu tun, was zur Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens beitragen kann, wie die einleitenden Worte des Vertragstextes behaupten?

Die Literaturlage zu diesem Thema ist gut. Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen und Quellen, die den Berliner Vertrag zum Inhalt haben. Grundlegend zu diesem Thema sind die Akten zur deutschen auswärtigen Politik[4]. In zahlreichen Dokumenten wird darin der Verlauf der Verhandlungen bis schließlich zur Unterzeichnung des Berliner Vertrages sehr gut dokumentiert.

2. Die Motive der beiden Staaten für die Unterzeichnung des Berliner Vertrages

2.1 Die deutschen Motive

Mit der Regelung der deutschen Reparationsleistungen auf der Londoner Konferenz im Sommer 1924 (Dawes-Plan) und dem Abschluß des Locarno Vertrages 1925 war Deutschland der Weg zum Eintritt in den Völkerbund eröffnet worden. Der Eintritt in den Völkerbund schloß ein gutes Verhältnis deutscherseits zu der Sowjetunion nicht aus. Dennoch gab es sowohl eine rechte als auch eine linke Opposition, die den Völkerbund als Machtinstrument der Siegermächte ablehnten und sich gegen den Eintritt aussprachen. Diese argumentierten, daß Deutschland durch den Eintritt in den Völkerbund das gute Verhältnis zu der Sowjetunion gefährden würde[5].

Tatsächlich sprach sich die Sowjetunion gegen den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund aus und äußerte wiederholt ihr Mißfallen über diese Entwicklung[6]. Daraufhin versuchte die deutsche Regierung die Sowjetunion zu beruhigen und gab bekannt, daß sie nicht gewillt sei, dem Völkerbund die bisherige gute deutsch-sowjetische Beziehung zu opfern. Auch werde sich die deutsche Regierung nicht in anti-russische Bündnisse mit hinein ziehen lassen. Die Sowjetunion wurde sogar über den Stand der Verhandlungen laufend unterrichtet[7].

Die sowjetische Regierung ließ sich durch Versicherungen deutscherseits nicht beschwichtigen. Sie sah in dem Anschluß Deutschlands an den Völkerbund das Ende der Rapallo-Politik. Sie betrachtete den Locarno Vertrag und den Völkerbund als die Vorbereitung eines Kreuzzuges der kapitalistischen Mächte gegen den Sozialismus[8].

Daher scheute die Sowjetunion nicht davor zurück, ihre Mißbilligung noch schärfer zu äußern und deutete an, daß sie gezwungen sein werde „andere Wege zu suchen”[9]. Eine sowjetische Kursänderung konnte eine Annäherung an Frankreich oder Polen bedeuten. Und eine russische Allianz mit jedem dieser beiden Staaten berührte auch die deutschen Interessen.

Neben dem Wunsch das Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion zu befriedigen, spielte auch die deutsche Reichswehr eine Rolle bei der Unterzeichnung des Berliner Vertrages. Die Reichswehr war sehr an der Intensivierung der Beziehungen zu Rußland interessiert[10]. Sie wünschte Deutschlands Stellung als Großmacht wieder herzustellen. Deutschland sollte politisch erstarken, um nicht der Gnade oder Ungnade der „Ententemächte” ausgeliefert zu sein[11].

Schon durch den Rapallo Vertrag vergrößerte Deutschland seine außenpolitische Manövrierfähigkeit und schaffte damit die Grundlagen seiner ostorientierten Außenpolitik[12]. Diese Grundlagen wollte die Rechtsopposition weiter ausbauen. Sie sah in den Verhandlungen mit der Sowjetunion die Möglichkeit gegeben, die deutsch-polnischen Grenzen zu revidieren. Auch von anderen Parteien und Kabinetten war die vorrangig erhobene Forderung die Revision des „Versailler Unrechts”[13]. Das Streben nach Revision lag allen Spielarten der Weimarer Außenpolitik zugrunde.

Sie wollten den Versailler Vertrag mittels eines guten Verhältnisses zur Sowjetunion aushebeln[14]. Entgegen aller ideologischer Differenzen war deren angestrebtes Ziel, mit der Unterstützung der Sowjetunion die Rückgewinnung der an Polen abgetretenen Gebiete zu erreichen. Die Voraussetzung dazu hatte die deutsche Außenpolitik bereits in den Verträgen von Locarno durchgesetzt, indem sie zwar die Westgrenzen anerkannte, aber die Anerkennung der deutschen Ostgrenzen ausblieb.

Da der Eintritt in den Völkerbund bereits verhandelt wurde, wollte Deutschland nicht gleich zu Beginn der Völkerbundsmitgliedschaft einen Konflikt heraufbeschwören. Die Rechtsopposition jedoch nötigte, im Zusammenspiel mit den Russen, den Außenminister Stresemann zum Handeln, so daß dieser von seiner ursprünglichen Absicht, erst nach dem Eintritt in den Völkerbund das Abkommen mit der Sowjetunion abzuschließen, aufgeben mußte[15].

Bei den Verhandlungen erklärte die deutsche Regierung, daß sie auch ohne eine vertragliche Regelung, sich aus einem Krieg gegen die Sowjetunion heraushalten wolle[16]. Aber die Sowjetunion lehnte mündliche Absprachen oder ein Protokoll ab und bestand auf ein formelles Abkommen in Form eines Vertrages[17].

Bei den Verhandlungen zum Berliner Vertrag spielte Artikel 16 der Völkerbundsatzung eine wichtige Rolle. Dieser Artikel legte allen Mitgliedern die Verpflichtung auf, sich Sanktionen anzuschließen, die vom Völkerbundsrat gegen einen Aggressor beschlossen wurden.

Deutschland hatte jedoch die Grundlagen für den Berliner Vertrag bereits mit den Zusatzerklärungen bezüglich des Artikel 16 zu den Locarno Verträgen ermöglicht. Die deutsche Delegation hatte bei den Verhandlungen zu Locarno eine Regelung durchgesetzt, der zufolge Deutschland zu Sanktionen im Rahmen des Artikel 16 nur in dem Maße verpflichtet sein sollte, wie es mit seiner militärischen Lage zu vereinbaren war und seiner geographischen Situation Rechnung trug[18]. Das bedeutete die Ablehnung des Durchmarschrechtes, weil das weitgehend abgerüstete Stresemann hatte im Februar 1926 geäußert, daß er erst nach dem Eintritt in den Völkerbund den Berliner Vertrag abschließen wolle, weil ein vorhergehender Abschluß die Frage der Ratssitze im Völkerbund zum Nachteil Deutschlands entscheiden würde.

[...]


[1] Doernberg, Stefan (Hrsg.): Deutsch-sowjetischer Beziehungen 1922-1925. Vom Rapallo Vertrag bis zu den Verträgen vom 12 Oktober 1925. Berlin 1978.

[2] Hildermeier, Manfred: Geschichte der Sowjetunion 1917-1991. Entstehung und Niedergang des ersten sozialistischen Staates. München 1998. S. 361.

[3] Köhler, Henning: Geschichte der Weimarer Republik. Beiträge zur Zeitgeschichte Bd. 4. Berlin 1982. S. 33.

[4] Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Serie B: 1925-1933 Band. II., 1 und 2: Dezember 1925 bis Juni 1926. Deutschlands Beziehungen zur Sowjetunion und zu den baltischen Staaten. Göttingen 1967.

[5] Linke, Horst G. (Hrsg.): Quellen zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen 1917-1945. Quellen zu den Beziehungen Deutschlands zu seinen Nachbarn im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 8. Darmstadt 1998. S. 129.

[6] Michaelis, Herbert (Hrsg.) und Schräpler, Ernst (Hrsg.): Die Weimarer Republik. Die Wende der Nachkriegspolitik 1924-1928. Ursachen und Folgen vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart. Eine Urkunden- und Dokumentensammlung zur Zeitgeschichte. Bd. 6. Berlin. S. 622.

[7] ebenda.

[8] Thürauf, Ulrich (Hrsg.): Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge 1926. München 1927. S. 86.

[9] Michaelis, Herbert (Hrsg.) und. Schräpler, Ernst (Hrsg.), S.632

[10] Köhler, S. 33.

[11] Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Serie B: 1925-1933. Bd. II, 2. S. 98

[12] Köhler, S. 35.

[13] Linke, Horst G. (Hrsg.), S. 5.

[14] Linke, Horst G. (Hrsg.), S. 4.

[15] Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Serie B: 1925-1933. Bd. II, 1. S. 188.

[16] ebenda S. 20.

[17] ebenda S. 171.

[18] Köhler, S. 55.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Aus welchen Gründen unterzeichneten Deutschland und die Sowjetunion den Berliner Vertrag?
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Locarno Weimarer Republik
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
13
Katalognummer
V113818
ISBN (eBook)
9783640185177
ISBN (Buch)
9783640185245
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gründen, Deutschland, Sowjetunion, Berliner, Vertrag, Locarno, Weimarer, Republik
Arbeit zitieren
Kadir Özdemir (Autor:in), 2001, Aus welchen Gründen unterzeichneten Deutschland und die Sowjetunion den Berliner Vertrag?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113818

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Aus welchen Gründen unterzeichneten Deutschland und die Sowjetunion den Berliner Vertrag?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden